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Gin & Sin

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17.05.2006
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Gin & Sin

Gin and Sin

"Just keep me full of liquor,
and I shall be nice to you"
Bessie Smith

Völlig durchnäßt betrat ich den Saloon. Unter der Hutkrempe ließ ich meine Augen einmal im Rund schweifen. Es war nicht viel los. Eine Kartenpartie am Spieltisch. Zwei, drei Trinker am Tresen, in irgendeine Unterhaltung mit dem Wirt vertieft. Ein paar besetzte Tische. Langsam ging ich zur Theke, alle Augen waren auf mich gerichtet. Langsamkeit ist meistens gut, man hat mehr Zeit sich überlegt zu verhalten. Und Überlegenheit kommt nicht ohne Grund von überlegen. Meine Stiefel knarrten leise, laut waren nur die schweren Wassertropfen, die auf dem strohbedeckten Boden aufschlugen. Es war eine furchtbare Nacht da draußen, kalt und naß. Ich ließ den Sattel von meiner Schulter zu Boden gleiten. Noch einmal blickte ich mich um, nun offen, nicht verstohlen unter der Hutkrempe. Rauchschwaden zogen unter der Decke des Saloons herum, die Messinglampen über den Tischen warfen ein warmes, schwaches Licht auf die Männer die unter ihnen saßen. Hier und da warf man sich einen verstohlenen Blick zu, in den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie hier und da einer, wenn er sich unbeobachtet vorkam, zu seinem Nachbarn hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Alles wartete auf meine ersten Worte.
In so einer kleinen Stadt gibt es nicht viel Neues, jedes unbekannte Gesicht ist eine Sensation. Am nächsten Morgen würde sicher an so manchem Frühstückstisch über mich gesprochen werden. Blöße wollte ich mir keine geben. Es war sicher das einzige Hotel in der Stadt, also hatte es überhaupt keinen Sinn nach den Preisen zu fragen, ich musste hier unterkommen. Morgen wäre es dann immer noch früh genug, kleinlich zu sein und zu feilschen.
Ich stützte meine Ellbogen auf den Tresen, stellte meinen rechten Fuß auf die Messingstange und sah dem Wirt in sein Gesicht. Hinter ihm, in der Ecke unter der Treppe in den oberen Stock, saßen ein paar Frauen, auch sie sahen zu mir her, aber nicht ganz so aufgeregt wie die Farmer an den anderen Tischen.
„Eine Flasche und zwei Gläser“
Wortlos stand das verlangte auf dem Tisch.
„Hast du auch Zimmer für die ganze Nacht?“
„Wir haben...“
Ich schnitt ihm das Wort ab, morgen war noch Zeit genug dafür, jetzt hatte ich besseres zu tun.
„Dann nehm ich eines, und schick mir eine Wanne und warmes Wasser rauf.“
Ohne seine Antwort abzuwarten drehte ich mich um, nahm meinen Sattel auf, ging zu einem Tisch und stellte meine Sachen ab. Ein bißchen Glück und heute würde das noch ein guter Abend werden. Ein heißes Bad, ein weiches Bett und volle, warme Schenkel. Ich ging zu den Damen unter den Treppenwinkel hinüber. Und viel Whiskey, für die Hitze und den Glanz, aber da war ich schon zwei Schritte vom Tisch weg. Wenn ich jetzte umdrehte, würde das ganz schön nach Mut antrinken aussehen, das war das letzte was ich brauchen konnte. Das kam davon, wenn man zu schnell handelte. Pitt hatte das immer gesagt: „Rede und mach so wenig wie es nur geht.“ Jeder Satz und jede Tat sind eine Quelle für Fehler. Jetzt hatte ich schon einen gemacht, hoffentlich hatte niemand mein Zögern bemerkt. Langsam ging ich weiter zu den Ladies. Trinken konnte ich später auch noch.
Ich ließ mir Zeit, wollte wenn ich dort war, schon wissen welche ich wollte. Es sollte kein Herumgestotter werden. Hoffentlich war überhaupt eine zu finden, die ich wollte. Aber schon auf halben Weg war mir alles klar. Am hinteren Ende des runden Tisches saß eine junge, dunkelhaarige. Sie war keine Schönheit, was unter anderem dadurch zu erklären war, dass ihre Backenknochen und ihre Stirn mit langen Narben, die auf ihrer milchweißen Haut tiefrot, blutrot schienen, verziert waren. Irgendein Schwein hatte da sein Zeichen hinterlassen. Sie wollte ich. Alle Huren sahen zu mir hoch, als ich am Tisch stand. Nur sie hielt den Blick gesenkt, wahrscheinlich war sie Zielscheibe für jeden unbegabten Spaßmacher. Ein leichtes Ziel.
„Hat jemand Lust mir bei der Flasche Gesellschaft zu leisten?“ Ich schaute einmal im Kreis herum. „Ihr trinkt doch sicher gern. Na wie wär es mit dir? Hast du Lust auf einen Schluck“ Alle Köpfe am Tisch drehten sich zu ihr. Sie hob den Kopf, schaute mir in die Augen und im Aufstehen sagte sie leichthin: „Sicher.“
Ich bot ihr meinen Arm, sie hackte sich leicht ein, und wir gingen zu meinem Tisch. Endlich. Ich entkorkte die Flasche, schenkte mir voll, hob das Glas an die Lippen, und warf den Kopf in den Nacken. Dann erst setzte ich mich, legte meinen Hut auf den Sattel und schenkte mir noch ein volles Glas.
„Na du hasts aber nötig“
„Ja hab ich“
Ich schaute ihr ins Gesicht, sie wich meinem Blick aus, schaute auf ihr Glas und schob es zu mir hin. Ich füllte ihrs und auch meins und wieder ließ ich den Schnaps durch meine Kehle rinnen. Langsam öffnete ich die Augen, und da war er schon, der Glanz, der Heiligenschein aus der Flasche. Die abgestanden Luft im Lokal begann zu glänzen und zu glimmern wie Diamantstaub im Haar einer Göttin. Mit einem Schlag, besser gesagt mit drei Schlucken, war die Welt bedeutungsvoll geworden. Ich kramte in meinen Taschen, der Tabak, das Papier und die Streichhölzer waren naß und unbrauchbar. Kauen wollte ich nicht, brauner Saft in den Mundwinkeln und Fäden in den Zähnen ist nicht das was Frauen wollen. Auch wenn ich vorhatte zu zahlen, wollte ich doch nicht nur zahlen. Wie aus dem Nichts war plötzlich ihr Tabaksbeutel da. Ich nahm ihn und wollte eine Zigarette drehen, doch meine Finger waren noch von der kalten Nacht noch ganz steif. Es ging nicht. Wieder auf Pitts Prinzip vergessend, versuchte ich es nochmal und machte einen Fehler: das Papier riß. Mit Schalk in den Augen lächelte sie mir zu, nahm mir den Beutel weg, drehte schnell eine und schob sie mir in den Mund.
„Aber rauchen tust du selbst“
„Wieviel?“
„Ich mach das nicht mehr, sie steckte sich selbst eine zwischen die vollen Lippen, wies auf ihre Narben, seitdem mich keiner mehr will“
„Das ist mir egal“ Ich schenkte ihr noch einmal ein. „Wieviel für die ganze Nacht“
„Warum hast du mich ausgesucht, wenn du die anderen auch haben konntest?“
Was sollte ich ihr darauf antworten? Dass ichs genau deswegen getan hatte, weil ich ihr so zeigen konnte, dass ich sie wollte, genau sie, und das ein guter Start ist? Weil ich eben zahlen, aber nicht nur zahlen wollte.
„Es macht dir sicher nichts aus?“
„Nein“
„Naja. Nach dem Ritt im Regen, im November, und der Menge Schnaps, sie schenkte uns beiden nach, glaub ich nicht, dass dir eine andere wirklich mehr bringen würde als ich“ Wieder blitzte der Schalk aus ihren Augen.
Ich strich ihr die Locke aus dem Gesich, lächelte ihr zu „Wenns gar nicht geht, machen wir einfach das Licht aus.“
„Soll ich dir was zu Essen holen. Es ist nicht schlechter als anderswo“
