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gleichgültige Sinnlosigkeit
das ist das erste was ich zustande bring also nicht zu hart sein.......
Es war schon deprimierend. So ganz alleine da zu stehen. Alles war grau.
Toll, dachte ich, toll. Jetzt ist sie tot.
Ganz alleine war ich nicht, schliesslich waren ein paar Bekannte von ihr auch da.
Aber sie schienen alles nicht mal zu begreifen. Sie dachten jetzt wahrscheinlich „jetzt ist die liebe Frau in Gottes Reich geholt worden“. Oder irgend so ein fieses Zeug, was mich eigentlich nur noch mehr verletzen würde, wenn ich es hören würde.
Also war ich doch eher froh. Froh? Aber das durfte ich doch nicht sein, sie war jetzt weg, für immer! Na und? Ich würde auch irgendwann sterben, alle würden sterben, irgendwann. Aber doch nicht jetzt? Sie konnte mich doch nicht einfach alleine lassen, hier in dieser Welt voller Gefahren und Bedrohungen, in dieser Welt in der so viele Leute leiden. Der Schutz war mir entnommen worden und jetzt stand ich alleine, traurig und verlassen, da.
Ich hatte meine nachtschwarzen Haare offen und sie waren ziemlich fettig und strähnig.
Mein Gesicht war blass wie noch nie, es war wie das Gesicht von einem Geist, einem Vampir.
Manche Stellen waren rot, denn als ich die Nachricht erfuhr, hatte ich sehr oft mit dem Gesicht gegen die Wand geschlagen.
Ich hatte ein schwarzes Kleid an. Hatte damals nur 7 Euro gekostet. Meine Mutter meinte ich würde es irgendwann mal brauchen. Ich schüttelte damals nur den Kopf, war zu klein und unschuldig um zu begreifen.
Das Kleid war aus reiner Wolle und ich spürte wie an diesem Junitag die Hitze mich fast ohnmächtig werden ließ und sie mein Körper durchstachelte.
Ich wollte sie von mir abschütteln, diese Sommerhitze, aber ich war so unglaublich schwach und gelähmt das ich nur mit meinen grauen Augen auf das Grab starren konnte. Es war grau. Meine Mutter hatte immer ein weißes gewollt. Ein weißes mit weißen Lilien eingraviert. Wieso hatte ich nicht auf ihren Wunsch geachtet? Ich hatte einfach nur genickt als alle vorschlugen, was auf dem Grabstein stehen sollte, das Design und die Farbe. Da stand, du wirst uns allen fehlen und wir werden dich niemals vergessen oder so. Es war auch unwichtig.
Es stand herzloses Zeug drauf, das war das Wichtige. Keiner kümmerte sich wirklich um meine Lage, und auch die von meiner toten Mutter. Sie wollten behilflich sein, dabei machten sie mich nur wütend. Alles nur Narren, die keine Ahnung von Schmerz haben, dachte ich mir. Keine Ahnung von Verlust. Der Pfarrer war schon längst weg.
Welcher Religion hatte meine Mutter angehört? Ich wusste es nicht. Welche war ihre Lieblingsfarbe? Ich wusste es nicht. Wann bekam sie ihren ersten Kuss, hat sie Schule geschwänzt, wo ist sie geboren worden, in welcher Schule ist sie gewesen? Ich wusste alles nicht.
Ich merkte das ich mich nie für meine Mutter interessiert hatte und sie auch nicht für mich. Sie hat mich niemals etwas gefragt, war immer kühl und starrte mit ebenfalls grauen Augen vor sich hin. Das war die Strafe dafür sie nie ernst genommen zu haben, nie mit ihr geredet zu haben. Der Tod.
Das war wohl das einzige was mir die Augen öffnete. Musste es tatsächlich so weit kommen das ich mich für sie interessierte? Ja, so wie es aussah.
Es war alles so unecht, als würde ich das alles nur träumen. Die Sonne schien auf mich herab und ich glaubte in diesem Kleid zu ersticken.
