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Glöckchen

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25.02.2022
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Glöckchen

Ich sitze am Esstisch. Es riecht nach Staubzucker und Vanille. Wie jedes Jahr backt sie die ersten Kekse Ende September. „Im Dezember haben die Leute meistens schon genug davon“, sagt sie, wenn jemand danach fragt.
Mein Lächeln verblasst. Multiples Organversagen, denke ich. Ich kann sie nicht ansehen. Heute Nacht habe ich geträumt, dass Oma wirklich gestorben ist. Es war ein langer Traum, der sich über Wochen hinweggezogen hat. Vor mir das Bild, wie wir auf den Sarg hinuntersehen. Die ganze Familie ist da, nach und nach schütten sie Erde in das Grab. Oma ist nicht wieder aufgewacht.
Ich schüttle den Gedanken ab und ermahne mich, die Zeit zu genießen. „Wie gehts Inge?“, frage ich beiläufig. „Wollen wir rüber gehen?“
„Das ist eine gute Idee!“ Oma strahlt. „Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.“ Als Oma aufsteht, fällt mir auf, dass sie viel trittfester ist, seit sie aus dem Krankenhaus zurück ist. Sie tastet sich durch die Küche und erst, als sie keinen Halt mehr findet und mit zittrigen Händen nach mir greift, eile ich zu ihr. Sie hakt sich bei mir ein und blickt sich um. „Wo ist mein Rollator?“
Irgendwo in meinem Unterbewusstsein meldet sich eine Stimme: Onkel hat Rollstuhl und Rollator hergeschenkt. Er denkt sicher noch immer, dass Oma tot ist. Ich schüttle den Kopf, als mir klar wird, wie irrational der Gedanke ist. Natürlich hat ihm Papa schon gesagt, dass Oma lebt. Wobei Onkel auch lange im Ausland war ...
Während ich mit Oma nach draußen gehe, ziehe ich mein Handy aus der Jackentasche und wähle seine Nummer. Omas Finger fühlen sich warm an. Natürlich lebt sie, denke ich. Wir sprechen nur nicht darüber, weil es traumatisch war. Immerhin haben wir sie beerdigt.

„Leute kommen nicht einfach so zurück“, hat Helga gesagt, die alte Babysitterin meines Vaters. Mir kommt es vor, als würde sie vor mir stehen. Die Gegenwart verschwimmt. Erinnerungen formen sich. Sie kommen mir ganz neu vor, aber das ist dumm, Erinnerungen entstehen doch nicht einfach so in dem Moment, indem man sich an sie erinnert. Sicher habe ich nur vergessen, dass sie bei Oma wohnt. Als die Beerdigung war, hat sie es nicht geschafft von England nach Österreich zu fliegen - daran erinnere ich mich noch. Danach hat sie den Flug gebucht, um der Familie Trost zu spenden und darum ist sie jetzt da und darum konnte ich sie auch im Gästezimmer besuchen. Aber das habe ich nur einmal gemacht.
„Leute kommen nicht einfach so zurück, wie stellst du dir das vor?“, hat sie gesagt. „Ihr habt deine Oma beerdigt, sie war drei Tage in der Erde und davor war ihr Zustand schon kritisch. Wie kommst du darauf, dass sie das überleben könnte?“
„Ich war nicht dabei“, habe ich gesagt, ohne ihr in die Augen zu sehen.
„Juli.“ Helga hat mich an den Schultern gepackt. „Es war im Juli, nicht wahr? Jetzt ist es Ende September. Wie lange war deine Oma tot?“
„Lass mich los!“, habe ich geschrien und dann hab ich Helgas Hände von meinen Schultern gewischt und bin aufgestanden. „Frag doch Papa, wenn du’s genau wissen willst! Er war dabei und er hat sich um alles gekümmert. Ich hab doch keine Ahnung, ich bin einfach nur froh!“
„Wie haben sie entdeckt, dass sie noch lebt?“
Helga wollte nicht aufhören, diese unbequemen Fragen zu stellen, also bin ich zur Tür gelaufen, aber einen Moment habe ich im Rahmen ausgeharrt. „Da gibt’s doch diese Glöckchen ...“, habe ich gemurmelt. „Die kann man läuten, wenn man lebendig begraben wird.“ Danach bin ich aus dem Zimmer gerannt, weil ich Angst vor ihrer Antwort hatte. Ich wollte Oma nicht mit anderen Augen sehen, sondern einfach froh sein, dass sie da ist.

Vor der Garage bleiben Oma und ich stehen. Sie dreht sich um und lächelt. „Das Auto hab ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Ich folge ihrem Blick, entdecke den alten, silbernen Golf. Der ist doch schon vor Jahren eingegangen, denke ich.
„In der Garage steht auch kein Rollator mehr?“, fragt Oma.
Ich blicke auf mein Handy. Es liegt noch immer in meiner Hand. Stimmt ja, denke ich, als ich den Namen meines Onkels auf dem Display sehe. Ich wollte ihn anrufen und nach dem Rollator fragen, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht sicher sagen, ob ich schon gewählt habe oder nicht. Als ich ihn anrufen will, kommt mein Vater durch die Einfahrt. Vor sich schiebt er einen Rollator her und neben ihm geht eine meiner Kindheitsfreundinnen, die ich schon seit Jahren nicht gesehen habe.
„Woher wusstest du...?“, fange ich an, doch mein Vater lächelt verschmitzt und schiebt den Rollator so vor Oma, dass sie sich leicht daran festhalten kann.
„Na, da wunderst du dich, was? Ich weiß eben alles“, sagt er und zwinkert, bevor er Oma ansieht. „Bist du auf dem Weg zur Frau Nachbarin?“
Oma lacht und kneift ihm in die Wange. „Nachdem ich so lange keinen Piccolo mehr getrunken habe und jetzt darf ich ja wieder.“
„Aber nicht zu viel“, mahnt mein Vater halbernst, bevor er Oma einen dicken Kuss auf die Stirn drückt und mir seine Hand über die Schulter legt. „Gehen wir ein Stück?“
Ich nicke. Irgendetwas irritiert mich. Ich lasse mich von meinem Vater mitziehen, sehe noch einmal zurück zu Oma, wie sie über die Straße zu Inge geht, die von ihrer Terrasse aus fröhlich winkt. Mir kommt es so vor, als wäre da noch etwas gewesen, aber das Bild will sich nicht zusammenfügen und darum lasse ich mich widerstandslos von Papa mitziehen.
Gemeinsam gehen wir ums Haus und als wir die Ecke erreichen, erwarte ich, die alte Weinpresse zu sehen, aber stattdessen steht dort ein Wachturm. „Was ist ...“
„Den hat dein Opa gebaut, bevor er ins Altersheim kam“, sagt Papa und er kneift die Augen zusammen. „Erinnerst du dich nicht mehr?“
„Doch natürlich“, murmle ich, dabei habe ich keine Ahnung, wovon er spricht.
„Pass auf beim Raufsteigen, der Turm ist alt.“
Gemeinsam steigen wir die morschen Holzbretter hinauf. Ich halte mich am Geländer fest und blicke nach unten. Mir wird schwindlig, als mir auffällt, wie hoch wir schon sind. „Wie...“
„Ja, dein Opa wusste halt, wie man Türme baut“, sagt Papa und lacht. „Man merkt gar nicht, wie weit man raufsteigt, erst wenn man oben ist, kommt der Schwindel.“
„Sag Papa...“, fange ich an. Ich halte mich vom Geländer fern, mir kommt vor, dass der Turm hin und her schwankt. Ich bin mir fast sicher, dass er jeden Moment einbrechen wird. Mein Vater scheint das nicht zu bemerken, er steht nur lächelnd vor mir.
„Du bist so blass, alles gut?“
Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß nicht“, sage ich und setze mich auf einen Stuhl. Nur am Rande fällt mir die schöne Sitzgarnitur auf, der polierte Glastisch, die flecklosen Sitzpolster, die aussehen, als wären sie gerade erst frisch gewaschen worden. „Sag Papa, wie lange war Oma begraben?“
„Drei Tage“, sagt er und sein Blick verändert sich. Sein Grinsen ist nicht länger amüsiert, eher mitleidig, so als hätte ich ihm einen schlechten Witz erzählt.
„Und wie lange dachten die Ärzte davor schon, dass sie tot ist?“
„Wieso fragst du das alles?“
„Naja...“, ich wage kaum, es auszusprechen. Der Turm wackelt, die morschen Holzbretter brechen nach und nach aus dem Boden und fallen in die Tiefe. „Papa... Oma war doch schon eine Woche tot, bevor wir sie beerdigt haben, oder nicht?“
Papa lächelt. Die Bretter unter seinen Füßen verschwinden. Ich spüre die Tränen über meine Wangen laufen, aber ich empfinde nichts, als sie auf meine gefalteten Hände tropfen. Der Glastisch ist nicht poliert. Die Sitzkissen sind nicht gewaschen, sondern verstaubt und alt. Oma backt keine Kekse in der Küche. Die Nachbarin sitzt alleine auf ihrer Terrasse und trinkt einen Piccolo zum Andenken.
„Du weißt ja ...“, sagt Papa. „... die geben den Verstorbenen ein Glöckchen mit, damit sie läuten können.“
„Ja“, flüstere ich. „Gut, dass Oma ein Glöckchen hatte.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Salü @Luzifermortus