„Nein, ich will nichts zu Essen, nur dich die ganze Nacht, bis zum Morgen.“ Meine Gedanken schweiften ab zu Pitt und den anderen, mit genug Whiskey war alles zu ertragen gewesen. Alles, jede noch so sinnlose Tat war mit einem Glorienschein überzogen, Hunger hatten wir nie gehabt, solange die Flaschen voll waren. Sie schenkte uns beiden nach. Nicht die üblichen Damenschlückchen, sondern voll für beide. Sie gefiel mir. Ein großes Herz voller Lachen.
Ich nahm das Glas. „Wenn das noch nicht genug ist, nehm ich dich einfach von hinten, Baby.“ ich prostete ihr zu. „Kleine Mädchen mögen das.“ Sie lächelte mir ehrlich zu, gut, ich hatte ihren Humor getroffen. Ich war glücklich. Nur kurz. Hinter mir klickte ein Hahn. Wieder hatte ich Pitt vergessen. „Nur ein Schuss in den Rücken ist sicher.“ Darum muss man immer wissen, was hinter einem los ist. Darauf hatte ich vergessen, über dem Mädchen hatte ich den Saloon aus den Augen verloren. Gottseidank war Pitt Mackesen schon lange im Grab verfault, sonst wär jetzt alles aus gewesen. Ich riß mich zusammen, um nicht schnell sein zu wollen, ich ließ die Rechte weit von meiner Hüfte, stand langsam auf, und drehte mich behäbig um. Dabei ließ ich meinen Blick ruhig auf ihr. Jetzt war meine Hilflosigkeit eine Zeitlang meine einzige Waffe. Sie schaute mir dabei ernst ins Gesicht. Vor mir im Halbkreis standen sechs Mann, und ein Sheriff, mit aufgeknöpftem Rock und blankem Stern. Ich war nie schnell mit dem Revolver gewesen, für die jetzige Situation wäre sogar George Clyde selbst zu langsam gewesen. Noch einmal schaute ich in die Runde, Orientierung war immer wichtig. Es zählt nichts alle zu töten die man sieht, wenn man nicht alle sieht. Der Ungesehene zielt am längsten, und ist so der gefährlichste. Vor allem der im eigenen Rücken, hätte Pittt gesagt. Noch immer wartete ich darauf, dass der Sheriff das Wort an mich richten würde. Ich nahm den Zigarettenrest aus dem Mund, warf ihn auf den Boden und trat ihn aus. Dabei hatte ich Zeit, den Mann, der mir mit dem gezogenen Revolver gegenüberstand, schnell zu betrachten. Das war kein einfacher Dorfsheriff, war mir auf den ersten Blick klar.
„Haben sie das Schild am Stadtrand nicht gesehen?“
„Welches?“
„Das, auf dem steht: 'keine Waffen'.“
„Ich hab da draußen kaum die Stadt gesehen, und schon gar kein Schild“
Er wies mit dem Lauf seines Revolvers auf meinen, den er unter der linken Seite meiner Lederjacke vermutete. Der Sheriff war kein Idiot, er hatte erkannt, dass ich Linkshänder war, nur an meinen Bewegungen und das, obwohl ich versucht hatte wie ein Rechtshänder zu wirken. Obwohl er mit der Knarre gedeutet hatte, war er wirklich gut drauf. Er konnte sich sicher auf einen oder zwei der im Halbkreis stehenden Kerle verlassen. Darum hatte er mit dem Lauf gedeutet. Mit einem Schlag war mir auch klar, warum mich alle beim Eintritt so aumerksam angesehen hatten. Das war nicht nur mein abgerissener Aufzug und die unerwartete Ankunft gewesen, sondern meine Waffen. Niemand hatte was gesagt. Jetzt hatten sie ihr Spektakel.
„Dann gib sie uns mein Junge“ sagte er freundlich, seine wohlklingende Stimme vermochte allerdings nicht einen letzten Rest von Triumph zu übertönen. Er hatte einen Sieg errungen, und ich war mit einer Frau beschäftigt gewesen. Hatte nichts gemerkt, bis es zu spät war. Auerhähne werden auf diese Art gejagt, wenn sie balzen sind sie blind für alles andere. Darauf warten die Jäger. Genau diese Frau, wegen der ich jetzt in der Patsche saß, war im Moment auch mein größtes Problem. Wenn der Sheriff gekommen wäre, als ich noch nicht bei den Damen im Treppenwinkel war, hätte ich einfach klein beigegeben, und mich mit der Flasche ins Bett verzogen. Alle hätten mich für einen Feigling halten können, ich wäre nie mehr hierher zurückgekommen. Es wäre mir herzlich egal gewesen, was sie von mir hielten. Jetzt aber, sah die Sache anders aus. Ich wollte mich nicht vor der Frau blamieren, und das konnte Böse enden. Wenn ich meine Waffen abgeben würde, wäre das auch keine Versicherung, wenn ich sie hingegen behielt, könnte ich einen oder zwei von ihnen mitnehmen, aber das war auch keine Option.
„Er hat nichts davon gewußt, wirklich“ kam die Stimme vom Tisch hinter mir.
„Warum ist er dann hier, sitzt ausgerechnet mit dir am Tisch und ist bewaffnet?“
„Schon gut“, sagte ich, jedes Wort betonend, machte meinen Gürtel auf und ließ meine Waffe auf den Boden fallen. Nur jetzt keine Schwäche zeigen, keinen Fehler machen, niemand darf wissen wie verletzlich du ohne Waffe bist. Und blamier dich nicht vor ihr.
Einer aus dem Hintergrund sprang vor, bückte sich und griff sich meinen Gürtel mit dem Revolver. So das wars. Ich war entwaffnet. So musste sich eine Schildkröte ohne Panzer vorkommen.
Es ging schnell. Eine kurzes Zucken und schon hatte ich den Revolver flach im Gesicht. Gerade konnte ich noch den Kopf leicht drehen. Lieber ein gebrochenes Jochbein riskieren: ohne Augen siehts sich schlecht.
Wieder einmal lag ich am Boden, im Dreck, aber diesmal nicht wegen der Drinks. Eine Hand griff in meine langen Haare und riß meinen Kopf vom Boden hoch. Dann schlug sie mich ins Gesicht bis ich die Augen öffnete. Die Seite, die der Revolver geküsst hatte war taub vor Schmerz. Ich ließ mir Zeit. Dann sah ich dem Sheriff in die Augen. Aus der Nähe konnte ich die Krähenfüße um die Augen, seinen Backenbart und seine fehlenden Zähne sehen, aber ich kriegte nur ein Auge auf. Kurz durchflutete mich Angst. Pitt hatte immer gesagt, „ein Auge ist wie ein Drink, für nichts zu gebrauchen“. Der Sheriff grinste mir ins Gesicht, und schüttelte mich an meinen Haaren, mein Kopf wackelte hilflos wie der eines Babys,
„Trägst du die langen Haare nur so zum Spaß oder hat das was auf sich.“ Er blickte hoch in die Runde, alle standen herum um uns.
„Im Krieg hatten viele Rebellen lange Haare. Bushwhacker Locken.“ Er spuckte vor mir aus.
„Hab damals viele von ihnen erwischt.“ Er hockte noch immer vor mir, sein Gesicht so nah, dass ich die Adern in seinen Augäpfeln sehen konnte. „Sollen wir ihn hängen, den Rebellen, für den der Krieg immer noch nicht vorbei ist?“ Während er diese Frage an alle und keinen richtete, blickte er mir unverwandt in die Augen. Er wartete nur darauf dass ich zucken würde. Gottseidank war mein eines Auge zu und so nur eines unter Kontrolle zu halten.
„Little Bill, laß ihn, für die Rebellenscheiße ist der doch viel zu jung. Wir habens ihm gezeigt, lassen wir ihn laufen.“
Little Bill zog meinen Kopf noch ein Stückchen höher,
„Du hattest Pech Junge, warst unaufmerksam, denk nicht mehr dran, reit weg und komm nicht mehr zurück“, dann flüsterte er mir ins Ohr.
„Vergiß das alles hier, vergiß die Frau. Denk dran mein Junge, die Frauen wollen, dass wir sie ficken, oder vielmehr wollen sie, dass wir sie ficken wollen, doch vor allem wollen sie, dass wir dafür bezahlen, mit unserem Geld, unseren Gedanken, unserer Freiheit, merk dir das, in ihrer Welt gibt es das Wort gratis nicht. Rückkehr heißt Tod.“
Er hob seinen Kopf, ließ meinen fallen und dann schleiften sie mich hinaus in den Dreck, in die Nässe und in die Kälte.

