Hallo zusammen!
@ Dion
So, nun doch nochmal vom Neuen.
Ein Autor, Theryn, sollte sich schützen, indem er die Schere im eigenen Kopf aktiviert? Das ist die schlimmste und beste Form der Zensur. Die beste, weil sie vollkommen unsichtbar ist, und die schlimmste, weil sie Verlogenheit vom Autor verlangt - ich will nicht glauben, dass du, eine Autorin, Solches empfiehlst.
1. Schon geklärt: Ich bin 'n Kerl.;-)
2. Was unterstellst Du mir da?:-D
Interpretiere doch bitte nicht zu schnell Sachen in Aussagen hinein, die Du darin lesen möchtest, die aber so nicht da stehen.
Es geht MITNICHTEN um Selbstzensur. Es geht um Selbstschutz. Und der beginnt bereits dann, wenn man sich vor Augen führt, was passieren kann, wenn man sein Werk veröffentlicht.
Wenn ich einen Text, unabhängig vom Inhalt, ohne Kompromisse schreibe, dann wird es immer welche geben, denen ich damit auf die Füße trete. Mich selbst zu schützen heißt dann aber nicht, mich selbst zu zensieren, sondern mich für das zu wappnen, was da kommen mag.
Wenn ich nicht in der Lage dazu bin, weil ich labil bin, keinen Rückhalt habe oder sonstwas, dann muss ich mit mir selbst vereinbaren, ob mein Werk mir wichtiger ist, als mein eigenes Wohl.
Natürlich wird man heute nicht mehr einer hochnotpeinlichen Befragung durch die Inquisition unterzogen, aber wie schnell man gesellschaftlich ins Abseits geraten kann, sollte bekannt sein.
Und nur das habe ich gemeint. Das hat mit Selbstzensur meiner Meinung nach überhaupt nichts zu tun, sondern mit Mut, Entschlossenheit und Umsicht.
Entweder ist Pornografie etwas Schlimmes, dann muss die Gesellschaft davor geschützt werden, oder sie ist das eben nicht.
Nein, das ist eine Sache des Standpunkts.
Ich kann für mich selbst bestimmen, dass Pornographie nichts schlimmes ist. Ich konsumiere sie ja auch selbst.
Aber es bleibt doch bitte jedem selbst überlassen, wie er sein Umfeld gestalten möchte und in was für einem Umfeld er sich wohlfühlt. Sex ist nachwievor ein heikles Thema für viele Menschen, auch wenn einige das anders haben wollen und lauthals und selbstgefällig darüber wettern, es bleibt auch erstmal ein heikles Thema.
Wenn jemand Pornographie konsumieren möchte, dann bleibt das jedem selbst überlassen und es ist bereits ein Fortschritt, dass man das problemlos tun kann.
Es gibt aber Menschen, die für sich und ihre Familien einen anderen Umgang mit diesem Thema wünschen. Warum sie das wünschen oder ob sie sich dabei schlau anstellen oder nicht, das ist für alle anderen ohne Belang und geht niemanden sonst etwas an. Für diese Menschen wird es aber immer schwerer, dieses Thema auszuklammern, wenn man am gesellschaftlichen Leben teilhaben möchte. Ich sehe darin ebenfalls eine Art Zwang. Und das ist nicht ok.
Es muss also nicht die Gesellschaft davor geschützt werden, es wäre aber schön, wenn man die Gesellschaft nicht mit der pornographischen Keule gewaltsam in den Sexpferch prügeln wollen würde.
Es geht, wohlgemerkt, nicht um das pornographische Produkt an sich, es geht um die Art und Weise, wie verschiedene Einstellungen bzw. Vorstellungen aufeinander treffen und welche Methoden dabei angewandt werden.
Nein, beides sind zulässige Kunstformen, d.h. Pornografie und Kunst schließen sich nicht aus – sagt das Bundesverfassungsgericht.
Da gebe ich dem Bundesverfassungsgericht sogar recht, auch wenn ich diesem Organ bei derlei Themen nicht eine generelle absolute Kompetenz zugestehen würde.:-)
Das sind Binsenwahrheiten, die für jede Art von Literatur gelten.
