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Geschichte eines Boxers

Seniors
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22.03.2005
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Geschichte eines Boxers

Jetzt johlt ihr wieder. Füllt den ganzen Saal mit eurem hässlichen, affenartigen Geschrei.
Ich kann kaum glauben, wie sehr mich das früher getragen hat. Dass ich seine wahre Bedeutung nicht schon viel früher erkannt habe.
Für Jubel habe ich es früher gehalten, der mich anfeuert, den Kampf zu gewinnen. Ich glaubte, ich sei so etwas wie ein Idol für euch. Dass ihr mich als Vorbild brauchtet und nicht als Deppen, der über eure Mattscheibe hopst und sich das Hirn aus der Rübe schlagen lässt, damit euch richtig einer abgeht.
Jetzt wollt ihr mich also wieder gewinnen sehen. Mein Gegner steigt in den Ring, versucht sich die Buhrufe nicht anmerken zu lassen. Aber ich weiß, wie er sich fühlt. Auch ich habe mich damals zusammenreißen müssen, um nicht gebeugt zu gehen.
Ich weiß nicht einmal, warum ich mich wieder auf dieses Spiel eingelassen habe. War es mein Stolz? Wollte ich es allen noch mal so richtig zeigen? Aber wozu?

Ich bin Boxer geworden, weil ich den fairen Kampf liebte. Der Bessere gewinnt und sieht sein Können bestätigt. Der Verlierer bekommt eine Lektion, von der er in späteren Kämpfen profitiert. Der Beste schafft es nach oben. Die Lust an der Auslese gibt den Menschen Auftrieb. Ohne die Auslese wäre das Kräftemessen eine ungewürzte Mahlzeit.
Ihr brauchtet jemanden, der die Dinge so sieht. Jemanden, der ganz nach oben will. Der sich durch nichts aufhalten lassen würde, auch durch keine Probleme, die mit dem Boxen nichts zu tun haben. Der nicht nach links und nicht nach rechts schaut. Oder innehält, um über sein Leben nachzudenken.
Der seine Aufmerksamkeit nicht abschweifen lässt und so auch keine Dinge sieht, die seiner Motivation schaden.
Wäre ich nicht so gewesen, hätte ich viel früher erkannt, dass es euch nicht um den Sport ging, auch wenn ihr mich noch so sehr angetrieben habt.
Was für ein Scheißtag, wenn das Publikum vor lauter Begeisterung vergisst, Wetten abzuschließen! Was ist der schönste Sieg schon wert, wenn danach kein neuer Sponsor kommt und euch mit einem warmen Regen beglückt? Soll ich heute lieber gewinnen oder verlieren? Vielleicht ist der Sponsor ja ein Fan meines Gegners.
Und wo kämt ihr hin, wenn euer Gorilla sich nicht dressieren ließe? Ihr habt mich so zugeschnitten, dass ich möglichst vielen gefalle. Klar, mehr Fans, mehr Zuschauer, mehr Quote, mehr Werbegelder, mehr Wetteinsätze. Das leuchtete mir ein. Die wirtschaftliche Vernunft. Wovon wollt ihr denn sonst leben?
Und außerdem: Vertrag ist Vertrag. Hast du das Kleingedruckte nicht gelesen? Wir haben deine Seele schriftlich. Ganz freundlich habt ihr mir das ins Gesicht gesagt. Lächelnd. So wie an dem Tag, als ihr mich eingewickelt habt. Und genauso scheißfreundlich konntet ihr mich wieder kegeln.
Ihr hattet mich in der Hand. Denn es ist Naturgesetz, dass der Mensch erfolgreich sein will. Und gekegelt zu werden ist ein Misserfolg.
Ich durfte in der Öffentlichkeit nicht mehr sagen, was ich dachte, weil jedes meiner Worte auf die Goldwaage gelegt wurde. Ich sollte für Produkte werben, die ich nicht kannte, und für politische Programme eintreten, die mich nicht interessierten, damit wir Unterstützung erhielten, von der ich nicht verstand, warum wir sie brauchten.
Euer Gorilla hat es gut gemacht. Stell dich vor den Golf, sagten sie, und ich tat es. Wenn die Kamera läuft, lächle. Schön breit. So ist es gut. Und jetzt für die Babynahrung. Perfekt. Und immer schön weiterlächeln, gleich kommen die Reporter. Heute Abend kriegst du ne Banane.
Das Lächeln wurde zu meiner Maske, die alles, was darunter lag, langsam ersticken ließ.
Auch ein moralischer Lebenswandel war euch wichtig.
Es wäre ja schlecht fürs Image, wenn ich irgendwelche Affären hätte, auch wenn ich von meiner Frau getrennt lebe und meine Kinder kaum noch sehe.
Es wäre ja schlimm fürs Geschäft, wenn ich mir etwas anderes reinpfeifen würde als eure verdammten Masthormone, die euren Gorilla schön groß und kräftig und aggressiv machen sollen.
Denn euch ist alles recht, was mir den Sieg bringt, man darf sich nur nicht erwischen lassen.
Aber was beklage ich mich? Ich habe ja kräftig mitgemacht bei eurem Spiel und eingesackt, was das Zeug hielt. Ich habe keinen Widerstand geleistet, weil ich selbst geglaubt habe, dass es sich für mich lohnt. Ich bin ganz nach oben gekommen, habe mich auch am Erfolg berauscht, keine Frage. Ich tat alles für den Erfolg, denn das ist nun einmal der große Urinstinkt des Menschen, dass er immer und überall gewinnen will. Mich dagegen zu wehren, wäre gegen die Natur gewesen. Außerdem brauchte ich den Erfolg, um den nächsten Moment der Klarheit möglichst lange aufzuschieben. Und dann gab es ja noch meine Fans.
Ich wusste natürlich, dass sie nicht wirklich mich verehrten. Sie liebten das Abziehbild, das sie als Poster an die Wand hängen konnten.
Aber es reichte, um mir eine Art Pflichtgefühl einzuimpfen, damit ich im Ring immer mein Bestes gab. Ja, ich wollte euch ein Vorbild sein, euch, dem Publikum. Und dafür habt ihr zu mir gehalten. Dachte ich.

