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Gemischtes Doppel

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12.05.2025
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Gemischtes Doppel

Als freiberuflicher Mitarbeiter im Außendienst eines wissenschaftlichen Beratungsunternehmens führe ich in meinen mittleren Jahren ein Dasein in Zufriedenheit - eigentlich. Der berufliche Erfolg verschafft mir materielle Sicherheit, die Anforderungen des Familienlebens lebe ich flexibel aus, alles ist bestens organisiert. Gleichwohl, irgendetwas irritiert mich seit geraumer Zeit in meinem Wohlbefinden; ein diffuses Gefühl, etwas Unbehagliches steigt zeitweilig in mir auf. Ich grüble, versuche eine plausible Erklärung dafür zu finden, und bei ehrlicher Einschätzung komme ich zu dem Schluss, diese Irritation ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass ich seit mehreren Jahren ein Doppelleben führe. Auf der einen Seite lebe ich in einer offiziellen Familie mit meiner Ehefrau Clara und unseren zwei gemeinsamen Kindern; andererseits gibt es eine zweite, eheähnliche Beziehung mit Sophie - keine der beiden Familien weiß von der Existenz der jeweils anderen.

Seit mehreren Jahren führe ich dieses Doppelleben schon, habe es dabei geschafft, beide familiären Belange gekonnt voneinander zu trennen, ich jonglierte perfekt mit gut durchorganisierten Täuschungsmanövern. So pendelte ich geschmeidig zwischen den Ansprüchen meiner zwei Familien, indem ich die geografischen Distanzen der Berufstätigkeit im Außendienst als Erklärung für meine zeitweilige Abwesenheit benutzte. Beide Familien gingen davon aus, dass ich während dieser Zeit berufsbedingt unerreichbar wäre - weder Clara noch Sophie ahnten etwas von diesem doppelten Spiel. Meine Unzufriedenheit steigert sich im Laufe der Zeit, mündet in essentielle Zweifel, ich stelle mein Leben neuerdings grundsätzlich infrage, was bis dahin für mich unvorstellbar war. In dieser Zwickmühle fühle ich mich zunehmend von der permanenten Lüge belastet. Der moralische Druck wird immer stärker, und die Tatsache, zwei Leben parallel zu führen, hinterlässt Spuren in mir, zermürbt meine innere Struktur. In einem Moment der vermeintlichen Klarheit über meine Gefühle komme ich zu einem für mich vorher nicht denkbaren Entschluss: Ich entscheide mich, die außereheliche Beziehung zu beenden, um mich ausschließlich auf meine offizielle Familie zu konzentrieren. Ich bin in dieser Phase von der Idee getrieben, dass dies der erste Schritt sein könnte, meine Integrität wieder herzustellen, und das Gefühlschaos, das ich verursacht habe, zu beseitigen. Ich möchte endlich wieder in einem unbelasteten Seelenzustand leben. Aufkeimende Zweifel an diesem Vorhaben lassen mich nur kurz innehalten - diese könnten ja eventuell Folgen einer bislang von mir stets ausgeschlossenen Midlifecrisis sein. Doch diesen Gedanken verwerfe ich schnell wieder. Um völlige Gewissheit zu erlangen, wie mein Gefühlsstatus tatsächlich tatsächlich ist, gönne ich mir einige Tage Auszeit von Job und beiden Familien. Um Abstand zu gewinnen, und mich auf ein verändertes Leben zu fokussieren, lasse ich mein lange zurückliegendes Singledasein wieder aufleben. Es sind die vergnüglichen Momente voller Genuss, zu denen ich mich in dieser Phase immer stärker zurücksehne – einen bessere Option, eventuell vorhandene Restzweifel zu nivellieren, kommt mir nicht in den Sinn.

