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Gesichter

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03.09.2024
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Gesichter

Sie stand im Türrahmen und sah mich an.
"Du musst verrückt sein!", sagte sie, die Arme verschränkt.
"Nur die Wäsche", sagte ich und zeigte auf meine abgestellte Tasche. Sie schüttelte den Kopf, ihr Blick wandte sich ab.
"Soll ich das im Fluss machen?"
"Gibt Waschsalons! Duschen solltest du auch, ich kann dich riechen!"
Die Tür ging zu. War ein Versuch. Hätte ich mir sparen können. Schon zu lange her, ein anderes Leben, ich wusste das eigentlich.
Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran. Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen. Man muss ein bisschen Zeit mitbringen. Weggehen ist nicht gut. Ich war nur kurz draußen, fünf Minuten vielleicht. Es hat zu schneien angefangen, ganz leicht, das erste Mal dieses Jahr. Als ich wiederkomme, ist alles geklaut. Die ganzen Klamotten weg. Ich fasse es nicht. Wer klaut Leuten denn die letzten Sachen? Stehe da vor den Waschmaschinen, die sich drehen. Räume dann eine andere aus, ist sonst keiner da, außer dem Penner, der immer auf der Bank schläft. Liegt da, als wäre er tot, mit einer echt fiesen Stelle am Oberschenkel, wo es durchsuppt in seiner Jeans. Wenigstens hat er es warm hier drin und schnarcht nicht. Aber der sollte mal zum Arzt.
Die Sachen sind ein bisschen zu groß, aber es geht. Ein Barcelona-Trikot mit der Nummer 10 ist dabei. Das ziehe ich gleich an, ich liebe Messi. Als ich mit vollgepackter Tasche und offenem Parka rausgehe, rempelt mich ein Typ an, etwas größer als ich, geschniegelt, gehört hier nicht her. Er entschuldigt sich und zeigt auf das Messi-Trikot. „Hab´ ich auch“, sagt er und grinst. Ich sehe zu, dass ich durch die Tür komme, draußen laufe ich los. Gar nicht so einfach mit der Tasche in dem Schneegriesel, der in den Augen brennt, ich kneife sie zusammen, nehme einen offenen Hauseingang und verschwinde in Richtung Keller. Ich hab´ keine Eile, hier ist es nicht so kalt wie auf der Straße, ist richtig Winter geworden, ewig wird der mich nicht suchen. In zwanzig Minuten ist die Luft rein, spätestens. Die Kellertür ist nicht verschlossen, manche Leute sind so dämlich, man fasst es nicht. Ich schalte das Licht an. Sieben, acht Kellerverschläge in dem Gang rechts, die meisten mit Zahlenschlössern davor. Links stehen jede Menge Fahrräder, dahinter ist eine Stahltür. Ich gehe an den Rädern vorbei, zwei E-Bikes sind darunter. Es gab schon Freitage, die schlechter waren. Ich stelle die Tasche vor der Tür ab und drücke die Klinke. Offen. Die Bewohner dieses Hauses sind dermaßen sorglos, dass mich brennend interessiert, was sich hinter der Stahltür verbirgt, auch wenn sie keiner abschließt. Außen Ist kein Lichtschalter, ich taste die Wand drinnen ab, finde aber keinen. Irgendwo muss einer sein. Ich versuche es auf der anderen Seite, auch nichts, die Tür fällt hinter mir zu, es ist dunkel. Als ich sie aufdrücken will, bewegt sie sich nicht. Ich taste nach einer Klinke. Da ist keine. Nur Stahl, an manchen Stellen rissig, vermutlich blättert Farbe ab. Das Smartphone hat kein Netz, immerhin funktioniert die Taschenlampe. Der Lichtkegel zeigt einen grauen Betonboden, der Raum ist leer, Steinmauern an den Seiten, fleckig, die Oberfläche zum Teil abgebröckelt, es riecht leicht modrig. Die gegenüberliegende Seite ist begrenzt durch Stahlstreben, mit einer Tür aus demselben Material. Es hallt leicht, als ich darauf zugehe und daran rüttele. Verschlossen. Ein weiterer Raum hinter der Vergitterung scheint ebenfalls leer zu sein, bis auf zwei billige Plastikstühle, die im fahlen Licht der Taschenlampe schmutzig wirken. Nicht gut. Was ist das für eine Scheiße? Selbst an die Tasche mit den ganzen Klamotten komme ich nicht ran, die steht hinter der Stahltür ohne Griff. Ich ärgere mich, dass ich sie nicht aufgehalten habe, aber wer kann ahnen, dass da kein Griff auf der anderen Seite ist. Der Freitag fing gut an, jetzt ist nicht so gut. Ich leuchte den Raum ab, komplett leer, an der Decke sind Neonröhren angebracht. Kein Schalter, der muss irgendwo anders sein. Ich versuche, mit den Fingern in den Spalt der Stahltür zu kommen, sinnlos. Ich sinke an der Wand zu Boden, die Knie angewinkelt, viel Saft hat das Handy nicht mehr. Ich schalte es aus. Stockdunkel. Jede kleinste Bewegung erzeugt ein Geräusch, das Schaben der Schuhe, das Reiben des Parkas an der Wand, sogar mein Atmen höre ich. Ich gehe aus der Hocke und setze mich auf den kalten Boden. Ruhig bleiben, Geduld haben, irgendwann wird jemand kommen.