SKs Friedhof der Kuscheltiere kam mir spontan in den Sinn, obwohl die Oma ja nicht umgebettet wurde.;)

Ich musste die Geschichte mehrfach lesen, da ich beim ersten Mal stets hin- und herschwankte zwischen – Oma tot? – Nein, Oma lebt. Oder doch nicht?
Auch verwirrte mich die Aussage von Helga, ihr Zustand wäre vorher ja auch schon schlecht gewesen, obwohl sie ja bereits eine Woche tot war bis zur Beerdigung, die im Juli stattfand, und nun ist September. Wann läutete Oma das Glöckchen?

Faziz: Ich mag die Idee, finde aber noch keinen richtigen Zugang zu den Empfindungen deiner Protagonistin, was ist real, was ev. nur geträumt, zum Beispiel die Szene auf dem ihr unbekannten Wachturm, der sich auflöst und Enkel ins hier und jetzt zurückversetzen lässt.

Etwas Textkram:

und wähle seine Nommer.
Nummer

Omas Finger fühlen sich warm an meinem Oberarm an.
Kann weg.

Als ich an sie denke, kommt es mir so vor, als würde sie vor mir sehen.
stehen

„Woher wusstest du-...?“, fange ich an, doch mein Vater lächelt verschmitzt und schiebt den Rollator so vor Oma, dass sie sich leicht daran anhalten kann.
du ...?“,
festhalten

„Nachdem ich so lange kein Piccolo mehr getrunken habe und jetzt darf ich ja endlich wieder Alkohol trinken.
WW. Vlt. einfach mit " ... und jetzt darf ich ja wieder." aufhören.

„Pass auf(,) beim rauf steigen, Dinge halten nicht ewig.“
Erstes Komma weg.
Raufsteigen

Mir wird schwindlig, als mir auffällt, wie hoch wir oben sind.
ev. mit 'schon' ersetzen?
Oder: ... wie hoch oben wir sind.

„Ja, dein Opa wusste halt, wie man Türme baut“, sagt Papa und lacht. „Man merkt gar nicht, wie weit man rauf steigt, erst wenn man oben ist, kommt der Schwindel.“
Hier kapier ich die Aussage nicht.
Hatte Opa den Aufstieg so eingeschalt/vermacht, dass man beim Aufstieg nicht hinaus sieht?

dass der Turm hin und her schwenkt.
Schwenken würde eher ein Ausleger,
schwankt

Ich spüre die Tränen über meine Wangen laufen, aber ich empfinde nichts, als sie auf meine auf meinem Schoß gefalteten Hände fallen

Ich kann noch nicht sagen, ob mir die Geschichte gefällt, irgendwie scheinen alle Protagonisten aus der Zeit gefallen zu sein, ausser Helga, die bodenständige Nanny, die hat den Durchblick. :D

Ich hoffe, du kannst mit meinem leicht verwirrten Kommentar was anfangen und vielleicht übersehe ich ja bloss den entscheidenden Hinweis, der mich befriedigt "Ach so ..." sagen lassen würde.

Liebe Grüsse, dotslash

 

Hallo @dotslash!

Vielen Dank für deinen Kommentar :) Die Fehler und Anmerkungen habe ich soweit alle ausgebessert - nur bei dem Wachturm muss ich mir noch einfallen lassen, wie ich das etwas klarer mache. :)

SKs Friedhof der Kuscheltiere kam mir spontan in den Sinn, obwohl die Oma ja nicht umgebettet wurde.;) Ich musste die Geschichte mehrfach lesen, da ich beim ersten Mal stets hin- und herschwankte zwischen – Oma tot? – Nein, Oma lebt. Oder doch nicht?
Auch verwirrte mich die Aussage von Helga, ihr Zustand wäre vorher ja auch schon schlecht gewesen, obwohl sie ja bereits eine Woche tot war bis zur Beerdigung, die im Juli stattfand, und nun ist September. Wann läutete Oma das Glöckchen?
Friedhof der Kuscheltiere ist interessant - daran hab ich gar nicht gedacht, aber ich verstehe schon, wie du auf den Gedanken kommst. :) Im Grunde war die Idee dahinter, dass diese ganze Sequenz ein Traum ist. Also die Oma ist tot und die Protagonistin träumt jetzt grade. Helga soll quasi der bewusste Teil der Protagonistin sein, der ihr die Fakten vor Augen führen will, aber davor verschließt sich die Protagonistin. Das Glöckchen war nur als Teil des Traumes gedacht, mit dem die Protagonistin sich selbst glauben macht, dass die Oma so eben aus dem Grab geholt wurde, während Helga ihr halt sagt: Ne, denk mal nach, die Beerdigung war doch schon im Juli und jetzt haben wir September. Aber das muss ich auf jeden Fall noch besser raus arbeiten. :)