Aber als ich diese ständige Heuchelei und das ewige Brüllen meiner Antreiber nach mehr Leistung nicht mehr aushielt, mir Koks durch die Nase zog und dabei erwischt wurde, da war auf einmal das Geschrei groß. Da rochen sie Blut, stürzten sich auf mich, forschten akribisch nach weiterem Schmutz. Plötzlich wurde öffentlich, dass ich mich gedopt hatte. Dass ich als junger Bursche ein ziemlicher Schläger war. Dass ich als Kind Walkmans im Laden hatte mitgehen lassen.
Der Dammbruch kam, als ruchbar wurde, wo ich überall illegal eingesackt hatte. Ein Insidergeschäft hier, eine Steuerhinterziehung da - was kümmert das einen, wenn es alle anderen auch machen? Und man macht es ja nicht selber, man hat kompetente Leute, die das für einen erledigen und einem scheinbar die Verantwortung aus der Hand nehmen. Da gab es für sie kein Halten mehr. Alle stürzten sich plötzlich auf mich, und diesmal nicht um der Sensation willen, sondern um mich zu zerstören.
Nicht nur meine Karriere. Ich hatte das Gefühl, als wollten sie mich als Menschen vernichten. Eine Hinrichtung, um einen Rivalen aus dem Weg zu räumen. Um den Pöbel zu unterhalten. Um nicht selbst in der Arena zerrissen zu werden.
Ich wollte es an mir abgleiten, vorüberziehen lassen. Ich war sträflich unachtsam gewesen und musste die Konsequenzen tragen. Das akzeptierte ich. Aber irgendwie war da die Hoffnung, jemand würde noch zu mir halten, mir helfen, diese schwere Zeit durchzustehen. Und dieser Jemand, dachte ich, würdet ihr sein, die Fans.

Und dann der Schock, als ich eines Tages in das Stadion kam und mir statt Jubel nur noch Buhrufe entgegenschlugen. Eure Buhrufe.
Dieses Geschrei, als mein Gegner hereinkam. Zeig’s diesem Arschloch! Mach ihn alle! Hau ihm die Rübe ein. Urplötzlich war ich nur noch das Objekt für euren neuen Star, auf das es einzuprügeln galt. Und in diesem Moment habt ihr geschafft, was die ganze Hetzkampagne nicht vermochte: Ihr habt mir endgültig das Gefühl genommen, ein Mensch zu sein. Ich war nur noch ein Stück Fleisch auf dem Tranchiertisch.
Da wollte ich nicht mehr kämpfen. Ich stieg in den Ring, aber meine Niederlage war besiegelt. Nach drei Schlägen ging ich zu Boden, begleitet von eurem Gejohle.

Ich wusste nicht, was eure Meinung so plötzlich wieder geändert hatte. Wieso mich auf einmal wieder alle haben wollten. Ich hatte gehört, die Antreiber wären als Hauptverantwortliche hinter Gittern gelandet. Ich hatte nur eine Bewährungsstrafe bekommen. Man hatte mir erzählt, dass viele meiner "Fans" wieder zu mir "zurückgekehrt" wären. Was auch immer das heißen mochte. Aber meine Verantwortlichkeit war doch immer noch da, wieso dieser Sinneswandel?
Da begriff ich, dass es bei dieser Rufmordkampagne genausowenig um mich gegangen war wie bei meiner Boxkarriere.
Ich hatte als Boxsensation nicht mehr genug abgeworfen. Also versuchten die Sensationsverwerter mich noch schnell als kriminelle Attraktion auszuschlachten, bevor ich endgültig uninteressant wurde. Jetzt war ich wieder als Boxsensation gefragt. Und die Menschen machten die Wende mit, denn wenn ich auf der Mattscheibe wieder der Gute war, wie konnte ich im wirklichen Leben schlecht sein?
Was wollt ihr, habe ich gefragt, als die neuen Antreiber vor meiner Tür standen. Habt ihr wieder eine Banane dabei für euren Gorilla? Banane gegen Kette? Eine schön kurze diesmal, einen Gorilla muss man im Griff haben.
Ich bin trotzdem wiedergekommen. Ich wollte es euch allen noch einmal beweisen. Ich wollte es mir selbst beweisen. Was für eine Schnapsidee.
Da sehe ich meinen Gegner, wie er seine Lockerungsübungen macht und versucht, die Buhrufe und Beschimpfungen nicht wahrzunehmen. Genau wie ich damals.
Weshalb hassen sie dich? Bist du verheiratet und hattest eine Affäre mit einer Frau? Warst du auf Drogen wie ich? Haben deine Antreiber unmoralisch Geld an dir verdient wie an mir? Hast du selbst unmoralisch verdient wie ich, ohne darüber nachzudenken?
Der Ringrichter gibt die Runde frei. Das Gejohle wird lauter. Sie freuen sich riesig darauf, dass ich dich mit einem rechten Haken zu Boden schicke. Und deine Technik ist so erbärmlich, ich werde bestimmt leichtes Spiel haben.
Da trifft mich zufällig ein Blick aus deinen Augen. Nur für einen Moment, dann senkst du den Blick wieder und richtest ihn auf meinen Hals.
Plötzlich ist mir, als würde mich etwas tief drinnen einschnüren. In diesem Bruchteil einer Sekunde hat sich dein Blick in mir eingebrannt.
Ich habe so etwas wie Hass oder Wut erwartet. Auf der Boxschule lernen wir, unsere ganze Frustration, auch unsere Angst in Aggression umzuwandeln und auf den Gegner zu projizieren. Ich hätte dir nicht verdenken können, wenn du so gefühlt hättest.
Aber da war nichts dergleichen. Nicht einmal die natürliche Rivalität stand in deinen Augen.
Nur Müdigkeit und Angst. Aber das war es nicht, was mich so getroffen hat. Es ist noch etwas anderes darin gewesen.
Verletztheit.
Eine Verletztheit, von der ich bisher dachte, nur ich könne sie fühlen. Auf einmal weiß ich, ich bin nicht allein.
Ich bin wie erstarrt. Nur mühsam wehre ich deine halbherzigen Schläge ab. Was mache ich hier eigentlich? Ich soll dich niederstrecken? Wieso? Um ihren Sadismus zu befriedigen? Damit ich mir beweisen kann, dass ich der Bessere bin? Wozu? Damit das Spiel wieder von vorne losgeht? Das Spiel, bei dem jeder von uns nur verlieren kann?
Aber was soll ich denn tun? Ich stecke doch schon mittendrin. Der Kampf hat begonnen, und da gewinnt nun einmal der Bessere. Es ist zu spät, umzukehren und es sich anders zu überlegen.
Und plötzlich weiß ich, wie ich das alles beenden kann. Die einzige Möglichkeit, dem Ganzen zu entkommen. Die einzige Möglichkeit, dass wir es ihnen beide zeigen können. Dass wir den Platz beide als Sieger verlassen können. Jeder auf seine Weise.
Ich öffne meine Deckung für dich, Bruder. Schlag zu. Bereite ihnen die Enttäuschung, die sie verdienen.

 

Hallo Megabjörnie,

wollte schon lange mal etwas von dir lesen, endlich bin ich dazu gekommen.

„Die Lust an der Auslese gibt den Menschen Auftrieb.“

„Ich tat alles für den Erfolg, denn das ist nun einmal der große Urinstinkt des Menschen, dass er immer und überall gewinnen will.“

Für den Boxsport gilt dies, mich stört hier die Verallgemeinerung. Altruismus gehört auch zum Menschsein.

