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Gnosis des Mondkalbs

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03.10.2020
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Gnosis des Mondkalbs

Vor dem Motel rauschte ein Truck über den Highway und Lichtstreifen wanderten über die Wand hinter dem Bett. „Wir müssen gehen“, sagte Frank und rüttelte sie an der Schulter.
„Mh?“, fragte sie schläfrig.
„Wir müssen gehen“, wiederholte er. „Steh auf.“
„Aber dann wird sie sterben ...“
Anhand ihres kraftlosen Protests, einem Raunen, als würde sie noch träumen, erkannte Frank, dass seine Worte Wirkung gezeigt hatten. Dass es keine Diskussionen geben würde. Zumindest nicht jetzt, wenn es darauf ankam. Was später passierte, darüber machte er sich keine Gedanken. Im Moment galt es vorsichtig zu sein, damit Nettys fragiles Gefühlskonstrukt nicht im letzten Augenblick zusammenbrach. Frank lauschte dem leisen, abgehackten Schnaufen aus der Zimmerecke. Die Luft roch staubig und abgestanden.
„Sie werden sie finden“, sagte er und nahm Netty am Arm, sanft, ohne Druck. Spürte die aufgerichteten Härchen. Sie ließ sich vom Bett hinuntergleiten und auf die Füße ziehen. Er küsste sie und strich mit der flachen Hand ihren Hals entlang. In der Dunkelheit des Motelzimmers war ihre Haut pechschwarz, bei Berührung so kalt wie Obsidian. „Jemand anderes muss sich um sie kümmern. Wir haben doch darüber gesprochen.“
„Ja. Ja, das haben wir“, nuschelte sie.
„Zieh dir was an. Es ist kühl.“
Während Netty in Strickpullover und Jeans schlüpfte, zog Frank zwei Lamellen auseinander und schaute auf den finsteren Parkplatz. Die Schatten von mehreren Autos und einem Kleinlieferwagen. Bei der Rezeption flackerte die Lampe. Der schlaksige Typ, der ihnen vor ein paar Stunden den Schlüssel ausgehändigt hatte, döste auf einem Stuhl.
Frank drehte sich zu Netty, die auf der Toilette saß. Ohne Licht, die Tür offen. „Nimm ein Stück Papier und schreib drauf, dass wir in Zimmer 6 Frühstücksservice wollen. Spätestens um 8:00 Uhr. Und wir bezahlen extra.“
„Was?“
„Tu’s einfach.“
„Okay, ich mach’s ja. Lass mich kurz.“
Er nahm Autoschlüssel und Zigarettenpackung vom Nachttisch, warf einen letzten Blick in die dunkle Zimmerecke, wo die Trage stand, trat dann hinaus in die Nacht. Zwei Zimmer weiter saß ein Halbstarker auf einem Klappsessel und trank aus einer Flasche in brauner Papiertüte. Frank hielt ihn im Auge. An der Ecke stand ein dunkler Imbisswagen. Nareeshs World Famous Samosas. Eine Kippe später öffnete Netty die Tür. Er hörte das Gluckern der Toilettenspülung.
„Hab’s geschrieben und auf’s Bett gelegt. Wie du gesagt hast.“
„Ich hab nicht gesagt, du sollst den Zettel auf’s Bett legen“, presste er hervor, bedacht, seine Stimme nicht zu erheben. „Dort sieht’s doch niemand!“
„Okay, sorry.“
„Und zieh dir verdammt nochmal Schuhe an, Netty! Willst du etwa barfuß ...“ Aber da war sie schon wieder im Zimmer verschwunden.

Später. Eine blasse Röte am Horizont. Der Asphalt des leeren Highways wirkte nass, als hätte es zuvor geregnet. Das Motel lag hundertfünfzig Meilen hinter ihnen. Netty hatte ihren Kopf gegen die Scheibe gelehnt und geschlafen. Franks Finger schmerzten und er öffnete und schloss seine Hände am Lenkrad, um die Steifheit aus ihnen zu vertreiben. Im Rückspiegel starrte er in seine glänzenden Augen.
Das stete Geräusch und die Vibrationen des Motors lullten ihn ein. Er fühlte sich eigenartig ruhig gestellt, wie nach Nettys Narkosepillen, von denen sie immer einen Blister in ihrer Handtasche aufbewahrte. Vor ihrer Abfahrt hatte sie ihm ein paar davon unter den Kaffee gerührt. Eine Tat der Verzweiflung, um das Unaufhaltsame aufzuhalten, aber dadurch hatte sich ihr Aufbruch lediglich um einen weiteren Tag verzögert.
„Wo sind wir?“, fragte Netty schlaftrunken. Ihr Blick flackerte kurz. Frank strich ihr über den Oberschenkel und antwortete: „Irgendwo auf halber Strecke. In der Pampa. Ich denke, wir müssen noch heute und morgen durchfahren, dann sind wir da.“
„Okay.“ Netty streckte sich. „Ich muss mal.“
Seine Stimme wurde kälter. „Schon wieder?“
„Ja.“
Frank schwieg.
„Du schaust schon wieder so komisch, Frank“, bemerkte sie und gähnte.
„Ich halte bei der nächsten Gelegenheit an. Ist ja gut.“
„Ich hab Hunger.“
„Dann holen wir uns auch was zu essen.“
„Hast du denn noch Geld?“
Frank schaute sie von der Seite an. Ihr rabenschwarzes, zu einem Afro aufgeplustertes Kraushaar, die Stupsnase und die schmalen Augen, deren Iris ein milchiger Schleier trübte, als wäre sie an grauem Star erkrankt, auch wenn sie stets behauptete, gut sehen zu können. Die markanten Wangen, die ihr Gesicht breiter und knochiger erscheinen ließen. Auf den dünnen Lippen der Anflug dieses Lächelns, das ihn schon so oft zur Weißglut getrieben hatte. Frank schluckte.
„Es reicht schon noch. Sonst lassen wir uns was einfallen.“
„Ich hab geträumt“, sagte sie. Er biss die Zähne zusammen und blickte konzentriert nach vorne. Vor ihnen ein einsames Wohnmobil, auf dessen Heck der Spruch: Each sunrise is an opportunity to start a new life. Eine Flagge flatterte hektisch im Wind. Frank schüttelte den Kopf und beschleunigte.
„Ich hab geträumt“, wiederholte Netty. „Von Maya.“
„Das ist normal.“
„Denkst du, sie wird uns noch erkennen, wenn wir zurückkommen?“ Zwischen Nettys Brüsten spannte sich der Gurt, verdeckte die Schnauze des grauen Wolfs auf ihrem Strickpullover. Ihre Hände zupften an zwei losen Fäden herum und sie hielt den Kopf gesenkt. „Red mit mir, Frank.“
Er sagte nichts.
„Hast du das wirklich ernst gemeint, dass es meine Schuld ist?“
„Natürlich nicht.“
„Wieso hast du es denn gesagt? Ich weiß, dass ich anders bin, aber ich kann nichts dafür, Frank. Ich wollte das nicht.“
„Ja. Ich auch nicht.“
„Du hättest das mit dieser Versicherung machen sollen.“
„Sei jetzt still!“
Netty zuckte zusammen und Frank befürchtete, sie könnte wieder weinen. Er drückte auf dem Navi herum. In bedacht versöhnlicherem Tonfall fügte er an: „Nur noch zwei Meilen bis zum Rastplatz.“

Er hatte immer ein Kind gewollt. Die Zeit von Nettys Schwangerschaft war die beste seines Lebens gewesen. Doch dieses beschissene Syndrom machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Beim Neugeborenen waren keine Anzeichen von Krankheit zu erkennen gewesen und für Frank bewegten sich Begriffe wie Hypoplasie, Stenose oder Leberdysplasie außerhalb seines Wortschatzes. Auch später blieben sie fremdartig und unverständlich.
Warum konnte kein Arzt die Dinge beim Namen nennen? Ihr Kind hat das Herz eines Achtzigjährigen oder die Leberfunktion ist mit der eines schweren Alkoholikers vergleichbar. Sowas verstanden die Menschen, nicht diese aufgeblasenen Worte, die im Endeffekt nur dazu dienten, die bittere Wahrheit zu kaschieren.
Erst drei Jahre nach der Geburt dämmerte ihm, dass sein Mädchen an einer seltenen Krankheit litt und das Verdrängung nicht als Gegenmittel helfen würde. Ihre Haut verfärbte sich, bekam Marmorflecken und er musste ihr die Händchen hinter den Rücken binden, weil sie sich dauernd blutig kratzte. Netty lag vollgepumpt mit Tabletten auf dem Sofa und bekam nichts mit. Auf der Fahrt ins Krankenhaus dachte er: Drei verschwendete Jahre.
Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann, realisierte er, dass ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, so dass es wüst und roh und abstoßend aussah. Irgendetwas musste getan werden. Er musste etwas tun, denn Netty war dazu nicht in der Lage und die Armee an Ärzten erst recht nicht. Sie konnten nur ihre widersprüchlichen Diagnosen aufstellen.
Dieses entstellte Kindlein, mit seinen weit auseinanderliegenden Augen, dem borstigen Haar und der viel zu hohen Stirn, das kein Wort sprechen, sondern nur sinnloses Gebrabbel von sich geben konnte, verfolgte ihn bis in seine Träume, wo es zu weit unvorstellbareren Formen mutierte. Manchmal, in seltenen wolkenlosen Mondnächten saß er regungslos an Mayas Krippe und betrachtete sie, nur dann, in dieser anthrazitgrauen Düsternis, nahm er sie als seine Tochter wahr, die er sich so sehr gewünscht hatte, und fand Frieden im Moment.
Doch der Tag zerstörte jede Illusion. Je länger er darüber nachdachte, kam er zum Entschluss, dass sie ein Kuckuckskind sein musste. Irgendjemand hatte sein echtes Mädchen gestohlen und es gegen dieses Wesen ausgetauscht.
Und wie teuer es geworden war, das Wesen am Leben zu erhalten. Therapien und Medikamente, für die er einen Großteil seines Handlangergehalts opferte, weil es von ihm verlangt wurde. Ein Vaterschaftstest bezeugte seine DNA. Auf Dauer jedoch hätte er nie im Leben für ihren Unterhalt aufkommen können.
Die letzten Jahre ackerte er als Feldarbeiter auf einer riesigen Farm, die mindestens tausend Hektar umfasste. Dort erlebte er die Geburt eines Mondkalbs. Amorphus globosus nannte der alte Farmer das rundliche Gebilde aus Haut, Fell und wahllos zusammengewachsenen Innereien. Frank hatte sich abwenden und kotzen müssen. Das blutverschmierte, unterentwickelte Ding im Gras ... Er versuchte, nicht mehr daran zu denken. Seine Hände krampften am Lenkrad und Schweiß stand in seinem Nacken. Ihn fröstelte.