Sollte ich jetzt ebenfalls sterben um mit meiner Mutter im Jenseits reden zu können?
Ich schaute mich um. Ich war tatsächlich alleine. Wie lange stand ich schon hier? Drei Stunden bestimmt. Ich setzte mich auf dem Boden. Ich sah die anderen Grabsteine, die alten und neuen. Kümmerte sich keiner um die länger verstorbenen Leuten? Die Gräber waren leer und nackt. Keine Blumen oder etwas in der Art. Das von meiner Mutter würde auch mal so aussehen. Denn irgendwann würde ich auch sterben und wir würden in Vergessenheit geraten. Das war echt schrecklich.
Ich beschloss nach hause zu gehen. Die Leute außerhalb des Friedhofs lachten und alle hatten kurze Sachen an. Ich kochte immer mehr. Alle guckten mich schon so an, oder kam es mir nur so vor?
War es tatsächlich so auffällig das meine Mutter gestorben war? Meine Augenringe und das schwarze Wollkleid könnten es verraten haben.
Aber als ich fast zuhause angekommen war erblickte ich eine Gruppe älterer jungen und Mädchen. Ich sah ihr Lächeln. Und ich wusste dass es kein freundliches Lächeln war.
Das eine Mädchen, blonde lange Haare, geschminkt bis in die Knochen und mit Minirock und Bauchfreiem Top gekleidet warf mir wütende Blicke zu.
Ich kniff die Augen zu und versuchte so schnell wie möglich an ihnen vorbei zu laufen. Doch ich spürte einen Knall. Der Schmerz durchdrang mein Gesicht, Schwerpunkt Nase und ich fühlte mich für einen Moment so an als ob ich Blutverschmiert sei. Auch mein Körper war plötzlich schwer und betäubt.
Ich lag da, mit den Händen neben mein Gesicht, zur Seite schauend und mit gespreizten Beinen.
Sie traten mir in die Rippen.
Es war ein kräftiger, asiatischer Junge der mich hoch hob und mich in einen Park zog. Ich wurde auf eine Bank gesetzt und er stellte lauter Fragen. Wie es mir ging und so. Ich hatte die Augen immer noch halbgeschlossen, traute mich nicht sie ganz aufzumachen, falls ich vielleicht zusammengeschlagen würde oder so.
Er sagte er müsse jetzt los, er hätte keine zeit. Dann ging er. Ließ mich allein.
Der Park war fröhlich, er hatte überall Bäume mit Blüten an den Ästen und die Vögel zwitscherten.
Ich ließ mir die Situation noch mal durch den Kopf gehen. Ich war also jetzt Elternlos.
Also, ich hatte noch irgendwo einen Vater in dieser Welt, aber der interessierte sich anscheinend nicht für mich. Und sonst?
Ich war jetzt 15 wurde in wenigen Wochen 16. Und war jetzt auch noch obdachlos.
Wo sollte ich denn jetzt nur hin? Ich konnte doch keine Obdachlose sein.
Ich könnte noch 3 Wochen bleiben, solange reichte die miete noch. Ich überlegte. Keine von meinen Schulkameraden wusste vom Tod meiner Mutter. Ich könnte weiter so tun als ob alles in Ordnung wäre. Aber eben nur für 3 Wochen. Dann müsste ich weg. Wohin?
Wusste ich nicht. In irgendeinen Slum, anschaffen gehen? Das wollte und konnte ich mir nicht vorstellen. Ich. Bloß nicht. An Drogen durfte ich auf keinen Fall kommen. Ich hatte oft Artikel über Mädchen gelesen die anfangen Drogen zu nehmen und sich dann das Leben versauen. In das Waisenheim? Wie kam ich da nur hin?
Ich hatte 350 Euro auf meinem Konto, 50 in meiner Sparbüchse. Also, für essen und so dürfte es eigentlich reichen.
Ich wusste nur eine Möglichkeit, Hilfe zu holen und rief somit von einer Kabine aus das Sorgentelefon an.