„Little Bill hat gesagt wir sollen dich hier draußen aufs Pferd setzen, dir deine Waffen zurückgeben und dich reiten lassen, aber wenn du aufmuckst sollen wir schießen.“ Ich lag auf der nackten Erde, über mir der Himmel. Wir waren weit draußen vor Stadt. Der eiskalter Wind von den schneebedeckten Gipfeln blies mir durch die Kleider bis auf die Knochen. Mein Mund war voller Blut, mein Wangenknochen fühlte sich an als wäre er Knochenmehl und meine linke Gesichtshälfte war immer noch blind. In meinem Körper war eine Taubheit, vor der ich Angst hatte. Sie mussten, nachdem ich das Bewußtsein verloren hatte, noch lange auf mich eingeprügelt haben. Ich atmete tief durch, was mir einen Hustenanfall eintrug, war aber trotzdem erleichtert: Little Bill war nicht da und vor seinen Jungs hatte ich keine Angst. Einer stand neben mir, seine Stiefel direkt neben meinem Gesicht. Der andere hinter ihm, ein paar Meter weiter, auf seinem Gaul. Alles war grau, die Männer, ihre Gesichter, die Pferde, die Wolken und sogar der Schnee. Alles war in ein kaltes, graues Licht getaucht.
„Los, steh schon auf, du faule Ratte.“ Der neben mir trat mir aufmunternd in die Rippen. Ich ließ mir Zeit. Wie gesagt, Überlegenheit kommt von überlegen. Ich stöhnt leise und rollte mich auf den Bauch. Wenn wir damals in so einer Situation gewesen waren, dann hatte das arme Schwein am Boden keine Chance mehr gehabt.
Wir hatten mal so einen Yankee am Boden, als er dann aufsteigen wollte, schoß ich ihm ins Bein. George meinte, wir sollten ihn doch aufsteigen lassen, beruhigend sagte er zu dem Mann, jetzt würde keiner mehr auf ihn schießen. Der Mann glaubte ihm, aber nur solange bis Pitt ihm in den anderen Fuß schoss. Auch noch ein drittes Mal versuchte der Mann George zu glauben und auf sein Pferd zu kommen. Dann schoß ihm George durch den Rücken. Der sicherste Schuss.
Sollte ich ihnen trauen oder nicht, nur darum ging es. Wenn ein verletzter Mann waffenlos am Boden liegt, und von zwei gesunden, bewaffneten Männer, von denen jeder einzelner stärker ist als er, in Schach gehalten wird, dann hat er wohl keine Wahl. Er müsste sogar einem vorbeikommenden Wolfsrudel vertrauen.
Hoffentlich war der auf dem Pferd nicht aus dem selben Holz wie Little Bill geschnitzt. Dann zog sich mein Magen zusammen, und ich würgte seinen Inhalt herauf.
„Jetzt geht das schon wieder los. Hat die ganze Nacht gekotzt und noch immer nicht genug.“ „Paß nur auf deine Stiefel auf Will“.
Viel Inhalt war da nicht mehr, nur mehr Galle und Blut. Mein Magen schien sich noch immer nicht beruhigt zu haben, ich krümmte mich zusammen, und versuchte nicht in meiner eigenen Galle zu ersticken. Als der Anfall nachzulassen begann, ließ ich meine Hand langsam hinunter wandern zu meinem Stiefel. Mein Messer hatten sie mir nicht genommen. Die beiden amüsierten sich noch über mein Geschick, da lag der eine schon mit durchgeschnittener Achillessehne neben mir auf dem Boden. Die beiden begannen laut zu schreien, gut, solange der auf dem Pferd nicht zu ballern anfing, konnte er tun und lassen was er wollte. Ich war schon neben dem, der bei mir auf der Erde lag. „Nichts schützt so gut wie Freundschaft und Liebe“ hatte Pitt mal gesagt. Mit dem Messer am Hals zog ich dem Mann den Revolver aus seinem Halfter. Wie ich gedacht hatte, es war mein eigener. Der Mann auf dem Pferd griff nun seinerseits nach seiner Waffe. Als sein Freund am Boden Blut gurgelte, in dem Hals, den ich ihm durchgeschnitten hatte, schoß er. Zweimal. Allerdings nicht auf mich, sondern sich selbst durchs Bein und seinem Gaul in den Bauch. Jammernd lag er auf dem Boden und hielt sein Bein. Irgendwie war er auch noch unter das stürzende Pferd geraten, das in Todespanik herumhetzte. Ganz langsam versuchte ich aufzustehen, beim ersten Mal knickte mir noch der Schwindel die Beine ein. Der Erstickende am Boden fing meinen Sturz allerdings gut auf. Geistesgegenwärtig, und mit viel Routine, konnte ich gerade noch den Revolver von mir weghalten, denn Finger musste ich am Abzug lassen. Bei meiner Verfassung war ich mir nicht sicher, ob ich den Abzug noch einmal finden würde. So ging der Schuss in den Erstickenden am Boden, ich spürte seinen Körper unter dem Einschlag der Kugel erzittern, dann noch ein Zucken und er lag still. Gnädiges Schicksal, besser als mit durchgeschnittener Kehle zu ersticken. Mit aller Macht riß ich mein rechtes Auge auf, es war kaum was zu machen, aber ein kleiner Lichtschein fiel hinein. So glücklich war ich schon lange nicht mehr gewesen. Das Auge war nicht blind. Mühsam versuchte ich wieder hoch zu kommen. Ich blieb ruhig, auch als der am Boden auf mich schoß, einmal und dann noch einmal. Dann warf er seine Waffe weit weg und reckte die Hände in die Höhe. Langsam, mit steifen Beinen stelzte ich zu ihm hinüber. Mir drehte sich alles, der Himmel kreiste über mir, der Horizont schwankte, doch ich blieb stehen und fiel nicht wieder hin. Clyde wäre früher sicher der erste gewesen Fragen zu stellen, nach den Gründen. George war verrückt nach Gründen. Mir war das egal. Ich schoß ihm einfach zweimal in den Kopf.