Ein farbloses Sonnenlicht brach durch die Wolkendecke. Die Fenster des Rastplatzgebäudes staubig und die Fassade grau wie Asche. Auf dem Parkplatz ein Sattelschlepper mit geplatztem Reifen. Der Fahrer pisste in ein Gebüsch. Die Tür zu Mikes Diner & Quickmart quietschte und eine Glocke bimmelte. Im Innern roch es nach Bohnerwachs, kaltem Frittierfett und etwas anderem, dass Frank an Antiseptika erinnerte. Auf einem Tisch lag ein halbgegessenes Stück Pizza. Eine Fliege summte darüber.
Netty verschwand auf der Toilette und Frank ließ seinen Blick über die Magazinauslage schweifen. Motorrad-, Trucker- und Pornohefte. In einem Drehständer Romane und Sachbücher, einer der Titel, die ihm ins Auge stachen: How to grief and process the loss of a loved one.
Er klaubte ein Feuerzeug aus einer Halterung und legte es auf die Theke. Dahinter stand ein junger Mann mit Brille und spitzmäusigem, bleichem Gesicht. Die Akne auf seiner Stirn glänzte feucht. Er lächelte Frank an und zeigte schiefe Schneidezähne. An seinem verwaschenen Poloshirt ein Pin in der Form eines Smileys. Serving you today: Paolo.
„Und eine Packung Aspirin, falls welche da sind“, sagte Frank. Paolo nickte und holte eine aus dem Nebenraum. „Das wäre alles?“, fragte er.
„Wenn ich’s mir recht überlege, könnt ich was zu beissen vertragen.“
„Ich kann die Samosas hier aufwärmen“, sagte Paolo und zeigte auf einen Teller hinter der gläsernen Ablage. Frank bemerkte den Dreck unter seinen Nägeln. „Wir haben auch Pizza, oder Sandwiches, wenn Sie wollen.“
„Dann nehm ich eins mit Thunfisch.“
Während Paolo das Sandwich in Zeitungspapier wickelte, trat Netty hinter Frank und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er spürte ihren Atem an seinem Ohrläppchen. „Da drinnen stinkt’s vielleicht!“, flüsterte sie und kicherte.
„Was möchtest du essen?“, fragte Frank, nahm ihre Hand von seiner Schulter und zog sie am Arm vor die Ablage. „Such dir was aus.“
„Mmmh ...“
„Die Samosas sind gut“, sagte Paolo und legte das fertigeingepackte Sandwich auf die Theke. „Die haben wir gestern frisch geholt. Drüben bei Nareesh.“
„Ich nehm welche. Drei Stück?“
„Einverstanden“, lachte Paolo und fingerte die Teigtaschen vom Teller. „Warm?“
„Gerne.“
Er drehte sich um und legte die Samosas in eine Mikrowelle.
„Wie viel?“, fragte Frank.
„Äh“, machte Paolo, kratzte sich an der Stirn und tippte auf einem Rechner herum. „Fünfzehn achtzig.“
Frank zählte ab und warf ihm das Geld hin. Die Münzen klimperten über die Theke und eine fiel auf Paolos Seite herunter, kullerte davon und durch die offene Tür in den Nebenraum. Als wäre das ein Stichwort, löste sich der Smiley an Paolos Brust, fiel mit einem Klink! zu Boden und rollte hinterher.
„Dauert noch einen Moment“, sagte Paolo und lächelte Netty an.
„Ich geh schonmal raus.“ Frank strich über ihren Hintern und achtete darauf, dass Paolo es sehen konnte. „Pack alles in eine Tüte.“

Er ging eiligen Schrittes Richtung Wagen zurück. Wind kam auf und Frank zog seine Jacke enger. Die Orientierung fiel im schwer. Das Sonnenlicht tauchte den Parkplatz in weißes Rauschen. Darin die Kronen der Laubbäume, weiche und raschelnde Schatten, ansonsten keine Anhaltspunkte. Am Anhänger des Sattelschleppers flatterten die Planen. Darunter zeichneten sich die Verstrebungen ab. Eine fragile Konstruktion.
Frank tastete sich an der Seite des Anhängers entlang. An den gebogenen Rippen aus Metall. Spürte ihre Vibrationen im zunehmenden Wind. Ein hohes Summen und Wimmern ging von ihnen aus. Franks Blick folgte den Verstrebungen, den Rippen, die aufgehängt an einer verkrümmten Wirbelsäule endeten, die Planen löchrig, zerfetzte Hautlappen.
Eine Skelettanomalie, hatte der Arzt es genannt. Auf Franks Frage, ob das genetisch bedingt wäre, sagte er nichts. Frank erinnerte sich daran, mit was für einem Ausdruck ihnen der Arzt erklärt hatte, wieso die Kleine so ein gelbes Gesichtlein hatte. Natürlich stellte er einen saftigen Betrag in Rechnung, noch bevor sie regelmäßig ins MRT musste. Dem ging es nur ums Geld, keine Spur von Anteilnahme. Seine kühle und sterile Mimik spiegelte Franks Innenleben. Ihre einzige Gemeinsamkeit machte ihn wahnsinnig.
An diesem Tag in der Klinik starb etwas in Frank. Der Teil von ihm, der schon lange marode geworden war. In seiner Kehle steckte ein gällender, schleimiger Kloß, den er nicht hinunterschlucken konnte und stattdessen in den Eimer neben der Liege spuckte. Das Ärztezimmer verschwamm vor seinen Augen. Auf Franks Hemd dunkle Flecken. Ein Ziehen in seinen Hoden. Vom Krankenhausgeruch drehte ihm der Magen.
Der Arzt sagte, sie habe eine besonders schwere Form und ihre Lebenserwartung sei entsprechend gering. Es tue ihm aufrichtig leid, aber die Hoffnung sei nie verloren. Er habe schon in den unmöglichsten Fällen große Tapferkeit gespürt, so wie er das auch bei ihnen tun könne. Frank knirschte mit den Zähnen und sagte mit steinerner Stimme: „Für mich ist sie schon gestorben.“ Entschuldigungen brauche er keine. Das alles sei eine bitterböse Farce.
Doch der Arzt schwafelte weiter und weiter, ein endloser Strom an Worten, während Netty Frank mit ihrem Weinen und Wimmern auf die Nerven ging, dass er ganz taub davon wurde. Der Arzt ekelte ihn an. Seine sterbende Neandertalertochter auf dieser Liege ekelte ihn an. Am liebsten hätte er den Briefbeschwerer auf dem Pult genommen und ihn gegen Nettys Schädel geschlagen, so lange, bis der unerträgliche Druck abnahm und die freigesetzte Energie das Tote in ihm wiederbelebte.

