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Gespräch zwischen Eis und Sonne

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28.07.2005
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Gespräch zwischen Eis und Sonne

Gespräch zwischen Eis und Sonne

In das Eis grub sich ein Plastiklöffel und schälte ein Stück Vanille heraus. Er ließ es in einen weit geöffneten Mund gleiten und schaute kurz zu, mit welcher Begierde es die Zunge aufnahm. Dann schloss sich der Mund und der Löffel ließ sich wieder in der Vanille-Schoko-Landschaft nieder.

Babette blickte mürrisch in die Walnusslandschaft ihr gegenüber, derer sich Berthold bemächtigte.
„Ich habe das Fahrrad an den Nachbarsjungen verschenkt. Es stand nur bei uns herum und wäre sonst verrostet.“
Berthold nickte, während ein kaum wahrnehmbarer Windhauch seine Haare kitzelte. Er stutzte, die Zunge schob eine Walnuss beiseite.
„Olaf hat es letztens gesagt. Er hat vor unsrer Haustür mit Mirko geredet. Wir Alten wären zu nichts mehr zu gebrauchen. Körperlich und geistig missratene Unglückfälle, deren Sinn darin besteht, auf den Tod zu warten. Ich habe es vom Fenster aus beobachtet. “
„Du ignorierst doch normalerweise alles, was mehr als zwei Meter vom Fernseher entfernt ist.“
Berthold überging diese Bemerkung, sei es wegen seines schlechten Gehörs oder anderer Ursachen.
„Das Fenster war gekippt und ich hörte Olaf laut lachen. Du kennst ja sein Lachen.“
Babette musste unvermittelt grinsen.
„Sie haben über uns alte Leute geflachst. Greise sollten sterben. Es wäre für sie besser.“
„Haben die das so gesagt?“

„Nicht direkt.“ Er fuhr fort: „Wir wären nicht mehr in der Lage die Informationsflut zu bewältigen und körperlich hielten wir keiner starken Böe stand, geschweige denn äußerster Hitzeeinwirkung!“
Berthold biss auf die Walnuss und schluckte sie herunter. Derweil umschmeichelte die Schokolade die Vanille und versuchte sie zu überdecken.
„So haben es die beiden bestimmt nicht gemeint.“ Babette wirkte beruhigend, wenn auch nicht überzeugend.
„Du kannst es mir glauben. Die beiden haben sich über unser Gedächtnis lustig gemacht. Mirko meinte, er hätte bei der letzten Untersuchung Alzheimer festgestellt. Mir persönlich hat er es nicht erzählt, aber Olaf schon. Du kannst dir ja vorstellen wie er sich wieder darüber amüsiert hat.“
„Alzheimer sagst du?“
„Du hast richtig gehört. Er prangerte mein schlechtes Gedächtnis an und machte darüber Witze. Ich habe sie nicht verstanden. Ich war zu weit weg. Und es muss um das wenige Leben, das uns noch bevorsteht, hämisch gelacht worden sein.“
Berthold kniff die Augen zusammen und als er das Eis klar erkannte, schürfte er drei Löffel davon ab und führte diese entschlossen in den Mund ein, als wollte er damit seinen Gedanken noch mehr Gewicht verleihen.

Der Löffel ließ sich in der Mitte von Schokolade und Vanille nieder, entschied sich aber schnell. Eine Zunge stieß dann die weiche Vanille zur Seite.
„Bert, du musst dir alles nicht so zu Herzen nehmen. Genieß einfach die letzten Jahre deines Lebens.“

"Ich kann nicht. Ich habe Alzheimer. Es ist zu spät."

Dann hielt er an. Babette blickte ihm sanftmütig in die Augen. Sie wusste bereits, dass es einfach schön werden wollte.

Die Vanille und die Schokolade schienen sich zu verbünden, die Walnuss ließ sich fallen. Die Eisreste wurden verzehrt, die Rechnung beglichen und die warme Sonne zog alle negativen Aspekte hinfort.