Ja, aber was ist daran nun so schlimm?
Ich denke, es ist nicht verkehrt, seine Ausführungen mit einer gemeinsam nachvollziehbaren Basis zu beginnen. Außerdem gibt es bei den einfachsten Grundregeln immer wieder Elemente, die man übersieht oder die man vergessen hat. Von daher verstehe ich nicht, weshalb Du mir daraus eine Vorhaltung strickst.
Wieso nicht? Es gibt unzählige literarische Werke, in denen alles Mögliche detailliert beschrieben wird, ohne dass jemand Einspruch erheben oder Amok laufen würde. Ich sehe nicht ein, warum für Sex das nicht gelten sollte.
Was Du aber bei Deiner Argumentation unterschlägst, ist doch, dass wenn etwas detailliert beschrieben wird, das nicht zum Selbstzweck geschieht, sondern um eine Wirkung zu erzielen.
Entweder ist die detaillierte Beschreibung notwendig für die Atmosphäre und/oder sie ist Träger einer dahinterliegenden Aussage oder Symbolik. Das ist meiner Meinung nach elementarer Bestandteil des Handwerks.
Spontan fällt mir als Beispiel das Finale des Romans "Der Richter und sein Henker" von Friedrich Dürrenmatt ein. Der Protagonist, Kommissär Bärlach, offenbart dem Mörder in Rahmen eines "Festessens", dass er ihn entlarvt hat. Bärlach, der schwer krank ist, lässt gewaltige Mengen an Speisen auftischen und futtert, was das Zeug hält.
Der Vorgang der Nahrungsaufnahme wird hier sehr detailliert beschrieben. Kommissär Bärlach stopft sich auf unverschämte Weise voll, dass manch einer sich empört wegdrehen würde, müsste man bei sowas zusehen. Aber in dieser Szene wird durch die Darstellung des Essens eine besondere Atmosphäre aufgebaut (die nichts damit zu tun hat, ein Hungergefühl beim Leser auszulösen) und durch sie wird die Überlegenheit des Protagonisten gegenüber des Mörders deutlich. Ein regelrechter Showdown beim Abendessen.
Sowas kann ich mir auch bei einer Sexszene vorstellen. Und da kann es bis ins letzte Detail gehen.
Detaillierte Beschreibungen aber nur hinzuschreiben, weil man es kann, das ist bloßer Selbstzweck und als solcher unnötig, effektheischend und meiner Meinung nach einfach schlechter Stil. Das ist vollkommen unabhängig davon, ob der Inhalt dabei anstößig ist, oder nicht.
Ich kann auch einen Roman schreiben, in dem der Protagonist in episodischen Abständen aus unerfindlichen, für die Geschichte absolut nicht wichtigen oder nachvollziehbaren Gründen in einen Busch kackt und diesen Vorgang detailliert beschreiben. Aber warum sollte ich das tun? Klar, ich hätte vielleicht Spaß daran, ein in den Busch kackender Protagonist kann meine Geschichte vielleicht auch etwas auflockern (ein ähnliches Prinzip fährt übrigens Hollywood sehr gern). Aber jede detaillierte Beschreibung von Vorgängen, die nun wirklich nichts mit der Geschichte zu tun hat, ist so nötig, wie ein Kropf.
Wir reden hier über Literatur mit einem künstlerischen Anspruch. Ein Kochbuch KANN künstlerisch wertvoll sein, muss es aber nicht...ein Sachbuch KANN künstlerisch wertvoll sein, muss es aber nicht...Pornographie KANN künstlerisch wertvoll sein, muss sie aber nicht.
Erotische Literatur aber MUSS künstlerisch wertvoll sein (wie gering der Anspruch auch sein mag!), sonst sollte man es nicht zulassen, dass sie sich dieses Prädikat anhängt.