Ich setzte mich auf das tote Pferd, das wie die beiden Leichen in der Kälte dampfte und durchsuchte ihr Gepäck. Whiskey, Dörrfleisch und Brot (drei Revolver und drei Gewehre, das war die Ausbeute). Zuerst hüllte ich mich in ihre Decken, Wärme ist immer das wichtigste. Dann focht ich einen harten Kampf mit mir selber aus. Ich hatte einen halben Liter old crow, den ich so schnell wie möglich im Magen und im Blut haben wollte. Allerdings hatte ich schon des öfteren meine eigene Galle gewürgt, ich wußte, dann blieb der Schnaps einfach nicht unten, egal wieviel man davon schluckte. Nur einen winzigen Schluck zu nehmen und damit den Mund auszuspülen war auch keine Lösung, ich kannte mich. Ich würde schlucken wie ein Säugling. Also aß ich langsam kauend das Brot mit dem Dörrfleisch. Dann spülte ich das ganze mit dem Wasser, das ich inzwischen an meinem Körper gewärmt hatte, hinunter. Es war zu kalt um eine Zigarette zu drehen, und kauen verbot sich auch, da ich nach dem Tabaksaft noch länger auf den Schnaps hätte warten müssen.
Während ich so da saß und auf dem Dörrfleisch kaute wurde ich langsam wieder ruhig. Die Wärme des Pferdes, die in den beiden Decken hängen blieb machte mich schläfrig und zufrieden. Die Spannung wich einer ruhigen Gelassenheit. Nur das Atmen wollte keinen gesunden Rhythmus annehmen, immer wieder keuchte ich, stieß den Atem kurz und schmerzhaft aus. Danach dauerte es immer ein wenig bis ich wieder ruhig Luft holen konnte. Dann hustete ich ein wenig Blut. Sie hatten mich gestern Nacht ganz ordentlich erwischt.