Ich mag die Idee, finde aber noch keinen richtigen Zugang zu den Empfindungen deiner Protagonistin, was ist real, was ev. nur geträumt, zum Beispiel die Szene auf dem ihr unbekannten Wachturm, der sich auflöst und Enkel ins hier und jetzt zurückversetzen lässt.
Ja, da war der Gedanke eben, das nichts davon real ist. Der Wachturm soll die Psyche der Protagonistin in diesem Traum darstellen. Je näher sie der Auflösung kommt, dass die Oma tot ist, desto mehr wackelt der Turm. Je höher sie rauf steigt und je länger sie neben ihrem Vater hergeht und ihn mit fragen durchlöchert, desto mehr droht das Gebilde einzustürzen (- ich hab mich mehr auf das Bild verlassen und darum auch nicht wirklich darüber nachgedacht, wieso man von dem Turm nicht hinunter sieht, das ist eine ungewollte Irreführung, die Stelle muss ich auf jeden Fall auch noch überarbeiten.) :)

Ich kann noch nicht sagen, ob mir die Geschichte gefällt, irgendwie scheinen alle Protagonisten aus der Zeit gefallen zu sein, ausser Helga, die bodenständige Nanny, die hat den Durchblick. :D Ich hoffe, du kannst mit meinem leicht verwirrten Kommentar was anfangen und vielleicht übersehe ich ja bloss den entscheidenden Hinweis, der mich befriedigt "Ach so ..." sagen lassen würde.
Ja, sie wirken aus der Zeit gefallen, weil sie aus der Zeit gefallen sind - außer Helga, die das Bewusstsein widerspiegeln soll, also die versucht, Ordnung herein zu bringen. Aber ja, ich kann mit deinem Kommentar auf jeden Fall etwas anfangen, weil er mir auch zeigt, wo ich noch schrauben muss. :D

Vielen Dank für deine Zeit. :)

LG Luzifermortus

 

Pass auf beim rauf steigen

Hallo @Luzifermortus

Zuerst möchte ich Dir sagen, dass ich finde, Du schreibst schön. Das habe bereits bei Deiner letzten Geschichte gedacht (die mit dem Engel).

Mein Lächeln verblasst. Multiples Organversagen, denke ich. Ich kann sie nicht ansehen. Der Traum ist endgültig gewesen. Wir haben sie begraben und sie ist nicht wieder aufgewacht. Ich schüttle den Gedanken ab und ermahne mich, die Zeit zu genießen.
Zuerst ein schöner Einstieg mit der Oma, die backt, es riecht nach Vanille, wirkt irgendwie gemütlich. Und dann der Abschnitt, mit dem multiplen Organversagen. Da war mir eigentlich klar, dass die Oma tot ist. Danach wurde es ein wenig unklar, träumt die Protagonistin, halluziniert sie, hat sie einen Tagtraum?
Du schreibst, es ist eine Traumsequenz. Also lese ich richtig: die Oma ist gestorben und der Traum ein Teil des Trauerprozesses? Die Realität des Todes findet den Weg ins Bewusstsein.

Das Bild des Turmes, den der Opa gebaut hat und der Einstürzen muss, damit sie den Weg zurück in die Realität findet, gefällt mir sehr gut.

Die Vorstellung des Lebendig begraben Werdens, finde ich extrem gruselig. Stimmt das mit den Glöckchen? Das gibt es bei uns nicht, so viel ich weiss.

Sie tastet sich durch die Küche und erst als sie keinen Halt mehr findet und mit zittrigen Händen nach mir greift, eile ich zu ihr.
Sehr schön beschrieben
Wer oder was auch immer sie jetzt war.
braucht es diesen Satz? Bei wer oder was habe ich an Zombies gedacht....
rauf steigen
zusammen geschrieben und gross, oder?
sage ich und setzte mich auf einen Stuhl
...und setze mich....

Insgesamt habe ich Deine Geschichte gerne gelesen.

Viele Grüsse
Aida Selina

 

Hallo @Luzifermortus,

es ist schwierig, genau zu beschreiben, wie ich diese Geschichte finde. Irgendwie ist sie traurig, aber auch beruhigend.
Das Glöckchen am Grab ist eher ein Motiv, das mich ans 19. Jahrhundert erinnert. Damals gab es tatsächlich noch Leute, die versehentlich lebendig begraben wurden. Mir fällt jetzt kein konkretes Beispiel aus der Literatur ein, aber es gibt es sicher genug Geschichten, in denen das vorkommt.
Weil ich den Eindruck habe, dass deine Geschichte in der Gegenwart spielt, hat mich das etwas irritiert. Aber es ist ja kein Problem, man kann durchaus an altmodischen Themen interessiert sein. Nur fehlt mir die Begründung irgendwie.

Wenn die Auflösung einer Geschichte ist, dass alles nur ein Traum war, wird das oft kritisiert. Aber hier machst du es richtig. Die ständigen Ungereimtheiten, die man einfach so akzeptiert, die Erinnerungen an Dinge, die so gar nicht stimmen oder nicht mehr aktuell sind und die verstärkte Wahrnehmung von Emotionen sind alles typische Merkmale eines Traumes. Ich schreibe selbst jeden Tag meine Träume nach dem Aufwachen auf und fand das sehr überzeugend.
Es ist interessant zu lesen, wie sich die Verarbeitung eines verstorbenen Familienmitglieds äußern kann. Mir fallen dazu auch meine Träume zu meiner verstorbenen Oma ein, ich sehe die Parallelen und die Unterschiede. Die Art und Weise, wie man den Verlust verarbeitet.

Der Traum ist endgültig gewesen. Wir haben sie begraben und sie ist nicht wieder aufgewacht.
Was ist an dieser Stelle mit Traum gemeint? Bestimmt nicht der Traum, der gerade stattfindet, oder? Vielleicht meinst du Traum im Sinne von Wunsch, das würde ich dann anders formulieren.
Außerdem: Warum wir? Macht das nicht die Friedhofsverwaltung? Sollte da nicht stehen: Wir haben sie begraben lassen oder Sie wurde begraben und ist nicht wieder aufgewacht
"Wie gehts Inge?", frage ich beiläufig. Oma backt nicht. „Wollen wir rüber gehen?“
"Das ist eine gute Idee!" Oma strahlt. "Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, dabei wohnen wir Haustür an Haustür."
Du wechselst hier zwischen den Anführungszeichen "" und „“
„Ich war nicht dabei“, habe ich gesagt, ohne ihr in die Augen zu sehen.
„Juli." Helga hat mich an den Schultern gepackt. „Es war im Juli, nicht wahr? Jetzt ist es Ende September. Wie lange war deine Oma tot?"
Wenn ich das richtig verstehe, hat dieses Gespräch in der Realität nicht wirklich stattgefunden. Es ist eine falsche Erinnerung, wie es sie in Träumen oft gibt. Also gibt es das Glöckchen auch nicht, vielleicht steht es nur in irgendeinem Buch und hat sich so ins Unterbewusstsein eingeschlichen?
„Pass auf beim rauf steigen, Dinge halten nicht ewig.“
Ich will nicht überkritisch sein, aber das wirklich ein Wink mit dem Zaunpfahl.
„Sag Papa...“
„Sag Papa... wie lange war Oma begraben?“
Komma nach Sag

Danke für die Geschichte. Sie wird mich bestimmt noch eine Weile beschäftigen.