Was daraufhin stattfindet, ist ein Eintauchen in das hedonistische Verhaltensmuster eines lebenshungrigen Junggesellen. Ich starte noch einmal voller Erwartung durch und stürze mich in die aufregende Szene des Nachtlebens in Berlin. Wie in früheren Jahren als Single, ziehe ich an mehreren aufeinanderfolgenden Abenden und Nächten durch unzählige Bars und Clubs, bis ich irgendwann, zwischen Nacht und frühem Morgen, völlig mitgenommen in mein Hotelbett falle. Auf diese exzessiven Nächte folgt eine Zeit der Reflexion, in deren Folge ich meinen Wendepunkt unwiderruflich festzurre. Ich weiß nun genau, was ich will, und ich bin dabei stolz auf meine Entscheidungskraft. Nun kann alles nicht mehr schnell genug gehen. Direkt im Anschluss an diese Auszeit fahre ich voller Tatkraft in Richtung Sophies Wohnsitz, um ihr meine Entscheidung mitzuteilen, immer noch euphorisiert von der Wucht meines Entschlusses; etwas aufgeregt zwar, aber gestärkt durch einen festen Willen. Die Chausseebäume fliegen während dieser Fahrt nur so an mir vorüber, Richtgeschwindigkeit existiert für mich nicht mehr. Mit jedem Kilometer wächst das Gefühl, ein neuer Mensch werden zu können. Dann sind es nur noch wenige Minuten auf der Stadtautobahn, und ich bin am Ziel.

Die Szenerie dort ist mir vertraut, sie war lange Zeit ein wesentlicher Teil in meinem Lebens. Doch als ich jetzt dort ankomme, werde ich Zeuge einer Szene, die mich erstarren lässt: Ich sehe meine Ehefrau Clara zusammen mit Sophie vor dem Haus stehen, in dem diese lebt. Die beiden scheinen mehr als nur vertraut miteinander zu sein, eher innig verbandelt. Sie lachen und sie umarmen sich zärtlich. Dann betreten sie gemeinsam Sophies Wohnung - die Tür schließt sich hinter ihnen. Ich verharre wie angewurzelt auf meinem Sitz im Auto, fassungslos, und nicht in der Lage zu begreifen, was ich gerade gesehen habe. An die Möglichkeit, dass meine Frau und meine Geliebte sich kennen könnten, habe ich nie im Leben gedacht; und schon gar nicht, dass zwischen ihnen ein intimes Verhältnis bestehen könnte. Völlig konsterniert komme ich zu der Erkenntnis, dass Clara von meiner Affäre gewusst haben muss, und darüber hinaus ihr eigenes Geheimnis ausgelebt hat. Die Gedanken überschlagen sich in meinem Kopf: Haben die Zwei mich die ganze Zeit verarscht? Ich fühle mich betrogen, ich bin verwirrt, und: ich bin zutiefst verletzt.

 

Hallo @rubber sole ,
weist Du, was mich an dem Text am meisten interessiert hat. Dein hedonistisches Leben in Berlin. Da wäre so viel mehr drin gewesen. Den Leuten, denen Du begegnet bist, Klubs, die Du kennengelernt hast. Vielleicht hast Du auch festgestellt, dass Du zu alt für so was geworden bist. Davon liest man nichts. Dann würde das aber auch eine ganz andere Geschichte sein. Und jeder Autor kann sich sein Thema selbst aussuchen.
Das Ende finde ich merkwürdig.

Dass die Beiden ein lesbisches Verhältnis haben ist unglaubwürdig. Wie gesagt, ich würde die Berliner Nächte mehr ausbauen. Ansonsten bleibt das so ein reines Fremdgehding. Aber vielleicht ist das ja Deine Absicht, eine humorvolle Geschichte mit nicht übermäßig viel Tiefgang zu verfassen, die die Leute zum Schmunzeln bringt. Gruß Frieda

 

Hallo @rubber sole

ich bin zutiefst verletzt
Also wirklich, er führt ein Doppelleben, aberwenn er erfährt, dass er nicht der einzige in dieser Dreiecksbeziehung ist, der das kann, dann mault er wie ein Kleinkind, dem man sei Spielzeug wegnimmt.

innig verbandelt

ein lesbisches Verhältni
ist das eine zwingende Schlussfolgerung? Mir scheint, es spricht für den Geschmack des Prot, dass "seine" Frauen sich auch gut verstehen.

Bei einigen Zeitenwechseln war ich irritiert und bei den Kommata bin ich auch nicht immer sicher, das sie dahin gehören, aber es wird mir heute Abend zu schwer, dies näher zu untersuchen.

Eine humorige kleine Geschichte, die sich gut lesen lässt.