Ich weiß nicht, wie lange ich dagesessen habe, eine Ewigkeit vermutlich. Ich höre Stimmen, hell und aufgeregt, Kinderstimmen, nicht weit entfernt. Ich rappel mich hoch und rufe: „Hallo!“
Die Stimmen werden lauter.
„Hallo, ich bin hier! Hilfe!“
Eine Tür wird aufgeschlossen, ein lautes Knallen folgt, als sie wieder zufällt. Das Licht geht an in meinem Stahlgefängnis, eine Neonröhre flackert surrend, die anderen scheinen defekt zu sein. Das spärliche Licht erhellt den Raum nur schwach. Die Geräusche kommen von der gegenüberliegenden Seite, wo die Tür mit den Gitterstäben ist. Der Raum dahinter bleibt im Halbdunkel, aber ich kann zwei kleine Gestalten ausmachen, die sich nähern. Kinderstimmen, sie scheinen zu streiten. Ich renne zum Gitter, halte das Handy hoch, die Taschenlampe eingeschaltet. Sie kommen zielstrebig auf mich zu, ein Junge und ein kleineres Mädchen, er vielleicht elf, zwölf Jahre, sie jünger. Beide halten etwas in ihren Händen, hoffentlich haben sie Schlüssel für die Tür.
„Ich bin so froh, euch zu sehen!“, sage ich, ihre Konturen werden deutlicher, sie tragen Umhänge mit Kapuzen hintendran, sieht aus, als kämen sie von einem Mittelalterfest. Vielleicht tragen die beiden deshalb Armbrüste. Der Junge schubst das Mädchen, es fällt hin, die Armbrust scheppert auf den Betonboden.
„Könntet ihr bitte … “, fange ich an, aber sie hören mir nicht zu. Das Mädchen hat sich wieder aufgerappelt und schlägt nach dem Jungen.
„Ich darf erst!“, schreit sie.
Sie sind jetzt so nah, dass ich ihre Gesichter erkennen müsste. Ihre Augen, Nasen, Münder. Das Licht ist spärlich, aber eigentlich, nur eine Neonröhre, zuckendes Licht, ich gehe einen Schritt zurück, dann noch einen, sie kommen näher, ihre Gesichter, das Mädchen spannt die Sehne und legt einen Pfeil ein, der Junge tut es auch, sein Gesicht, was zum Teufel, ich weiche weiter zurück, er hat kein Gesicht. Kein Gesicht. Da ist nichts, nur ein milchiger Fleck. Auch ihr Gesicht ist unkenntlich. Vielleicht haben sie Masken auf.
„Passt auf!“, sage ich, während ich weiter nach hinten gehe. „Es ist alles nicht schlimm, wirklich nicht schlimm, aber …“
Das Mädchen feuert den Bolzen ab, er zischt knapp an mir vorbei und kracht an die Stahltür hinter mir, vor der er klappernd auf den Boden fällt.
„Seid ihr verrückt geworden?“, brülle ich.
„Du kannst es nicht!“, sagt der Junge, schiebt sie beiseite und zielt seinerseits. Ich mache eine schnelle Ausweichbewegung, auch der zweite Pfeil verfehlt mich um Haaresbreite.
„Hört auf!“, schreie ich. Die beiden legen neue Pfeile ein.
„Ich treffe jetzt!“, sagt das Mädchen, der Junge lacht hämisch.
Die sind komplett wahnsinnig, das Mädchen nimmt die Armbrust hoch. Ich greife einen der Bolzen auf dem Boden, springe nach vorn und stoße damit auf die Neonröhre an der Decke. Einmal, zweimal. Es gibt ein splitterndes Geräusch, dann ist es dunkel. Schwarz. Ich bewege mich leise nach links, gehe in die Hocke.
„Das ist unfair“, höre ich das Mädchen sagen.
„Ich kann ihn riechen“, sagt der Junge.
Etwas scheppert gegen die Mauer, der Bolzen hat mich verfehlt, das Mädchen flucht.
„Jetzt pass auf!“, flüstert der Junge.
Ich lege mich flach auf den Boden, halte den Atem an und robbe weiter nach links. Langsam, leise.
„Hörst du ihn?“, fragt er sie.
„Nein“, antwortet sie.
„Ich schon“, sagt er. Es gibt einen dumpfen Aufprall, der mein Bein nach hinten reißt. Erst dann kommt der Schmerz. Wie ein glühendes Messer, das alles zerfetzt. Ich schreie und fasse an meinen Oberschenkel, fühle den Pfeil, es tut so wahnsinnig weh, ich brülle.
„Jetzt bin ich dran!“, sagt das Mädchen.
Ich umklammere mein Bein, kann mich nicht wegbewegen, versuche zu kriechen. Das Pochen bringt mich um den Verstand, ich komme nicht vom Fleck.
„Bitte!“, schreie ich.
„Du musst weiter rechts zielen!“, höre ich den Jungen sagen.
„Lass mich!“, kreischt das Mädchen.
Ich falle. Durch ein Loch. Da, wo eben noch der Boden war. Es raubt mir den Atem. Kein Halt, rasend, immer weiter. Ich will schreien, es geht nicht, ich werde aufschlagen, ich weiß es, ich weiß das doch alles!
Als das Licht angeht, sagt jemand: „Sie müssen jetzt gehen, bitte!“
Ich versuche, den Sprechenden anzusehen.
„Wir schließen jetzt!“, sagt die Stimme.
Ich sehe Neonlichter über mir. Waschtrommeln neben mir. Einen Mann, der sich über mich beugt und mich anfasst.
„Sie sollten zum Arzt gehen!“, sagt er und zeigt auf meinen blutenden Oberschenkel.
Ich sehe zu ihm auf. Er hat kein Gesicht.
„Schneit es noch?“, frage ich flüsternd, um Zeit zu gewinnen.
„Nur leicht“, sagt er und zerrt mich hoch.
Ich umklammere den Pfeil unter mir mit der rechten Hand, ganz fest.