„Frank! Frank!“ Ihre aufgebrachte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Netty rannte über den Parkplatz auf ihn zu, die weiße Tüte mit den Einkäufen schlingerte an ihrer Hand. Das Gesicht blank vor Angst.
Atemlos blieb sie neben ihm stehen, lehnte sich schwerfällig gegen den Wagen. Der Fahrer des liegengebliebenen Sattelschleppers blickte interessiert zu ihnen herüber.
„Was ist denn, verdammt?“ Frank bemerkte den dunklen Fleck auf ihrer Jeans. „Hast du dir da drin in die Hose gemacht?“
„Nein. Ich wollte ... nur ein Glas Wasser ...“
Sie brauchte einen Moment, um regelmäßig atmen zu können. Frank sah ihr Zittern und nahm sie widerwillig in den Arm. Die Wolle ihres Pullovers war unangenehm kalt und ihn schmerzte das Sonnenlicht. „Was ist passiert?“, fragte er mit zusammengekniffenen Augen. Streichelte über ihren Hinterkopf, krallte sich in ihr Kraushaar, als müsse er sich irgendwo festhalten. Hob ihr Gesicht zu seinem. Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten und eine körperlich spürbare Bitternis schwappte auf ihn über. Rasch ließ er sie los.
„Der Mann, Frank – Der Mann hat mich gefragt, wieso ich Maya zurückgelassen habe.“

Unter ihnen der Asphalt. Grau. Gleichförmig. Endlos. Das Brummen des Motors. Klaustrophobische Monotonie. Das Rauschen der Reifen. Das Rütteln des Windes an der Karosserie. Eine Einöde aus Brachen, zündhölzernen Kiefern, verlassen daliegenden Farmen. Gras- und Weideflächen versunken in Sumpf. Keine Kühe oder Schafe oder sonstige Nutztiere. Nur im Rückspiegel ein gelbes, einsames Kalb.
Stählerne Skelette von Hochspannungsmasten, die Leitungen tiefhängende Darmschlingen, sachte schwingend im Wind. Vor ihnen der Highway, schnurgerade. Als würden sie nicht vom Fleck kommen. Eine Ebene, weit und horizontlos. Der Blick auf sie unscharf und verschwommen, wie durch eine Lupe unter der Wasseroberfläche.
Bald fielen graue Regenfäden aus konturlosen Wolken. Ein schwerer und dämpfender Vorhang. Im Wagen der Gestank nach Schweiß, säuerliche Panik, aufgewirbelt von der Klimaanlage.
„Kannst du das Radio anmachen?“, fragte Netty. „Ich mag’s nicht, wenn’s so still ist.“
Frank schaltete es an. Rauschen. Dann: KFOL-FM, 101.5, Popsongs, und die DJane plapperte was von Emotionen. Er hörte nicht hin. Netty summte eine Weile mit, scheinbar unbeschwert, doch schon nach Kurzem hörte sie damit auf und machte ein angestrengtes und beunruhigtes Gesicht. „Was hast du mit dem Mann gemacht?“, platzte es aus ihr heraus.
„Nichts.“
„Du hast ja Blut an den Fingern, Frank!“
„Hab ihm ein wenig Angst gemacht. Ihm gesagt, er solle sowas nie mehr machen, einer Frau solche Schrecken einzujagen.“ In seine Stimme schlich sich ein Zittern. „Hab mit der Faust auf die Theke gehauen.“
„Hast du dir weh gemacht? Warte, ich hab bestimmt ein Pflaster in meiner Handtasche.“
Netty verrenkte sich und kramte auf dem Rücksitz herum.
„Laß das! Ich brauch nichts.“
Sie setzte sich kerzengerade hin. „Okay.“ Doch sie gab noch nicht auf. „Wem gehört das Blut?“, fragte sie nach kurzem Schweigen, mit tränenunterdrückter Stimme. Sie knetete ihre Hände und blickte ihn nicht an.
„Unwichtig.“
„Deine Knöchel sind aufgeschlagen.“
Frank blickte auf seine Knöchel. „Weißt du, was ein Troglodyt ist?“
„Nein, Frank.“
„Ein verfluchter Höhlenbewohner!“
„Warum sagst du das?“
„Du begreifst das alles nicht. Du verstehst mich nicht. Bist strunzdumm. Wie ein Troglodyt eben.“
Frank schlug gegen das Lenkrad, einmal, zweimal, dreimal. Immer heftiger. Musste korrigieren, damit er den Wagen nicht gegen die Leitplanken setzte. Abbremsen. Auf Stirn und Wangen staute sich die Röte und er spürte einen Druck hinter seinen Augen, dass er befürchtete, die Äderchen könnten platzen. Er glaubte, Blitze zu sehen, die in die Fahrbahn einschlugen und faustgroße Krater hinterließen. Hörte Nettys Schreie, wenn der Wagen über Schlaglöcher rumpelte. Staub und Splitter und Schlick auf der Windschutzscheibe raubten ihm die Sicht.

Eine Woche später versuchten sie, in einer Bauruine miteinander zu schlafen. Doch Franks halberigierter Penis war ihm zu nichts nutze. Dröge wälzte er sich von ihr herunter, zog die Hosen hoch und stand ans leere Fenster. Zündete sich eine Zigarette an und blickte hinaus aufs Wasser, auf den schwarzglänzenden Teppich des sanft wogenden Meers. Der Wind trug den Geruch von Algen und Salz. Frank hörte das Brechen der Wellen.
„Es ist egal, Frank“, flüsterte Netty.
„Aber mir macht es was aus.“
„Vergiss es einfach.“
Lange sagten sie nichts. „Wie weit müssen wir noch fahren?“, fragte Netty und kam neben ihn. „Gibst du mir einen Zug?“
Frank reichte ihr die Zigarette und schwieg.
Es war Flut. Die Nacht kühl und wolkenlos, silbrige Streifen wanderten über die Wellen. Ihr Geräusch kam näher, je länger Frank am Fenster stand. Netty legte sich wieder hin, auf eine schimmelfeuchte Matratze, die sie im zweiten Stock der Ruine gefunden hatten. Sie schnarchte leise und Frank erinnerte sich an das Motelzimmer und an Maya.
In ihm war nichts, nur eine verzehrende Leere. Ein Schmerz wie Feuer unter der Haut. Taubheit stieg in ihm auf. Ein Kribbeln, als wäre sein ganzer Körper eingeschlafen und nur der rastlose Geist wachgeblieben. Eingesperrt in seinem Kopf. Er lehnte sich gegen die kalten Mauerblöcke, der Mörtel rau an seiner Schulter.
„Was Sie da tun, ist eine grausame Entmenschlichung“, flüsterte das Meer.
„Ihre Frau, nimmt sie Medikamente?“, die raunende Frage des Winds. Vielleicht hatte sie ihm ein Psychologe gestellt. Frank erinnerte sich nicht. Er stieg durch das Fenster und in seine nackten Füße stachen Steine und dorniges Unkraut. Er trat eine Weile unentschlossen darauf herum, schlug sich dann durchs Gestrüpp, in dem Zeitungsfetzen und Plastiksäcke flatterten, ging über Glasscherben und Muscheln hinunter zum Strand. Den Blick hinaus aufs Wasser gerichtet, auf der Suche nach der Linie, wo der schwarze Horizont in den Ozean überging.

Das Meer spülte eiskalt um seine Füße und die Ausläufer der Wellen rollten bis an die Küstendüne heran, wo sie Abfälle zurückließen. Flaschen, Fischernetze, eine Kühltruhe ohne Deckel und Kleidungsstücke. Durch das seichte Wasser schnellten kleine fluoreszierende Fische, tausende davon. Frank watete hinaus, bis die Wellenspitzen gegen seine Knie klatschten. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt und neben sich machte er den Schatten eines Autowracks aus, das sich in der Brandung leicht hin- und herbewegte.
Er stapfte zum Wrack und setzte sich hinein. Wasser presste aus dem aufgerissenen Fahrersitz, vom Steuerrad hingen schwarze Schlickpflanzen. Der Rückspiegel war abgerissen. Vom Auto nicht viel übrig, ein rostzerfressenes Gerippe. Trotzdem fühlte es sich seltsam vertraut an, als befände er sich an einem Ort, den er schon lange nicht mehr besucht hatte, der eine gewisse Familiarität in ihm weckte, ein Gefühl, als kehre er in seine Vergangenheit zurück. Er glaubte, Nettys Parfüm riechen zu können. Frank schloss die Augen und wartete.
Als er aufwachte, war er nass bis auf die Knochen. Es hatte geregnet. Die Flut war zurückgegangen und die Ebbe eingekehrt. Der Himmel war voller stecknadelgroßer Sterne und die Sichel des Halbmondes schwebte auf dem Wasser. Vereinzelte Gewitterwolken im Osten. Gelbliches Wetterleuchten. Ein Öltanker ausgestanzt vor dem Anthrazit des Horizonts. Frank stieg aus dem Wrack und machte sich auf den Rückweg.
Zwischen dem Gestrüpp bemerkte er eine ruhige, dunkle Fläche, in der sich die Sterne spiegelten, als schwämmen sie in zähflüssigem Quecksilber. Frank ging näher heran. Das Meer hatte eine Grube geflutet. Das Wasser war von gelblichen und rötlichen Streifen durchzogen, die schwach im Mondlicht leuchteten. Die Luft roch salzig, süßlich und fischig, faul. In der Mitte der Grube bewegte sich etwas. Frank konnte erst nicht erkennen, um was es sich handelte, dann vernahm er ein leises Muhen. Eine Kuh, oder eher ein Kalb, dass sich verirrt hatte und sich nicht mehr aus eigenen Kräften aus der Grube befreien konnte. Ein langsames Ertrinken. Frank dachte an einen Fötus und einen Uterus.
Der Boden fiel sofort ab und Frank musste sich schwimmend und platschend vorwärtsbewegen und schluckte Wasser. Er würgte, gab aber nicht auf. Sein Arm berührte etwas Glitschiges. Mit einer Hand kriegte er es zu fassen und zog daran. Das Kalb muhte und jetzt konnte er sehen, wie es strampelte, um nicht unterzugehen. Er kämpfte sich einhändig zurück auf festen Boden, kroch aus dem stinkigen Wasser. Er riss sich das Knie an einem metallenen Schild auf, welches halbvergraben im Sand steckte. Nareeshs World Famous Samosas stand in verwitterten Lettern darauf. In 0.5 miles to your right. Drop by! Ein abgeblätterter Pfeil zeigte die Richtung an. Im kräftiger werdenden Licht des Mondes war die Schrift gut zu erkennen.
Frank schaute sich das glitschige Etwas in seiner Hand genauer an. Es war eine Art Schnur, dick, die ins Wasser hineinführte. Sachte begann er daran zu ziehen und in der Mitte der Grube bewegte sich das Kalb, blieb dann ganz still, als hätte es aufgegeben, sich gegen das Ertrinken zu wehren oder als wüsste es, dass ihm nun jemand beistehen würde und es seine Anstrengungen einstellen konnte. Es war schwer und er musste sich hinsetzen, die Füße in den Sand stemmen und mit aller Kraft ziehen. Die Muskeln in seinen Armen protestierten schmerzhaft, aber er zog weiter. Seine Finger rutschten immer wieder ab.
Schließlich schaffte er es. Wie lange das Ziehen an der Nabelschnur dauerte, konnte er nicht einschätzen, aber die Horizontlinie schimmerte bereits im Angesicht des neuen Morgens. Frank nahm das Kalb in die Arme, streichelte über sein nasses Fell. Da bemerkte er, dass ihm die Beine fehlten und es gar keinen Kopf oder sonstige differenzierbare Äußerlichkeiten aufwies. Vielmehr hielt er ein rundliches Gebilde aus fleischartiger Substanz, knöchrigen Auswüchsen unter der fahlgelben Haut, die von borstigem Haar besetzt war. Frank wiegte es sachte und obwohl es keine Schnauze oder sonst eine Öffnung besaß, mit der es Laute von sich geben konnte, vernahm er das leise, tröstliche Muhen des Mondkalbs.