Anders gesagt: In der Pornographie ist die Geschichte dem sexuellen Inhalt untergeordnet und dient lediglich dazu, ihn zu transportieren. Das heißt nicht, dass die Geschichte nicht gut sein KANN. In der Regel ist es aber so, dass eine gute, ausgereifte Geschichte eher als störend empfunden wird.;-)
In der erotischen Literatur ist der sexuelle Inhalt jedoch essentieller Bestandteil der Geschichte und bringt diese voran, liefert dem Leser Erkenntnisse, die für die Geschichte selbst wichtig sind. Natürlich regt sie den Leser idealerweise sexuell an, aber der Unterhaltungswert einer solchen Geschichte, lässt sich nicht nur darauf beschränken.
Du sagst es selbst: Das hat mit Erotik nichts mehr zu tun. Wenn ich deinen Gedanken richtig verstehe, dann sind detaillierte Beschreibungen von Sexszenen nur dann statthaft, wenn sie Verdeutlichung „übergeordneter“ Sachverhalte dienen. In einer reinen erotischen Geschichte gibt es aber keine „übergeordnete“ Sachverhalte, oder anders ausgedrückt: Sex selbst ist da dieser „übergeordnete“ Sachverhalt.
Nochmal: Es geht nicht darum, ob detaillierte Sexszenen nur dann nicht anstößig sind, wenn sie der "Verdeutlichung übergeordneter Sachverhalte dienen".
Es geht mir um rein handwerkliche und nachvollziehbare Überlegungen, anhand derer man zwischen Pornographie und erotischer Literatur unterscheiden kann.
Und nein, in einer erotischen Geschichte ist Sex niemals der übergeordnete Sachverhalt. Was Du beschreibst ist, meiner Meinung nach, Pornographie.
Nein, denn beide, Pornografie und Erotik, haben zum Ziel, den Leser sexuell zu erregen, sonst hießen sie nicht so. Sie bedienen sich dazu jedoch unterschiedlicher Mittel. Während in den erotischen Geschichten meistens drum herum geredet wird, wird bei der Pornografie die Methode show don’t tell angewandt. Das ist alles.
Wie ich oben schrieb, halte ich das so nicht für richtig.
Warum sollte der Leser das tun? Du hältst wohl nicht viel von der Trennung Autor/Protagonist? Oder meinst du gar, alle Geschichten sind mehr oder minder autobiografisch?
Nein, das meine ich nicht.
Mal was Generelles: Du hast eine Frage in den Raum gestellt und Dein eigenes Unverständnis über die Sichtweise vieler Leute diesbezüglich geäußert.
Ich versuche nun, meine Gedanken mit Dir darüber zu teilen, warum viele Leute so reagieren, wie sie reagieren. Wenn ich also versuche, solche Gedanken darzulegen, bitte ich darum, dies nicht mit meiner persönlichen Meinung zu verwechseln.
Da hast du gerade noch die Kurve gekriegt.
Das brauchte ich gar nicht, weil ich ja wusste, was ich ausdrücken will. Wenn mir das nicht immer gelingt, das nachvollziehbar zu formulieren, dann ist das eine andere Art Defizit, an dem ich arbeiten muss.:-)
Du meinst also, einen beschrieben Mord beäugt der Leser mangels eigener Erfahrung weniger kritisch als z.B. einen geschilderten Analverkehr, obwohl er den eventuell aus eigenem Erleben auch nicht kennt. Tut mir leid, dem kann ich nicht folgen.
Sagen wir so: Es ist wahrscheinlicher, dass jemand sexuelle Praktiken ausprobiert und sich mit anderen darüber austauscht, als dass er sich ebenso detailliert mit diversen Mordmöglichkeiten auseinandersetzt.
Außerdem kannst Du nicht verhehlen, dass es bei den wenigstens sexuellen Darstellungen um Praktiken geht, die ein sexuell aktiver Mensch nicht nachvollziehen könnte.
Aber ja, sobald man hier in Bereiche vordringt, die einem Großteil der Leser weniger vertraut sind, werden sie das, was ihnen vorgesetzt wird, weniger kritisch beäugen, als das, was sie kennen. Im Gegenteil, sie werden es eher interessiert aufnehmen und sich auf den Wahrheitsgehalt dessen, was sie da lesen, verlassen, solange es nicht zu abwegig klingt.:-)
Das gilt nicht nur für Sex, sondern für alle Bereiche des Lebens.