 

Hallo Mantox!
Das ist eine friedliche, warme und ruhige Geschichte, wie geschaffen für einen verregneten Nachmittag wie diesen.
Durch die bedächtige Schritt-für-Schritt-Erzählweise scheint beim Lesen die Zeit langsamer zu vergehen; zwischen den Zeilen sind heimlich Pausen zum Innehalten eingebaut, das hat mir gut gefallen und hatte so einen Zehn-Minuten-Besinnungs-Effekt.
Um meiner Sentimentalität jetzt gewissenhaft einen Riegel vorzuschieben, werde ich ein paar Sachen beklugscheißern, über die ich gestolpert bin:

und schaute kurz zu, mit welcher Begierde es die Zunge aufnahm
die Walnusslandschaft ihr gegenüber, derer sich Berthold bemächtigte.
Er stutzte sich
Was soll das bedeuten? Da stimmt irgendwas nicht. Sollte es heißen "er stutzte"?
Unglückfälle, deren Sinn darin besteht, auf den Tod zu warten.
Du ignorierst doch normalerweise alles, was mehr als zwei Meter vom Fernseher entfernt ist.
„Nicht direkt.“ Er setzte fort.
Vielleicht wäre es hier runder, nicht "er setzte fort", sondern "er fuhr fort" zu schreiben und einen Doppelpunkt vor der nächsten wörtlichen Rede einzubauen.
Berthold biss die Walnuss zusammen und schluckte sie herunter. Derweil umschmeichelte das Schoko die Vanille und versuchte sie zu überdecken.
Biss die Nuss zusammen und "das Schoko" klingen holprig, auch wenn man weiß, was gemeint ist. Sicher würde die Nachwelt verstehen und verzeihen, wenn es "die Schokolade" hieße, auch wenn Eis gemeint ist.
schürfte er drei Löffel davon ab und führte diese bestimmend in den Mund ein
Das finde ich ganz furchtbar formuliert, um ehrlich zu sein. Als tue er seinem Mund irgendeine Art sadistischer Gewalt an. "Führte sie entschlossen zum Mund" wäre vielleicht eine Alternative.
„Im Krieg mussten wir .....“ ........... „.... richtige Männer!“
Boing! Fett! Unmengen von Punkten! Aber warum denn nur? Ich sehe nicht, warum der Satz so herausgehauen wird.
Sicher wäre er auch so klar genug:
„Im Krieg mussten wir ... richtige Männer!“
aß ausweichend
auch hier: holpriges Wort, obwohl der Sinn klar ist. Im nächsten Satz kommt nochmal ausweichen, also könntest Du es aus diesem einfach streichen.
Wer konnte dieses ohne Schaden zu nehmen, ohne weiteres hinnehmen?
Unrund. Schaden nehmen, hinnehmen, ohne, ohne; außerdem: Schaden? Ich stelle mir vor, daß sie das Kriegsgeschwätz einfach seit Jahren auswendig kennt, satt hat und darum abschaltet, wenn er damit anfängt.
Ich würde den Satz streichen, die Geschichte braucht ihn nicht. So könnte die Passage ohne ihn aussehen:

Diesem Kriegsgeschwätz wich sie immer geschickt aus. Dafür hatte sie sich im Laufe langer Ehejahre viele Strategien angeeignet, manche mehr, manche weniger hilfreich.

für normal
klingt wie Dialekt. Normalerweise oder sonst wären Alternativen.

Hier ist mein Lieblingssatz:

Es wollte einfach schön werden.

Überhaupt mag ich den Schluß besonders.

Liebe Grüße!
Makita.

 

Danke

Hallo Makita,

danke für die kritischen Töne.
Ich habe die Fehler weitgehend ausgebessert und mir deine Ratschläge zu Herzen genommen.

Ich freue mich, wenn jemand seinen trüben Nachmittig damit verbracht hat,
um meine "friedliche, warme und ruhige Geschichte" zu lesen.