Ein aschener Morgen graute und Frank kroch zurück in die schimmlige Bauruine, setzte sich auf die vor Feuchtigkeit klamme Matratze und legte die Hände vors Gesicht. Er berührte Nettys Pullover, strich über die knotige Wolle, als könnte er darin etwas erfühlen, was er längst vergessen hatte. Seine Hand wanderte weiter, tastete nach dem Griff der Trage, in der Mayas Skelettchen festgezurrt war, unter den Fingern die poröse Struktur ihrer Knochen. Und er legte sich auf die Matratze, zusammen mit dem verwitterten Schädel, hielt ihn eng in seinem Arm, die Wasserflecken an der unverputzten Decke anstarrend. Auf der rissigen Betonfläche vor der Ruine stand der Anhänger eines Trucks. Seine zerfetzten weißen Planen flappten sachte im Wind.

 

Hallo @deserted-monkey,

komme endlich zu dem angekündigten Gegenbesuch. Du erzählst hier die Geschichte von Frank und Natty, die ihre Tochter in einem Motel zurücklassen und was für Konsequenzen das auf die beiden hat. Für mich ist das Thema deiner Story, wie unterschiedlich man trauert und wie der Verlust einer geliebten Person verarbeitet wird. Hier sehe ich vor allem auch das Kalb als ein Bild dafür, das ja auch maßgeblich für Franks Trauerprozess ist.

Ich hatte meine Schwierigkeiten, in den Text reinzukommen. Mir hätte es besser gefallen, wenn du mich als Leser etwas früher verortest, ich musste mir das nach und nach zusammenbauen mit dem Highway und den braunen Papiertüten. Hätte mir das gerne schon früher gewünscht, weil es mir den Einstieg erleichtert hätte. Am Anfang des Textes stellen sich mir die klassischen W-Fragen und wenn mir die Informationen fehlen, dann passiert es schnell, dass ich mich in einem Text verloren fühle bzw. die Relevanz des Textes für mich nicht richtig einordnen kann.

Ansonsten arbeitest du viel damit, dass du zentrale Informationen zurückhälst, um Spannung aufzubauen. Ich frage mich als Leser, wen müssen sie da genau zurücklassen? Worum geht es hier genau? Wie ist die Dynamik zwischen Frank und Natty? Wartet hier eine böse Überraschung auf mich, sind sie vielleicht sogar irgendwie Kriminelle? Allerdings werde ich etwas ungeduldig, weil die zentralen Informationen nach meinem Geschmack zu lange zurückgehalten werden und ich mich da als Leser etwas manipuliert fühle. Bei mir kommt der Gedanke: Ah, der Autor will, dass ich es spannend finde, deshalb bekomme ich die Infos nicht (hatte ein ähnliches Problem beim Einstieg von Dune, da hatte ich auch diesen Eindruck). Das kann auch an meinem eigenen Lesegeschmack liegen, allerdings möchte ich dir meinen subjektiven Leseeindruck mitteilen, damit du die Wirkung auf mich abschätzen kannst.

Zusätzlich arbeitest du viel mit den Sinnen, was mich auch gut reinzieht. Nichtsdestotrotz finde ich es an einigen Stellen (mehr dazu in den Details) überladen: Da prasseln einfach zu viele sensorische Details auf mich ein und ich habe noch gar nicht den ersten Sinneseindruck verarbeitet, als schon zwei, drei weitere Sinne aktiviert werden. Hier wäre in meinen Augen weniger mehr.

Abschließend noch ein Gedanke zu den Enthüllungen und zu den Antworten, um was es bei der Geschichte von Frank und Natty wirklich geht. Ich finde, dass die Erklärungen über Franks Gedanken nicht zum Anfang der Geschichte passen. Du arbeitest am Anfang mit Andeutungen, bist sehr spärlich mit den Informationen, die du preisgibst und auf einmal folgen die kompletten Erklärungen in Tell Form. Hier hätte ich mir gewünscht, dass du deinem Stil vom Anfang treu bleibst und Frank das eher direkt erlebt und ich als Leser meine eigenen Schlussfolgerungen über Franks und Nattys Schicksal ziehen kann.

Ich gehe im Detail auf meinen Eindruck ein:

Frank lauschte dem leisen, abgehackten Schnaufen aus der Zimmerecke. Draußen rauschte ein Lastwagen über den Highway und Lichtstreifen wanderten über die Wand hinter dem Bett. Die Luft roch staubig und abgestanden.
Das meinte ich mit den überladenen sensorischen Details, hier würde mir schon ein aussagekräftiges Details reichen, um mir das bildlich vorstellen zu können.

„Ja. Ja, das haben wir“, nuschelte sie.
„Zieh dir was an. Es ist kühl.“
Finde ich einen gelungen Dialog, der die Machtdynamik zwischen den beiden darstellt und eben auch etwas über ihre beiden Persönlichkeiten aussagt.

Zwei Zimmer weiter saß ein Halbstarker auf einem Klappsessel und trank aus einer Flasche in brauner Papiertüte.
In Kombination mit Highway konnte ich mich dann in den USA verorten.

„Ich hab nicht gesagt, du sollst den Zettel auf’s Bett legen“, presste er hervor
Finde das "hervorpressen" nicht optimal, mir würde "sagen" komplett ausreichen.

Später kroch eine blasse Röte über den Horizont. Der Asphalt des leeren Highways wirkte nass, als hätte es zuvor geregnet. Das Motel lag hundertfünfzig Meilen hinter ihnen.
Hat mir gut gefallen, wie du das Wetter schilderst und Atmosphäre erschaffst. Mochte ich gerne.

Im Rückspiegel betrachtete er seine glänzenden Augen, die beginnende Stirnglatze und den Dreitagebart, in den sich bereits Anzeichen von Grau geschlichen hatten.
Das finde ich ein Klischee: Der Spiegel, um das Aussehen zu beschreiben.

„Wieso hast du es denn gesagt? Ich weiß, dass ich anders bin, aber ich kann nichts dafür, Frank. Ich wollte das nicht.“
„Ja. Ich auch nicht.“
„Du hättest das mit dieser Versicherung machen sollen.“
Hier ein Beispiel, dass Informationen zurückgehalten werden. Das zieht sich generell durch den Text. Daher wundert es mich dann, als diese Erklärungen in Tellform kommen:
Erst drei Jahre nach der Geburt dämmerte ihm, dass sein Mädchen an einer seltenen Krankheit litt und das Verdrängung nicht als Gegenmittel helfen würde. Ihre Haut verfärbte sich, bekam Rohrschachflecken und er musste ihr die Händchen hinter den Rücken binden, weil sie sich dauernd blutig kratzte.
Das kam mir zu Holzhammer mäßig. Die kompletten Erklärungen passen nicht richtig zum Ton der Geschichte. Vielleicht gibt es ein bestimmtes Detail oder Verhaltensweisen, aus denen ich als Leser selbst darauf kommen kann?

Die letzten Jahre ackerte er als Feldarbeiter auf einer riesigen Farm, die mindestens tausend Hektar umfasste. Dort erlebte er die Geburt eines Mondkalbs.
Das Mondkalb als zentrales Symbol innerhalb der Geschichte. Ist für mich ein Beispiel für das Thema, das ich in diesem zentralen Satz sehe:

In einem Drehständer Romane und Sachbücher, einer der Titel, die ihm ins Auge stachen: How to grief and process the loss of a loved one.
Das ist für mich das Thema innerhalb deiner Geschichte, was über allem liegt.

„Ich geh schonmal raus.“ Frank strich über ihren Hintern und achtete darauf, dass Paolo es sehen konnte. „Pack alles in eine Tüte.“
Gelungene Dialoge, kaufe ich und sie erfüllen die Funktion, den Charakter der beiden weiter zu zeigen bzw. zu enthüllen.

Das Sonnenlicht tauchte den Parkplatz in übersättigtes weißes Rauschen. Die Kronen der Laubbäume weiche und raschelnde Schatten darin, ansonsten keine Anhaltspunkte. Am Anhänger des Sattelschleppers flatterten die Planen. Darunter zeichneten sich die Verstrebungen ab.
Hier auch wieder etwas überladen mit sensorischen Details.