 

Hallo @Jaylow,

ich mag Geschichten, die originell sind (stilistisch und/oder inhaltlich).
Dein Text ist mit seinen passenden kurzen Dialogen und Beschreibungen gut der Thematik angepasst, diesem rastlosen, 'nicht zu Hause sein'.

Inhaltlich finde ich positiv, dass du dem Leser einige Überraschungen bietest:

Erst die Abweisung, Wäsche waschen zu dürfen, der Hinweis auf ein anderes Leben. Diese Niederlage ist akzeptierter Teil des Alltags, dem Leser wird die unschöne Normalität des Prot. vorgestellt.

Dieser Gegensatz zum behaglich lebenden Normalbürger wird gesteigert, weil eine Entscheidung getroffen wird - die in den Keller zu gehen. (gepaart mit - endlich einmal - einem Überlegenheitsgefühl gegenüber den situierten aber 'dämlichen Leuten'. Ein kleines logisches Problem ist die sich nicht öffnende Tür in einem Mietshaus ...).

Dieser plötzliche Fall in den Abgrund ist interessant, vorallem, als dann die Kinder auftauchen - ich dachte erst, sie seien auch gefangen:

"Die Geräusche kommen von der gegenüberliegenden Seite, wo die Tür mit den Gitterstäben ist."

