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Gespräche im Dunkeln oder: Das Ding

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23.01.2009
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Gespräche im Dunkeln oder: Das Ding

„Ich weis auch nicht, was passiert ist.“, sagte ich und sah meinen Bruder an, der völlig schockiert drein schaute.
„Ich bin auch nur dagesessen und habe gefressen. Dann packte mich etwas von hinten und mit einem Mal wurde alles um mich herum grell und dann wieder dunkel. Jetzt wo ich hier bin, kommt es mir so vor, als wäre ich zu Hause, aber es riecht gar nicht wie zu Hause. Und auch scheint das Essen nicht das zu sein, was es ist.“
Und um es zu beweisen, versuchte ich in den Boden zu beißen, doch es gelang mir nicht. Das Holz, wenn es noch solch eines war, war viel zu hart und schmeckte scheußlich.
Wieder sah ich meinen Bruder an. Obwohl es dunkel war, konnte ich sein Gesicht gut erkennen. Das war das Gute daran, solch einer zu sein wie ich es war.
Mein Bruder war viel älter als ich und schien geschockt zu sein. Dann waren da noch zwei Freunde von uns, die das Pech gehabt hatten, in der Nähe von uns gesessen zu haben.
Sie sahen zwar nicht verängstigt, dafür völlig verstört aus.
Ihre Gesichter drückten genau die Gefühle aus, die ich gerade empfand.
„Was machen wir denn jetzt?“, fragte der erste unserer Freunde.
„Wir kommen hier nie wieder hinaus.“, sagte der zweite Freund.
„Wir werden hier verhungern.“, jammerte mein Bruder.
Ich dachte nach. Es war nicht lange her, dass wir nachgeschaut hatten, ob es hier irgendwo ein Schlupfloch gab. Wir hatten aber keines gefunden. Wir hatten es zwar geschafft, die Wände hinauf zu klettern, doch kamen wir oben nicht weiter, denn da versperrte uns eine Decke den Weg.
„Wir werden einen Ausweg finden.“, sagte ich und versuchte damit die anderen und mich zu beruhigen.
Die Stunden vergingen und nach einigen hörten wir auf, miteinander zu reden.
Von draußen hörten wir immer wieder Geräusche und manchmal bebte der Boden unter uns.
Die Ängste wurden immer stärker und der Hunger größer. Wir wussten, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von uns den Verstand verlieren würde.
„Ich will hier raus!“, schrie plötzlich unser zweiter Freund und rutschte zu der nächsten Wand hinüber und krabbelte an ihr hoch.
Und dann schien sich wie durch ein Wunder die Decke zu heben und Licht flutete in das Ding hinein, in dem wir uns befanden.
Unser zweiter Freund schrie vor Freude, denn er war nun dem Ausgang sehr nahe. Doch gleichzeitig erschrak er, als er sah, was vor ihm war.
Ich konnte gar nicht glauben, was ich sah. Ich dachte immer, solche Wesen existierten nur in den alten Geschichten, die man sich erzählte. Doch ich war mir meiner Vermutung sicher, denn die Beschreibung passte genau: es war ein Mensch der die Decke von dem Ding angehoben hatte und zu uns hinuntersah.
Der Mensch grinste und als er unseren zweiten Freund die Wand hinauf krabbeln sah, wurden seine Augen groß. Mir kam ein schrecklicher Gedanke und ich rief nach unseren Freund, der schon den oberen Rand erreicht hatte und vor Freude jubelte.
Doch es war bereits zu spät. Der Mensch schloss ganz schnell wieder die Decke und man hörte unseren Freund vor Schmerzen schreien, als er von der Decke zerquetscht wurde. Es war ein widerliches Geräusch, das dabei entstand und ich bemerkte, wie ich einige Blutspritzer von ihm abbekam. Dann sah ich noch, wie sein abgetrennter Unterleib hinunter auf den Boden fiel, noch ein, zwei Mal zuckte und dann reglos liegen blieb.
Ich schrie und auch die anderen schrieen. Nun wussten wir, wer uns hier eingesperrt hatte. Und das eben Erlebte hatte all unsere Hoffnung auf ein Entkommen versiegt.
Nachdem wir uns alle einigermaßen beruhigt hatten, bemerkten wir wieder den Hunger, der erneut immer mehr größer wurde.
Mein Bruder krabbelte immer wieder die Wand hinauf, in der Hoffnung, dass sich die Decke noch einmal öffnen und der Mensch dort draußen ihn von den Hunger und der Angst erlösen würde.
Doch natürlich öffnete sich die Decke nicht wieder.
Nach weiteren Stunden knurrten die Mägen der anderen so laut, dass ich sogar sie hören konnte.
„Ich habe Hunger.“, jammerte unser erster Freund und plötzlich drehte er sich zu mir um und auf seinem Gesicht lag ein wahnsinniges Grinsen.
Ich schreckte auf und sah erschrocken zu meinen Bruder hinüber, der vor lauter Hunger seine Umgebung kaum noch wahrnahm.
„Ich habe HUNGER!“, schrie unser erster Freund nun und stürzte auf mich zu.
Endlich hatte mein Bruder begriffen, was vor sich ging, doch ich ahnte, dass er zu spät kommen würde…

Einige Stunden später wurde die Decke erneut geöffnet und der Mensch schaute wieder in die Blechdose hinein. Doch er war nicht alleine, seine Mutter war auch anwesend, denn der Mensch, der weiblich war, wollte seiner Mutter beweisen, dass es Holzwürmer in der Vertäfelung seines Zimmers gäbe. Die junge Frau hatte gerade noch gesehen, wie vier der Würmer versuchten, sich wieder im Holz zu verkriechen und hat sie kurzerhand am Hintern gepackt, heraus gezogen und in dieser Blechdose, dem Ding, gesperrt.
„Hm“, machte sie. „Vor einigen Stunden waren sie noch zu dritt, doch wo ist der Kleine?“
In der Tat waren es nur noch zwei Holzwürmer, vorerst gestärkt und reckten ihre Oberkörper in die Höhe, in der Hoffnung, endlich in die Freiheit zu gelangen.
Doch der Mensch zuckte nur mit den Schultern und schloss den Deckel wieder.
Und um die Holzwürmer herum wurde es wieder dunkel.

Donnerstag, 18. Februar 2010

 

Hallo Mori,

schöne Geschichte, wie ich finde. :) Das Ende hat mich überrascht. ich habe zuerst an ein Puppenhaus gedacht. Aber dann kam die Blutspritzer-Szene und ich war verwirrt, und hab gespannt weiter gelesen. Hat mir gefallen.

Gruß Freygut

 

Freut mich, dass sie dir gefällt und danke für deine Kritik. :)

 

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