„Mästhormone“ - Masthormone

Gute Thematik, die Umsetzung ist nicht mein Ding, es stört mich nicht der Monolog als solcher, sondern das Fehlen einer Spannung, die einzelnen Betrachtungen des Boxers ergeben doch einiges an Textlänge.

Der Schluss ist interessant, der Boxer tritt gewissermaßen die Flucht nach vorne an, verweigert sich dem Spiel.

L G,

tschüß… Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Megabjörnie!

Als Du die Geschichte neu gepostet hattest, hab ich sie nicht angeklickt, weil ich, wie sim, keine Boxergeschichten mag. Überhaupt Geschichten, in denen es um Kämpfe/sinnlose Gewalt geht, auch, wenn sie unter dem Deckmantel des Sports stehen. Aber irgendwie war ich halt mittlerweile überzeugt, daß Du keine stumpfsinnige, brutale Boxergeschichte schreiben würdest, und so hab ich sie jetzt doch einmal gelesen. Und ich wurde positiv überrascht, und das nicht nur, weil Du auf richtige Kampfszenen verzichtet hast, sondern vor allem vom Thema der Geschichte. :)

Dein Protagonist ist also, angetrieben von seinem Ehrgeiz, Profiboxer geworden. Er wollte etwas erreichen und hat dies auch geschafft – um den Preis seiner Freiheit. Nachdem ihn die Vermarkter allerdings aufgrund einer Doping- und Drogenaffäre abserviert haben, in die sie selbst noch viel mehr verwickelt waren, und auch das Publikum nichts mehr von ihm wissen wollte, hat er ein persönliches Tief durchgemacht, in dem er ein wenig zu denken begonnen hat (oder auch nicht). Man sagt ja nicht umsonst, daß manche erst kräftig auf die Nase fallen müssen, um zu sich zu finden.
Dann läßt er sich wieder einwickeln, will es ihnen doch noch einmal beweisen. Wie ein Süchtiger, der nach dem Entzug rückfällig wird. Aber vor dem Kampf, als er die Atmosphäre in der Halle wieder spürt, geht ihm all das Erlebte noch einmal durch den Kopf, er fühlt sich ausgenutzt und verkauft, ist wütend auf die Vermarkter. Und als er dann im Ring steht, bekommt er Mitleid mit dem Gegner, dem es genauso gehen sollte, wie ihm zuvor. Er sucht einen Ausweg und gibt sich geschlagen, um sich selbst zu gewinnen.

Das erste Problem, das ich habe: Es ist nicht erkennbar, wie weit er seine Erkenntnisse bereits während des Tiefs hatte. Momentan macht es auf mich eher den Eindruck, als würde er das alles erst denken, während er auf den nächsten Kampf wartet, dagegen spricht aber, daß er bereits im ersten Absatz so klingt, als wäre für ihn schon alles klar (und nicht erst nach diesem Rückblick). Also so, als sei der Rückblick ein Wiederbeleben und Erweitern von schon mal Gedachtem.
Wie gesagt, es ist verschieden, mal ist es so, mal ist es anders. Wenn er seine Erkenntnisse nun doch schon großteils während des Tiefs hatte, sind sie mir zu wenig reflektiert bzw. tiefgehend, während sie, wenn sie erst frisch gedacht sein sollten, teilweise zu durchdacht, die Gesamtsituation überblickend und mit zu wenig Gefühlen wären.
Verstehst Du, was ich meine? Wenn er bereits während seines Tiefs zu denken begonnen hat, würde er jetzt andere Gedankengänge haben, als wenn ihm gerade jetzt erst das Licht aufgeht. Und der Rückblick ist irgendwie keins von beiden, sondern ein Gemisch. Um Dir da konkrete Tips zu geben, müßte ich wissen, was Du willst.
Zum Beispiel:
»Das Lächeln wurde zu meiner Maske, die alles, was darunter war, langsam ersticken ließ.«
– Hatte er diese Erkenntnis bereits in seinem Tief? Dann würde ich sie genauer ausführen. Ich meine: Frau und Kinder, die er nicht mehr sieht, oder Affären, die er nicht haben darf, sind nicht das, was da darunter liegt – einen Menschen würd ich hier gern sehen, seine Gefühle. Was empfindet er z. B. dabei, daß er Frau und Kinder nicht mehr sieht, man weiß gar nicht, ob ihn das schmerzt und er sich mit Affären mehr nur trösten wollte, oder ob er die Trennung vielleicht selbst so wollte, und sie nur als Rechtfertigung für mögliche Affären erwähnt.
Wenn die Erkenntnis jedoch gerade eben stattfinden soll: Stell Dir mal vor, Du beginnst gerade zu spüren, daß Du eigentlich seit Jahren nicht Du selbst bist, daß Du Jahre Deines Lebens für etwas hergegeben hast, was eigentlich gar nicht das war, was Du wolltest – glaubst Du, Du würdest das dann sofort so zusammenfassen und auf den Punkt bringen können, und dann auch noch gleich darüber hinwegsteigen und den nächsten Gedanken verfolgen?

Die Lust an der Auslese gibt den Menschen Auftrieb. Ohne die Auslese wäre das Kräftemessen eine ungewürzte Mahlzeit.
Denn es ist Naturgesetz, dass der Mensch erfolgreich sein will.
denn das ist nun einmal der große Urinstinkt des Menschen, dass er immer und überall gewinnen will.
Nach dieser Steigerung von der Lust zum Naturgesetz und dann sogar zum Urinstinkt, hätte ich mir eigentlich erwartet, daß er am Schluß draufkommt, daß dieses Naturgesetz gar keines ist. So sagt er zwar …
Nicht einmal die natürliche Rivalität stand in deinen Augen.
… aber es läuft leider nicht wirklich auf die Erkenntnis oder das Infragestellen dieser Sätze hinaus.
Stattdessen kann er wiederum nur in der Überzeugung, letztendlich ja doch als Sieger – moralischer Sieger – hervorzugehen, verlieren. Damit hat er seine Haltung noch nicht wirklich aufgegeben.