Ich ließ meine Seele baumeln und der Wind meiner Gedanken wehte mir immer wieder das Narbengesicht vor Augen. Ich malte mir aus wie der Abend hätte verlaufen können. Ich roch die Seife im warmen Wasser, die gebohnerten Holzdielen und den Schnaps in ihrem Atem. Als es dann im warmen Zimmer gemütlich wurde, ihr Geruch mich umfing, verblasste das Bett und die Daunendecke, ein eisiger Wind fuhr mir bis auf die Knochen. Eine saftige Wiese, im hellsten Grün des jungen Frühlings ersetzte das Zimmer. Wir waren nackt auf der Lichtung, nur mit uns beschäftigt. Der Ort kam mir sehr vertraut vor. Da rief mich eine Stimme von links hinter mir, unter den Bäumen, aus dem Schatten heraus, an. Er stand in meinem Rücken. Irgendwo ober uns sang ein Vogel. Früher hätte ich gewusst welcher, jetzt hatte ich es vergessen. Langsam drehte ich mich um. Unter den Bäumen stand Pitt. Er trug keinen Hut. Wie immer den Kopf schräg gehalten, die langen dunkelblonden Haare hatte er hinter die Ohren zurückgeschoben. Lässig spannte er den Hahn. Seine Augen glänzten vom Schnaps. Spott kräuselte seine Lippen.
„Wir haben lange auf dich gewartet Blooms. George und Ich. Hätte damals in Lafayette nicht gedacht, dass es du von uns drei am längsten machst. Wie ich sehe bist du jetzt schon fast ein Mann geworden.“ Er war bleich und was auf seinen Wangen auf den ersten Blick wie Schmutz ausgesehen hatte, waren Fäulnis und Maden. Mit einem Schwung seines Kopfes warf er die Haare über die Schulter, ohne mich aus seinem Fokus zu lassen. „Scheiße. Ob sie dich dort erschießen oder du dir hier draußen die Lunge aus dem Hals hustest, darauf kommt es auch nicht mehr an.“ Sein Hemd war über der Brust schwarz, blutverkrustet, von einem Schuss in den Rücken. Er bemerkte meinen Blick, sah an sich hinunter. „Es ist schon Ironie, dass es ausgerechnet mich in den Rücken erwischt hat, das willst du wohl sagen.“ Er ließ den Colt mit einer dekadenten Geste lässig im Handgelenk schlenkern. „Spars dir Blooms, das machen wir aus wenn wir uns wiedersehen, haben da eine Menge zu bequatschen, George und Ich und du, dann wenn du da bist.“ Ich fuhr hoch, wenn ich hier draußen einschlafen würde, wäre mir der Kältetod sicher. Wenn nicht die Wölfe schneller wären. Ich musste aufs Pferd. Ich setzte mir selber einen Schluck Schnaps als Belohnung aus und begann mit der Tortur.


Später dann, auf dem Rücken des Pferdes, das andere hatte ich erschossen, kamen mir die Schmerzen erst so recht ins Bewußtsein. Das wichtigste war aber mein Auge. Wo immer ein Schneefleck zu sehen war, blieb ich kurz stehen um die Schwellung zu kühlen. Ich kam nur langsam vorwärts, mein Gaul war mindestens so fertig wie ich, der ich auf seinem Rücken lag, in die Decken eingewickelt, an seinen wunderbar warmen Hals geschmiegt. Wo mein Hut war wußte ich nicht, so flatterten meine Haare lang im Wind, wie eine zerfledderte schwarze Sturmfahne. Trotz der Schmerzen in der Brust war ich so kühl und klar im Kopf wie der Wind, der in meinen Haaren spielte. Auch beim Gedanken an das, was unausweichlich kommen musste, blieb ich ruhig, nur wenn das Blut wieder in meinem Mund war, das Blut das ich ausspuckte und dessen Geschmack mir der Schnaps aus dem Mund spülte, bekam ich Angst. Angst davor irgendwo eine halbe Meile vor der Stadt aus dem Sattel zu kippen und nicht mehr aufstehen zu können, ein bißchen Angst auch vor meiner „Scarface Lillie“, wie ich sie in Gedanken nannte, vor allem aber Angst vor George und Pitt.
Angst vor meinen besten Freunden. Den ganzen Krieg waren wir drei zusammen gewesen, im Sommer in den Wäldern von Missouri, im Winter in Erdhöhlen und warmen Betten. Wir drei hatten gelebt, auch noch als alle anderen längst tot waren, gegen jede Wahrscheinlichkeit. Auch dann noch als aus den Jägern längst die Gejagten geworden war und alles für was wir damals zu kämpfen glaubten, längst verloren hatten. Als alle unsere Freunde tot waren, unsere Sache verloren und aufgegeben war, lebten wir noch immer, wo auch wir besser tot gewesen wären. Als dann der Krieg aus war, veränderte das unsere Lage auch nicht mehr, es gab keine Heimat mehr in die wir zurückkehren hätten können, alle Freunde und Bekannte waren tot oder weggezogen. Gott allein wußte wohin.
Während ich meinen Erinnerungen nachhing, spürte ich wie das Pferd den Kopf hob um Witterung aufzunehmen, und dann seinen Gang leicht beschleunigte. Wir mussten bald die Stadt erreicht haben. Ich zügelte das Pferd und zwang es wieder in seine vorherige Gangart zurück, auf ein paar Minuten mehr oder weniger kam es nicht an, aber ich wollte unbedingt unbemerkt zurückkehren. Außerdem wollte ich von der gegenüberliegenden Seite der Stadt kommen, wie beim ersten Mal. Nicht so sehr um den Abend der mir das letzte Mal entgangen war nochmals zu durchleben, sondern vielmehr um etwaigen neugierigen Augen auszuweichen. Wenn Little Bill nur wußte, daß ein unbekannter Reiter gekommen war, so war das unbedingt besser, als wenn er gleich wüßte, dass ich es war. Ich ließ die Decken zu Boden fallen, morgen wenn sie entdeckt werden würden, wäre schon alles vorbei, so oder so. Ich nahm noch einen kleinen Schluck um mir das Blut aus dem Mund zu spülen und steckte dann die Flasche weg. Gottseidank war der Schnaps unten geblieben.