Viele Grüße
Michael

 
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Hallo @Aida Selina!

Vielen Dank für deinen Kommentar und auch für die Blumen bezüglich meines Schreibstils. Ich habe da ja noch immer das Gefühl, dass ich "recht planlos durch die Gegend laufe" und mehr anecke als sonst was. Darum freue ich mich ganz besonders, dass du es schön findest wie ich schreibe. :)

Und dann der Abschnitt, mit dem multiplen Organversagen. Da war mir eigentlich klar, dass die Oma tot ist. Danach wurde es ein wenig unklar, träumt die Protagonistin, halluziniert sie, hat sie einen Tagtraum?
Genau, das mit dem Organversagen sollte der erste Hinweis darauf sein, dass Oma tot ist und dass das ein Traum ist. Ich überlege noch, wie ich das am Anfang (oder überhaupt in der Geschichte) noch ein wenig klarer machen kann, ohne dass ich dem Leser ein Schild vor die Nase halte - das ist eines meiner großen Probleme beim Schreiben, entweder ich verrate viel zu wenig oder viel zu viel. Die gesunde Mischung gibt's noch nicht. :aua:

Die Vorstellung des Lebendig begraben Werdens, finde ich extrem gruselig. Stimmt das mit den Glöckchen? Das gibt es bei uns nicht, so viel ich weiss.
Also soweit ich weiß macht man das heute nicht mehr - das Motiv mit dem Glöckchen habe ich deshalb ausgewählt, mit dem Gedanken, dass die Protagonistin der Geschichte das irgendwo aufgeschnappt hat und im Unterbewusstsein kommt das Motiv dann hoch und sie erklärt sich so, dass die Oma nach der Beerdigung wieder ausgegraben werden konnte. Aber wie gesagt, soweit ich weiß, verwendet man das heute nicht mehr und das war auch in dem Text als eine "Unstimmigkeit" gedacht, die dem Leser auffallen kann, aber nicht unbedingt auffallen muss. Ich weiß selbst nicht mehr, wo ich das aufgeschnappt habe - hab während meiner Matura-Zeit sehr viele Dokus angeschaut (quasi alles geschaut, was mich irgendwie vom Lernen abgehalten hat und da hab ich wohl auch eine darüber gesehen. :)) Ich zitiere dir nur mal eine kleine Stelle - die ich selbst grade nur aus Wikipedia herausgegraben habe, heraus:

Taphephobie (das ist die Angst als Scheintoter lebendig begraben zu werden): "Einige technische Hilfsmittel wurden erdacht, um dieser Situation zu entkommen, etwa eine Schnur, mit der der eventuell Scheintote eine Glocke am Grab auslösen oder eine Signalfahne entfalten konnte. Sogar Särge mit einem Sauerstoffvorrat sind konstruiert worden."

Aber wie gesagt, ich glaube nicht, dass das heute noch irgendwo gemacht wird.

braucht es diesen Satz? Bei wer oder was habe ich an Zombies gedacht....
Hast recht, der Satz ist nur unnötig verwirrend, hab ihn gestrichen. :) Und danke auch für deine anderen Anmerkungen, hab alles ausgebessert. :)

LG Luzifermortus




Hallo @Michael Weikerstorfer!

Danke auch dir für deinen Kommentar :)

Das Glöckchen am Grab ist eher ein Motiv, das mich ans 19. Jahrhundert erinnert. Damals gab es tatsächlich noch Leute, die versehentlich lebendig begraben wurden. Mir fällt jetzt kein konkretes Beispiel aus der Literatur ein, aber es gibt es sicher genug Geschichten, in denen das vorkommt.
Weil ich den Eindruck habe, dass deine Geschichte in der Gegenwart spielt, hat mich das etwas irritiert. Aber es ist ja kein Problem, man kann durchaus an altmodischen Themen interessiert sein. Nur fehlt mir die Begründung irgendwie.
Wenn ich das richtig verstehe, hat dieses Gespräch in der Realität nicht wirklich stattgefunden. Es ist eine falsche Erinnerung, wie es sie in Träumen oft gibt. Also gibt es das Glöckchen auch nicht, vielleicht steht es nur in irgendeinem Buch und hat sich so ins Unterbewusstsein eingeschlichen?

Ja, da hast du recht - das Motiv der Glöckchen war wirklich so gedacht, dass es sich der Protagonistin irgendwo im Unterbewusstsein eingebrannt hat. Also sie hat's irgendwo mal aufgeschnappt und weil sie weiß, dass die Oma wirklich beerdigt worden ist, verbindet sich dieses "Wissen" um die Glöckchen mit dem Wiederdasein der Oma im Traum - obwohl die Geschichte in unserer Zeit sind und die Glöckchen heute eigentlich keine Verwendung mehr finden. Und ja, weil ich grade für meine Antwort an @Aida Selina Wikipedia durchforstet habe - die Glöckchen sind ein Motiv aus dem 19. Jahrhundert, was damals auch gerne in der Literatur verwendet wurde. :)
Und ja, auch das Gespräch mit Helga hat nicht wirklich stattgefunden, jede gezeigte Szene ist eine Traumszene, nur die Erinnerung an den Tod der Oma ist real. Aber da muss ic hglaub ich auch noch bei der Helga Szene noch ein wenig nachbessern. Vielleicht hilft es, wenn ich auch die Szene in der Gegenwart schreibe, aber ich dachte, dass der Leser von dem plötzlichen Wechsel (wenn ich es halt wirklich wie bei einer Traumsequenz schreibe, wo man auf einmal an einem anderen Ort ist) zu verwirrt ist.

Wenn die Auflösung einer Geschichte ist, dass alles nur ein Traum war, wird das oft kritisiert. Aber hier machst du es richtig. Die ständigen Ungereimtheiten, die man einfach so akzeptiert, die Erinnerungen an Dinge, die so gar nicht stimmen oder nicht mehr aktuell sind und die verstärkte Wahrnehmung von Emotionen sind alles typische Merkmale eines Traumes. Ich schreibe selbst jeden Tag meine Träume nach dem Aufwachen auf und fand das sehr überzeugend.
Das ist ein großes Lob, danke! Ich hab mit dem Text ja schon eine Zeit lang gekämpft - teilweise war er dann wieder zu real, dann zu abstrakt. Es freut mich daher sehr, dass der Text in dieser Traumform dich überzeugen konnte. :D