Eine freundliche Frauenstimme nahm ab.
„Hallo, hier ist Geraldine“ flüsterte ich fast in das Telefon.
„Hallo, was liegt dir auf dem Herzen?“ Ich merkte wie ich zitterte.
„Meine Mutter ist gestorben und ich habe jetzt keine Verwandte wo ich hin kann“
Sie erklärte mir das sich Beamte bestimmt meine Lage aufgeschrieben hatten und das ich wahrscheinlich in ein Heim käme. Ich erschrak, meine Gedanken waren also doch richtig.
„Ist es dort... Schlimm? Werde ich dann adoptiert?“
„Kommt drauf an ob du noch irgendwo doch unbekannte Verwandte hast, die Betreuer werden dann versuchen diese zu erreichen. Hast du echt überhaupt keine Verwandte?“
„na ja, ich müsste irgendwo noch meinen Vater haben.... Aber ich glaube nicht das er mich behalten will“
„Ach, quatsch, der wird dich ganz bestimmt gerne zu sich nehmen. In den nächsten Tagen wirst du ein Anruf oder einen Besuch vom Jugendamt erhalten, sie werden dir dann mehr helfen als ich. Ich wünsche dir viel Glück!“
„Danke...“ Ich legte den Hörer auf und setzte mich auf dem Boden der Kabine.
Zum Glück wollte keiner rein, so konnte ich da liegen bleiben. Meine Rippen taten noch weh. Merkte ich irgendwie jetzt erst. Ich hatte keine sichtbaren Verletzungen, aber es war so demütigend gewesen... Solche Schweine.
Wie alt waren sie wohl. Nicht älter als 19. Aber älter wie ich. 17 oder so schätzte ich mal. Na toll. Erwachsen genug müssten sie eigentlich schon sein um keine kleineren Kinder zu schlagen. Einfach so, ohne Grund. Vielleicht hielten sie mich für einen Grufti oder Satanisten. So sah ich auch aus.
Ich merkte wie es draußen anfing zu regnen. Ich sah auf meine Swatch-Uhr. 19 Uhr 02. Mein Magen knurrte so schrecklich, alles zog sich in mir zusammen. Eklig. War wohl Hunger. OK.
Also, was Billiges musste ich finden, etwas was mich sattmachte. Ich ging zum Bäcker und kaufte mir 3 Brötchen. Insgesamt nur 1 Euro 20! Also, doch ganz günstig. Es schmeckte ziemlich trocken, ich ging mit der Tüte nach hause. Scheiße. Schlüssel. Ich musste zu unserer Nachbarin, die alte Oma. Sie gab mir den Ersatzschlüssel.
Ich schloss also unsere Wohnungstür auf, trottete rein und ging in die Küche.
Die orangenen Wände waren irgendwie plötzlich gar nicht mehr so fröhlich wie sie immer auf mich gewirkt hatten. Alles war so leer, jedes Geräusch hörte man. Mein Gehen, das Rascheln vom Papier in dem die Brötchen verpackt waren.
Ich ließ die Brötchen liegen und machte volle Kanne Marilyn Manson rein. Ich hörte diese Musik eigentlich nie, aber jetzt war mir danach. Ich lief zurück in die Küche und beschmierte die Brötchen mit Butter und legte Salami drauf. Morgen musste ich ja auch noch zur Schule! Heute war ja Sonntag.
Na gut, dann machte ich eben die Glotze an. Nur Schrott. Na gut, dann machte ich sie halt wieder aus. Das hatte es jetzt gebracht.