So weit war alles gutgegangen, ich hatte das Pferd untergestellt und ging in die Schenke. Kurz vor der Eingangstür musste ich wieder husten bis mein Mund voll Blut war. Ich musste meinen Brustkorb mit beiden Armen umklammern um nicht das Gefühl zu haben, dass es mir die Lungen zerreissen würde. Dabei versuchte ich so leise zu bleiben wie nur irgend möglich, dann spuckte ich das Blut an den Türpfosten. Dunkel glänzend und zähflüssig rann es den Türpfosten hinunter. Vorsichtig linste ich aus dem Schatten hinein. Ich ließ mir Zeit, mir sollte keiner entgehen. Es musste schon ziemlich spät sein, der Wirt war mit einem Gast allein, die beiden redeten.
Die Stühle waren schon auf die Tische gestellt, ich kniff die Augen zusammen, auf dem Tresen waren nur zwei Gläser. Es versteckte sich also keiner auf dem Klo. So hatte es George Clyde erwischt, souverän seine Gegner umgenietet, aber den auf der Schüssel vergessen, bis er sich mit zwei gezielten Schüssen zurückmeldete. Für einen Augenblick war mir, als ob wir zu dritt wären, aber es war kein angenehmes Gefühl, eher eines der Bedrohung von zwei Seiten. Aus dem Augenwinkel meinte ich Pitts Haare schwingen zu sehen, dann war ich auch schon in der Schenke, sollten die Phantome allein draußen in der Nacht bleiben. Bald hätte ich sie eh für die Ewigkeit am Hals. „Wir halten dir den Rücken frei Blooms“ hörte ich Clyde murmeln, der Schuss durch den Hals lieh seiner Stimme pfeifende Obertöne, die schwer zu ertragen waren. Ich hörte wie sie die Hähne ihrer Colts spannten. Fast hätte ich die Nerven verloren und einfach in die Dunkelheit hinausgeballert, im letzten Moment riß ich mich zusammen. Der am Tresen war Little Bill, ich ließ den Arm mit dem Colt hochkommen und hätte schon beinahe abgedrückt, den sicheren Schuss in den Rücken, als ich meinen Irrtum erkannte. Es war nicht Little Bill, sondern nur ein gewöhnlicher Farmer. Draußen lachten George und Pitt. Fast hätte ich eine Kugel verschwendet und die ganze Stadt zusammengetrommelt. Die beiden am Tresen starrten mich an. Ich ging zu ihnen hin, langsam und sicher, jetzt hing alles davon ab, wie ich auftrat und wie dieses Auftreten wirkte.
„Ein Zimmer für die Nacht und eine Flasche mit zwei Gläsern.“ Der Barkeeper gab mir das gewünschte.
„Und auch eine für euch zwei, wenn ihr rausgeht seid ihr tot. Genauso wie eure Frauen und Kinder.“ Ich musste mich zusammennehmen um nicht gleich aus der Flasche zu trinken. „Morgen früh, bevor einer was gemerkt hat, ist die Sache für euch vorbei.“ Ich machte eine kurze Pause, beide nickten eifrig, und versicherten nicht wegzugehen. „Die Zimmer der Damen sind oben, bei den Gästezimmern?“ Wieder ein eifriges Nicken. Nachdem ich ordentlich Geld auf den Tisch gelegt hatte, ging ich die Treppe hinauf. Geld schafft Loyalität, so sicher war ich mir da zwar nicht. Hinüber konnte ich es aber auf keinen Fall mitnehmen, damit war meine Entscheidung schnell gefällt. Im Spiegel beobachtete ich wie die beiden, sich gegenseitig ansahen. „Bleibt ja hier. Sterben ist nichts Schönes.Vor allem für Kinder.“

Es war ein harter Kampf die Treppen hinauf, meine Füßen waren leer, kaum ein bißchen Kraft übrig. Mitten in der Treppe kam dann wieder der Husten, ich krümmte mich zusammen, hielt mich am Geländer fest, und versuchte den Anfall zu überstehen. Das Blut rann mir nur so aus dem Mundwinkeln, tropfte auf mein Hemd. Ich spuckte es einfach auf den abgenutzten Läufer. Als ich oben, und so aus dem Blickwinkel der beiden am Tresen verschwunden war, lehnte ich mich gegen die Wand und atmete durch. Nur zu gerne hätte ich tief Luft geholt, mich mit Luft vollgesogen, meine Lungen aufgeblasen wie Ballons, aber dann wäre der Husten sofort zurückgekommen. So blieb mir nichts anderes übrig, als nur flach zu atmen. Langsam verschwanden die feurigen Kreise vor meinen Augen, ich konnte weitermachen. Zuerst aber entkorkte ich die Flasche und nahm einen kleinen Schluck. Der scharfe Geschmack des billigen Fusels übertünchte nur kurz den metallischen Geschmack meines eigenen Blutes. „So schmeckt der Tod“ hörte ich Georges Stimme aus dem Dunkel unter der Treppe. Er wußte wovon er sprach.
Im Gang, an dem links und rechts die Zimmer lagen, war es dunkel und still. Ich öffnete leise eine Tür nach der anderen, bis ich in einem Zimmer die Geräusche schlafender hörte. Dann schloss ich die Tür und klopfte laut an, und ging hinein. Eine war schon aus dem Bett hoch gefahren und stand im Nachthemd vor mir, kurz darauf brannten auch schon zwei Lampen.
Als kleiner Junge hatte ich mich einmal heimlich ins Zimmer meiner Mutter gewesen, das auch meine älteren Schwestern benutzten. Diese alte Erinnerung überfiel mich, denn die Atmosphäre weiblicher Intimität die dieses Zimmer erfüllte, war da wie dort dieselbe. Puder, Pomaden, Unterröcke, Parfüm und überall verstreut liegendes Gewand, ich fühlte mich wie in einem Harem. Die Heimlichkeit und das Verbotene, das Wissen darum, dass ich hier etwas ganz ungewöhnliches erlebte, durchfuhr mich wie damals als zehnjähriger. Nur war ich jetzt nicht auf der Suche nach ein bißchen Kleingeld. Die Petroleumlampen wurden mir ins Gesicht gehalten, geblendet wendete ich mich ab und hielt die Flasche in die Höhe.
„Will mir jemand dabei Gesellschaft leisten?“
Ich hörte ein „Ja“ aus der dunkleren Ecke, und das Rascheln eines Nachthemdes, ein bißchen Gekicher als sie über Bettnachbarinnnen kletterte und dann vor mir hektisch am Boden Kleider zusammensuchte.
„Schon gut, mir reicht dein Nachthemd. Wirf dir nur was über, dass du nicht erfrierst“ Da stand sie schon vor mir, dann an mich geschmiegt. Ich konnte ihr Haar riechen, es roch nach Seife wie damals zu Hause. Ihr roter Hausmantel hatte dieselbe dunkle Rotschattierung wie die Narben in ihrem Gesicht. Und wie das Blut in meinem Mund und auf meinem Hemd.
Es war wie in einem Hühnerschtall, alle Mädchen schnatterten durcheinander, ich ignorierte ihre Fragen an mich, und hielt das Mädchen in meinem Arm ein bißchen von mir weg.
„Ein heißes Bad und diesmal auch was zu Essen.“ Ich war fertig, ich konnte keinen Sinn mehr in ihre Antworten bringen, und die hektische Akitvität die danach bei den Mädchen ausbrach blieb mir ebenso unverständlich.
Als wir dann aber in meinem Zimmer saßen, ein dampfender Teller vor mir, aus dem wir gemeinsam aßen, und ein bißchen mehr Schnaps aus der Flasche verschwunden war, ging es mir langsam besser. Dann war auch das Wasser wie von Zauberhand auf einmal fertig, und wohlig ließ ich es mir über meine Glieder und den Kopf rinnen. Sie wusch mich wie ein Baby, zart und vorsichtig über die tiefblauen Quetschungen am Brustkorb und den Schenkeln, fest und angenehm dort wo ich unverletzt war, und alles mit einem wunderbaren Hauch von Erotik und Reiz. Dazwischen schenkte sie uns beiden nach und wir tranken wie im Himmel. Sie wusch mir die Haare, und dann nahm sie ein Messer und rasierte mich. Ich war sorglos wie ein unschuldiges Kind, kein Mißtrauen wohnte in mir. Ich weiß, dass es unmöglich so sein kann, aber während all dieser Zeit kann ich mich an kein Husten erinnern, an kein Blut im Mund. Kein stechender Schmerz in der Brust.
„Du bist ja fast noch ein Kind“, sie beugte sich vor, legt das Messer weg, ihre langen Locken streiften das Wasser in dem ich saß, dann küsste sie mich. Nur kurz.
„Du musst dir den Mund auswaschen, gründlich, du schmeckst ekelhaft nach Blut.“ Als ich damit fertig war, wir beide im Bett lagen, störte sie Geschmack nicht mehr, lang und gierig küssten wir uns.