Ja, aber bitte nimm doch zur Kenntnis, dass die meisten Menschen nachwievor einen Unterschied zwischen Sex und Brotbacken machen, auch wenn Du es anders sehen magst.
Erstens widersprichst du dich hier selbst („Wenn wir keine eigenen Erfahrungen haben, nehmen wir auch gerne die Erfahrungen anderer, recherchieren, interviewen usw.), und zweitens machst du Unterschiede, zwischen Erfahrungen des Autors in Sachen Sex und z.B. in Sachen Kochen: Das Eine zu offenbaren findest du mutiger als das Andere.
Nein, ich widerspreche mir nicht selbst, ich gehe nur von einem anderen Schluss aus.
Ich sprach ein paar Absätze vorher kurz über Intimität. Und sexuelle Erfahrung ist, anders als Kochen, Teil der eigenen Intimsphäre. Das beinhaltet auch Schamgefühl und wird von vielen Menschen nachwievor als etwas verstanden, was man nicht mit jedermann teilt und was behütenswert ist.
Von daher besteht selbstverständlich ein Unterschied zwischen der Offenbarung der jeweiligen Erfahrungen beim Kochen und jenen, die man beim Sex macht. Und das zu verneinen ist, meines Erachtens nach, grundverkehrt.
Gleichzeitig ist dieser Umstand, dass Sexualität Teil der eigenen Intimsphäre ist, aber auch dafür verantwortlich, dass viele Leser sehr schnell davon ausgehen, die geschilderten Darstellungen, wären Teil der eigenen Erfahrung des Autors.
Das hängt, denke ich, damit zusammen, dass es für viele Leser vollkommen abwegig wäre, aus ihrem eigenen intimen Schatzkästchen so detailliert plaudern zu wollen, dass ein Autor diese Erfahrungen explizit wiedergeben könnte. Und dieses Empfinden wird ganz schnell als etwas grundlegendes empfunden. Man möchte mit seinem eigene Schamgefühl eben nicht alleine dastehen.
Ebenso abwegig wird dadurch der Gedanke, dass andere Menschen bereitwillig ihre intimen Erfahrungen teilen könnten und somit entsteht eine Art Vorurteil. Der Gedanke, der Autor greife lediglich auf seine eigenen Erfahrungen zurück, ist daher für die meisten Menschen plausibler, als dass sie sich was anderes vorstellen könnten (oder wollten).
Meine persönliche Meinung ist, dass es tatsächlich so ist, dass sexuelle Inhalte in Geschichten meistens auf persönlichen Erfahrungen des jeweiligen Autors beruhen. Dabei schließe ich nicht aus, dass es Autoren gibt, die Zugriff auf Quellen haben, die bereitwillig ihre Erfahrungen bis ins Detail weitergeben.;-)
Der Mensch liebt das Besondere, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieses Besondere negativ (z.B. Mord) oder positiv (ausgefallene Sexpraktik) besetzt ist. Die Krimis, die das Eine zum Gegenstand haben, banalisieren nichts, und Pornografie, wenn es sie frei geben dürfte, auch nichts. Aber es ist eine Tatsache, dass in dieser Gesellschaft Mord und Totschlag fiktiv und real frei und in Zeitlupe verfügbar sind, während etwas so positiv Besonderes (deine Terminologie) wie Sex versteckt wird.
Oh, bitte aufpassen! Ich sagte, wir möchten glauben, dass das, was Menschen einander an Gewalt antun können, im negativen Sinne etwas Besonderes sei.
Dabei bin ich von Deiner Aussage ausgegangen, Sex würde zu etwas Heiligem hochstilisiert und wollte dem einem nachvollziehbaren Gegenpol gegenüberstellen. Damit habe ich aber kein Gut/Böse-Schema einbringen wollen.
Ich selbst betrachte das ganze ambivalent. Für mich gibt es immer beide Seiten einer Medaillie oder zumindest räume ich mir immer die Möglichkeit ein, dass es eine zweite Seite gibt (vielleicht auch mehr), auch wenn ich ihre Prägung noch nicht entschlüsselt habe.