Die gesichtslosen Kinder wirken auf mich wie ein erzwungenes Spukelement, zumal sie schlecht in den umfassenden inhaltlichen Kontext einzuordnen sind. (Ihr Verhalten sprengt den bisher eingehaltenen Erzählrahmen, selbst wenn ich im Nachhinein das Geschenen aus der Perspektive eines verletzten Träumenden, Bewusstlosen?, sehe).

Dann noch eine Wendung, zurück in den Waschsalon. (Ein:thumbsup: für die Ideen).

Mit dem Schluss bin ich nicht zufrieden, dieses 'Traummotiv' (oder Bewusstlosigkeit) ist verbraucht und leider gelingt es dir nicht diese beiden Pole der Geschichte zu einer übergeordneten Aussage zu verknüpfen:

außer dem Penner, der immer auf der Bank schläft. Liegt da, als wäre er tot, mit einer echt fiesen Stelle am Oberschenkel, wo es durchsuppt in seiner Jeans.

„Sie sollten zum Arzt gehen!“, sagt er und zeigt auf meinen blutenden Oberschenkel.

Klar, man kann auch vieles in einem Text offen lassen, aber nach dem schönen, gestuften Aufbau wirkt das eher destruktiv.

Meint

Woltochinon

 

Haloo @Jaylow unbekannterweise,

Ich bin bei deiner Geschichte hin- und hergerissen, Das liegt daran, dass ich grundsätzlich die Auflösung einer Geschichte als Traumsequenz nicht mag, weil das ein cheat am Leser ist: Alles, was ich dir gerade erzählt habe, stimmt nicht, denn es war nur geträumt.

Ich falle. Durch ein Loch. Da, wo eben noch der Boden war. Es raubt mir den Atem. Kein Halt, rasend, immer weiter. Ich will schreien, es geht nicht, ich werde aufschlagen, ich weiß es, ich weiß das doch alles!
Als das Licht angeht, sagt jemand: „Sie müssen jetzt gehen, bitte!“
Ich versuche, den Sprechenden anzusehen.
„Wir schließen jetzt!“, sagt die Stimme.
Andererseits hab ich deine Geschichte so runtergelesen und du verknotest die Ebenen miteinander, so dass es final doch iwie halbwegs wahr wird. Dennoch erscheint mir die Auflösung mit dem Loch als Tunnel zurück zum Waschsalon zu einfach. Da würde ich lieber eine andere Auflösung lesen, die sich aus dem Spannungsbogen ergibt.
"Gibt Waschsalons! Duschen solltest du auch, ich kann dich riechen!"
Die Tür ging zu.
Die Exposition dient für mich nur dazu, den Prota in den Waschsalon zu bringen, sie bringt eine gewisse Beliebigkeit mit sich, heißt, die Geschichte würde auch funktionieren, wenn der Prota nicht obdachlos und getrennt wäre. Da schneidest du zwei Dinge kurz an, die für den Text mMn keine Bedeutung haben. Das Verstecken im Keller wegen des Diebstahls der Tasche wäre auch anders einleitbar. Nur so als Hinweis.
Liegt da, als wäre er tot, mit einer echt fiesen Stelle am Oberschenkel, wo es durchsuppt in seiner Jeans.
die Wortwahl "durchsuppt" relativiert und verharmlost die Verletzung und somit auch das, was du erzählst.
ihre Konturen werden deutlicher, sie tragen Umhänge mit Kapuzen hintendran, sieht aus, als kämen sie von einem Mittelalterfest. Vielleicht tragen die beiden deshalb Armbrüste.
Da habe ich mich direkt gefragt, warum die Kinder aus dem Mittelalter die Neonlampe bedienen können und von der Smartphone-LED nicht im geringsten überrascht sind?
ihre Gesichter, das Mädchen spannt die Sehne und legt einen Pfeil ein, der Junge tut es auch, sein Gesicht, was zum Teufel, ich weiche weiter zurück, er hat kein Gesicht. Kein Gesicht. Da ist nichts, nur ein milchiger Fleck. Auch ihr Gesicht ist unkenntlich. Vielleicht haben sie Masken auf.
Das ist echt creepy, und gut. Warum haben die keine Gesichter?
auch der zweite Pfeil verfehlt mich um Haaresbreite.
„Hört auf!“, schreie ich. Die beiden legen neue Pfeile ein.
Heißen die Geschosse einer Armbrust nicht Bolzen?
„Wir schließen jetzt!“, sagt die Stimme.
Ich sehe Neonlichter über mir. Waschtrommeln neben mir. Einen Mann, der sich über mich beugt und mich anfasst.
„Sie sollten zum Arzt gehen!“, sagt er und zeigt auf meinen blutenden Oberschenkel.
Ich sehe zu ihm auf. Er hat kein Gesicht.
Da kriegst du noch die Kurve durch die Klammer zum Anfang. Gut auch, dass er den Pfeil festhält, quasi als Beweis.