Was ist an dieser Stelle mit Traum gemeint? Bestimmt nicht der Traum, der gerade stattfindet, oder? Vielleicht meinst du Traum im Sinne von Wunsch, das würde ich dann anders formulieren.
Außerdem: Warum wir? Macht das nicht die Friedhofsverwaltung? Sollte da nicht stehen: Wir haben sie begraben lassen oder Sie wurde begraben und ist nicht wieder aufgewacht
Ja, das hab ich nicht ausführlich genug geschrieben, gemeint war, dass die Protagonistin geglaubt hat aus einem Traum zu erwachen, in dem die Oma gestorben ist und das mit dem "Wir haben sie begraben" sollte für das Bild der Familie am Friedhof stehen - aber ich hab das jetzt umgeändert:
"Heute Nacht habe ich geträumt, dass Oma wirklich gestorben ist. Es war ein langer Traum, der sich über Wochen hinweggezogen hat. Vor mir sehe ich das Bild, wie wir auf den Sarg hinuntersehen. Die ganze Familie ist da, nach und nach schütten sie Erde in das Grab. Oma ist nicht wieder aufgewacht."
Ganz zufrieden bin ich noch nicht, da werde ich die nächsten Tage sicher noch einmal drüber gehen, aber ich glaube jetzt ist es verständlicher, was damit gemeint war. :)

Du wechselst hier zwischen den Anführungszeichen "" und „“
Oh ... das muss ich dann ausbessern. Das passiert, wenn ich direkte Reden gleich hier auf Wortkrieger nachbessere. Das vereinheitliche ich dann gleich :)

„Pass auf beim rauf steigen, Dinge halten nicht ewig.“
Ich will nicht überkritisch sein, aber das wirklich ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Ich musste echt grinsen, als ich das gelesen habe - weil als ich den Satz geschrieben hatte, dacht ich mir noch, dass das ausgefuchst ist - werde ich auf jeden Fall noch umformulieren oder ganz weglassen - derweil lass ich es noch stehen, weil mir "Pass auf beim raufsteigen" alleine nicht gefällt. Aber hab ich mir gemerkt, ich pack den Zaunpfahl auf jeden Fall wieder ein. :rotfl:

Danke für die Geschichte. Sie wird mich bestimmt noch eine Weile beschäftigen.
Vielen Dank, ich hoffe die Geschichte wird dich eher im Positiven als im Negativen beschäftigen. Aber du hast ja auch geschrieben, dass du sie nicht nur traurig, sondern auch beruhigend findest. :schiel:

Vielen Dank noch einmal für deinen Kommentar :D

LG Luzifermortus

 

Hallo @Luzifermortus,

danke für diese verwunschene Traumgeschichte. Es ist mir nicht schwer gefallen , mich darein zu finden und sie als Traum zu deuten, liegt aber auch daran, dass ich über eine längere Zeit selbst mit Träumen zu tun hatte, in denen das Unterbewusstsein sich mit der Frage befasst, ob ein nahestehender Mensch noch am Leben ist oder nicht.

Aber wenn du jetzt nicht ganz speziell nur für Placidusse schreiben willst, ist es vielleicht hilfreich, den Traum schon vorher einzuführen, etwa, indem schon die erste Szene mit den Weihnachtsplätzchen einen Fehler aufweist, den der Erzähler/die Erzählerin bemerkt und nicht zuordnen kann.

Ich habe mich auch gefragt, wie alt der/die Prota ist. Ist nicht wesentlich, reine Neugier. Ich gäbe ihr ein jüngeres Teenageralter, z.B. 13. Was denkt die Autorschaft?

Ein bisschen Kleinkram:

„Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, dabei wohnen wir Haustür an Haustür.“
Ist Geschmackssache, aber wenn Prot. sagt: gehen wir rüber? brauche ich Haustür an Haustür nicht, klingt für mich nach unnötiger Erklärung à la: sollen wir zu DEINER NACHBARIN rübergehen? Ja klar, die wohnt ja NEBENAN.:D
Sie tastet sich durch die Küche und erst als sie keinen Halt mehr findet und mit zittrigen Händen nach mir greift, eile ich zu ihr.
m.E. erst KOMMA als sie keinen Halt findet...
Onkel hat Rollstuhl und den Rollator hergeschenkt.
Das passt so, aber wenn du dem Onkel einen Namen gibst, hast du's hinten im Text etwas leichter, wie z.B.:
Wobei er auch lange im Ausland war ...
Vermutlich der Onkel, nicht der Vater?
von meinem Vater
Fände "meines Vaters" ein bisschen eleganter.
Ich wollte Oma nicht mit anderen Augen sehen, sondern einfach froh sein, dass sie da ist.
Ich habe das mit anderen Augen sehen nicht ganz verstanden. Hat sie Angst, dass sich die Oma vor ihren Augen in eine Leiche verwandelt?
Kindheitsfreundin
Keine große Sache, aber einen Moment habe ich mich doch gefragt: wessen Kindheitsfreundin. Aber kann auch so stehen bleiben, als etwas Merkwürdiges, dass dem Erzähler bzw. der Erzählerin auch nicht ganz bewusst ist.
kein Piccolo

m.E. ist es der Piccolo, also einen Piccolo trinken (kommt zweimal vor)

Danke für den Text,
LG
Placidus

 

Hallo @Placidus!

Danke dir für deinen Kommentar. :)

Aber wenn du jetzt nicht ganz speziell nur für Placidusse schreiben willst, ist es vielleicht hilfreich, den Traum schon vorher einzuführen, etwa, indem schon die erste Szene mit den Weihnachtsplätzchen einen Fehler aufweist, den der Erzähler/die Erzählerin bemerkt und nicht zuordnen kann.
Hier hast du mich zum Schmunzeln gebracht. Die Idee mit einem Fehler bei den Weihnachtsplätzchen finde ich gut - jetzt muss ich dann nur noch darauf achten, dass ich nicht mit dem Zaunpfahl winke. Aber das hilft mir schon viel, danke. :)

Ich habe mich auch gefragt, wie alt der/die Prota ist. Ist nicht wesentlich, reine Neugier. Ich gäbe ihr ein jüngeres Teenageralter, z.B. 13. Was denkt die Autorschaft?
Ja, ich hab mir ehrlich gesagt nicht wirklich viele Gedanken darum gedacht, wie alt der/die Prota ist - weil ich auch glaube, dass man so einem Traum in jedem Alter haben kann, aber gerade bei den Gesprächen mit dem Vater hatte ich auch eher eine jüngere Protagonistin im Kopf, das dürfte also recht gut hinkommen. :)

Ein bisschen Kleinkram:
„Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen, dabei wohnen wir Haustür an Haustür.“
Ist Geschmackssache, aber wenn Prot. sagt: gehen wir rüber? brauche ich Haustür an Haustür nicht, klingt für mich nach unnötiger Erklärung à la: sollen wir zu DEINER NACHBARIN rübergehen? Ja klar, die wohnt ja NEBENAN.:D
Da hast du vollkommen recht. Hab ich ausgebessert. :)

Das passt so, aber wenn du dem Onkel einen Namen gibst, hast du's hinten im Text etwas leichter, wie z.B.:
Wobei er auch lange im Ausland war ...
Vermutlich der Onkel, nicht der Vater?
Hier habe ich einfach noch einmal "Onkel" geschrieben, ich wollt jetzt nicht extra noch einen Namen einfügen für die paar Erwähnungen, aber danke für die Anmerkung, ich hab da dann tatsächlich noch mal nachlesen müssen, weil ich gar nicht mehr im Kopf hatte, dass ich oben auch schon den Vater erwähnt hatte. xD