Bedeutet im Klartext, ich räume die Möglichkeit ein, dass ein allzu liberaler Umgang mit Sexualität Auswirkungen haben kann (gesellschaftlich gesehen), die wir nicht absehen können, viele auch nicht absehen wollen, und die evtl. auch von vielen Befürwortern der sexuellen Freiheit so nicht gewollt sind.
Auf der anderen Seite würde ich doch aber nie den Reiz von Sex verneinen oder behaupten, sexuelle Darstellungen wären von der Natur ihrer Sache her verwerflich, schädlich oder sonstwas. So etwas, wie absolute Wahrheiten, gibt es bei solchen Fragestellungen nicht.
Das hat für mich zur Konsequenz, dass ich diejenigen, die sich gegen eine zu freie Darstellung von sexuellen Inhalten, ebenso wenig pauschal in eine Schublade stecke, wie diejenigen, die dieselben Inhalte befürworten.
Woran ich mich aber ganz persönlich störe (also den Pfad der Bemühung einer gewissen Objektivität bereitwillig verlasse), das ist der Trend zur Banalisierung, von dem ich sprach. Und natürlich banalisieren manche Autoren Sachverhalte, Darstellungen, Aussagen usw. in ihren Geschichten. Unabhängig vom Genre.
Ein Indiz dafür ist für mich die Effektheischerei, von der ich sprach. Das heißt, der "Wert" einer Darstellung wird allein dadurch gemindert, wenn sie einfach nur als Mittel zum Zweck eingebaut wird. Dieses Phänomen ist bei weitem nicht auf Literatur beschränkt.
Ob als Lückenfüller, als aufgeblasene Schreibübung, als Mittel zur Selbstdarstellung oder was auch immer. Mich regt es ziemlich auf. Und dazu zählen für mich Sexszenen ebenso dazu, wie unnötige Morde, Möchtegernphilosophien oder was auch immer einem dabei einfallen mag.
Um die Nachvollziehbarkeit vielleicht etwas zu erleichtern ein Beispiel aus einem vollkommen anderen Bereich: Seit einigen Jahren hat sich eine immer bessere CGI-Technik etabliert, die jedoch in den seltensten Fällen dazu beitrug, die damit angereicherten Filme inhaltlich besser zu gestalten, sondern die im Gegenteil dazu führte, dass man zunehmend mit der Effektkeule erschlagen wird, ganz nach dem Motto: "Guck mal, wat wir können!"
Im realen Leben ja, nicht jedoch in der Literatur! Und wir sprechen hier von Literatur, nicht von realem Leben.
Ja, da hast Du recht, aber darum ging es mir nicht. Mir ging es mehr um gesellschaftliche Grenzen und ihre Notwendigkeit, um einen möglichen Erklärungsansatz zu liefern, warum es als anstößig empfunden werden kann, wenn ein Autor mit dem, was er schreibt, diese Grenzen mißachtet.
Als Autor bist Du Teil einer Gesellschaft...lebst in ihr, partizipierst von ihr (auch in kreativer Hinsicht), beobachtest sie, bewertest sie usw.
Wenn Du eine Grenze als Teil dieser Gesellschaft überschreitest, dann wirst Du ein entsprechendes Echo erhalten. Und jetzt sind wir wieder an dem Punkt vom Anfang: Es geht nicht um Zensur oder Selbstzensur, es geht lediglich um den Versuch zu erklären, warum manche Dinge so sind, wie sie sind.
Begleiterscheinung? Nein, die sexuelle Revolution war ein essentieller Bestandteil dieser Umbrüche, sonst würden die Homosexuellen auch heute noch wegen ihrer sexuellen Orientierung im Gefängnis landen – das nur als Beispiel.
Öhm...hä?
Offenbar findest Du den Begriff "Begleiterscheinung" abwertend oder sowas in der Art? Nein! Die sexuelle Revolution war EIN Bestandteil einer übergeordneten Bewegung, die alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens kritisch hinterfragte und in sehr vielen Punkten über den Haufen warf. Da spielten generelle moralische und ethische Fragestellungen eine Rolle.