Für mich stimmt der Erzählbogen und die Gewichtung noch nicht ganz, du könntest bspw. da einsteigen, wo er mit der geklauten Tasche über der Schulter den Waschsalon verlässt und die Exposition mit Freundin und Obdachlosigkeit killen, weil das keine Rolle spielt.
Der Hauptteil könnte für mich noch viel creepiger sein, Prota schafft es durch die Stahltür wieder zurück in den Keller, weil dann doch jemand die Klinke von außen drückt. Er holt sich Verstärkung/ Polizei oder wen auch immer und kehrt zurück in den Keller, der dann einfach nur kahl und leer ist, ohne jagende Kinder, dafür funktionieren alle Neonröhren, aus seinem Bein wird im KH ein mittelalterlicher Bolzen gezogen, der laut C14-Datierung 500 Jahre alt ist, usw., da warten noch Erzähl-Strecke und viele andere Möglichkeiten als ein Portalloch.

Peace, l2f

 

Hallo @Jaylow,

ich habe extra nochmals konkret nach den von dir verwendeten Tags geschaut und finde da Alltag und nichts weiter. Für mich ist das aber eine mindestens seltsame Geschichte, weil sie speziell zum Ende hin recht nebulös wird und schon beim Auftauchen der Kinder, deren Gesichter fehlen, seltsam wirkt.

Und das ist auch mein Hauptkritikpunkt, dass ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll. Wenn es eine phantastische Horrorgeschichte sein soll, dann würde ich akzeptieren, dass seltsame Figuren agieren, wobei mir dann aber das Ende nicht recht logisch erscheint.
Ich fühle mich daher reichlich unzufrieden, nach dem Lesen, eben, weil ich nicht weiß, was ich da erkennen sollte.