Fände "meines Vaters" ein bisschen eleganter.
Danke, habe ich auch ausgebessert. :)

Ich habe das mit anderen Augen sehen nicht ganz verstanden. Hat sie Angst, dass sich die Oma vor ihren Augen in eine Leiche verwandelt?
Ja, da hat ich tatsächlich das Bild im Kopf während dem Schreiben bzw. ich hatte anfangs sogar eine andere Szene stehen. Nach dem Gespräch mit Helga sollte die Hauptfigur einen kurzen Moment lang sehen, wie Oma das Gesicht quasi von den Knochen "rinnt" und Maden, die sich durch ihr Fleisch fressen - aber das habe ich dann weggelassen, weil es zum einen nicht zur Stimmung passte und zum anderen den Traum in eine ganz andere Richtung gelenkt hätte. Aber ja, der Satz soll diese Angst ausdrücken, wenn er aber eher stört, werde ich ihn noch weglöschen. Ich werde mir das die Tage noch durch den Kopf gehen lassen. :)

Keine große Sache, aber einen Moment habe ich mich doch gefragt: wessen Kindheitsfreundin. Aber kann auch so stehen bleiben, als etwas Merkwürdiges, dass dem Erzähler bzw. der Erzählerin auch nicht ganz bewusst ist.
Das hab ich jetzt auch mal "provisorisch" ausgebessert. Also dass es eine Kindheitsfreundin von der Hauptfigur ist, die dient aber quasi nur dazu, dass man sich hier als Leser auch noch fragt: Häeh, wieso ist die jetzt da, wieso kommt die nicht mehr vor, was soll das - so ein bisschen wie es im Traum oft ist, dass Personen kurz auftauchen und dann auf einmal wieder weg sind.

m.E. ist es der Piccolo, also einen Piccolo trinken (kommt zweimal vor)
Hab ich auch ausgebessert :) Vielen Dank für die ganzen Anmerkungen! Ich werde die nächsten Tage auch versuchen, den Text soweit umzugestalten, dass er nicht nur von Placidussen (<- made my day :lol:) verstanden werden kann.

LG Luzifermortus

 

Moin @Luzifermortus,

danke für Deine Geschichte.
Habe sie gerne gelesen und ich schließe mich @Michael Weikerstorfer an, ich fand das gut gemacht, mit dem langsam schleichenden Gefühl von: "... Moment mal, hier stimmt doch was nicht. Kann es ein, dass er das alles nur träumt?"

Gerne gehe ich kurz auf Einzelheiten ein:

Sie hackt sich bei mir ein und blickt sich um.
Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, aber ich glaube, es heißt „hakt sich bei mir ein“? :read:

Onkel hat Rollstuhl und Rollator hergeschenkt.
Onkel hat Rollstuhl und Rollator hergeschenkt.
Wobei Onkel auch lange im Ausland war ...
Hier dachte ich mir erst: Hat der Onkel keinen Namen? Im Nachhinein aber vielleicht umso besser, denn "näher" am Wesen eines Traums? Bin mir unsicher.

„Leute kommen nicht einfach so zurück“, hat Helga gesagt, die alte Babysitterin meines Vaters.
Das war so der erste Moment, wo ich stutzig wurde. Häh, dachte ich, da steht jetzt die Babysitterin seines Vaters...? Wie alt soll die sein? Und der Sohn kennt die? Nach dem Lesen ist es mir (fast) schon gleich, denn es ist ein Traum, und da kann schließlich alles und jeder passieren.

Vor der Garage bleiben Oma und ich stehen. Sie dreht sich um und lächelt. „Das Auto hab ich schon lange nicht mehr gesehen.“ Ich folge ihrem Blick, entdecke den alten, silbernen Golf. Der ist doch schon vor Jahren eingegangen, denke ich.
„In der Garage steht auch kein Rollator mehr?“, fragt Oma.
Ich blicke auf mein Handy. Es liegt noch immer in meiner Hand. Stimmt ja, denke ich, als ich den Namen meines Onkels auf dem Display sehe. Ich wollte ihn anrufen und nach dem Rollator fragen, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht sicher sagen, ob ich schon gewählt habe oder nicht. Als ich ihn anrufen will, kommt mein Vater durch die Einfahrt. Vor sich schiebt er einen Rollator her und neben ihm geht eine meiner Kindheitsfreundinnen, die ich schon seit Jahren nicht gesehen habe.
Der Golf und die Tatsache, dass er sich nicht ans wählen erinnern kann, waren für mich ausschlaggebend, dass ich die KG als Traumsequenz verortet hatte.

Im Grunde war die Idee dahinter, dass diese ganze Sequenz ein Traum ist.
Wie oben bereits geschrieben, hast Du mMn gut hinbekommen. Auch, dass die Möbel im Turm einfach da sind und er sich setzen kann. Das war auch so ein nettes Detail.

Gerne gelesen,
beste Grüße
Seth

 

Hallo @Seth Gecko!

Vielen Dank für deinen Kommentar! :D

Ich bin mir nicht zu 100 % sicher, aber ich glaube, es heißt „hakt sich bei mir ein“? :read:
Danke ja, habe ich ausgebessert :)

Hier dachte ich mir erst: Hat der Onkel keinen Namen? Im Nachhinein aber vielleicht umso besser, denn "näher" am Wesen eines Traums? Bin mir unsicher.
Ja, ich habe dem Onkel bewusst keinen Namen gegeben, weil er nur in diesem einen Absatz vorkommt - da hab ich mich an das "benenne keine unwichtigen Figuren"- Prinzip gehalten. Allerdings bist du jetzt schon der zweite, der den Namen des Onkels anspricht, also werde ich mir das noch einmal überlegen. :)

Das war so der erste Moment, wo ich stutzig wurde. Häh, dachte ich, da steht jetzt die Babysitterin seines Vaters...? Wie alt soll die sein? Und der Sohn kennt die? Nach dem Lesen ist es mir (fast) schon gleich, denn es ist ein Traum, und da kann schließlich alles und jeder passieren.
Also ich hatte den Vater so mit 40 im Kopf und die Babysitterin so zwischen 60-65 - aber da hab ich mir jetzt nicht so viele Gedanken darum gemacht. Tatsächlich kenne ich auch die Babysitterin meines Vaters, weil die noch einen recht guten Kontakt zu unserer Familie pflegt, aber klar, das wirkt im ersten Moment, wenn man das so nicht kennt, merkwürdig. ^^"

Der Golf und die Tatsache, dass er sich nicht ans wählen erinnern kann, waren für mich ausschlaggebend, dass ich die KG als Traumsequenz verortet hatte.
Ja, das waren die zwei großen Hinweise (+ die Kindheitsfreundin, die dann verschwindet) :) Es freut mich, dass es bei dir funktioniert hat. Ich schaue jetzt noch, dass ich auch den Anfang noch etwas umbaue, damit man schon früher an der "Realität" zweifeln kann.