Daraus erwuchs als Begleiterscheinung die sexuelle Revolution, die natürlich einen hohen Stellenwert hatte, allein wegen ihrer Explosionskraft beim Konflikt mit den Vertretern des alten, kritisierten Wertesystems. Von daher sind ihre Auswirkungen, wie Du sie auch angedeutet hast, absolut unstrittig und absolut losgelöst von der Begrifflichkeit, mit der ich sie in dem Zusammenhang belegt habe.
Eben. Und trotzdem sprichst du die ganze Zeit dagegen.
Nein, das ist ganz und gar nicht richtig!
Zur Verdeutlichung:
1. Darf ein Autor sich die Freiheit nehmen, im Zuge seines Schaffens jede, aber auch jede Grenze zu überschreiten?
Ja! Manchmal ist das sogar die Pflicht des Autors (je nach eigener Motivation)! Aber er hat auch eine Verantwortung sich selbst gegenüber. Und die gebietet es ihm, sich wenigstens darüber Gedanken zu machen, was es für ihn als Teil der Gesellschaft bedeuten kann, wenn er solche Grenzen überschreitet.
Also spreche ich mich nicht gegen seine Freiheit aus! Ich mache aber klar, dass man nicht erwarten kann, Anerkennung oder sowas erwarten zu dürfen (die es natürlich auch geben mag), sondern im Zweifelsfall vielmehr mit Konsequenzen zu rechnen hat. Das ist einfach so und hat nichts damit zu tun, dass ich mich darüber diebisch freuen würde oder was weiß ich.
2. Pornographie vs. Erotische Literatur
Hier nehme ich mir heraus, einen klaren Unterschied zu definieren. Weiterhin nehme ich mir heraus, eine Wertung vorzunehmen.
Wenn Du das als grundlegende Ablehnung verstehst, dann tut es mir leid, aber dann kann ich dagegen nichts weiter unternehmen, weil ich der Ansicht bin, meinen Standpunkt spätestens mit diesem Posting hier ausreichend dargelegt zu haben.
3. Eigener Standpunkt vs. Gesellschaftlicher Standpunkt
Hier bitte ich nochmal ganz klar zu differenzieren.
Auf der einen Seite versuche ich, wie gesagt, meine Gedanken darzulegen, die eine möglichen Erklärungsansatz dafür liefern können, warum das, was Du in Deiner Eingangsfrage bemängelst, so ist, wie es ist.
Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch eine eigene Meinung. Ich versuche die dann auch immer entsprechend zu kennzeichnen. Meine eigene Meinung kann auch schonmal der allgemeinen Meinung drastisch zuwider laufen. Trotzdem kann ich versuchen sie zu verstehen und wertungsfrei wiederzugeben. Damit habe ich sie aber nicht zu meiner eigenen Meinung gemacht.:-)
Hier sprichst du im Grunde wieder von der Zensur im Kopf: Weil bestimmte Dinge nicht von jedem nachvollziehbar sind, müsse der Autor Rücksicht darauf nehmen. Dies klingt in deinen Ausführungen immer wieder an.
Was ich damit meinte, habe ich nun mehrmals erläutert. Ich hoffe, es ist mittlerweile klar geworden, dass ich mich nicht für eine Selbstzensur ausgesprochen habe.
Du hast keine Ahnung, wovon du hier sprichst. Wenn ein Buch im Nachhinein als pornografisch eingestuft wird, muss der Verleger für diese Bücher nachträglich den vollen Steuersatz von 19% (statt 7,5%, wie für „normale“ Bücher) entrichten, ohne die Chance zu haben, dieses Geld von den Buchhandlungen zu bekommen, die ja ihrerseits, dieses Geld vom Endkunden, dem Leser, auch nicht einfordern können. Für kleine Verlage ist allein das schon Existenzvernichtend, um von Gerichts- und Anwaltskosten nicht zu reden. Das ist so ähnlich wie in Russland: Kriegt man dort einen (Regierungs-)Gegner nicht zu fassen, schickt man ihm das Finanzamt an Hals und vernichtet ihn wirtschaftlich.