Sie stand im Türrahmen und sah mich an.
"Du musst verrückt sein!", sagte sie, die Arme verschränkt.
"Nur die Wäsche", sagte ich und zeigte auf meine abgestellte Tasche. Sie schüttelte den Kopf, ihr Blick wandte sich ab.
"Soll ich das im Fluss machen?"
"Gibt Waschsalons! Duschen solltest du auch, ich kann dich riechen!"
Die Tür ging zu. War ein Versuch. Hätte ich mir sparen können. Schon zu lange her, ein anderes Leben, ich wusste das eigentlich.
Dieser erste Absatz zieht gut in die Geschichte rein. Ich denke mir danach: Klar, hier geht es um einen Obdachlosen, der seine Wäsche waschen möchte. Komplett logischer Anfang.
Das Problem ist aber hier, dass du damit die Weichen bei mir stellst. Ich denke nun, es geht so logisch weiter.
Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran. Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen. Man muss ein bisschen Zeit mitbringen. Weggehen ist nicht gut. Ich war nur kurz draußen, fünf Minuten vielleicht. Es hat zu schneien angefangen, ganz leicht, das erste Mal dieses Jahr. Als ich wiederkomme, ist alles geklaut. Die ganzen Klamotten weg. Ich fasse es nicht. Wer klaut Leuten denn die letzten Sachen? Stehe da vor den Waschmaschinen, die sich drehen.
Hier hab ich für einen Moment gar nicht gewusst, wo er sich jetzt befindet. Erst nach dem Lesen des gesamten von mir zitierten Absatzes war klar, ah, er ist im Waschsalon. Vielleicht, falls es anderen auch so erging, wäre ein winziger Hinweis auf den Waschsalon, gleich zu Beginn sinnvoll?
Die Kellertür ist nicht verschlossen, manche Leute sind so dämlich, man fasst es nicht. I
Mich irritiert, dass er das so bewertet und auch wozu er genau diesen Gedanken jetzt hat. Was mich an diesem Gedankengang stört ist, dass er so total negativ rausgehauen wird. Freut sich nicht der Obdachlose darüber, dass die Tür offen ist. Er profitiert doch von der Nachlässigkeit der Leute. Dies ist aber wirklich nur eine Kleinigkeit, kann am Ende damit leben, dass er so denkt und fühlt.
Außen Ist kein Lichtschalter,
Es wird spannend.
Als ich sie aufdrücken will, bewegt sie sich nicht. Ich taste nach einer Klinke. Da ist keine.
Jetzt wird es richtig spannend. Gut gemacht, mit wenigen Mitteln erzeugst du echte Spannung.
„Ich darf erst!“, schreit sie.
Oh Gott. Gut gemacht, ich zittere mit ihm.
Und was danach kommt ist ebenfalls ziemlich elektrisierend geschrieben, weil man natürlich mit dem Obdachlosen mitfiebert, er möge nicht getroffen werden.
Aber irritierend zugleich ist die Aussage, dass die Kinder keine Gesichter hätten. Selbst der Hinweis, dass es vermutlich Masken sind, hilft hier nicht raus aus der Irritation. Tragen sie nun welche oder nicht?
Wozu ist das so? Das erschließt sich mir bis zum Ende der Geschichte nicht.
Ich falle. Durch ein Loch. Da, wo eben noch der Boden war. Es raubt mir den Atem. Kein Halt, rasend, immer weiter. Ich will schreien, es geht nicht, ich werde aufschlagen, ich weiß es, ich weiß das doch alles!
Als das Licht angeht, sagt jemand: „Sie müssen jetzt gehen, bitte!“
Ich versuche, den Sprechenden anzusehen.
„Wir schließen jetzt!“, sagt die Stimme.
Ich sehe Neonlichter über mir. Waschtrommeln neben mir. Einen Mann, der sich über mich beugt und mich anfasst.
Ah, denke ich, er hat nur geträumt.
Aber wieso steht dann da "Als das Licht angeht ..." welches Licht, frage ich mich? Er hat doch alle Lampen zerstört. Und wieso ist er jetzt wieder im Waschsalon? Aber wenn er dort ist, wieso geht da das Licht an? Und wieso bekommt er das denn überhaupt mit, wenn er doch schläft. Puh, lieber Jaylow, du siehst, ich schwimme hier wie eine Idiotin, die ich ja auch vielleicht in Bezug auf deine Geschichte bin, hin und her und komme an kein Ufer.
Ich umklammere den Pfeil unter mir mit der rechten Hand, ganz fest.
Also ein Traum kann es dann irgendwie nicht gewesen sein oder? Und sind das dann zwei Obdachlose im Waschsalon? Oder doch nur einer? Und was ist denn da passiert, dass es so wirkte als seien sie zwei unterschiedliche Personen. Ich bin, wie du siehst, immer noch nicht am rettenden Ufer der Antworten angelangt. Für mich als Leserin ist das eine blöde Situation, weil ich keine Antworten bekomme.
Und leider gehöre ich zu denjenigen Personen, die sich damit höchst unwohl fühlen, sei es in der normalen Alltagsrealität, sei es bei Geschichten.
Du bist im Grunde genommen dabei, mich als Leserin grad zu verlieren, weil ich, um im Bild zu bleiben, nicht mehr lange schwimmen kann und unweigerlich erschöpft untergehen werde. (ok, sorry, ist ein wenig dick aufgetragen)
außer dem Penner, der immer auf der Bank schläft. Liegt da, als wäre er tot, mit einer echt fiesen Stelle am Oberschenkel, wo es durchsuppt in seiner Jeans. Wenigstens hat er es warm hier drin und schnarcht nicht. Aber der sollte mal zum Arzt.
Der Penner, der immer??? auf der Bank schläft, also kennt er diesen Waschsalon mit all seinen Gepflogenheiten schon länger?
Und wie schon oben gesagt, ich bekomme die Lösung nicht hin, weshalb nun der Obdachlose verletzt ist. Wer von beiden ist er denn? Oder ist er nur eine Person?