Die ganze Zeit über, wie benommen ich auch gewesen war, wartete ich darauf, dass sie kommen würden, Little Bill und seine Leute. Ewig würden die beiden unten an der Bar sicher nicht sitzen bleiben. Noch waren sie nicht gekommen.
Ich sitze auf einem Stuhl neben dem Bett, der Husten kommt jetzt in immer kürzeren Abständen, der Schmerz nimmt zu. Ich höre ihre tiefen und regelmäßigen Atemzüge hinter mir im Bett. Sie atmet so, als würde sie für mich mit Luft schöpfen müssen. Ich atme in ihr. Das beruhigt mich, denn manchmal ist die Atemnot unerträglich. Hinter mir zündet sich Pitt eine neue Zigarette an, ich würde auch gern den starken Geschmack des Tabaks fühlen, den Rauch tief inhalieren. Aber die letzte die ich geraucht hatte, war die, die sie mir gestern gedreht hatte. Es war gut so. Ich muss wachbleiben bis sie kommen, darum nippe ich auch nur am Whiskey. Immer wieder muss ich daran denken, wie vorgestern hinter mir der Hahn klickte. Warum habe ich nicht dort einfach Schluss gemacht, reagiert, noch ein paar mitgenommen? Es wäre kurz und schmerzlos gewesen, nicht dieses langsame Ersticken am eigenen Blut wie jetzt. War es wirklich nur weil ich diese letzte Nacht gewollte hatte, sie in meinem Bett? Ich drehe mich zu ihr hin, sehen kann ich sie nicht in der Dunkelheit, aber ich rieche ihr Parfüm in der Luft, und ihren Geruch an mir. Das war mir immer das liebste gewesen. Aufwachen, eine Frau im Arm in einem warmen Bett, voll mit ihrem Geruch. Auch jetzt überkommt mich wieder dieses Gefühl der Geborgenheit, wenn ich sie atmen höre, für uns beide. Tief und regelmäßig. Wenn mich meine eigene Lunge würgt, dann kommt der Tod näher, mit jedem Husten einen Schritt. Bilder der Toten kommen mir dann wieder vor die Augen, die ich längst vergessen zu haben meinte. Immer wieder auch George und Pitt. Ich fühle den Abzug, höre den Schuss, sehe wie Pitt sich umdreht, über ihm singt die Lerche in den frühlingsgrünen Wipfeln. Erstaunt blickt er mich an, die Waffe fällt aus seiner Hand, tot sinkt er zu Boden. Ein Schuss in den Rücken, der sichere Schuss. „Wer es in den Rücken seines Feindes schafft, hat sich den kleinen Bonus verdient“, so hatte es mir Pittt erklärt. Dann hatte ich ihn erwischt. Genauso wie Clyde. Seine Schnelligkeit hatte ihm auch nichts genutzt. Er war sogar zu schnell gewesen. Ich war langsam und hatte Zeit. Ohne Zittern schoß ich meinen Freund in den Hals. Den zweiten in die Brust. Das waren gute Schüsse gewesen. Wieder huste ich, wieder ein paar Schritte die Tod auf mich zukommt, Schritt für Schritt. Neben ihm George und Pitt.
„Reiß dich zusammen Blooms,“ George rüttelt mich an der Schulter, „Schritte, draußen auf der Stiege.“ Ich spanne den Hahn, lasse das Blut aus meine Mundwinkeln rinnen, und höre noch einmal auf ihr tiefes, gleichmäßiges Atmen. Für uns beide.
„Sie kommen“ flüstert Pitt hinter mir.