Eine Skelettanomalie, hatte der Arzt es genannt. Auf Franks Frage, ob das genetisch bedingt wäre, sagte er nichts.
An diesem Tag in der Klinik starb etwas in Frank. Der Teil von ihm, der schon lange marode geworden war. In seiner Kehle steckte ein gällender, schleimiger Kloß, den er nicht hinunterschlucken konnte und stattdessen in den Eimer neben der Liege spuckte.
Zu erklärend, zu viele Informationen auf einmal.

„Was hast du mit dem Mann gemacht?“, platzte es aus ihr heraus.
„Nichts.“
„Du hast ja Blut an den Fingern, Frank!“
„Hab ihm ein wenig Angst gemacht. Ihm gesagt, er solle sowas nie mehr machen, einer Frau solche Schrecken einzujagen.“ In seine Stimme schlich sich ein Zittern. „Hab mit der Faust auf die Theke gehauen.“
Sehr gut geschrieben, da schwingt etwas mit zwischen den Zeilen, das passt wieder gut zum Ton der Geschichte.

So viel zu meinem Leseeindruck, hoffe, es hilft dir weiter. War schön mal wieder eine deiner Stories zu lesen. Finde, dass du gut schreiben kannst.

Beste Grüße
MRG

 

Lieber @MRG

Vielen Dank für dein Feedback! :-)

komme endlich zu dem angekündigten Gegenbesuch
Das freut mich sehr, aber Du weisst: Alles kann, nichts muss! :D Mit deinem Besuch kann ich sehr viel anfangen, also nochmal herzlichen Dank an der Stelle gleich vorneweg.

Für mich ist das Thema deiner Story, wie unterschiedlich man trauert und wie der Verlust einer geliebten Person verarbeitet wird. Hier sehe ich vor allem auch das Kalb als ein Bild dafür, das ja auch maßgeblich für Franks Trauerprozess ist.
Freut mich, dass Du es so gelesen hast!

Ich hatte meine Schwierigkeiten, in den Text reinzukommen. Mir hätte es besser gefallen, wenn du mich als Leser etwas früher verortest, ich musste mir das nach und nach zusammenbauen mit dem Highway und den braunen Papiertüten. Hätte mir das gerne schon früher gewünscht, weil es mir den Einstieg erleichtert hätte.
Danke für das Feedback. Habe den Anfang umgestellt, damit hoffentlich früher klar ist, wo wir uns befinden.

Ansonsten arbeitest du viel damit, dass du zentrale Informationen zurückhälst, um Spannung aufzubauen. Ich frage mich als Leser, wen müssen sie da genau zurücklassen? Worum geht es hier genau? Wie ist die Dynamik zwischen Frank und Natty? Wartet hier eine böse Überraschung auf mich, sind sie vielleicht sogar irgendwie Kriminelle? Allerdings werde ich etwas ungeduldig, weil die zentralen Informationen nach meinem Geschmack zu lange zurückgehalten werden und ich mich da als Leser etwas manipuliert fühle. Bei mir kommt der Gedanke: Ah, der Autor will, dass ich es spannend finde, deshalb bekomme ich die Infos nicht (hatte ein ähnliches Problem beim Einstieg von Dune, da hatte ich auch diesen Eindruck).
Verstehe ich, kann ich nachvollziehen diese Sichtweise. Ja, ist ein wenig eine Krux für mich, ich habe hier gelernt, dass man immer ein Geheimnis wahren soll, weil ich glaube, in früheren Texten habe ich gleich von Beginn weg viel zu viel verraten bzw. einleitend wie eine Art Zusammenfassung der Geschichte geschrieben ... Aber vielleicht habe ich das jetzt übertrieben, mit dem Geheimnis! :D Ich schaue mal, ob noch jemand solches Feedback gibt, aber nehme es mir als Eindruck auf jeden Fall mit. Ist wertvolles Feedback, danke Dir.

Zusätzlich arbeitest du viel mit den Sinnen, was mich auch gut reinzieht. Nichtsdestotrotz finde ich es an einigen Stellen (mehr dazu in den Details) überladen: Da prasseln einfach zu viele sensorische Details auf mich ein und ich habe noch gar nicht den ersten Sinneseindruck verarbeitet, als schon zwei, drei weitere Sinne aktiviert werden. Hier wäre in meinen Augen weniger mehr.
Danke auch dafür und für das Aufführen der Stellen, wo Du diesen Eindruck hattest. Ich denke auch, dass ich weiss, welche weiteren Passagen im Text Du sonst noch damit meinst. Ich werde das ein wenig entschlacken :thumbsup:

Du arbeitest am Anfang mit Andeutungen, bist sehr spärlich mit den Informationen, die du preisgibst und auf einmal folgen die kompletten Erklärungen in Tell Form. Hier hätte ich mir gewünscht, dass du deinem Stil vom Anfang treu bleibst und Frank das eher direkt erlebt und ich als Leser meine eigenen Schlussfolgerungen über Franks und Nattys Schicksal ziehen kann.
Ja, es ist zum Haare raufen, diese Tell-Scheisse schleicht sich doch einfach immer wieder in meine Texte! :P Ich glaube auch, ich weiss woran das liegt: Mein Zeug ist ja meist relativ lang, also auch hier, das sind ca. 9-10 Seiten, und ich habe dann immer das Gefühl, ich muss irgendwie verkürzen, sonst liest das niemand. Dabei kommen dann halt oft Hintergrundinformationen in Tellform heraus ... Arrrgh! Schreibe ich mir dick auf die Fahnen und ich werde die beiden fetten Tellblöcke dieses Wochenende auflösen und das Ganze szenisch schreiben! Danke für das super Feedback.

Finde ich einen gelungen Dialog, der die Machtdynamik zwischen den beiden darstellt und eben auch etwas über ihre beiden Persönlichkeiten aussagt.
Gelungene Dialoge, kaufe ich und sie erfüllen die Funktion, den Charakter der beiden weiter zu zeigen bzw. zu enthüllen.
Sehr gut geschrieben, da schwingt etwas mit zwischen den Zeilen, das passt wieder gut zum Ton der Geschichte.
Gelungene Dialoge: Mann, das freut mich gerade sehr! War das doch lange eine Riesenbaustelle bei meinen Texten. Geht runter wie Öl.

Das finde ich ein Klischee: Der Spiegel, um das Aussehen zu beschreiben.
Absolut. Ich werde das noch umschreiben oder es weglassen.

hoffe, es hilft dir weiter
Aber sicher!!

War schön mal wieder eine deiner Stories zu lesen. Finde, dass du gut schreiben kannst.
Danke und merci fürs Vorbeischauen.

Beste Grüsse,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @deserted-monkey

Ein düsteres Roadmovie hast du da geschrieben, das mir über weite Strecken gut gefallen hat.

Der Anfang der Geschichte baut geschickt Spannung auf. Es werden viele Fragen aufgeworfen. Wer wird da zurückgelassen? Warum? Was ist mit Netty? Kurz kam bei mir der Eindruck auf, die beiden werden verfolgt.
Dann wird aber immer klarer, worum es geht. Frank, der sich so sehr ein Kind gewünscht hat, ist mit einer Missgeburt geschlagen und damit heillos überfordert. Mir kam das Sprichwort in den Sinn: Gott straft, indem er Wünsche erfüllt. Aber warum ausgerechnet Frank? Was hat er verbrochen? Netty ist auch keine große Hilfe, scheint unterbelichtet zu sein.
Besonders gefallen haben mir die ellipsenhaften, stimmungsvollen Beschreibungen, die eine düstere Atmosphäre schaffen. Ab und zu sind mir aber Formulierungen aufgefallen, die auf mich gewollt literarisch, um nicht zu sagen gekünstelt wirken.

Das Sonnenlicht tauchte den Parkplatz in übersättigtes weißes Rauschen.
In gedankenloser Zeit erstarrt.

Kritisieren muss ich auch den Dialog mit Paolo in der Raststätte. Er nimmt meiner Meinung nach zu viel Raum ein, weil er nichts Wesentliches zur Geschichte beiträgt. Jedenfalls wurde ich an der Stelle beim Lesen ungeduldig. Woher weiß Paolo eigentlich, dass sie Maya zurückgelassen haben?

Und dann der Schluss. Hier gleitet die Story allmählich ins Surreale hinüber. Frank zieht ein Mondkalb an der Nabelschnur aus dem Wasser, dann streicht er über das Skelett von Maya, die er am Anfang im Motel zurückgelassen hat.
Ich bin mir nicht schlüssig, was du damit ausdrücken willst. Hat Frank nun seinen Frieden mit Maya gemacht, die Trauerbewältigung auf ein neues Level gehoben? Oder ist das der totale psychische Zusammenbruch? Etwas mehr Klarheit hätte ich mir da gewünscht.

Aber Träume müssen auch nicht unbedingt erklärt werden.