Grüße

jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

@Frieda Kreuz
@jobär

Hallo Frieda,
hallo jobär,

ja, hedonistische Umtriebe im Berliner Nachtleben böten reichlich unterhaltsamen Stoff; in dieser Geschichte sollten sie nur Beiwerk sein. Und es stimmt, ich gehöre inzwischen einem 'Bespaßungsalter' an, in dem solche Ausschweifungen ihre Attraktivität verlieren. Das reine 'Fremdgehding' beschreibt einen etwas speziellen Zeitgenossen: Sehr aufwändig bei der Konstruktion seines Privatlebens, der jedoch zimperlich reagiert, als die Geschichte nicht nach seinen Vorstellungen weiterläuft. Ich wollte In der Tat eine unterhallsame Geschichte schreiben - funktioniert auch ohne viel Tiefgang. Das Verhältnis der beiden Frauen zueinander muss nicht zwingend ein lesbisches sein - es gibt da wohl Mischformen.
Bei der Interpunktion bin ich normalerweise ziemlich sicher, aber es ist richtig, im Eifer des Gefechts neige ich mitunter zu dem einen oder anderen Komma zu viel. Ich hoffe, dass ein überwiegend störungsfreies Lesen dennoch möglich ist.
Danke für euer Interesse, danke für die Beiträge.

Herzliche Grüße.

rubber sole

 

Hallo @jobär,

völlig korrekt - die zwei zuerst genannten Kommata gehören da nicht hin. Beim letzten hatte ich das Komma als Betonungshilfe gesetzt. Gedankenstrich oder Doppelpunkt wären hier angebracht. Danke fürs aufmerksame Lesen.

Herzliche Grüße.

rubber sole.

 

Hallo @rubber sole,

hier wiederholen sich deine Erklärungen:

keine der beiden Familien weiß von der Existenz der jeweils anderen.

Seit mehreren Jahren führe ich dieses Doppelleben schon

weder Clara noch Sophie ahnten etwas von diesem doppelten Spiel.

Auch hier gewissse Redundanzen:

Berufstätigkeit im Außendienst als Erklärung für meine zeitweilige Abwesenheit benutzte. Beide Familien gingen davon aus, dass ich während dieser Zeit berufsbedingt unerreichbar wäre - weder Clara noch Sophie ahnten etwas von diesem doppelten Spiel.
Der "Außendienst" ist neue Information, der Rest nicht.

Eine schnell erzählte 'Surprise-Ending-Story', auch wenn die Überraschung nicht so riesig ist. Wobei solche überraschenden Wendungen auch eine Herkulesaufgabe sind, gut, dass du dich daran gewagt hast.

Die selbstgefällige Erzählweise des Protagonisten, seine Idee, sein Handeln einfach ungeschehen machen zu können finde ich interessant. Eigentlich geht es ihm nur um sich, sein Unbehagen. Der Text hat durchaus noch psychologisches Potential.

Beste Grüße,

Woltochinon

 

Du schreibst, dass der Protagonist für einige Tage abtauchen möchte um sich über seinen Gefühlszugstand klar zu werden.
Für mich liest sich das im Text aber wie ein deutlich längerer Zeitraum:

Auf diese exzessiven Nächte folgt eine Zeit der Reflexion, in deren Folge ich meinen Wendepunkt unwiderruflich festzurre.
Besser hätte ich es zudem gefunden, wenn Du die exzessiven Nächte noch besser geschildert hättest.

Dass der Protagonist zwei Familien hat irritiert mich als Leser. Eine Familie besteht für mich aus mehreren Personen. So wie ich den Text verstanden habe, hat er eine Familie mit Frau und zwei Kindern und dann noch eine Affäre.

So pendelte ich geschmeidig zwischen den Ansprüchen meiner zwei Familien,
Für mich ist die Gedankenwelt des Protagonisten am Ende eher unglaubwürdig. Würde der Protagonist wirklich so denken?
Haben die Zwei mich die ganze Zeit verarscht? Ich fühle mich betrogen, ich bin verwirrt, und: ich bin zutiefst verletzt.
Ich glaube, er würde seinen Augen nicht trauen. Bevor er zu solchen Gedankengängen in der Lage wäre, würde er doch erst noch mehr herausfinden wollen. Ich würde ihn das Auto in der Nachbarstraße abstellen lassen. Vielleicht schleicht er dann ums Haus? Schaut verstohlen in ein Fenster? Belauscht ein Gespräch?

Ansonsten finde ich den Text gut, aber noch etwas ausbaufähig.

 

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