Die CD hatte mehr Interpreten und ich hörte jetzt das Lied von Avril Lavigne. I’m with you. Ja, bei ihr war jemand, aber bei mir? Nein, Moment, sie war auch alleine. Sie sang dass sie jemanden sucht und keiner gerne alleine ist. Ja, Blitzmerker. Ich sah mich im Spiegel an. Hässlich. Sehr hässlich. Oh Gott, kein Wunder wenn alle dachten ich sei ein Gruftie, denn mit meinem Teint! So blass als hätte ich tatsächlich weiße Schminke benutzt. Und meine Haare! Aber ich hatte keine Lust sie zu waschen. Morgen vielleicht. Ich musste noch Hausaufgaben machen, aber wenn ich den Lehrern erzählen würde dass meine Mutter gestorben ist, gibt er mir vielleicht sogar schulfrei. Ich war echt voll, ich lief in mein Zimmer. Ganz leise erklang das Lied noch.
Ich holte meine Zeichnungen aus der Versteckten Schachtel im Schrank raus. Viele gekritzelte Sachen, Skizzen. Ein Mädchen, blonde Haare, Schmollmund, Bettlaken und ihren zierlichen Körper, das war mein Lieblingsbild. Ich merkte dass ich gar nicht so toll malen konnte, immer die gleichen Gesichter. Manche Posen kriegte ich auch nicht hin. Aber sie waren meine Kunstwerke.
Ich sang das Lied leise mit. Es war jetzt erst 21 Uhr. Sollte ich jetzt schon schlafen? Ich legte mich samt dem schwarzen Wollkleid ins Bett.
Irgendwann würden diese Leute kommen und mich holen. Dann müsste ich das hier alles verlassen. Meine Kindheit müsste ich dann verlassen. Ah, die Erinnerungen...
Ich lebte hier soweit ich denken konnte. Am Anfang waren wir zu dritt, mein Vater, meine Mutter und ich.
Ich sah ihn vor mir, mit seinem Giftgrünen Augen und schwarzen Haaren. Er hatte eine Kartoffelnase mit ziemlich vielen Leberflecken. Seine Figur war eher schmächtig, er wirkte als der liebe Vater, war die ganze Zeit einkaufen, war kaufsüchtig. So was kennt man nur bei Frauen, doch er hatte es auch. Er ging in irgendwelchen Läden und kaufte alles Mögliche. Von Pralinen bis zu Hosen, nichts war vor ihm sicher. Meine Mutter sah sich das alles still mit an. Eines Tages ließ sie ihn einfach nicht mehr ins Haus. Sie schmiss seine Sachen aus dem Fenster und überhörte das Klingeln. Tja, das war das letzte Mal das ich ihn gesehen habe.
Damals war ich 11. Lange her. Da bin ich auch sitzen geblieben, in der Fünften war das.
Ich war mindestens 1 Kopf größer als der größte der Klasse. Ich fing also an die Welt zu hassen. Mich von allen abzusondern, auch von meiner Mutter. Ich wurde nur ganz knapp in die nächste Klasse versetzt und die darauf folgenden Klassen schaffte ich auch nur auf Gut Glück. Jetzt war ich in der 9.
Alle meine Mitschüler bildeten so genannte Cliquen, ich war die einzige die zu keiner gehörte.
Den Lehrern war’s aber relativ egal, alle hatten es schon aufgegeben meine versteckte Seite rausfinden zu können, keinen war’s gelungen. Würden sie sich nur ein bisschen, aber auch nur ein bisschen mehr anstrengen, würde ihnen das gelingen. Aber nein, sie versuchten es nur 1 Mal, wenn nicht gaben sie endgültig auf. Also hatte auch ich die Hoffnung verloren dass irgendjemand mich „öffnen“ könnte.
Ich war überhaupt nicht müde, und was mich doch wunderte, ich fing gar nicht an über meine Mutter nachzudenken. Dabei war sie doch jetzt TOT! Ich hatte sie nie geliebt, und machte mir jetzt auch keine Vorwürfe, jetzt wo sie tot war. Die Wohnung war auch ohne sie noch gleich. Sie war sowieso nie da, und wenn sie da war war’s genau so still wie es jetzt war.