Das ist so mein Fazit zu deiner Geschichte. Schreiben kannst du, ich mag auch deinen klaren Schreibstil. Aber die Umsetzung ist dir nicht so gut gelungen, wobei ich auch einfach schlucken würde, wenn du mir mitteilst, dass ich zu viel übersehen habe, kein Feeling für diese Art von Geschichten und Rätsel habe, all das könnte durchaus zutreffend sein.


Lieben Gruß

lakita

 

Noch mal zur Gesichtslosigkeit: Das hab ich tatsächlich so nicht deutlich gesehen. Ich hab es eher so gelesen, das es mit ihm physisch zu Ende geht, Vorboten des Schattenreichs sozusagen.
Hallo nochmal @erdbeerschorsch, den physischen Weg nach unten wollte ich gern drin haben, ja, die Idee

Den Pfeil im Oberschenkel würde ich nicht leichtfertig opfern, aber vielleicht könnte das eher aus Versehen passieren: sie zielen gar nicht auf ihn, sondern auf etwas anderes?
ist überlegenswert, Ausgangspunkt war für mich zunächst, dass der Ich-Erzähler die Welt zunehmend feindlich empfindet, nicht allgemein oder aus Versehen, sondern zielgerichtet gegen ihn. Ich denke darüber nach, herzlichen Dank für deine Anstöße!

Scchönen Gruß

Jaylow

 

Hallo @linktofink,

erstmal danke fürs Beschäftigen!

Andererseits hab ich deine Geschichte so runtergelesen und du verknotest die Ebenen miteinander, so dass es final doch iwie halbwegs wahr wird. Dennoch erscheint mir die Auflösung mit dem Loch als Tunnel zurück zum Waschsalon zu einfach. Da würde ich lieber eine andere Auflösung lesen, die sich aus dem Spannungsbogen ergibt.
Die "Traumsequenz" wurde häufiger kritisiert, ich habe versucht, das etwas zu mildern. Bin mir noch nicht sicher, ob ich das komplett ändern möchte, denn der Bogen zum Schluss mit dem Pfeil unter ihm scheint die Möglichkeit anzudeuten, dass da was Wahres passiert ist, zumindest in der Empfindung des Ich-Erzählers. Vielleicht ist das etwas schwammig und zu "offen".
Die Exposition dient für mich nur dazu, den Prota in den Waschsalon zu bringen, sie bringt eine gewisse Beliebigkeit mit sich, heißt, die Geschichte würde auch funktionieren, wenn der Prota nicht obdachlos und getrennt wäre.
Die Einleitung habe ich tatsächlich verändert gehabt, der war vorher nicht überzeugend. Mir persönlich gefällt das so besser, kann vielleicht noch etwas unterfüttert werden, aber einen Obdachlosen darzustellen, war mir schon wichtig, aus meiner Sicht würde die Geschichte sonst nicht funktionieren.
Das ist echt creepy, und gut. Warum haben die keine Gesichter?
Danke! Er sieht jedenfalls keine. Diese Wahrnehmung werde ich vermutlich auch noch in der Eingangsszene aufnehmen.
Heißen die Geschosse einer Armbrust nicht Bolzen?
Ja, in der Geschichte werden beide Begriffe verwendet. Umgangssprachlich wird aber auch von Pfeilen gesprochen, ich war hier nicht auf übermäßige Korrektheit aus, weil der Prota hier vermutlich nicht sonderlich versiert ist.
Da kriegst du noch die Kurve durch die Klammer zum Anfang. Gut auch, dass er den Pfeil festhält, quasi als Beweis.
Fand ich auch, habe das nachträglich eingefügt, soll die Traumsequenz mehr in Frage stellen, vielleicht ist das tatsächlich alles passiert, ich schwimme hier zwischen Illusion, Vorstellung und Realität, vielleicht noch nicht ganz überzeugend, kann sein.
Der Hauptteil könnte für mich noch viel creepiger sein, Prota schafft es durch die Stahltür wieder zurück in den Keller, weil dann doch jemand die Klinke von außen drückt. Er holt sich Verstärkung/ Polizei oder wen auch immer und kehrt zurück in den Keller, der dann einfach nur kahl und leer ist, ohne jagende Kinder, dafür funktionieren alle Neonröhren, aus seinem Bein wird im KH ein mittelalterlicher Bolzen gezogen, der laut C14-Datierung 500 Jahre alt ist, usw., da warten noch Erzähl-Strecke und viele andere Möglichkeiten als ein Portalloch.
Da sprudelt Kreativität, ja, es gibt auch andere Möglichkeiten und der 500 Jahre alte Bolzen spricht mich gleich an.