Meine Meinung zum Thema:
Konkurrenzdenken wird den Kindern von Erwachsenen beigebracht. Wenn Du kleine Kinder in der Sandkiste beobachtest, siehst Du, was natürlich ist: die solidarische Gemeinschaft, das gemeinsame Erschaffen. Ein Zwei- oder Dreijähriger beharrt noch nicht darauf, daß diese Schaufel seine ist und niemand anderer sie benutzen darf, vielmehr ist alles, was in der Sandkiste vorhanden ist, zum Spielen für alle da, und gemeinsame Erfolge sind die Schönsten, das Miteinander zählt. Fünfjährige haben es dann schon gelernt (»Laß dir nichts wegnehmen«, »Wenn sich jemand einfach deine Sachen nimmt, hau ihm eine runter«, »Du borgst nur etwas her, wenn dir der andere auch etwas borgt, verstanden?«, …), verteidigen ihren Besitz, ihre Produktionsmittel … Damit ist das Gegeneinander innerhalb der Gesellschaft fest ins Bewußtsein verankert. Im Kindergarten lernen sie spielerisch, Beste sein zu wollen. Es bekommt ja auch immer nur der Beste eine Belohnung (nicht etwa der, der sich am meisten angestrengt hat, um seine Schwächen auf einem Gebiet zu überwinden), und deshalb ist es erstrebenswert, zu gewinnen. Konkurrenzdenken wird durch nichts anderes als die Erziehung eingetrichtert. Wir werden nur geliebt, wenn wir gute Leistungen erbringen – und genau das spielt ja auch in Deiner Geschichte eine tragende Rolle. Das Verhalten/Denken hat Dein Protagonist schon viel früher erlernt – die Manager haben nur benutzt, was bereits vorgeprägt war. Deshalb glaube ich, daß er in seinem Tief noch viel mehr hätte spüren können, als in Deiner Geschichte steht. Er müßte von seinem Haß auf die Vermarkter irgendwann zu der Frage kommen, warum sie das denn überhaupt mit ihm machen konnten. Auch, wenn Du die Frage nicht auflöst, sollte sie meiner Meinung nach doch gestellt werden, wenn Du vorher dieses »Naturgesetz« so betonst.
Du schreibst auch, daß sie sich nicht für seine Probleme interessieren – welche sind das? Haben die Probleme ihn nicht während der Auszeit zu überrollen begonnen, als der Streß für eine Zeit von ihm abfiel?

Megabjörnie schrieb:
Es wäre schon gut, wenn ich den Text reflektiver hinkriegen könnte. Aber das ist schwierig, denn Reflexion setzt einen nüchternen Verstand voraus, den der Prot in diesem Moment einfach nicht haben kann. Er steht im Ring, die Spannung des Publikums überträgt sich auf ihn, er ist noch aufgewühlt von dem, was er durchgestanden hat.
Wenn Du wirklich willst, daß er das alles erst direkt vor dem Kampf denkt, gehören auf alle Fälle mehr Gefühle rein, die auch noch gar nicht so reflektiert sein dürfen, eher doch ein bisschen selbstmitleidig! – Mitleid mit sich selbst ist sogar ein wichtiger Bestandteil des Weges aus so einer Situation heraus zu sich selbst. Wenn ich mit mir selbst kein Mitleid habe, warum sollte ich dann für etwas kämpfen, etwas ändern, wenn ich mir egal bin? Es wird nur gesellschaftlich schlechtgeredet, weil man (der Kapitalismus) ja gar nicht will, daß die Menschen zu sich selbst finden (wie lenkbar die Menschen sind, beschreibst Du ja selbst) – denn nur, solange sie das nicht tun, funktioniert das System so gut. Mit jemandem, der selbstzufrieden auf Konsum, Macht, Konkurrenzdenken usw. scheißt, kann man nicht mehr viel verdienen.
Besser würde es mir jedoch gefallen, wenn er bereits mehr reflektierend zu seiner Entscheidung findet, d. h., wenn sich hier seine Gedanken und Gefühle aus dem Tief zu einer Entscheidung vereinigen. – Mehr Gefühl gehört jedenfalls bei beiden Versionen rein, manchmal wirkt es schon mehr wie ein Faktenaufzählen.

Grad hab ich bemerkt, daß ich mich zu wiederholen beginne, also warte ich am besten jetzt mal Deine Antwort ab, wenn ich weiß, was genau Du willst, kann ich dann darauf besser eingehen. ;)

Aber das sieht jetzt so aus, als wollte ich nichts Gutes an der Geschichte lassen. Das ist aber so nicht gemeint. Ich sehe, was Du hier für ein schwieriges Thema gewählt hast, und da ist es eben auch schwierig, das stimmig rüberzubringen. Ich hab ja für meine Kritik auch mehrere Anläufe gebraucht … ;-)
Was mir aber wirklich gut gefallen hat, weil es sehr echt wirkt, ist die Stelle mit den Augen am Schluß, wie sich die Blicke treffen und wie jeder der beiden darauf reagiert. Da sind Dir sowohl der Protagonist in seinem Fühlen der ihm so gut bekannten Angst und Verletztheit im Blick seines Gegners, wie auch sein Gegner beim Senken des Blicks auf seinen Hals, besonders authentisch gelungen. Wirkt, als wüßtest Du sehr gut, wovon Du sprichst.

So, jetzt ist noch mein Seziermesser dran: ;-)

Stellenweise hast Du kleinere Anfälle von Dassitis. Hier mal die ersten vier, relativ nahe beieinander liegenden »dass«:

Ich kann kaum glauben, dass mich das früher getragen hat. Dass ich seine wahre Bedeutung nicht schon viel früher erkannt habe.
… Ich glaubte, ich sei so etwas wie ein Idol für euch. Dass ihr mich als Vorbild brauchtet und nicht als Deppen, der über eure Mattscheibe hopst und sich das Hirn aus der Rübe schlagen lässt, damit euch richtig einer abgeht.

War es mein Stolz? Dass ich es allen noch einmal so richtig zeigen wollte? Aber wozu?
Eigentlich wären die nicht notwendig, z. B.:
… wie sehr mich das früher getragen hat. Warum habe ich seine wahre Bedeutung nicht schon viel früher erkannt? … Ihr würdet mich als Vorbild brauchen und nicht als Deppen, … Wollte ich es allen noch einmal so richtig zeigen?
Wobei ich den Deppen-Satz vorwurfsvoller schreiben würde: Ich glaubte, ich sei so etwas wie ein Idol für euch. Ein Vorbild. Stattdessen brauchtet ihr mich nur als Deppen, der …

»auch nicht durch Probleme, die mit dem Boxen nichts zu tun haben.«
– würde vor »nichts« ein »gar« einfügen, wobei Du die Wiederholung nicht/nichts auch vermeiden könntest: auch durch keine Probleme, …

»Wäre ich nicht so gewesen, hätte ich erkannt, dass es euch nicht um den Sport ging, auch wenn ihr mich noch so sehr angetrieben habt.«
– würde schreiben: hätte ich schon früher erkannt

»Was ist das nur für ein Scheißtag, wenn das Publikum vor lauter Beigeisterung vergisst, Wetten abzuschließen.«
– Beigeisterung
– Fragezeichen, da es eine Frage ist

»Ich sollte für Produkte werben, die ich nicht kannte und für politische Programme eintreten, die ich nicht verstand, damit wir Unterstützung erhielten, von der ich nicht verstand, warum wir sie brauchten.«
– kannte, und für politische …
– verstand/verstanden würde ich einmal vermeiden (durchschaute, kapierte, …). Eventuell könntest Du aber damit auch noch die Aussage verschärfen, wenn Du schreibst: für politische Programme eintreten, von denen ich nicht überzeugt war, … Ja, und »Parteien« statt »Programme« fände ich besser, da die Partei für das Programm eintritt, er aber für die Partei wirbt, nehme ich an.