Nur dass ich jetzt mehr machen konnte, wie z.B. Musik hören. Das durfte ich nämlich nie wenn sie da war, egal welches Lied, sie hasste Musik. Und ich? Nun, ich dachte auch ich würde Musik hassen, doch als ich vor ein paar Wochen eine CD kaufte fand ich Musik gut.
Ich hatte eine Idee. Ich knipste das Licht an und holte ein Blatt und einen Bleistift raus. Ich holte meine Cd. Auf einer Seite war Avril Lavigne abgebildet. Ich versuchte sie abzuzeichnen... Sie hatte ein längliches-viereckiges Gesicht, stark schwarz umrandete Augen, lange glatte Haare und eine Spitze Nase. Sie guckte irgendwie traurig, das Licht fiel auf ihre linke Gesichtshälfte...
Ich war so vertieft in meiner Arbeit dass ich die Uhrzeit gar nicht bemerkte. Schon so spät! Na ja, nicht gerade spät, 23 Uhr, ich ging eigentlich ging ich immer um Mitternacht ins Bett, aber ich fühlte mich so müde... meine Mutter war jetzt tot.
War mir immer noch nicht bewusst, irgendwie dachte ich die ganze Zeit ich würde sie morgen oder in den nächsten Stunden wieder sehen. Ja, sie konnte doch nicht einfach weg sein! Und dabei war sie doch nur die Treppe runtergestürzt. Ich war doch auch so oft hingefallen und nie gestorben! Wieso musste sie denn an einen blöden Sturz sterben? Ob sie als toter Mensch auch noch denken kann? Oder ist man einfach dann weg? Alles schwarz, keine geringsten Gedanken mehr. Diese Gedanken machten mich doch ziemlich zu schaffen, ich versuchte an was anderes zu denken. Doch diese Gedanken gingen einfach nicht aus den Kopf.
Es passiert ja schließlich nicht alle tage das die Mutter stirbt. Noch dazu wenn man erst 15 ist. Ach, ja, mein Geburtstag!
Ich hatte am 3. August Geburtstag, das war schon in 3 Wochen, ich würde es wohl im Heim feiern müssen. Toll. Mit irgendwelchen komischen gestörten Kindern die alle nichts vom Leben erwarten und bekommen. Alles nur depressive, nutzlose Dinger, die da wie im Knast im Bett rumhängen und an ihr sinnloses Leben denken.
Wie würden die Betten wohl dort sein? Und die Zimmer? Würde ich ein eigenes Zimmer bekommen? Wahrscheinlich nicht. Ich müsste es mir hoffentlich nicht mit überfröhlichen Leuten Teilen. Ich hasste fröhliche Leute. Leute die nichts sagen und nicht dumme Kommentare ablassen, die passten zu mir, die konnte ich gut leiden.
Am liebsten würde ich doch weit weg sein von dem alles. Einfach meine neue Welt aufmachen. Wie wenn man einen neuen Laden aufmacht oder eine neue Zeitschrift. Ich hasste Zeitschriften. Sie waren genauso wie die Leute die ich hasste. Fröhlich und oberflächlich. Irgendwelche Stars schmückten die leeren Seiten die sich irgendein Teenager kauft und damit sein Taschengeld verschwendet. Scheiß Kommerz. Ich schaute auf mein Avrilbild und lächelte. Sie sah echt süß aus, mit ihrer Spitzen Nase und frischem Aussehen. Sie war süß, aber nicht puppig. Ich würde gerne so sein wie sie.
Dazu müsste ich aber erstmal was machen.
Ich fasste mich an meinem Kopf. Sie waren immer noch fettig, aber was hatte ich erwartet, das sie von alleine sauber wurden?
Es war jetzt 23:17. Ich würde jetzt duschen. Ja, ich würde jetzt duschen. Morgen mindestens ein wenig besser auszusehen.
Ich stand schweren Herzens auf und lief ins Bad. Schimmel hing an den Wänden und es roch muffig. Seit Jahren wurde hier nicht saubergemacht. Soweit ich denken konnte hatte ich meine Mutter nie mit Putzmittel gesehen. Was hatte sie den ganzen Tag früher nur gemacht? Sie müsste gleich kommen. Ah, sie war ja tot...