Hier noch Kleinigkeiten:

ihre Haut pechschwarz, bei Berührung kalt wie Obsidian
Obsidian als Inbegriff der Kälte?
Im Rückspiegel betrachtete er seine glänzenden Augen, die beginnende Stirnglatze und den Dreitagebart, in den sich bereits Anzeichen von Grau geschlichen hatten.
Dieser Spiegeltrick, um das Aussehen des Protagonisten zu beschreiben, ist leider schon sehr abgenutzt. Braucht es die Beschreibung überhaupt? Soll sich der Leser doch sein eigenes Bild von ihm machen, finde ich.
In ihrem Blick flackerte kurz etwas Alarmiertes.
Was man in einem Blick so lesen kann, und dann noch in der Dämmerung. Erstaunlich. Das sind so Floskeln, die einer näheren Betrachtung nicht standhalten.
verfolgte ihn bis in seine Träume, wo es zu weit unvorstellbareren Formen mutierte.
Entweder ist etwas unvorstellbar oder eben nicht. Da ist kein Platz für eine Steigerung.
Je länger er darüber nachdachte, kam er zum Entschluss, dass sie ein Kuckuckskind sein musste.
Der Satz schreit nach einem "desto". Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass sie ein Kuckuckskind sein musste.
und er spürte einen Druck hinter seinen Augen, dass er befürchtete, die Äderchen könnten platzen.
Einen solch starken Druck … dass er befürchtete. Oder: "... einen Druck …, so stark, dass er …
Netty hatte sich wieder hingelegt, auf eine schimmelfeuchte Matratze, die sie im zweiten Stock der Ruine fanden.
Die Matratze hatten sie doch bereits vorher gefunden. Also: gefunden hatten.

Grüße
Sturek

 

Hey @Sturek

Vielen Dank für deinen Kommentar, fürs Lesen, fürs Zeitnehmen. Der Text ist nicht gerade kurz. Hat mich sehr gefreut!

düsteres Roadmovie
Cool, gefällt mir, dass Du den Text so gelesen und eingeordnet hast, super.

das mir über weite Strecken gut gefallen hat
:cool:

Der Anfang der Geschichte baut geschickt Spannung auf.
Danke Dir!

Dann wird aber immer klarer, worum es geht. Frank, der sich so sehr ein Kind gewünscht hat, ist mit einer Missgeburt geschlagen und damit heillos überfordert. Mir kam das Sprichwort in den Sinn: Gott straft, indem er Wünsche erfüllt.
Ja, ich lese hier heraus (vor allem wegen des 'aber') dass es Dir so ähnlich ergangen ist wie MRG, das plötzlich viel zu viel verraten wird. Ich werde die beiden Teile noch umschreiben, szenischer gestalten, etwas zurückschrauben vom Informationsgehalt, damit ich da nicht gleich mit der Tür ins Haus falle. Im allerersten Draft waren nochmal viel mehr Erklärungen drin, ein Glück habe ich das vor dem Einstellen schon bisschen reduziert, aber ist natürlich immer noch nicht gut bzw. mittlerweile auch ärgerlich für mich, dass ich das immer noch nicht richtig mache ... Ich arbeite daran!

'Mit einer Missgeburt' geschlagen, ja, das klingt hart, aber soll es ja auch, so wird es (hoffentlich) vom Text vermittelt. Was mich etwas verwundert an den bisherigen Rückmeldungen (soll keinesfalls ein Vorwurf sein): Frank ist ein echter Unmensch, soll sehr unsympathisch wirken, kein Mitgefühl oder auch sonst nicht viel Gefühle zeigen, ja, im Grunde genommen verachtet er Menschen sogar (insbesondere seine Tochter, die er doch sehr entmenschlicht), zumindest wollte ich ihn so gestalten, weiss nicht, ob das angekommen ist? :-)

Netty ist auch keine große Hilfe, scheint unterbelichtet zu sein.
Ja, das hast Du gut rausgelesen. So wollte ich sie zeichnen. Die Schlafpillen haben da sicher auch ihr Ding dazu getan, aber sie soll schon auch ohne die geistig eher eingeschränkt wirken.

Besonders gefallen haben mir die ellipsenhaften, stimmungsvollen Beschreibungen, die eine düstere Atmosphäre schaffen.
Das freut mich ganz besonders. Ist so ein Ding, was ich gerne vertiefen würde bei kommenden Texten, schön, hat es für Dich hier gut funktioniert.

Ab und zu sind mir aber Formulierungen aufgefallen, die auf mich gewollt literarisch, um nicht zu sagen gekünstelt wirken.
Das Sonnenlicht tauchte den Parkplatz in übersättigtes weißes Rauschen.
In gedankenloser Zeit erstarrt.
Ja, ist eine Marotte von mir, so verkünstelt (andere mögen sagen: verschwurbelt) zu schreiben. Den ersten Satz habe ich umgeschrieben und den zweiten komplett gekillt. Danke fürs Aufzeigen.

Kritisieren muss ich auch den Dialog mit Paolo in der Raststätte. Er nimmt meiner Meinung nach zu viel Raum ein, weil er nichts Wesentliches zur Geschichte beiträgt. Jedenfalls wurde ich an der Stelle beim Lesen ungeduldig.
Verstehe. Hatte selbst auch die Befürchtung. Ja, die Szene in der Raststätte bringt die Story nicht wirklich weiter. Werde schauen, ob und wie ich das reduzieren, verknappen kann oder so umschreibe, dass die Geschichte nicht auf der Stelle tritt. Ich dachte, ich brauche die Szene, um die Surrealität langsam einzuführen, aber vielleicht klappt das nicht wie gewünscht.

ihre Haut pechschwarz, bei Berührung kalt wie Obsidian
Obsidian als Inbegriff der Kälte?
Ich habe mir dabei überlegt: Obsidian -> Gestein(sglas) -> kalt. Sollte auch noch einmal ihre pechschwarze Haut betonen bzw. sich darauf beziehen, da ich hier von einem schwarzen Obsidian ausgegangen bin (es gibt diese aber auch in anderen Farben, wie ich vor kurzem gelernt habe). Ich überlege, es umzuschreiben.

Dieser Spiegeltrick, um das Aussehen des Protagonisten zu beschreiben, ist leider schon sehr abgenutzt. Braucht es die Beschreibung überhaupt? Soll sich der Leser doch sein eigenes Bild von ihm machen, finde ich.
Ja :sick: Habe die Stelle gekillt bzw. sehr, sehr stark gekürzt/umgeschrieben.

Was man in einem Blick so lesen kann, und dann noch in der Dämmerung. Erstaunlich. Das sind so Floskeln, die einer näheren Betrachtung nicht standhalten.
Auch hier: Ist jetzt umgeschrieben/stark gekürzt.

Entweder ist etwas unvorstellbar oder eben nicht. Da ist kein Platz für eine Steigerung.
Für Frank ist Maya (bzw. ihr Äusseres) unvorstellbar und in seinen Träumen mutiert sie dann eben zu etwas (für ihn) noch Unvorstellbarerem. Ich verstehe schon, von 'unvorstellbar' gibt es eigentlich keine Steigerungsform, erachte es an der Stelle aber als dichterische Freiheit. Naja, vielleicht ist das auch Quatsch!

Der Satz schreit nach einem "desto". Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass sie ein Kuckuckskind sein musste.
Einen solch starken Druck … dass er befürchtete. Oder: "... einen Druck …, so stark, dass er …
Ich verstehe die Einwände, aber denke, die Sätze gehen durchaus so auf, sind halt einfach verkürzt.

Die Matratze hatten sie doch bereits vorher gefunden. Also: gefunden hatten.
Guter Punkt. Ich hatte da ein bisschen viel 'hatte' auf engem Raum ... :D Weshalb ich an der Stelle versucht habe, das zu reduzieren, aber hast natürlich recht, dass sie die Matratze bereits vorher gefunden haben. Habe es jetzt ein wenig umgeschrieben. Danke!

Merci für's lesen und deine Inputs, Sturek! Hast mir weitergeholfen :-)

Geniess das Wochenende und Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo d-m, zu Deiner Geschichte kann man eine ganze Menge sagen. Ich möchte mich auf einen Aspekt beschränken, nicht ohne jedoch zuvor ganz grundsätzlich anzumerken, dass es viele gute Details bei diesem Text gibt und ich finde, dass Du schreibtechnisch auf gutem Weg bist. Man sieht, dass Du die Szenen der Geschichte deutlich vor Augen hast und Dir für die Entwicklung des Plots genug Zeit nimmst. Ich finde diese Geschichte hat eine Menge Stärken.

Jetzt zum kritischen Aspekt des Ganzen. Ich will mal zum ganz Grundsätzlichen zurück gehen. Warum lesen wir Geschichten? Dafür gibt es verschiedene Gründe aber nicht unendlich viele. Ein wichtiger Motivationsgrund ist, dass wir ein Abenteuer, eine spannende Kette von Ereignissen miterleben wollen, vielleicht auch eine Krise und dabei interessiert uns, wie der Protagonist sich bewährt. Und da ist ein entscheidender Faktor die Identifikation mit der Hauptfigur. Wenn ich die Hauptfigur langweilig oder abstoßend finde, kann mich zwar immer noch theoretisch interessieren, wie die Sache ausgeht, aber ich nehme nicht mehr emotional Anteil.

Du hast Dich für eine abstoßende Hauptfigur entschieden und ich will lediglich diesen Punkt genauer beleuchten. Ich stelle es mir so vor, dass der Text dem Leser etwas gibt, deshalb opfert dieser seine Zeit und Aufmerksamkeit. Wenn der Text dem Leser einen wichtigen Motivationsgrund vorenthält, in diesem Fall die Möglichkeit zur Identifikation muss er in anderen Bereichen sehr viel mehr bieten, um das Defizit auszugleichen.