»Stell' dich vor den Golf,«
– Stell ohne Apostroph

»Heute abend kriegst du 'ne Banane.«
Abend

»Das Lächeln wurde zu meiner Maske, die alles, was darunter war, langsam ersticken ließ.«
– würde »was darunter lag« schreiben, oder: die alles Darunterliegende langsam ersticken ließ.

»Es wäre ja imageschädigend, wenn ich irgendwelche Affären hätte, auch wenn ich von meiner Frau getrennt lebe und meine Kinder kaum noch sehe.
Es wäre ja geschäftsschädigend, wenn ich …«
– Irgendwie sehe ich keine besondere stilistische Innovation in den Wiederholungen, obwohl sie wirken wie absichtlich gemacht. Aber wenn sie Dir gefallen, dann laß sie ruhig drin. ;-)

»Ich habe ja kräftig mitgemacht bei eurem Spiel und eingesackt, was das Zeug hält.«
– hielt

»Ich wusste natürlich, dass sie nicht wirklich mich verehrten.«
– wie findest Du, würde »Niemals verehrten sie wirklich mich« klingen?

»Aber es reichte, mich verpflichtet zu fühlen, im Ring immer mein Bestes zu geben.«
– Vorschlag: Und ich fühlte mich (dazu) verpflichtet, im Ring …

»Aber als ich diese ewige Heuchelei und das ewige Brüllen meiner Antreiber nach mehr Leistung nicht mehr aushielt,«
– statt »ewige« vielleicht einmal »ständige« oder »fortwährende«?

»Plötzlich wurde öffentlich, dass ich in allen möglichen Ecken illegal Geld verdient hatte. Dass ich mich gedopt hatte. Dass ich als Kind Walkmans im Laden hatte mitgehen lassen.«
– »dass ich in allen möglichen Ecken illegal Geld verdient hatte« klingt so, als sei es von ihm ausgegangen, ist das so gedacht? Oder haben ihn die Manager illegal verdienen lassen? Und was sind alle möglichen Ecken, wie ist das zu verstehen? Wäre gut, wenn Du das irgendwie klarer hinbringst.
– Dassitisfall Nr. 2

»Und nicht nur meine Karriere. Ich hatte das Gefühl, als wollten sie mich als Menschen vernichten.«
– das »Und« würde ich streichen
– zweimal »als«, Vorschlag: Ich hatte das Gefühl, sie wollten mich als Menschen vernichten.

»Ich wollte es an mir abgleiten, vorüberziehen lassen.«
– würde hier »abprallen« statt »abgleiten« vorziehen

»Ich war sträflich unachtsam gewesen, und ich musste die Konsequenzen tragen. Das akzeptierte ich. Aber ich hoffte, jemand würde noch zu mir halten, damit ich diese schwere Zeit durchstehen konnte. Und dieser Jemand, so hoffte ich, würdet ihr sein, die Fans.«
– ein paar der vielen »ich« könntest Du vielleicht noch vermeiden? Statt einem der beiden »hoffte« könntest Du vielleicht auch »wünschte« einsetzen.

»Ich weiß nicht, was eure Meinung so plötzlich wieder geändert hatte. Wieso mich plötzlich wieder alle haben wollten.«
– geändert hat, haben wollen
– statt »plötzlich« kann man z. B. auch »auf einmal« schreiben, oder »von heute auf morgen«, …

»Ich hatte gehört, dass die Antreiber als Hauptverantwortliche hinter Gitter gelandet wären. Ich hatte nur eine Bewährungsstrafe bekommen. Ich hatte auch gehört, dass viele meiner "Fans" wieder zu mir "zurückgekehrt" wären. Was auch immer das heißen mochte. Aber meine Verantwortlichkeit war doch immer noch da, wieso dieser Sinneswandel?
Da begriff ich, dass es bei dieser Rufmordkampagne genausowenig um mich gegangen war wie bei meiner Boxkarriere.«
– habe gehört (2 x), wobei Du einmal auch »Mir ist auch zu Ohren gekommen, …« oder »Mir wurde erzählt« schreiben könntest, wodurch Du gleichzeitig das »Ich« einsparst. ;-)
– gegangen war, wie bei
– Mittel gegen Dassitis: »die Antreiber seien als Hauptverantwortliche hinter Gitter gelandet«, »viele meiner Fans sollen wieder zurückgekehrt sein«

»Genau wie ich damals.«
– bin mir grad nicht sicher, aber ich würde da einen Beistrich machen: Genau, wie

»Warst du auf Drogen wie ich? Haben deine Antreiber unmoralisch Geld an dir verdient wie an mir? Hast du selbst unmoralisch verdient wie ich,«
– Drogen, wie … verdient, wie (2 x)

»Das Gejohle wird lauter. Sie freuen sich riesig darauf, dass ich dich mit einem rechten Haken zu Boden schicke. Und deine Technik ist so erbärmlich, dass ich bestimmt leichtes Spiel haben werde.«
– statt »Sie freuen sich riesig darauf« würde ich schreiben »Sie warten darauf«, denn sie können es ja noch nicht wissen, sie sind nur in Erwartung dessen.
– eins der beiden dass geht leicht weg: Und deine Technik ist so erbärmlich, ich werde bestimmt leichtes Spiel haben.

»In diesem Bruchteil einer Sekunde hat sich dein Blick in mir eingebrannt.«
– Sekundenbruchteil

»Eine Verletztheit, von der ich bisher dachte, dass nur ich sie fühlen kann. Auf einmal weiß ich, dass ich nicht allein bin.«
– nach diesen beiden »dass« kommen noch zwei – Medizin gegen diese beiden: nur ich könne sie fühlen. Auf einmal weiß ich: Ich bin nicht alleine.

»Was tue ich hier eigentlich?«
– »Was mache ich« fände ich schöner.

»Ich soll dich niederstrecken? Wieso? Um ihren Sadismus zu befriedigen?«
– da Du mit den beiden auf das »Wieso?« folgenden Fragen die Suche nach dem Wieso verdeutlichst, könntest Du selbiges streichen.

»Damit ich mir beweisen kann, dass ich der Bessere bin? Wozu? Damit das Spiel wieder von vorne losgeht?«
– Ebenso hier das »Wozu?«
– das »dass« könntest Du vermeiden: beweisen kann, der Bessere zu sein?