Ähm...ich bitte Dich doch, vorsichtig mit solchen Äußerungen zu sein wie "Du hast keine Ahnung, wovon Du schreibst". Du magst mit so einer Aussage ja vielleicht sogar Recht haben, sie trägt in ihrer Form aber nicht dazu bei, die Qualität der Diskussion oben zu halten.:-)
Weiterhin muss ich Dir sagen, dass Dein Beispiel nicht wirklich passend ist. Du redest nämlich über eine Regelung, die vom Staat in Form eines Gesetzes vorgenommen wurde. Das hat nun aber nichts mit einer gesellschaftlichen Grenze zu tun.
Die Gesetze eines Staates sind mit gesellschaftlichen Grenzen, die eher auf moralischen Vorstellungen und ethischen Grundsätzen beruhen, und Interessen in vielen Fällen nicht vereinbar.
Das ist ebenfalls ein Mißstand, es würde aber zu weit gehen, das nun auch noch in die Debatte mit aufzunehmen.:-)
Aber Du hast insofern Recht, als dass ich diesen Aspekt bislang völlig außen vor gelassen habe. Natürlich muss ein Autor, von seiner Verantwortung für sich selbst ausgehend, auch abwägen, ob er nicht nur der Gesellschaft, sondern vielleicht auch geltendem Recht auf die Füße tritt.
Du sprichst hier wieder von Grenzen im realen Leben, die ich nicht in Frage gestellt habe – mir geht es hier nur um Grenzen in der Literatur.
Auch hierauf bin ich mehrmals eingegangen. Ich hoffe, es ist klar geworden, wo ich die zwingende Verbindung zwischen diesen beiden Themen sehe.
Du tust hier so, als ob Sexdarstellungen in Büchern staatsgefährdend wären.
Nein, aber ich hatte angenommen, ich hätte mich vom eigentlichen Thema erfolgreich in den Bereich des allgemein Gültigen begeben, ohne den Bezug zum Thema zu verlieren.:-)
Natürlich war die Formulierung hochtrabend, weil ich eben nicht nur Sexdarstellungen im Kopf hatte, als ich sie schrieb. Was ich damit zum Audruck bringen wollte war, dass man nicht erwarten kann, eine Grenze zu überschreiten und im sofortigen Anschluss daran zu erwarten, sie wäre dauerhaft niedergerissen worden.
Grenzen zu verschieben oder platt zu machen ist ein langwieriger Prozess. Eine Gesellschaft, die ja gerade darauf ausgelegt ist, sich selbst zu schützen, lässt sich nicht so leicht verändern, auch wenn es dem Individuum, das eine Grenze erfolgreich überwunden hat, nicht gefällt.
Auf dieses Totschlagargument habe ich schon gewartet. Was hat Sex mit Minderjährigen mit Grenzen in der Literatur zu tun? Oder meinst du, weil das im realen Leben verboten ist, dürfe es auch nicht fiktiv beschrieben werden? Darauf sage ich nur: Mord ist im realen Leben auch verboten und darf trotzdem minutiös geschildert werden.
Nein, auch hier habe ich mich nicht auf Literatur bezogen.
Dieser Absatz macht nur Sinn, wenn man meine Ausführungen als generelle Abhandlung über gesellschaftliche Grenzen versteht.
Nochmal: Das hat nichts mit Grenzen in der Literatur zu tun. Es geht nur darum festzuhalten, warum man sich vielleicht anfeinden lassen muss, wenn man in seinen Werken eine Grenze überschreitet.
Selbst Fachleuten fällt es bisweilen schwer, eine Unterscheidung zwischen persönlicher Autorenmeinung und literarischem Werk zu erkennen. Manche Leute reagieren ja nur schon auf bestimmte Schlüsselbegriffe und gehen daraufhin ab, wie ein Zäpfchen.
Auf der anderen Seite kann man aber auch nicht verhehlen, dass Literatur eine ernstzunehmende Macht haben kann. So betrachtet, kann man verstehen, warum viele Respekt vor ihrer potentiellen Wirkung haben und überzogen reagieren. Wohl gemerkt muss man das nicht gut finden...aber nachvollziehbar ist es, zumindest für mich.
Ich hoffe, du siehst jetzt, wie schizophren das alles ist.
Und ich hoffe, ich konnte meinen Standpunkt nun etwas klarer fassen und diesen Irrtum ausräumen.:-)
Auf bald!
Theryn