Das könnte sein:

- eine überdurchschnittlich intelligente oder witzige Hauptfigur
- eine Hauptfigur, die über Expertenwissen verfügt
- das Vergnügen des Lesers, die Hauptfigur scheitern zu sehen (wie in einer Satire)
- ein sehr ungewöhnliches Setting, das ein quasi sachbezogenes Interesse beim Leser weckt
- eine charismatische Nebenfigur
- die Vermittlung von Wissen und Erkenntnis, weil die Geschichte z.B. historische oder philosophische Zusammenhänge vermittelt

Auf Deinen Text bezogen trifft am ehesten noch der Aspekt des ungewöhnlichen Settings zu. Sonst aber sieht es mit der Kompensation des Mangels an Identifikationsmöglichkeiten nicht so gut aus. Der Text entschädigt nicht ausreichend dafür, dass die Hauptfigur ein Arsch ist.

Vom Handwerklichen ausgehend, würde ich beim Schreiben immer empfehlen, eine Hauptfigur zu wählen, die zumindest etwas Anteilnahme beim Leser auslöst. Tut man das nicht, muss ein Text viel packender, origineller sein als mit sympathischem Protagonisten. Es gibt einen Grund, weshalb man im Kino so gut wie nie Filme mit einer abstoßenden Hauptfigur sieht. Das solltest Du berücksichtigen, glaube ich.

Freut mich, wieder einen Text von Dir gelesen zu haben!

Gruß Achillus

 

Hallo @deserted-monkey

Ich bin etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite ist das eine Geschichte, die zugleich unheimlich und emotional bewegend auf mich wirkt.

Allerdings empfinde ich den Anfang holprig. Hier häufen sich leider auch kleine Fehler. Es kommt mir so vor, als hättest du dich im Verlauf der Geschichte erst warm schreiben müssen.

Spätestens ab der Mitte funktioniert der Stil mit den ausgeschmückten, düsteren Beschreibungen besser. Zu Beginn war mir das etwas zu dick aufgetragen. Einige Beispiele dafür liefere ich gleich.

Zunächst noch zum Plot. Leider habe ich da auch etwas zu mäkeln. Es ist natürlich mein persönliches Problem, dass ich in einem medizinischen Beruf arbeite. Daher fällt mir auf, dass du mehrere Krankheitsbilder in einen Topf wirfst, aber keines davon näher ausführst.
Natürlich soll deine Geschichte nicht zu einer wissenschaftlichen Abhandlung werden. Aber es verwirrt mich hier ein wenig…
Handelt es sich hier um ein Proteus oder ein Alagille Syndrom?
Das musst du nicht unbedingt bis ins letzte Detail erklären.
Aber ich glaube, dass es auch anderen Lesern leichter fallen dürfte, wenn du nicht mit so vielen Begriffen um dich wirfst. Klar, das soll Atmosphäre bringen. Aber es müsste dann für meinen Geschmack mehr Stringenz rein.

Deine beiden Hauptcharaktere hast du gut entwickelt. Auch ich muss hier die Dialoge loben! Sie erzählen uns schon viel über deine Figuren.

Beide sind ja nicht unbedingt hochgebildet. Darum ist die heftige Reaktion von Frank und die Hilflosigkeit von Netty absolut nachvollziehbar.

Er kennt nur ,,Fight or Flight‘‘ Und weil er mit der Situation gar nicht zurecht kommt, flüchtet er bzw. lässt das ,,Problem‘‘ hinter sich.

Netty hingegen schwankt zwischen Ergebenheit, Angst und ihren Muttergefühlen. Sehr gut gemacht, wie du Sie charakterisiert!
Nur einen Punkt muss ich anmerken: Es klingt ja im Text an, dass auch sie auf Medikamente angewiesen ist. Das solltest auch noch näher ausführen. Ist sie körperlich oder psychisch erkrankt? Ist sie vielleicht gar kein schlichtes Gemüt, sondern gesundheitlich beeinträchtigt? Da hätte ich gerne mehr erfahren.

Jetzt zum einzelnen:

Später kroch eine blasse Röte über den Horizont.
Wie gesagt, am Anfang verhaspelst du dich ein wenig. Das klingt für meinen Geschmack nicht so schön. Kriechen… Hmm…
Warum nicht leuchten?
,,Der Horizont leuchtete in hellrot‘‘
Oder so etwas…

Er regte sich darüber auf, dass die Ärzte die Dinge nicht beim Namen nennen konnten
Den ersten Teil könnte man streichen. Aufregen, das klingt so banal und alltäglich. ,,Warum nannte kein Arzt die Dinge beim Namen‘‘

Rohrschachflecken
Das ist ungünstig ausgedrückt. Medizinisch gesehen würde ich eher von marmorierter Haut sprechen.

Netty lag vollgepumpt mit Tabletten auf dem Sofa und bekam nichts mit. Auf der Fahrt ins Krankenhaus dachte er: Drei verschwendete Jahre.
Das ist der Punkt, bei dem ich stutzte. Was ist mit Netty? Natürlich muss man nicht alles haarklein erzählen. Aber das ist hier ja ein wichtiger Punkt…

Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann und ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, so das es wüst und roh und abstoßend aussah, realisierte er, dass irgendetwas getan werden musste.
Puh, was für ein Satzmonster. Überlege dir mal, ob du dass nicht ein wenig aufdröseln möchtest…

Je länger er darüber nachdachte, kam er zum Entschluss, dass sie ein Kuckuckskind sein musste.
Grammatikalisch klingt das seltsam für mich. müsste da nicht ,,umso mehr‘‘ eingefügt werden?
Zumal ich dass auch kürzer und härter anpacken würde. So in der Art vielleicht:
Ein Kuckuckskind - Das war sie!

Handlangergehalts
Ich würde nur Gehalt schreiben. Du erklärst ja ein paar Sätze später ohnehin sehr schön, als was er arbeitet.

farbloses Sonnenlicht brach durch die
Also ich weiß nicht, ob dass nur ich so sehe… Aber Sonnenlicht empfinde ich nie als farblos. Vielleicht ,,weißes Sonnenlicht‘‘ Ist auch keine Farbe, aber klingt besser…

Nur meine Meinung…

Das Sonnenlicht übersättigt, tauchte den Parkplatz in weißes Rauschen.
Ist das ,,übersättigt‘‘ hier aus einer Überarbeitung übrig geblieben? Auf jeden Fall passt es nicht rein.

Die Kronen der Laubbäume weiche und raschelnde Schatten darin, ansonsten keine Anhaltspunkte.
Hier stimmen die Satzzeichen nicht.
Die Kronen der Laubbäume. Weiche und raschelnde Schatten darin. Ansonsten keine Anhaltspunkte.

Wenn du es so, als Art Gedankenstrom, schreiben wolltest.

Ein hohes Summen und Wimmern gingen von ihnen aus
Tippfehler. ging

Seine kühle und sterile Mimik widerspiegelte Franks Innenleben.
Nur Spiegeln. spiegelte sein Innenleben.

Auf Franks Hemd dunkle Flecken, ein Ziehen in seinen Hoden und vom Krankenhausgeruch drehte ihm der Magen. Ein Karussell der Ohnmacht.
Hier ist dasselbe Satzzeichen Problem. Solche Gedanken würde ich mit Punkten trennen.

Ein aschener Morgen graute und Frank kroch zurück in die schimmlige Bauruine, setzte sich auf die vor Feuchtigkeit klamme Matratze und legte die Hände vors Gesicht. Die Isolation seiner Tränen, eine Befreiung. Er berührte Nettys Pullover, strich über die knotige Wolle, als könnte er darin etwas erfühlen, was er längst vergessen hatte. Seine Hand wanderte weiter, tastete nach dem Griff der Trage, in der Mayas Skelettchen festgezurrt war, unter den Fingern die poröse Struktur ihrer Knochen. Und er legte sich auf die Matratze, zusammen mit dem verwitterten Schädel, hielt ihn eng in seinem Arm, die Wasserflecken an der unverputzten Decke anstarrend. Auf der rissigen Betonfläche vor der Ruine stand der Anhänger eines Trucks. Seine zerfetzten weißen Planen flappten sachte im Wind.
Das Ende, vor allem der Traum mit dem Mondkalb ist sehr stark beschrieben. Allerdings verwirrt mich der Teil mit der Trage.

Haben sie das Kind doch nicht zurückgelassen? War alles nur eine psychotische Fantasie von Frank? Träumt er noch immer.

Hier wäre vielleicht ein wenig mehr Klarheit ganz gut. Also mir gefällt der Schluss auch mit diesen offen Fragen. Aber wenn es hier konkreter wäre, würde es vielleicht noch heftiger wirken.