»Ich öffne meine Arme für dich, Bruder. Schlag zu. Bereite ihnen die Enttäuschung, die sie verdienen.«
– Einerseits hatte auch ich hier beim Öffnen der Arme erst so ein jesusartiges Bild, bevor ich die Kommentare gelesen habe, andererseits: Wäre es nicht für beide ein größerer Sieg, wenn der Protagonist so verlieren würde, daß der andere und das Publikum nicht bemerken, daß er absichtlich verloren hat? Als Profiboxer muß er das doch hinkriegen. ;-) Es ist ja ein Unterschied, ob man das Gefühl hat, gewonnen zu haben, oder ob man weiß, der andere hat einen gewinnen lassen. Und für den Protagonisten wäre es auch ein noch größerer moralischer Sieg, wenn er es macht, ohne daß es jemand weiß – für sein Gewissen. Wenn man etwas Gutes tut, kommt es nicht darauf an, daß andere es wissen, sondern darauf, daß man es tut.

Liebe Grüße,
Susi :)

Ach, da war ja noch was:
Um mehr Spannung reinzubringen könntest Du vielleicht das Jetzt und den Rückblick ein wenig abwechseln, und dabei die Vorgänge vor dem Kampf ein bisschen detaillierter bringen. Er wird ja nicht irgendwo allein sitzen und in Ruhe nachdenken können, sondern es werden ihm z. B. Trainer oder Manager irgendwelche Anweisungen geben, usw. Und nachdem Du die Gedanken abwechselnd an die Fans und an das Management richtest, könntest Du diese zu den jeweiligen Situationen kombinieren.

Megabjörnie schrieb:
ob die tumbe Erstversion des Boxers nicht doch die bessere war. Da hat er noch weniger reflektiert und sich noch mehr in Selbstmitleid ertränkt. Vielleicht wäre das im künstlerischen Sinn sogar besser gewesen, weil dann der Leser über die Charakterschwächen des Boxers nachgedacht hätte. Aber dann hätte ich mir auch einen Haufen Arbeit umsonst gemacht.
Ich kenne die Erstversion zwar nicht, aber es klingt fast so, als wäre da was Wahres dran. :shy:

 

huhu megabjörnie

als ich den titel "geschichte eines boxers" gelesen habe, wollte ich sofort die geschichte lesen, denn ich (kick)boxe selber.
ich hatte eigentlich einen tollen schlagabtausch zwischen zwei gleich guten boxern erwartet, aber nicht eine, schon philosophische, geschichte von einem boxer, der verletzt ist, weil er von fast jedem betrogen wurde und nicht gerecht behandelt wurde.
er war doch am anfang auch nicht ehrlich, hat falsche gelder genommen, gekokst etc. warum sollte man dann ehrlich mit ihm sein. hat er das den verdient.
eigentlich hätte die geschichte zu jedem star passen können, außer das ende natürlich.

ein boxer, der es den "fans" zeigen will und einfach mal, alles umdrehen möchte, würde niemals die arme öffnen. nie! nie!!!!
man darf niemals kampflos verlieren. das ist gegen den codex.
aber wie ich gemerkt habe, interessiert sich hier keiner für diese sportart, deshalb ist es auch okay wenn du das schreibst. aber anstatt das er seine arme öffnet und ihn zum "fresseeinschlagen" einlädt, sollte er lieber die arme runter nehmen und so seine deckung aufgeben. ist besser als das er die arme öffnet, das würd nämlich wirklich sehr christlich oder gar freundschaftlich wirken. das geht nicht. boxer sind im ring keine freunde, nur rivalen oder konkurrenz, aber keine freunde.

cu joblack87:zensiert:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Leute!

Sooo, mit wem fange ich an?

Erst mal mit Wolto und joblack, das geht schneller: ;)

@Woltochinon:

Für den Boxsport gilt dies, mich stört hier die Verallgemeinerung. Altruismus gehört auch zum Menschsein.

Du darfst niemals die Meinung eines Protagonisten mit der des Autors verwechseln. :klug:
Ich will ihn eigentlich nicht bewusst seinen Darwinismus hinterfragen lassen, er soll den richtigen Fragen nur nahekommen, was dann nicht zu deren Auflösung, aber zumindest zu der gezeigten Konsequenz führt.

Gute Thematik, die Umsetzung ist nicht mein Ding, es stört mich nicht der Monolog als solcher, sondern das Fehlen einer Spannung, die einzelnen Betrachtungen des Boxers ergeben doch einiges an Textlänge.

Hier muss ich wohl noch dramaturgisch feilen. Aber ich denke, dass Spannung vor allem aus Handlung entspringt, und dieser Text lebt eben eher vom inneren Monolog als von der Handlung. Wenn du einen Weg weißt, wie man einem Monolog "Spannung" verleiht, sag mir Bescheid. ;)

Der Schluss ist interessant, der Boxer tritt gewissermaßen die Flucht nach vorne an, verweigert sich dem Spiel.

Wenn das angekommen ist, haben wir schon die halbe Miete.

@JoBlack87:

Na ja, die Geschichte hat mit dem Boxsport auch nichts zu tun, sie hat eher allegorisch-philosophischen Charakter.
In der Gesellschaft verhalten wir uns ja für gewöhnlich ähnlich: Wenn es eine Konkurrenzsituation gibt, versuchen wir sofort, der Stärkere zu sein, ohne darüber nachzudenken, dass wir dadurch Mechanismen auslösen, die allen nur schaden. Frühzeitiges Nachgeben gilt als Zeichen der Schwäche und wird mit Verachtung gestraft. Wenn jemand ganz bewusst eine Niederlage kassiert, erscheint es uns fast zwangsläufig unnatürlich. Insofern mag ein sportlicher Wettkampf nicht die ideale Projektionsfläche für solche Gedanken sein, aber die Geschichte weist ja auch über den Wettkampf an sich hinaus. Und sie zeigt eine Konkurrenzsituation, deren Sog man sich besonders schwer entziehen kann.
Ich erinnere mich an eine einzige Filmszene, in der ein Prot bewusst einen sportlichen Wettkampf verlor ( zumindest habe ich das damals so interpretiert ): In "Forrester - Gefunden" soll der Internatsschüler Yamal für die Basketballmannschaft seiner Schule einen entscheidenden Korb landen. Das ist für ihn die einzige Chance, einem Disziplinarverfahren zu entgehen. Für ihn als geübten Spieler wäre das kein Problem. Dann trifft sein Blick den des Rektors. Es war mir nicht klar, was genau in dieser Sequenz vor sich geht, aber obwohl er nicht nervös wird, trifft er daneben.