Nun, ich zog mich aus und ging unter die Dusche. Zuerst kam nur eiskaltes Wasser aus dem festgemachten verrosteten Griff, doch dann kam auch heißes. Und wie heiß! Ich verbrannte mich fast und sprang erschrocken zur Seite.
Ich nahm eine Hand voller Schampoo und ließ es auf meinen Kopf gleiten Schnell wusch ich es aus und versuchte rauszugehen.
Die Kabinentür ging nicht auf, sie klemmte. Ich dachte mir: Was ist wenn sie nie aufgeht, wenn ich hier drinnen sterben muss? Mich niemand findet? Vermissen tut mich sowieso keiner.
Ich würde hier erfrieren, verhungern... Doch plötzlich fiel die Tür auf den Boden.
Naja, dachte ich, mindestens sterbe ich nicht, eine kaputte Kabinentür ist ja sowieso egal.
Ich legte mir ein Handtuch um meinen blassen Körper und schmiss mich aufs Bett. Es war 23:41, doch ich war schon müde. Morgen könnte ich sowieso wieder ins Bett wenn alle wissen würden dass meine Mutter tot war. Da könnte ich schön schlafen... Ja, schlafen war das einzige wofür sich das Leben lohnte... Schlafen ist soooo schön....
„Ppiiiiiiieeeep-ppiiiiiiieeeep-ppiiiiiiieeeep-piiiiiiieeeep“ Man, dieses Geräusch!!! Ich war so wütend auf den Scheißwecker.
Ich wollte doch nur schlafen, war’s so schwer?!
Ich drückte auf den Knopf, reckte mich langsam und streckte mich. Boah, ey, erst 6:00 Uhr!
Ich schaute auf meine Avrilzeichnung und lächelte. War doch gar nicht so schlecht geworden, die Augen musste ich noch ausarbeiten.
Nun, ich zog mich an, ging aus meinem Zimmer und hatte die CD dabei, legte sie auch gleich in den CDPlayer. „I’m standing on the brige, I’m waiting in the dark. I thought that you’ll be here by now...“ Jaja. Ich packte nur ein Blatt Papier ein und einen Bleistift.
Ich nahm noch 2 Euro mit, denn ich hatte mir was vorgenommen: Nach der Schule würde ich mir eine Zeitschrift kaufen wo Avril drinnen war. Möglichst viel. Dann würde ich das alles abzeichnen. Oh, ja, das würde bestimmt lustig werden! Da ich mit dem Bus um sieben Uhr fahren musste hatte ich noch viel Zeit.
Frühstücken tat ich nicht, tat ich eh nie. Ich schaltete die CD aus und machte den Fernseher an. Er war schon ziemlich alt und man sah nur Bruchstücke von den Sendungen, da es sofort wieder schwarz mit weißen Punkten auf dem Bildschirm flimmerte.
Doch da sah! Der Videoclip dazu! Ich machte sofort laut und fing an rumzutanzen.
Das hatte ich noch nie gemacht!
Avril war sozusagen das einzige was mich dazu brachte fröhlich zu sein. Sie war das einzige was mich auf der ganzen Welt interessierte, das einzige was...
Au. Ich war vom Tisch gefallen. Das tat weh.
Aber sie sang weiter! Also stand auch ich wieder auf und hüpfte wie blöd rum.
Ich hörte ein klopfen an der Tür. Ich ging fröhlich hin und sah durch das Schlüsselloch eine mit Lockenwickler besetzte Frau. Unsere alte Nachbarin. Ich war aber so gut drauf das ich die Tür aufriss und sie mit den Wörtern
„ Guten Morgen Fräulein Magro!“ begrüßte. Sie schaute mich entsetzt an und hatte den Mund leicht offen.
