Würdest du denn ein "Ich fand deine Geschichte wunderschön!" auch als Geschmacksausrede titulieren? Oder würdest du dich darüber freuen?
Klar würde ich mich freuen, yours, keine Frage! Noch mehr freuen würde ich mich, wenn da noch stünde, warum die Geschichte als wunderschön gefunden wurde. Sonst könnte so eine Meinungsäußerung auch ein Blurb für den schreibenden Freund sein, denn wenn es Blurbs für die richtigen Bücher gibt, dann gibt es sie sicher auch hier, und eine Forderung, Lob bzw. Kritik auch zu begründen, macht solche „Freundschaftsdienste“ schwerer durchführbar.
Man kann zwar versuchen, eine Kritik von subjektiven Eindrücken unabhängig zu machen, aber das wird niemals ganz gelingen.
Und ich muss doch einem Autor auch mal schreiben dürfen: "Deine Geschichte trifft nicht meinen Geschmack (weil mich das Thema nicht so interessiert, weil der Stil nicht mein Ding ist, weil ich die Erzählperspektive seltsam finde oder was auch immer), aber handwerklich ist sie einwandfrei."
Wie bereits gesagt, Perdita, soll eine Kritik schon persönlich sein, insofern ist das wohl ein Missverständnis. Aber wenn einen das Thema nicht interessiert, dann braucht man de Geschichte nicht zu lesen, und wenn man sie trotzdem gelesen hat, dann braucht man nicht zu sagen, dass sie einem nicht gefallen hat, oder? Was kann der Autor mit so einer Äußerung schon anfangen? Das ist so als ob man sagen würde, ich mag keine Bananen und diese Banane auch nicht. Was anderes wäre aber, wenn er sagen würde, ich mag zwar keine Bananen, aber diese schmeckte mir.
Meine Kriterien sind folgende: Ein Minimum an Orthografie und Zeichensetzung, Protagonisten, die Konturen annehmen und eine Geschichte gestalten, die mich gerne auf den unterschiedlichsten Ebenen erreichen darf, Hauptsache, sie fesselt mich für die Lesezeit und wenn`s geht, auch darüber hinaus. Ich mag keine missionarischen Ergüsse oder moralische Belehrungen, auch keine Texte, die über politische Lippenbekenntnisse nicht hinausgehen, oder lediglich durch Blutmatsche faszinieren sollen, weil jeglicher Inhalt gemeuchelt wurde, wobei eine gut erzählte Geschichte diese Aspekte ja alle beinhalten kann.
[…]
doch ich lese hier z.T. Beiträge, die ich niemals so oder ähnlich schreiben würde (auch nicht könnte!), die mir aber gut gefallen, weil sie intelligent und flüssig geschrieben sind. Fantasy und Horror sind da Beispiele für mich, habe ich immer ganz schlimm gefunden! Geschichten, die mir gefallen, haben immer einen Aufbau, einen Höhepunkt, der in einer Überraschung, einer Erkenntnis, einem Schrecken u.ä. liegt und einem Schluß, der mir noch Raum für Fantasie und Denken läßt. Jetzt sage ich was, was sich vielleicht sehr seicht anhört, doch ich meine es wirklich so: Eine gute Geschichte ist auch mit Liebe, Sorgfalt und einem Schuß Humor gemacht, was nichts über den Zeitraum des Schreibens aussagt, wohl aber etwas über die Intention des Schreibenden.
Dagegen, Jutta, ist gar nichts einzuwenden, nur wer weiß schon, welche Kriterien du an eine Geschichte angelegt hast, um dann sagen zu können: Deine Geschichte hat mir gefallen? Darum geht es mir.
Ich gebe Perdita absolut recht in der Aussage, dass es ja eher noch eine zusätzliche feine Nuance des Kritisieren sein kann, wenn ich sage: "Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, aber Sexszenen mit einem Schaf sind so gar nicht mein Geschmack." Im Sinne eines auf diese Weise eingeschränkten Komplimentes.
Eine solche Aussage, Rick, ist absolut nachvollziehbar, denn du nennst ja den Stein des Anstoßes. Das sind klare Worte, mit denen jeder etwas anfangen kann (und hoffentlich auch der Autor).
Der Geschmack des Kritikers, lässt sich nicht einfach ausblenden. Auch wenn er es nicht explizit unter die Geschichte schreibt. Da schließe ich mich Ricks wie immer sehr bildlichen

Vergleichen an.
Na prima, krilliam, dann sind wir einer Meinung und haben trotzdem nicht den gleichen Geschmack über was auch immer.
Ich benutze "ist nicht mein Geschmack" eigentlich in der Hoffnung, es macht es für den Autor leichter, meine Meckereien zu schlucken. Wenn ich zum Beispiel finde "der Stil liest sich zäh, die Schachtelsätze verderben die Geschichte", dann sollte ich zwingend darauf hinweisen, dass das eben mein Geschmack ist.