Das mit dem Kodex ist aber ein interessanter Aspekt. Vielleicht werde ich das noch einbauen, als zusätzliche Hemmschwelle für den Prot. ;)

@Häferl:

Mönsch, so viel Mühe hat sich aber lang keiner mehr für eine meiner Geschichten gegeben. Also, von der Länge her gesehen, wahrscheinlich eher keiner. ;)
Na, dann werd ich das Ganze mal einfach so lassen ...
Kleiner Scherz. :D

Ich denke, dass ( dieses Wort schleicht sich immer wieder ein *g* ) ich wirklich nicht ausreichend darüber nachgedacht habe, wann für den Boxer der Moment der Erleuchtung gekommen sein muss. Wenn ich mich von dem chronologischen Rückblick löse und die gegenwärtige Situation und die Rückblenden vermische, kriege ich vielleicht den Dreh raus. Dann wird das mit den Gefühlen möglicherweise authentischer ( was tatsächlich mein Anliegen ist ).

Was das Erlernen des Konkurrenzdenkens betrifft, so bin ich da nicht so auf deiner Schiene. Ich halte es durchaus für glaubwürdig, wenn in den Humanwissenschaften bestimmte Verhaltensmuster als genetisch bedingt gelten. Sonst gäbe es im Verhalten von Jungen und Mädchen ja keine Unterschiede mehr. Es gibt sie aber, und das universell auf dem ganzen Globus.
Die Frage ist nur, inwieweit und in welcher Weise wir diese Anlagen umsetzen. Der Prot meiner Geschichte verwechselt gleich drei verschiedene Ebenen bzw. setzt sie miteinander gleich:
Naturgesetz/-grundmuster - Veranlagung - Verhalten.
So ist die Konkurrenz nur eines von vielen Grundmustern der Natur und kann nicht absolut gesetzt werden. Statt der Verdrängung ist zum Beispiel oft die Symbiose anzutreffen ( ob die aber bei Nahrungskonkurrenz entstehen kann, weiß ich nicht ). Die Veranlagung gibt dem Konkurrenzdenken seine Impulse, aber das heißt nicht, dass wir nicht bewusst dagegen ansteuern können. Überhaupt ist die Ansicht, der Mensch dürfe nicht "gegen die Natur" handeln, wieder weit verbreitet. So als ob wir ganz sicher wüssten, was "die Natur" ist. Auch das hinterfragt der Prot nicht.
Was die Message der Story angeht, funktioniert diese sicher auch bei deiner Sicht der Dinge.

Als ich die Geschichte nochmal angesehen habe, ist mir der moralinsaure Ton, der einigen Kritikern so aufstieß, aufgefallen. Ich gebe es nur ungern zu, aber manches gefällt mir nicht mehr so. Mal sehen, was sich machen lässt.

Die Seziermesseranmerkungen habe ich mir angesehen. Das meiste werde ich wohl umsetzen.
Allerdings gefällt mir das Armeöffnen als Metapher ganz gut. Es muss ja nicht heißen, dass er es nicht auf subtile Weise anstellt. Aber ich werde ein wenig darüber grübeln.

Danke vielmals. So viel Mühe setzt Maßstäbe.

Ciao, Megabjörnie

 

Lieber Megabjörnie!

Megabjörnie schrieb:
Wenn ich mich von dem chronologischen Rückblick löse und die gegenwärtige Situation und die Rückblenden vermische, kriege ich vielleicht den Dreh raus. Dann wird das mit den Gefühlen möglicherweise authentischer ( was tatsächlich mein Anliegen ist ).
Bin schon gespannt auf Deine Umsetzung! :)

dieses Wort schleicht sich immer wieder ein *g*
Wirklich schlimm war’s aber eh nicht. Ich merk sie halt nur an, wenn sie mir auffallen – ob sie Dich stören, mußt du dann selbst entscheiden. ;)

Ich halte es durchaus für glaubwürdig, wenn in den Humanwissenschaften bestimmte Verhaltensmuster als genetisch bedingt gelten.
Es gibt Urinstinkte, wie z. B. die Angst vor Feuer oder den Saugreflex von Babys, die in den Genen liegen. Oder die verschiedenen Triebe, die hauptsächlich dazu dienen, uns als Art zu erhalten, indem wir uns vermehren und uns und die zu uns Gehörigen gegen Feinde verteidigen.
Was also an Verhaltensvorgaben in den Genen liegt, ist (nicht nur) meiner Meinung nach nur das Allermindeste, was wir brauchen, um unser Überleben zu sichern. Alles andere an Verhalten lernen wir durch unsere Umwelt – durch Nachahmen und Erzogenwerden.
Wenn es anders wäre, hätte es keinen Sinn, Psychotherapien zu machen – die einen hätten eine Ausrede, warum sie sich nicht ändern können, die anderen würden vergeblich ankämpfen gegen Dinge, die sie nicht ändern könnten, weil sie ihnen angeboren sind. Was mir angeboren ist, kann ich nicht ändern, nur was ich erlernt habe, kann ich umlernen – und daß das geht, kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen.

Sonst gäbe es im Verhalten von Jungen und Mädchen ja keine Unterschiede mehr.
*hüstel* Ganz richtig, die sind nämlich auch nicht genetisch bedingt. Lies mal »Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht«. Ursula Scheu geht darin nicht nur darauf ein, wie die Rollenunterschiede von Geburt an erlernt werden, sondern u. a. auch darauf, worin sich sogar marxistische Vordenker wie Marx und Engels geirrt haben, und belegt den Irrtum. – Sicher wäre das nach dem Kapital, das Du lt. Profil gerade liest, eine lohnenswerte Lektüre. :) (Vergiß die Amazon-Kundenbewertung, das Buch ist überhaupt nicht "witzig geschrieben" – ich bezweifle, daß jener Rezensent es überhaupt gelesen hat.)
Du kannst aber auch am Wanderwochenende mal reinschauen. ;)
Kleiner Vorgeschmack aus dem Vorwort:
Ursula Scheu schrieb:
In einer Situation, in der die herrschende Psychologie auch ein Instrument der Herrschenden (des Kapitals, wie des Patriarchats) ist und zur Verschleierung von Machtstrukturen benutzt wird, müssen wir auch ihre Aussage über Geschlechtsunterschiede radikal hinterfragen. Denn ihre Funktion ist heute nur allzu oft: die Abschwächung allzu evidenter Rollenzuweisung durch die Einführung subtilerer Kategorien. Gerade auch in der frühkindlichen Phase werden in bezug auf den geschlechtsspezifischen Aspekt so immer wieder Ursache und Folge verwechselt, werden die Folgen geschlechtsspezifischer Deformierung als Ursache geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und Herrschaft deklariert.

Die neueren sozialistischen Theoretiker, die sich mit der Frauenfrage befassen, rezipieren die klassischen Analysen dogmatisch und überprüfen nicht, was heute prüfbar ist. Darum finden die entscheidenden Fehler der Klassiker sich in einer falschen Strategie für die Befreiung der Frauen wieder.