„Die Musik... Könntest du sie vielleicht ein bisschen... leiser stellen?“ Dabei lächelte sie. SIE! Sie war der ernste Mensch den ich kannte, ausser meiner Mutter. Aber die war ja jetzt sowieso tot.
„Gerne Fräulein Magro“. Ich verabschiedete mich mit einem Winken von ihr und machte die Tür leise wieder zu.
Ich schaltete den Fernseher aus, da lief jetzt sowieso was anderes.
Na dann, dachte ich mir, es ist zwar noch früh, aber die Zeitschrift kann ich mir ja jetzt schon kaufen.
Ich packte meinen leichten Ranzen und riss die Tür auf. Erstmal bekam ich einen Schreck, fiel nach hinten und kniff die Augen zu.
„ Keine Angst, wir beißen schon nicht“ Sagte mir eine kleine blonde Frau.
„ Ich bin der Bernd!“ begrüßte mich ein großer, braunhaariger Mann. Die Frau versuchte mir die Hand zu reichen doch ich konnte sie nur anstarren.
„Wer sind sie?“ fragte ich kühl.
Die Frau nahm ihre Hand und ihr lächeln zurück und sagte: „ Ich bin Sara und das ist Bernd, wir holen dich ab.“.
„Jetzt gleich?! Aber ich verpass doch den Bus!“
„Wir können noch zur Schule fahren damit du dich von deinen Freunden verabschieden kannst, das ist klar.“ Freunde? Welche Freunde? dachte ich mir.
„Nein, ist nicht nötig. Ich muss dann wohl packen, oder?“
„Ja, wir helfen dir, OK?“
„Wenn’s sein muss...“ murmelte ich unüberhörbar. Sara begleitete mich in mein Zimmer. Sie sagte „Schönes Zimmer...“, versuchte zu lächeln. Ich wusste dass sie es nicht so meinte mit „schön“. Sie lächelte mich erstmal an.
„Dann wollen wir mal gucken was du so mitnehmen willst, OK?“ Sie zeigte auf meinen Kleiderschrank „Darf ich?“ fragte sie.
„Ja, meinetwegen“ antwortete ich gleichgültig.
„Na, dann wollen wir mal sehen... Oh... viel ist das nicht, meinst du nicht auch?“. Ich zuckte mit den Schultern. Schön waren meine Sachen nicht, das wusste ich. Besonders viele auch nicht. Sara holte alles raus und legte es auf meinem Schreibtisch.
„So, dann such mal aus was du behalten willst.“ Ich nahm meine Jeans aus dem Stapel raus, dann noch ein gelbes T-Shirt und ein blaues Top. Und noch die schwarze Hose. Der Rest war entweder hässlich oder kaputt, oder war mir zu klein oder hatte Flecken die nicht raus zu waschen waren oder- im schlimmsten Fall- alles zusammen. Sie nickte.
„Da müssen wir aber ordentlich shoppen gehen! Puh...“.
„Ich kann was von meinem Geld dazugeben...“ schlug ich vor.
„Nein, das brauchst du nicht, das Geld kriegen wir vom Staat, da brauchst du dir keine Sorgen machen.“ Sie sah meine Avrilzeichnung auf dem Schreibtisch.
„Ah, schöne Zeichnung. Zeichnest du gerne?“
„Ja“ antwortete ich einsilbig.
„Bei uns im Heim kannst du das als AG machen, viele dort zeichnen gerne, manche auch gut. Das wird dein Talent fordern und macht bestimmt viel Spaß.“ Sie lächelte breit.
„Es wird dir gefallen, das versichere ich dir. Viele mussten das gleiche oder ähnliches durchmachen wie du. Dann fühlst du dich nicht ganz alleine mit deiner Situation, verstehst du? Ach komm schon, Kopf hoch!“ Sie klopfte mir auf die Schulter.
„Hast du irgendein Koffer?“ fragte sie mich.