Danke nochmal! :)

LG Luzifermortus

 

Ich sitze am Esstisch. Oma hat Weihnachtskekse gebacken. Es riecht nach Staubzucker und Vanille. Ich kann nur lächeln. Jedes Jahr fängt sie Ende September damit an. „Im Dezember haben die Leute meistens schon genug davon“, sagt sie, wenn jemand sie danach fragt.
Hallo,

ich glaube, der Einstieg könnte noch etwas mehr reinziehen, wenn du nicht direkt die Oma erwähnst. Die würde ich maximal im zweiten Absatz erst erwähnen, weil es weniger offenbart, den Text geheimnisvoller macht und du auch keine Erwartungen weckst. Das ist immer schwierig, diesen schmalen Grad einzuhalten, dass man nicht alles im ersten Bild verrät oder eben auch, wenn du nachher abbiegst und die Geschichte einen vollkommen anderen Turn nimmt, als man anfangs vermutet - so weit werden es dann viele Leser gar nicht schaffen, weil sie schon vorher aussteigen. Weil sie sagen, ach, so eine Geschichte wird das, auch wenn sie es nachher nicht wird.

Papa lächelt. Die Bretter unter seinen Füßen verschwinden. Ich spüre die Tränen über meine Wangen laufen, aber ich empfinde nichts, als sie auf meine gefalteten Hände tropfen. Der Glastisch ist nicht poliert. Die Sitzkissen sind nicht gewaschen, sondern verstaubt und alt. Oma backt keine Kekse in der Küche. Die Nachbarin sitzt alleine auf ihrer Terrasse und trinkt einen Piccolo zum Andenken.
Ich finde den Turn mit dem Wachturm mega. Das ist surreal und morbide, und ich würde mir wünschen, dass der Text da eine andere Wendung nimmt, dass sie tatsächlich so etwas wie ein Zombie ist, also die Oma, und der Vater das irgendwie so hingedreht hat, das alles denken, das sei vollkommen normal und natürlich, nur er hinterfragt das irgendwie, und dann tun sich an allen Ecken und Enden die seltsamsten Dinge auf; so ein bisschen wie bei den alten Akte X Folgen, die sind, auch wenn man sie heute sich nochmal ansieht, teilweise hart verstörend, auch weil die Protagonisten eben annehmen, alles sei prinzipiell möglich, Hexen, Ufos, Aliens, man kann sich nie verlassen, auf das, was wir Realität nennen.

Das Ende finde ich schon fast zu versöhnlich, auch weil ich denke, du nimmst hier deinem eigenen Text das Potential. Ist ein wenig verschenkt auch, ich könnte mir hier noch dreißig Seiten mehr vorstellen, wie er langsam eine Art Geheimnis erforscht, das aber alles so im gutbürgerlichen Milieu bleibt, wo keiner von irgendwas weiß, aber eben doch jeder sein schmutziges Wissen irgendwo versteckt und die Fassade wahren will, da steckt herrlich was drin, was auch bitterböse werden kann, so auch aus sozialkritischer Sicht.

Ich finde den Text gut, ich finde, du solltest dich nicht nur auf diese Luzifer-Texte und Dark Fantasy versteifen, sondern ruhig mal öfters dein Talent mäandern lassen. Lohnt sich sicherlich, auch um einen frischen Blick auf das eigene Schaffen zu bekommen.

Gruss, Jimmy

 

Hey @jimmysalaryman.

vielen Dank für deinen Kommentar. :)

ich glaube, der Einstieg könnte noch etwas mehr reinziehen, wenn du nicht direkt die Oma erwähnst. Die würde ich maximal im zweiten Absatz erst erwähnen, weil es weniger offenbart, den Text geheimnisvoller macht und du auch keine Erwartungen weckst.
Mit dem Einstieg hast du vollkommen recht. Die markierten Sätze habe ich gestrichen und es klingt jetzt schon flüssiger, danke. Ganz zufrieden bin ich noch nicht - da werde ich mich in nächster Zeit mal hinsetzen. Anfänge liegen mir nicht - da brauche ich häufig mehrere Anläufe. :aua:

Ich finde den Turn mit dem Wachturm mega. Das ist surreal und morbide, und ich würde mir wünschen, dass der Text da eine andere Wendung nimmt, dass sie tatsächlich so etwas wie ein Zombie ist, also die Oma, und der Vater das irgendwie so hingedreht hat, das alles denken, das sei vollkommen normal und natürlich, nur er hinterfragt das irgendwie, und dann tun sich an allen Ecken und Enden die seltsamsten Dinge auf; so ein bisschen wie bei den alten Akte X Folgen, die sind, auch wenn man sie heute sich nochmal ansieht, teilweise hart verstörend, auch weil die Protagonisten eben annehmen, alles sei prinzipiell möglich, Hexen, Ufos, Aliens, man kann sich nie verlassen, auf das, was wir Realität nennen.
Es freut mich, dass dir der Turm gefallen hat. Er sollte das Bild brechen und auch den Leser "aus der Szene werfen" - wenn man so will. Also surreal und morbide passt zu dem, was ich ausdrücken wollte. :) Was deinen Wunsch angeht, dass der Text noch in eine andere Richtung gehen hätte sollen - Oma wirklich als Zombie; die Idee gefällt mir, allerdings wollte ich mit dem Text etwas anderes erzählen. Ich behalte das aber im Hinterkopf. Ich habe Anfang letzte Woche tatsächlich das erste Mal Akte X gesehen und es gefällt mir - die Serie passt zu meinem "Beuteschema" - vielleicht schreibe ich (sobald ich Zeit finde) mal etwas in diese Richtung. :)

Das Ende finde ich schon fast zu versöhnlich, auch weil ich denke, du nimmst hier deinem eigenen Text das Potential. Ist ein wenig verschenkt auch, ich könnte mir hier noch dreißig Seiten mehr vorstellen, wie er langsam eine Art Geheimnis erforscht, das aber alles so im gutbürgerlichen Milieu bleibt, wo keiner von irgendwas weiß, aber eben doch jeder sein schmutziges Wissen irgendwo versteckt und die Fassade wahren will, da steckt herrlich was drin, was auch bitterböse werden kann, so auch aus sozialkritischer Sicht.
Ich finde es interessant, dass dir das Ende (fast) zu versöhnlich ist, kannst du mir vielleicht kurz sagen, wie du das Ende verstanden/gelesen hast? Wegen der Idee mit dem Zombie und auch wegen dem Wunsch, dass der Protagonist dem Geheimnis auf den Grund geht, nehme ich an, dass du den Text als "reale Szene" und nicht als Traum (wie ich es mir beim Schreiben gedacht habe) gelesen hast. Ich hab schon einige Interpretationen dazu gehört (auch auf anderen Seiten). Mich fasziniert, wie unterschiedlich der Text gelesen wird - vor allem, weil ich das definitiv nicht so geplant hatte. :D

Ich finde den Text gut, ich finde, du solltest dich nicht nur auf diese Luzifer-Texte und Dark Fantasy versteifen, sondern ruhig mal öfters dein Talent mäandern lassen. Lohnt sich sicherlich, auch um einen frischen Blick auf das eigene Schaffen zu bekommen.
Danke, es freut mich, dass dir der Text gefallen hat und tatsächlich schreibe ich sehr viel außerhalb des Dark Fantasy - Bereichs, nur sind das größtenteils sensible Themen, bei denen ich oft das Gefühl habe, sie nicht gut genug aufzuarbeiten und darum veröffentliche ich sie selten. Als Beispiel: Momentan - eigentlich schon seit einem halben Jahr - arbeite ich an einem Text bei dem es um Sterbehilfe geht. Da fehlt es mir oft noch an Fingerspitzengefühl, gleichzeitig sind es aber Themen die mich interessieren. ^^"

Danke noch einmal für deinen Kommentar!