Vielen Dank für deine Gedanken und Ideen zu dem Text, es grüßt

Jaylow

 

Hallo @lakita,

Für mich ist das aber eine mindestens seltsame Geschichte, weil sie speziell zum Ende hin recht nebulös wird und schon beim Auftauchen der Kinder, deren Gesichter fehlen, seltsam wirkt.
Man kann in der story nicht eindeutig zuordnen, was Realität ist. Vielleicht ist es zu nebulös, gut möglich.
Dieser erste Absatz zieht gut in die Geschichte rein. Ich denke mir danach: Klar, hier geht es um einen Obdachlosen, der seine Wäsche waschen möchte. Komplett logischer Anfang.
Das Problem ist aber hier, dass du damit die Weichen bei mir stellst. Ich denke nun, es geht so logisch weiter.
Gibt dann einen Bruch, das stimmt. Es ist nicht völlig eindeutig, was da passiert ist.

Oh Gott. Gut gemacht, ich zittere mit ihm.
Und was danach kommt ist ebenfalls ziemlich elektrisierend geschrieben, weil man natürlich mit dem Obdachlosen mitfiebert, er möge nicht getroffen werden.
Das freut mich natürlich, wenn zumindest Passagen als spannend wahrgenommen werden, vielen Dank!
Du bist im Grunde genommen dabei, mich als Leserin grad zu verlieren, weil ich, um im Bild zu bleiben, nicht mehr lange schwimmen kann und unweigerlich erschöpft untergehen werde. (ok, sorry, ist ein wenig dick aufgetragen)
Nein, ist nicht dick aufgetragen. Meine Intention ist natürlich nicht, dass man den Text frustriert in die Ecke wirft. Ich denke drüber nach.

Danke für die Rückmeldung, einen schönen Tag wünscht

Jaylow

 

ich mag Geschichten, die originell sind (stilistisch und/oder inhaltlich).
Dein Text ist mit seinen passenden kurzen Dialogen und Beschreibungen gut der Thematik angepasst, diesem rastlosen, 'nicht zu Hause sein'. Inhaltlich finde ich positiv, dass du dem Leser einige Überraschungen bietest:
erstmal danke dafür @Woltochinon, und auch:
Dieser Gegensatz zum behaglich lebenden Normalbürger wird gesteigert, weil eine Entscheidung getroffen wird - die in den Keller zu gehen. (gepaart mit - endlich einmal - einem Überlegenheitsgefühl gegenüber den situierten aber 'dämlichen Leuten'.
Eine schöne Beobachtung, an dieser Stelle ist er tatsächlich obenauf.
Dann noch eine Wendung, zurück in den Waschsalon. (Ein:thumbsup: für die Ideen).
Das freut mich sehr, dass du das für eine gute Idee hältst, wird unterschiedlich gesehen. Aber auch du siehst den Schluss eher kritisch:
Mit dem Schluss bin ich nicht zufrieden, dieses 'Traummotiv' (oder Bewusstlosigkeit) ist verbraucht und leider gelingt es dir nicht diese beiden Pole der Geschichte zu einer übergeordneten Aussage zu verknüpfen:

Klar, man kann auch vieles in einem Text offen lassen, aber nach dem schönen, gestuften Aufbau wirkt das eher destruktiv.
Der Schluss wird so häufig kritisiert, dass ich mir Gedanken machen muss. Ich fand den Bogen ganz gut, aber offenbar bleibt es zu nebulös. Mal sehen, was ich draus machen kann.

Dein Kommentar hat mich sehr gefreut, besten Gruß

Jaylow

 

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