Gewöhnlich reise ich nicht unbegleitet
Gewöhnlich reise ich nicht unbegleitet, aber diesmal ging es nicht anders. All jene, mit denen ich reisen kann, die ich ertrage und die irgendwie eine Beriechehrung darstellen, hatten keine Zeit oder mochten einfach nicht nach Südindien. So reiste ich halt allein. Ich will keinen Reisebericht geben, sondern einfach ein Bild dessen, was geschah, zeichen, mein Bild zeichnen. Wenn ich Bars betrete, denke manchmal vorher darüber nach, was ich mir davon erwarte. Dabei entdeckte man oft Höchstinteressantes. Diesmal tat ich es nicht, ich versuchte nur die kleinen Dealerjungen mit den hornhautbesetzten Füße fortzuscheuchen. Morgen in der Frühe, so nahm ich mir noch vor, würde ich noch den Käfig reinigen.
In dem Lehmbau gab es nur Elefantenbier, ich kostete. Ich, Mann von nicht unbeachtlicher Größe saß mit einer bulldoggenartigen Schnauze auf dem Kissen neben mir. Ich murmelte sachte und bedächtig. Es mag ein Gebet gewesen sein. Ich wusste nicht, was es war genauso, wie ich einfach nicht wusste, was das war, das mich so Trieb, aber ich fragte plötzlich den Bierzüchter und Bargewalter nach der Ursache des so tiefen Grüns im Glas. Normalerweise tue ich so etwas nicht, aber Normalerweise schien mir gerade so fremd, wie einem Norweger eine Kamelgeburt am Neujahrsmorgen. Doch dieses Grün in dem Glas bezauberte und es tat meinen sonderbar kribbelnden Fingern unglaublich gut. Ich kühlte meine Finger am Glas lüsternen Lippenzuckens. Man antwortete mir nicht wie ich es gewohnt war. Ich kenne es, das man mich, der die Zerknirschtheit einer überfahrenen Coladose ausstrahlt, komisch behandelt. Rottweiler auf Speed werden netter hofiert. Diesmal antwortet man mir unglaublich ruhig und eine frisch gewaschene Hand fuhr über mein Herz. Ganz klar roch ich die schlecht abgespülte, billige Pfirsichseife darauf. Ich bräuchte nicht zu fragen, weil mir die Elefanten nachher alles noch viel schöner erklären würden. Ich glaubte der Versprechung, strich noch einmal über das wellenförmige Relief des Glases. Ich wusste darum, dass das alles soweit in Ordnung ging und denn nun, Elefantenbier trinkend, fiele mir auch sicher bei der weiteren Routenplanung leichter. Bei Reinbeißen noch saftige Blumen standen um mich herum. Bei tieferem Reinbeißen empfand ich Aprilsonne und Biodünger. Ruhiger kann man sich kaum fühlen. Zutiefst und vollendet betrunkene Fischer am Ende der Welt sind nachdem sie von seelenreinen Inselköniginnen ohne Sport-BH beglückt worden nicht ruhiger. Bis hier her hatte ich kaum wohlschmeckendere Blattwichse gegessen. Selbstkritischen Grübelns ließ ich mich von dem Nachbarkrokodil am Sack kraulen. Es fragte mich sogar, ob ich bei meiner Zeitung für die Sexquote pro Artikel zuständig sei. Ich sagte ihm, ich würde nicht überwachen, das wäre nicht meine Stärke. Nachdem ich verstreut alle Anleitungen des Lebens angelesen hatte, hatte ich schon ganz schön Lust, eine eigene zu verfassen, für so ne ich richtig fetzige Wachmaschine. Noch mal strichen meine Finger über das Glas. Als ich zum Höhlenausgang spähte, krähenfußfördernd, entdeckte ich es. Es war wohl so gekommen, dass ich mich fühlte wie eine Informatikstudentin, die ihren ersten Orgasmus auf dem neuen Joystick hat. Was für ein Zustand! Das Krokodil winkte prustend. Und als ich mich so gegen das Fenster schmiss, gehen bringt es nicht immer, sah ich, dass die Elefanten nicht unbedingt mit mir sprechen würden. Ich trank zwar ihr Bier, aber wo sind sie denn nun, die Dickhäuter, die Rüsselbesitzer und Stoßzahnschwinger? Ich wollte sie sehen, aber dann fasste ich doch noch mal das Glas an. Eigentlich hatte ich noch nicht einmal ernstzunehmend angefangen mit irgendeiner Bedienungsanleitung. Dauernd war ich betrunken, das tue ich immer auf Reisen, eigentlich sowieso immer, also mich betrinken. Betend mit Krallen an den grabschenden Fingern hielt ich den Barwärter an, mir doch eine schöne Zigeunerbraut für die Nacht zu besorgen, das Krokodil hätte auch gern eins. Er stimmte zu, verzog seinen Mund, seine Augen und plötzlich verzieht es sich. Er fragte eine Frage. Ich gab ihm zu verstehen, ich hätte gern große Brüste. Er gab mir zwei Koskosnüsse und raunte, ich solle es damit probieren. Ich sagte, ich meine die Zigeunerfrau und außerdem wolle ich die noch etwas größer. Das Krokodil wurde immer höhnischer. „Vorzüglich!“, zischte es, „Ich, ich, ich!“ Ich schob es etwas weg von mir. Es meinte, ich solle lieber noch etwas an den Blumen kauen. Es musste noch etwas weiter weg. Dann, so gegen Ölf, Ich zerschnitt ein Buch und versuchte später, auch so gegen Ölf, es wieder zusammenzusetzen. Wie dämlich! Aber wenn doch die Schere juckte?! Es ist war noch nicht spät, aber Indien war anstrengend. Die Hand auf meinem Herz war schwitzig und sie krallte sich zu fest. Im Hintergrund schrie kaum hörbar ein kleiner Rentner. Ich nahm mir vor, etwas zeichnen zu üben, interessante Einzelheiten, die Pickel vom Krokodil oder den Schatten der Elefanten zum Beispiel. Und dann, dezent weiterbetend (ich wollte es noch zuende bringen bevor es rot wird) nahm ich mir auch vor ab und zu etwas Tee zu trinken. Oder es gibt etwas zu dressieren?
Ich hoffe, ihr schreibt mir jetzt nicht wieder besorgte Briefe. Das hoffe ich ernsthaft. Ich gehe jetzt den Käfig reinigen, der Goldlack ist etwas fleckig geworden und es ist noch nicht spät.