LG Luzifermortus

 

Ich finde es interessant, dass dir das Ende (fast) zu versöhnlich ist, kannst du mir vielleicht kurz sagen, wie du das Ende verstanden/gelesen hast?

Moin,

ich denke, du willst das als eine Art Traum gelesen wissen, ich habe es eher wie so eine traumähnliche Sequenz gelesen, wie man das oft auch im Film sieht, X sitzt da und er sieht eine etwas passieren, was sich nachher nur als eine mögliche alternative Realität darstellt, und dann wupps, ist er wieder an einem Ausgangspunkt. So habe ich es auch hier gelesen. Wie etwas, über das man nachdenkt, während eigentlich nichts oder etwas anderes passiert.

Man kann das auch, glaube ich, nur selten wirklich beeinflussen, wie und was da Leser rauslesen, das kann vollkommen unterschiedlich ausfallen, das ist eben so. Jeder bringt da eine andere Lesart mit, die auch ein wenig Genre-abhängig ist, das ist ja auch mit das Interessante an diesem Forum, da du hier Leser und Kritiker hast, die ganz unterschiedlich sich zusammensetzen von den Lese-und-Schreibgewohnheiten her. Ein guter Mix.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman!

Verstehe - in dem Sinne verstehe ich auch ganz gut, was du meinst. Da wird dann nichts aufgeklärt, und man wird als Leser eher fallen gelassen.

Da bin ich ganz bei dir - sobald man eine Nachricht absendet, hat man keine Kontrolle mehr und ausgelegt wird sie immer vom Empfänger. Aber das ist ja auch das interessante, weil so manche Sachen sieht man selbst gar nicht und unterschiedliche Leseweisen ergeben sich ja auch dadurch, dass ein Text sie her gibt.

Vielen Dank noch einmal für deinen Kommentar.

LG Luzifermortus

 

Hallo Luzifermortus,
habe deine Geschichte eben erst gelesen und alle Kommentare auch. Bleibt mir zu sagen, dass ich mit der Protagonistin leide und trauere, und mir diese Glöckchen vom Erzählen bekannt sind.
Das hat mich beschäftigt: ich glaube, meine Oma hat erzählt, dass hastig beigesetzte Kriegsopfer so ein Glöckchen mit in den Sarg bekamen, und ein Friedhofswärter nach der Beerdigung noch mehrmals an den Gräbern vorbeilief. Mich hat es echt gegruselt!
In deiner Geschichte ist ja früh klar, dass die Oma wirklich tot ist, doch ich habe eine Weile gedacht, vielleicht sind sie beide tot, Oma und Enkelin.
Dann habe ich mir gewünscht, etwas mehr über das Verhältnis der beiden zu erfahren, doch ich kann es mir ja ausmalen, das gefällt mir,
genau wie deine Geschichte.
Viele Grüße,
Jutta

 

Hallo @Jutta Ouwens,

vielen Dank für deinen Kommentar. Es fühlt sich falsch an, zu sagen, dass ich mich freue, dass du mit der Protagonistin mittrauern konntest - aber ich glaube du verstehst, was ich ausdrücken will, wenn ich das sage.
Das mit den Kriegsopfern und den Glöckchen wusste ich gar nicht, das macht die ganze Vorstellung noch gruseliger - sowohl von den Glöckchen als auch die Vorstellung vom Krieg. Lebendig begraben zu werden, dann auch noch verletzt und im Sterben - eine schreckliche Vorstellung.
Und ja, du hast recht, in dem Text wäre noch genug Platz da, um näher auf das Verhältnis der beiden einzugehen. Sobald ich wieder die Zeit für eine "großflächige" Überarbeitung habe, werde ich mir genau ansehen, ob ich hier und da vielleicht noch eine Szene ausbauen oder dazusetzen kann. Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. :)

LG Luzifermortus

 

Hallo @AWM!

Danke für deinen Kommentar - ich habe soweit auch all deine Anmerkungen übernommen. :)
Was deine Kritik angeht - ich verstehe was du meinst, die Sachen passieren zufällig und der Protagonist "stürzt" quasi von einer Begegnung in die Nächste ohne ein Ziel. In dem Fall war es so gewollt, weil es für mich zu der "Struktur eines Traumes" passt, aber ich verstehe, dass die Handlung dadurch nicht organisch wirkt, weil natürlich das Ziel fehlt und man auch nicht wirklich weiß, warum die Sachen so passieren wie sie passieren. Aber ich werde überlegen, ob ich bei der Überarbeitung vielleicht einbaue, dass den Protagonisten etwas zu dem Turm hinzieht (wodurch ich natürlich noch einige andere Dinge ändern müsste) - fürs Ende ist mir wichtig, dass es so bleibt, dass er grade nicht akzeptiert, dass Oma tot ist und sie nicht gehen lässt. Wobei ich das nicht explizit ausschreibe und ich bin mir nicht einmal sicher ob es bisher ein Leser so gelesen hat. :aua:
Ich hab's mir auf jeden Fall mal aufgeschrieben, danke. :)

Weiß nicht, ob du das extra gemacht hast. Zuerst hat es mich irritiert, weil der Protagonist hier eine Außenperspektive einnimmt und sich selbst beobachtet, wie sein Lächeln verblasst. Irgendwie macht es aber ja auch Sinn, da sich später herausstellt, dass es ja ein Traum ist und man sich in Träumen oft von aussen beobachtet.
Das war nicht beabsichtigt - also absolut nicht. Ich meine gut, dass es trotzdem irgendwie passt, aber mir ist ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen, dass ich hier einen Perspektivenwechsel drin habe. Ich werd mir überlegen, ob ich das umschreibe oder so lasse, danke. :)

Diesen Bindestrich vor den drei Punkten hast du öfter drin.
Danke, ich bin grade noch mal durchgegangen, hoffe ich hab jetzt alle erwischt - das ist leider antrainiert. ^^"

die von ihrer Terrasse aus schon fröhlich winkt.
hier würde ich fröhlich streichen. Finde ich unnötig.
Hier hab ich stattdessen das "schon" gestrichen und das "fröhlich" gelassen. :)

Danke für deinen Kommentar und die ganzen Anmerkungen. :)

LG Luzifermortus

 

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