„So spin that wheel, cut that pack
And roll those loaded dice
Bring on the dancing girls
And put the champagne on ice
im going in: Sin City"

Bon Scott

 

Hallo ekmek,

schön, hier mal einen Western zu lesen. Leider ist aber dein Satzbau manchmal gewöhnungsbedürftig bis falsch, manche Sätze sind unsinnig und leider verstehe ich nicht, warum dein Prot seine Freunde wohl erschossen hat.
Atmopshärisch triffst du die Westernatmosphäre gut.
Details:

laut waren nur die schweren Wassertropfen, die auf dem strohbedeckten Boden aufschlugen.
nee, die ganz bestimmt auch nicht.
Hier und da warf man sich einen verstohlenen Blick zu
mit werfen und verstohlen hast du es irgendwie, oder?
in den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie hier und da einer, wenn er sich unbeobachtet vorkam, zu seinem Nachbarn hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte.
mit hier und da wohl auch. Auch fehlt hier ein "sich"
jetzt hatte ich besseres zu tun
Besseres
Am hinteren Ende des runden Tisches saß eine junge, dunkelhaarige
Der Bezug zu Ladies ist zu weit weg, deshalb "Dunkelhaarige".
Sie war keine Schönheit, was unter anderem dadurch zu erklären war, dass ihre Backenknochen und ihre Stirn mit langen Narben, die auf ihrer milchweißen Haut tiefrot, blutrot schienen, verziert waren.
erklären musst du hier nichts, das macht den Satz unnötig kompliziert. Vorschlag: Sie war keine Schönheit, schon weil ihre Wangenknochen und ihre Stirn mit langen Narben verziert waren. die blutrot auf ihrer milchweißen Haut hervorstachen.
Ich füllte ihrs und auch meins und wieder ließ ich den Schnaps durch meine Kehle rinnen.
ihres und meines (auch wenn der Sazu allgemein etwas unglücklich formuliert ist).
doch meine Finger waren noch von der kalten Nacht noch ganz steif.
wolltest du wohl erst anders schreiben, daher das doppelte "noch". Der erste solltest du streichen.
Wieder auf Pitts Prinzip vergessend, versuchte ich es nochmal und machte einen Fehler: das Papier riss.
„Aber rauchen tust du selbst“
Punkt nach selbst
„Ich mach das nicht mehr, sie steckte sich selbst eine zwischen die vollen Lippen, wies auf ihre Narben, seitdem mich keiner mehr will“
Es fehlen Anführungszeichen.
Dass ichs genau deswegen getan hatte, weil ich ihr so zeigen konnte, dass ich sie wollte, genau sie, und das ein guter Start ist?
und dass das ein guter ...
Darauf hatte ich vergessen, über dem Mädchen hatte ich den Saloon aus den Augen verloren.
Das hatte ich vergessen.
Gottseidank war Pitt Mackesen schon lange im Grab verfault, sonst wär jetzt alles aus gewesen
wieso das?
Ich riß mich zusammen, um nicht schnell sein zu wollen,
riss mich zusammen, nicht zu schnell zu sein. - Es geht ja nicht ums wollen, sondern ums sein.
„Ich hab da draußen kaum die Stadt gesehen, und schon gar kein Schild“
Punkt nach Schild
und das konnte Böse enden
böse
und seine fehlenden Zähne sehen
nein, die konnte er nicht sehen, die fehlten ja. ;) Er konnte höchstens die Zahnlücken sehen, oder dass ihm Zähne fehlten.
Während er diese Frage an alle und keinen richtete, blickte er mir unverwandt in die Augen. Er wartete nur darauf dass ich zucken würde. Gottseidank war mein eines Auge zu und so nur eines unter Kontrolle zu halten
Also mit den Augen solltest du dich entscheiden. Wenn er ein Auge zu hat, verwende sie erst gar nicht im Plural. Diese nachgeschobenen Lesererinnerungen wirken einfach dämlich.
Wir waren weit draußen vor Stadt.
vor der Stadt
Als sein Freund am Boden Blut gurgelte, in dem Hals, den ich ihm durchgeschnitten hatte, schoß er.
eher: Blut gurgelte, nachdem ich ihm den Hals aufgeschnitten hatte - durchgeschnitten ganz bestimmt nicht.
denn Finger musste ich am Abzug lassen.
den
Auch dann noch als aus den Jägern längst die Gejagten geworden war und alles für was wir damals zu kämpfen glaubten, längst verloren hatten.
Diesen Perspektivwechsel mitten im Satz kannst du nicht machen. Auch dann noch als aus den Jägern längst die Gejagten geworden waren, und wir alles, für das wir damals zu kämpfen geglaubt hatten, längst verloren hatten. - ist zwar auch nicht schön, aber wenigstens grammitkalisch korrekt.
lebten wir noch immer, wo auch wir besser tot gewesen wären
"wo" ist eine Ortsbeschreibung. Hier besser "obwohl"
Außerdem wollte ich von der gegenüberliegenden Seite der Stadt kommen, wie beim ersten Mal.
als statt wie
Wenn Little Bill nur wußte, daß ein unbekannter Reiter gekommen war
mal schreibst du dass/wusste, mal wieder daß/wußte, eine Entscheidung für alte oder neue RS wäre gut
dass es mir die Lungen zerreissen würde
zerreißen (in alter und neuer RS)
Der am Tresen war Little Bill, ich ließ den Arm mit dem Colt hochkommen und hätte schon beinahe abgedrückt, den sicheren Schuss in den Rücken, als ich meinen Irrtum erkannte.
Entweder er war es oder er war es nicht, dann schien er es erst nur zu sein. So ist es reine Leserverarsche.
Sterben ist nichts Schönes.Vor allem für Kinder.“
fehlendes Leeerzeichen
Mitten in der Treppe
in?
bis ich in einem Zimmer die Geräusche schlafender hörte.
Schlafender
Als kleiner Junge hatte ich mich einmal heimlich ins Zimmer meiner Mutter gewesen
"gewesen" und "hatte" gehört nicht zusammen.
wie damals als zehnjähriger.
Zehnjähriger
der Suche nach ein bißchen Kleingeld.
einem bisschen Kleingeld
Als wir dann aber in meinem Zimmer saßen, ein dampfender Teller vor mir, aus dem wir gemeinsam aßen, und ein bißchen mehr Schnaps aus der Flasche verschwunden war,
Bezugsfehler, so war der Teller auch verschwunden.
Es war gut so. Ich muss wachbleiben bis sie kommen
dann: Es ist gut so.
ein paar Schritte die Tod auf mich zukommt
der Tod

Lieben Gruß, sim

 

hi sim,
schön dass du trotz aller unzulänglichkeiten meines textes in deiner kritik so objektiv und konstruktiv geblieben bist. Unglaublich was man in den eigenen texten so übersieht
lg
ekmek

 

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