MfG Mantox

 

Hallo Mantox,

es ist im doppelten Sinne schade, dass du für Altersstarrsinn kein besseres beispiel findest, als "Im Krieg ..."
Zum einen, weil sich Altersstarrsinn weniger darin spiegelt, dass man der eigenen Jugend nachtrauert, indem man sie heroisiert, zum anderen, weil es so wirkt, als hättest du gleich nach dem Ersten gegriffen, was dir in den Kopf kam. So könnte das Gesrpäch zwischen Eis und Sonne auch eines zwischen Bier und Korn von zwei Männern geführt worden sein. An irgendeinem Stammtisch. "Warm und ruhig" stimmt sicherlich als Attribut für diese Geschichte, friedlich finde ich sie angesichts des Gesprächsgegenstands schon nicht mehr. Aber vor allem finde ich sie eben leider nicht gut, weil sie sich für mich so liest, als sei sie nicht aus Interesse sondern aus Themensuche heraus geschrieben worden. Entsprechend bleiben die Gedanken an der Oberfläche, ermöglichen keinen Einstieg und keine Tiefe. Mich persönlich nervt auch die Personalisierung von Eislöffel und Eis, vor allem, wenn der Löffel dann auch noch sehen kann.

In das Eis grub sich ein Plastiklöffel und schälte ein Stück Vanilleeis heraus.
Die Wiederholung von Eis liest sich für mein Gefühl etwas ungeschickt.
Berthold biss auf die Walnuss und schluckte sie herunter.
auch wenn man in der Verkürzung "runterschlucken" schreibt, schluckt man gemeinhin, hinunter, nicht herunter.
Mirko meinte, er hätte bei der letzten Untersuchung Alzheimer festgestellt.
Habe ich das richtig verstanden, dass Mirko Arzt ist und eine Diagnose, die er dem Patienten nicht mitgeteilt hat, einem Dritten gegenüber bereitwillig ausplaudert?

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

danke

Hallo sim,

vielen Dank für die hilfreiche Kritik.

Aber vor allem finde ich sie eben leider nicht gut, weil sie sich für mich so liest, als sei sie nicht aus Interesse sondern aus Themensuche heraus geschrieben worden. Entsprechend bleiben die Gedanken an der Oberfläche, ermöglichen keinen Einstieg und keine Tiefe.

es stimmt. Ich habe mit dem Eis angefangen und habe ein Gespräch herumgewickelt. Einfach mal los geschrieben.

Mich persönlich nervt auch die Personalisierung von Eislöffel und Eis, vor allem, wenn der Löffel dann auch noch sehen kann.

scheint anscheinend keine Idee zu sein, die man weiterverfolgen könnte

es ist im doppelten Sinne schade, dass du für Altersstarrsinn kein besseres beispiel findest, als "Im Krieg ..."

stimmt auch. Der Krieg wirkt wirklich aus dem Kontext weltfremd und als kleines Wort, das hier zu groß Wände aufreißt. Habe ich geändert. Glaube, dass es so stimmiger ist. ggf?!? und auf Alzheimer zurückgegriffen.

MfG Mantox

 

he Mantox, ich habe die geschichte gelesen und, weil ich ein bisschen ratlos war, die kommentare dazu gelesen. die personifizierungen der löffel ist mir ursprünglich nicht aufgefallen, aber die eigentümlichkeit, dass der arzt eine diagnose ausplaudert. das scheint mir weniger seltsam, als vielmehr unstimmig. ich verstehe auch nicht, wie diese geschichte als beispiel für altersstarrsinn herhalten soll, ich lese nur das fiese umfeld heraus. am eigentümlichsten finde ich den schluss: er hat alzheimer und ohne eine innere wandlung nachzuzeichnen, ist auf einmal trotzdem alles gut?

kritisch fragend und
lieb grüßend
kubus

 

Hallo Kubus,

danke für die Kritik.

Es ist schon überraschend, dass noch eine Kritik kommt. Abgeschrieben, und trotzdem langt wieder jemand hin.

Ich gehe bewusst nicht auf die kritischen Anmerkungen ein - für die ich mich bedanke. Denn: Ich wollte vor allem Atmosphäre erzeugen. Das Eis hat eigentlich auch einen Zweck, denn es hat mit den einzelnen Gesprächssituationen zu tun, wobei es eine Zumutung für den Leser ist, das herauszufiltern.

Ob der Handlung der Geschichte ist es so, dass ich einfach geschrieben habe. Es sind schon "neuere" Geschichten von mir draußen, die sich da mehr auf die Fahnen geschrieben haben.

Stimmt alles was du gesagt hast. Es ist seltsam unstimmung. Ich versuche das in der nächsten Geschichte besser zu machen.

MfG Mantox

PS: zur Strafe werde ich wieder deine nächste Geschichte lesen.:confused:

 

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