Perfekt, Möctegern, so sollte es sein: Zu sagen, warum man den Text schlecht findet, d.h. die Kriterien nennen.
Kann es sein, daß Du das Forum verwechselt hast und den Beitrag eigentlich bei der Leselupe posten wolltest? Jedenfalls ist das, wovon Du hier sprichst, nicht kg.de.
Ach, Häferl, warum unterstellst mir Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. So weiß ich erstens nicht, was bei Leselupe so gepostet wird (war noch nie auf der Seite) und zweitens überrascht mich schon, mit welcher Bestimmtheit du zu wissen glaubst, was kg.de ist.
Als Ausrede kann man so etwas doch höchstens sehen, wenn die Kritik kurz ausfällt und der Kritiker keine Gründe dafür nennt, warum etwas nicht seinen Geschmack trifft bzw. ihm nicht gefällt. Ein Allgemeines „mir hat deine Geschichte nicht gefallen/ deine Geschichte trifft nicht meinen Geschmack“ ohne Begründung hilft dem Autor nicht und legt nahe, dass der Kritiker keine Zeit oder keine Lust hatte, sich näher mit der Geschichte zu beschäftigen. Begründet derjenige aber, warum etwas nicht seinen Geschmack trifft, ist es konstruktive Kritik.
Meine Rede, Stefan, meine Rede!
Es ist nicht alles eine Frage des Geschmacks, es ist vieles eine Frage des Niveaus. Und das ist ein Problem des Forums, es wird zu oft bewertet, ob ein Text inhaltlich dem eigenen Weltbild entspricht, das Handwerkliche bleibt uninteressant.
Ich fürchte, Quinn, das wird sich nie vermeiden lassen. Rick hat es auf den Punkt gebracht: Man muss sagen, warum einem etwas gefällt oder nicht gefällt. Mehr wollte ich mit diesem Thread nicht erreichen: Dass die lapidaren Aussagen ohne Begründung oder ohne der Nennung der Kriterien weniger werden.
reich-ranicki hat in seinen wunderbar ungerechten und vollkommen subjektiv gefärbten tiraden bewiesen, dass literatur nur dann vergnügen macht, wenn man sie von der reinen arbeit (es gibt das schöne deutsche wort textarbeit)
befreit und die eigene interpretation hinzufügt.
Ach, kind, Reich-Ranicki hat nur bewiesen, dass wir alle Voyeure und voller Schadenfreude sind. Ihm zuzuschauen und zuzuhören machte Spaß, weil er aus einem reichen Kenntnisfundus schöpfte und das in gestochen scharfen Sätze verpacken konnte. Er sagte nie einfach „hat mir nicht gefallen“, er begründete seine Kritiken immer mit stichhaltigen Argumenten, so dass die anderen drei in der Runde oft fassungslos waren und kaum etwas dagegen sagen konnten.
Wenn ein bestimmtes Thema mich einfach nicht interessiert oder mir nicht gefällt, sprich, wenn es nicht meinem Geschmack entspricht, tut das der Qualität der Geschichte als solche doch keinen Abbruch.
Warum, Bella, schweigst du in solchen Fällen nicht? Oder sagst wenigstens dazu, was an der Geschichte dir nicht gefallen hat? Beispiel: Jetzt wissen wir zwar, dass du keine Tomatensuppe magst, aber wissen wir, was du sonst nicht magst? Natürlich wissen wir es nicht, und auch das mit der Tomatensuppe werden wir bald vergessen haben. D.h., du solltest das jedes Mal sagen, wenn es um die Suppen geht, und bei den Geschichten, wenn es um deine speziellen Kriterien geht.
Vor allem aber auch: was kann und was darf ich kritisieren? Darf ich mir anmaßen, ein Thema zu kritisieren, weil ich es geschmacklos finde bzw. es meinen Geschmack nicht trifft? MMn nein, denn das führt doch dazu, dem Autor vorschreiben zu wollen, worüber er schreiben darf und worüber nicht.
O doch, Stefan, man darf zu jedem Text seinen Senf dazu geben, und es ist der Sache des Autors bzw. anderer Kritiker, dich zurechtzuweisen, wenn du Unsinn redest. Was ich sagen wollte: Hier wird niemandem verboten, sich bloßzustellen.
Beispielsweise finde ich weder Joanne K. Rowling noch Donna Leon nach meinem Geschmack, doch zu ihrem persönlichen Glück waren beide Damen nicht von meiner Meinung und Kritik abhängig.
Das, Lev, bedeutet nur, dass du keinen Massen tauglichen Geschmack hast. Das ist nicht das Schlechteste, was einem im Leben passieren kann.
Ich dachte anfangs, ich würde etwas Unmögliches wollen, nun aber sehe ich, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen. Ich danke allen, die sich zum Thema geäußert haben und hoffe, dass uns das wenigstens etwas weiter gebracht hat bei der Frage, wie mache ich’s richtig.
Sirius