„Ja, Moment, ich hole welche“ antwortete ich und flitzte in den Keller. Wir hatten fünf Koffer. Manche waren aber auch klein. Ich brachte sie aber alle fünf hoch. Bernd war im Wohnzimmer und fragte mich ob er sich setzen dürfte. Ich sagte natürlich ja. Wir suchten uns insgesamt 3 Koffer aus und eine kleine Tasche für die Fahrt.
Ich erzählte ihnen das ich noch was kaufen wollte und ging mit ihnen zum Einkaufszentrum. Ich kaufte mir die Avril Lavigne CD und ein paar Zeitschriften bei dem sie auf dem Cover zu sehen war.
Natürlich von meinem Geld.
In die kleine Tasche packte ich meinen CD Player rein, die Aufladbaren Batterien mit dem Aufladegerät, meine paar CDs (nur drei um genau zu sein...), und die Zeitschriften.
Eigentlich brauchte ich nur 1 Koffer. Denn ich hatte so wenige Sachen, wenn ich sie reindrücken würde bräuchte ich sogar nur einen halben Koffer.
Aber Bernd schlug vor das ich all das was ich aus dem Haus mochte mitnehmen durfte. Alle schönen Sachen packte ich also in die Koffer und schon hatte ich 2 voll.
Den Rest mussten wir da lassen.
Und siehe da, meine Mutter hatte meinem Vater alles vererbt, erzählten mir Bernd und Sara, meinem Vater müssten sie aber erreichen, gucken ob ich bei ihm gut aufgehoben bin, und wenn ja müsste ich zu ihn ziehen. Wahrscheinlich hätte mein Vater in seinem Testament mich als die Haupterbin gemacht. Geld müsste ich sowieso kriegen, auch jetzt von meiner Mutter.
Das fand ich jetzt mal aber scheiße von ihr. Wieso hatte sie meinem Vater alles vererbt? Sie hasste ihn doch, und mit dem Geld könnte er nichts anfangen, er würde es ausgeben, war doch kaufsüchtig! Bei mir war das Geld doch viel besser aufgehoben! Was hatte sie sich nur dabei gedacht... Sara sagte mir ich sollte sie zum Auto begleiten. Es war ein rotes, aber etwas zerkratztes Auto. Ich setzte mich rein. Es war richtig heiß und ich dachte ich schwitzte mich Tot.
Ich war plötzlich irgendwo wo es sehr dunkel und warm war. Nur ich, alles schwarz... Da waren nur 2 riesige, bösartige weiße Zombieaugen, die nahmen mich in ihnen auf...
Ich wurde von den Augen aufgesaugt, wollte mich wehren, konnte aber nicht und fiel! Als ich eine Sekunde später ankam tat es sehr weh. Unter mir war noch ein Abgrund und ich rutschte aus, scheiße ich konnte mich nirgends festhalten! NEIN!!
„Hallo? Hallo?? Geht’s dir gut?“ Sara sah mich vom vorderen Sitz besorgt an.
„Du bist auf den Boden gefallen. Hat’s sehr wehgetan?“
„geht schon...“ Ich rutschte auf meinen Sitz zurück. Ich lauschte noch ein bisschen Musik und wartete ungeduldig. Ich sah auf Bernds Hinterkopf und bemerkte ein paar graue Haare.
Eine stelle war sogar so weiß das sie mich an meinem Traum erinnerte. Die weißen Augen darin. Brrr... Gruselig... nun, Bernd bemerkte das ich ihn ansah und fragte:
„Ist dir übel??“. Ich schüttelte den Kopf. Sara meinte wir würden bald da sein.
Na, das waren aber schöne Bäume die ich durch das verschmutzte Fenster sehen konnte. Sie hatten lila Blüten und waren ziemlich groß.
Genauer konnte ich es nicht sehen, denn wir fuhren ziemlich schnell und immer und bogen oft ab.
Ein rotes Auto raste , Schlangenlinien fahrend auf uns zu.
Ich hörte Sara laut schreien und fühlte wie wir uns ganz oft drehten und dann ein Stoß.
Ein gedämpfter Knall.
Alles schwarz.
Weg