Megabjörnie schrieb:
So ist die Konkurrenz nur eines von vielen Grundmustern der Natur und kann nicht absolut gesetzt werden.
Nein, es wird uns nur als Grundmuster eingeredet. Wir haben es alle von klein auf gelernt, daher erscheint es uns natürlich. Das ist notwendig, um den Kapitalismus aufrechtzuerhalten.

Die Veranlagung gibt dem Konkurrenzdenken seine Impulse, aber das heißt nicht, dass wir nicht bewusst dagegen ansteuern können. Überhaupt ist die Ansicht, der Mensch dürfe nicht "gegen die Natur" handeln, wieder weit verbreitet. So als ob wir ganz sicher wüssten, was "die Natur" ist. Auch das hinterfragt der Prot nicht.
Natürlich ist, daß der Mensch geliebt werden will und in Frieden leben. Nur lernen wir eben, daß wir Liebe bekommen, wenn wir Leistung bringen, besser sind als die anderen. So entsteht das Konkurrenzdenken erst. Je besser und erfolgreicher Du bist, desto mehr wirst Du geliebt. Bei Kindern sollte es ja selbstverständlich sein, daß sie die Liebe bekommen, die sie brauchen, stattdessen müssen sie mit immer mehr Einflüssen von außen in Konkurrenz treten, zum Beispiel gegen das Handy der Mutter. Bekämen sie einfach so genug Liebe, bräuchten sie keine Konkurrenzkämpfe mit der Umwelt.

Allerdings gefällt mir das Armeöffnen als Metapher ganz gut. Es muss ja nicht heißen, dass er es nicht auf subtile Weise anstellt. Aber ich werde ein wenig darüber grübeln.
Und, hast Du schon zu einem Ergebnis gefunden? Vielleicht solltest Du es nur ein Eutzerl genauer beschreiben, damit man keinen Jesus vor sich sieht?

So viel Mühe setzt Maßstäbe.
Naja, die Kritiken, die Du schreibst, sind ja meistens auch keine Fünfminutenwerke, also darf man sich für Deine Geschichten ruhig auch Mühe geben. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Naja, die Kritiken, die Du schreibst, sind ja meistens auch keine Fünfminutenwerke, also darf man sich für Deine Geschichten ruhig auch Mühe geben.

Endlich mal einer, der das zu würdigen weiß. Tja, man tut eben alles, um bessere Kritiken zu schreiben als die anderen. Wo kämen wir denn hin, wenn ich mich unterkriegen ließe bei diesem Kampf um geistige Übertrumpfung? Gut, dass das endlich mal jemand wahrnimmt, ich war schon am Verzweifeln. Echt.

Na ja, zu den Forschungen mit der Frage: "Vererbt oder nicht?" gibt es auch eine unheimliche ideologische Lagerspaltung in links und rechts. Jeder interpretiert die Dinge so, wie sie zu seiner Ausrichtung passen. Ich halte das für eine falsche Art, die Wissenschaften zu behandeln.
Aber darüber können wir ja auf dem Treffen aaaausführlichst diskutieren. :D *Aufzünftigeklugscheißsessionfreu*
Nur eines vorweg: Mit den Naturgrundmustern meinte ich nicht nur die menschliche, sondern die Natur insgesamt. Konkurrenzsituationen entstehen zum Beispiel bei der Kontrolle von Nahrungsgründen, auf jeden Fall und unbestreitbar bei der Partnersuche für die Paarung. Ich würde ja auch gerne freie Liebe für die ganze Gesellschaft fordern, aber der Konkurrenzimpuls Eifersucht kann schon deshalb nicht "erlernt" sein, weil er als Emotion so grundlegend ist. ;)

Vielleicht solltest Du es nur ein Eutzerl genauer beschreiben, damit man keinen Jesus vor sich sieht?

Ein Eutzerl? Wasn das? N Euter? Kleiner Euter vielleicht? Um einen Euter genauer beschreiben? Kann ich ja mal versuchen, weiß aber nicht, ob's klappt ... :D

Ich versuch mal, mir diesen Monat noch eine Woche nur fürs Schreiben freizumachen, aber Mittwoch in einer Woche ist Lateinklausur, und dazwischen ist ja auch noch unser Treffen. Scheiße, und mein Beitragszahlenschnitt sinkt und sinkt, ich muss was leisten, Konkurrenz, Leistung, muss mehr tun als die anderen ... Obwohl, ich könnte natürlich auch ein bisschen rumspammen. Fällt ja nicht so sehr auf ... :hmm:

 

Na das war ja einen Rumbastelei an dieser Kg...
Weiß nicht, wie sie vorher gewesen ist, aber in dieser Form gefällt sie mir sehr gut.
Das bild, das du entwirfst (Mensch, der sich von der Gesellschaft bestätigt fühlt und erst später herausbekommt, dass er nur von ihr benutzt wird) ist nicht neu, aber in dieser Form auf jeden Fall mal ganz anders dargestellt.
Die Gedankengänge des Boxers und die Schilderungen seiner Erlebnisse wirken auf mich glaubwürdig, die Atmosphäre kommt gut durch.
Lediglich mit dem Ende bin ich nicht ganz so zufrieden. Dass er sich jetzt ergibt, will in meinen Augen nicht zu dem entwickelten Profil des Boxers passen. So wie ich den Prot erlebt habe, würde er vielleicht zögern den Neuen das alles anzutun, aber letztlich würde er es doch tun. Denn, wie er selbst sagt, er ist Boxer, und es gewinnt immer der Bessere.
Vielleicht hättest du noch anfügen können, dass er es jetzt allen zeigen wird, weil er sowieso mit dem Plan in den Ring gestiegen ist, zu verlieren. Er ist der Favourit und hat gegen sich gewettet. So würde er und sein gegenüber als Gewinner aus dem Ring klettern...

trotzdem gerne gelesen
weltenläufer

 

Joh, danke für deine Kritik, weltenläufer. Zeigt, dass die Story zumindest auf einem guten Weg ist. ;)

 

ich bin keine megakritiker -björnie,

der bist du! darum wenig analytisch, dafür aber als wenig penibler leser.
mir hat die geschichte gefallen. die idee, dass sich ein boxer solche gedanken formulieren kann, kam mir anfangs komisch vor, das ließ aber im weiteren verlauf nach. was für mich einfach sehr gut rüberkommt, ist die einsamkeit im ring, alleine mit seinen gedanken und gegnern, wenn ich das mal so sagen darf.

Die Lust an der Auslese gibt den Menschen Auftrieb
könnte ein zitat der woche sein.

fands gut!

beste grüße
krilliam Bolderson

 

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