Zusammengefasst würde ich vorschlagen:

- Den Anfang straffen. Etwas weniger blumig beschreiben. Düster und prägnant bleiben

- Nettys (mögliche) Krankheit mehr heraus stellen

- Das Krankheitsbild von Maya eindeutiger beschreiben

- Eventuell den Schluss konkretisieren

Ansonsten habe ich es gern gelesen. Ganz schön düsterer Brocken! Kompliment, dass du diese Stimmung so gut rüber gebracht hast!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Achillus

Habe mich wirklich sehr über deine Rückmeldung gefreut! Danke viemals für deine Zeit, für den Kommentar und natürlich fürs Lesen der Geschichte um Frank, Netty und ihrem Mondkind. Ich finde, Du gehörst definitiv zu den besten Autoren hier im Forum. Im Stillen habe ich schon viele deiner Geschichten gelesen, auch die neuste, 'Terminus', habe mich da aber mit einem Kommentar zurückgehalten, weil ich abgesehen von persönlichen Geschmacksfragen gar nicht viel anzumerken hätte und ich nicht weiss, ob Dir das überhaupt weiterhilft. Jedenfalls tut es sehr gut, sowas von einem Autoren zu lesen, zu dem bzw. zu dessen Texte (wir kennen uns ja nicht) man selbst aufschaut:

zu Deiner Geschichte kann man eine ganze Menge sagen. Ich möchte mich auf einen Aspekt beschränken, nicht ohne jedoch zuvor ganz grundsätzlich anzumerken, dass es viele gute Details bei diesem Text gibt und ich finde, dass Du schreibtechnisch auf gutem Weg bist. Man sieht, dass Du die Szenen der Geschichte deutlich vor Augen hast und Dir für die Entwicklung des Plots genug Zeit nimmst. Ich finde diese Geschichte hat eine Menge Stärken
Ich freu mich gerade richtig doll. Tausend Dank!

( ich will Dir keinen Honig um den Mund schmieren, übrigens, ich mein das ernst! Fühlt sich echt wie ein kleiner Ritterschlag an :-) )

Zu deinem Hauptkritikpunkt:
Ja, das hast Du sehr verständlich ausgeführt. Danke dafür. Ich würde jetzt einfach sagen, dass ich Dir da zustimme. Habe das beim Schreiben vollkommen ausser Acht gelassen. Ich denke jetzt, nachdem ich deine Ausführungen gelesen habe, dass wenn ich Frank ambivalenter gestalten würde, die Geschichte einen grösseren emotionalen Impact hätte. Das leuchtet mir ein. Vielleicht ist das so ein Kardinalsfehler, der mir hier passiert ist. Wollte einfach schauen, wie das wirkt, wenn ich dem Leser eine abstossende Figur 'an die Hand gebe'. Wollte dadurch das Düstere im Text noch stärker hervorheben. Aber ja, macht alles Sinn, was Du schreibst, also, ich überlege mir das: Für den Text hier und für zukünftige sowieso! Also, es war ein Ausprobieren mit dieser hässlichen Hauptfigur und ich merke jetzt, dass sich der Text mit Frank selbst ein wenig ein Bein stellt. Vielleicht wäre es besser gewesen, aus Nettys Sicht zu schreiben, sie als emotionalen Anker für den Leser herauszuarbeiten und Frank eher zur Nebenfigur zu machen. Ich 'speichere' mir deine Anmerkungen ab!

Es gibt einen Grund, weshalb man im Kino so gut wie nie Filme mit einer abstoßenden Hauptfigur sieht.
Ein einleuchtender Vergleich. Ich versuche sowieso, meine Texte soweit möglich, eher cineastisch aufzuziehen bzw. sie cineastisch zu sehen. Deshalb hat mich auch deine Anmerkung gefreut, dass man merkt, dass ich die Szenen deutlich vor Augen habe. Danke vielmals!

Freut mich, wieder einen Text von Dir gelesen zu haben!
Und ich habe mich riesig über dein Feedback gefreut, Achillus.

Ich werde sicher auch wieder einmal bei einer deiner Geschichten vorbeischauen. Also bis bald.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Rainbow Runner

Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Du bist sehr ins Detail gegangen und hast mir aufgezeigt, wo noch Baustellen sind. Im Gegenzug aber auch gewisse Dinge am Text gelobt, was mich natürlich sehr gefreut hat. Insgesamt zeigt mir dein Beitrag sehr genau auf, welche Dinge ich auch in Zukunft näher betrachten sollte. Danke vielmals dafür! Es wird jetzt ein wenig eine Zitateschlacht, aber macht ja nix. Ich versuche, Dir möglichst ausführlich zu antworten und somit deine aufgewendete Zeit mit meinem Text hoffentlich zu würdigen.

Auf der einen Seite ist das eine Geschichte, die zugleich unheimlich und emotional bewegend auf mich wirkt.
'Unheimlich' und 'emotional bewegend' nehme ich sehr, sehr gerne an (wie alles andere auch, was Du geschrieben hast, nicht das wir uns falsch verstehen =) ). Das ist klasse, dass Du emotional involviert wurdest, das sagt ja schonmal viel über einen Text aus. Es hat mich deshalb sehr gefreut, auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass die Emotionen nicht unbedingt positiver Natur waren.

Allerdings empfinde ich den Anfang holprig. Hier häufen sich leider auch kleine Fehler. Es kommt mir so vor, als hättest du dich im Verlauf der Geschichte erst warm schreiben müssen.
Ich habe gerade die von Dir genannten Stellen angepasst, aber wahrscheinlich geht da noch bisschen mehr. Ich schaue gerade den Anfang nochmal genauer durch. Dazu brauche ich selbst aber ein wenig mehr Abstand vom Text, sonst fallen mir solche Sachen nicht auf. Ich finde die Rückmeldung bezüglich des Anfangs, wo Du ja nicht der Einzige bist, der so gefeedbackt hat, sehr interessant, denn ich persönlich hatte den Eindruck bzw. die Befürchtung, dass die Textqualität gegen Ende eher abnehmen würde. :D Aber hey, da ist ganz sicher was dran, an dem Feedback, und ich brauche einfach noch einen Moment, damit ich das selbst auch so sehen kann.

Es ist natürlich mein persönliches Problem, dass ich in einem medizinischen Beruf arbeite.
Nein, da möchte ich wiedersprechen. Es ist ganz sicher nicht dein Problem, dass Du dich in der Materie auskennst, es ist vielmehr das Problem des Textes, dass er da eben zu ungenaue bzw. verwirrende Angaben liefert! :-)

Handelt es sich hier um ein Proteus oder ein Alagille Syndrom?
Ich war ehrlich gesagt etwas baff, dass Du das so genau erkennen konntest! Klasse. Ja, es soll um das Alagille-Syndrom gehen. Vor dem Einstellen des Textes hatte ich – wie schon an einen deiner Vorkommentatoren geschrieben – noch viel mehr Infos bezüglich des Syndroms im Text, aber es wirkte dann zu erklärend und zu ausführlich auf mich, weshalb ich einen Grossteil der Infos vor dem Einstellen gekillt habe. Ausserdem war mir auch wichtig, dass Syndrom dann doch nicht soo genau zu benennen, weil ich verhindern wollte, dass der Text Menschen mit dem Alagille-Syndrom irgendwie denunziert und schlechtredet. Okay, klar, Franks Charakter ist natürlich nicht die Sicht des Autors, Gott bewahre!, aber dennoch ... Ich bin mir ehrlich gesagt etwas unschlüssig, ob mehr Infos wirklich nützlich, zielführend sind. Überlege ich mir aber!

Deine beiden Hauptcharaktere hast du gut entwickelt. Auch ich muss hier die Dialoge loben! Sie erzählen uns schon viel über deine Figuren.
Freut mich wirklich sehr, dieses Feedback!

Beide sind ja nicht unbedingt hochgebildet. Darum ist die heftige Reaktion von Frank und die Hilflosigkeit von Netty absolut nachvollziehbar.

Er kennt nur ,,Fight or Flight‘‘ Und weil er mit der Situation gar nicht zurecht kommt, flüchtet er bzw. lässt das ,,Problem‘‘ hinter sich.

Netty hingegen schwankt zwischen Ergebenheit, Angst und ihren Muttergefühlen. Sehr gut gemacht, wie du Sie charakterisiert!

Genial, dass Du es so gelesen hast. Genau so wollte ich es rüberbringen.

Nur einen Punkt muss ich anmerken: Es klingt ja im Text an, dass auch sie auf Medikamente angewiesen ist. Das solltest auch noch näher ausführen. Ist sie körperlich oder psychisch erkrankt? Ist sie vielleicht gar kein schlichtes Gemüt, sondern gesundheitlich beeinträchtigt? Da hätte ich gerne mehr erfahren.
Auch hier, ich dachte, es werden irgendwann einfach zu viele Infos. Ich bin mir nicht sicher, ob es da mehr braucht, aber verstehe natürlich deine Sicht sehr gut, gerade als jemand, der in einem medizinischen Berufsfeld tätig ist. Ich überlege mir, das ein wenig auszubauen!

Das Ende, vor allem der Traum mit dem Mondkalb ist sehr stark beschrieben.
Vielen Dank :shy: Diese eher surreale Richtung ist etwas, was ich gerne vertiefen würde, muss aber aufpassen, dass dann der Plot nicht darunter leidet, weil plötzlich einfach alles möglich sein kann, ohne Erklärung. Du hast ja auch das Ende der Story kritisiert, dass es zu wenig eindeutig ist/wird.

Von daher:

Hier wäre vielleicht ein wenig mehr Klarheit ganz gut. Also mir gefällt der Schluss auch mit diesen offen Fragen. Aber wenn es hier konkreter wäre, würde es vielleicht noch heftiger wirken.
Ja! Guter Punkt.

Ganz schön düsterer Brocken! Kompliment, dass du diese Stimmung so gut rüber gebracht hast!
Das hat mich ehrlich gesagt am meisten gefreut: Düsterer Brocken! Klingt danach, als wäre die Geschichte nicht ganz so einfach verdaubar, also genau, was ich beabsichtigt hatte. Wirklich geil. Bezüglich der Stimmung habe ich mich sehr gut in diese reinversetzen können mit der entsprechenden Musik (ich schreibe immer zu Musik, kann gar nicht anders): ABSENT IN BODY - The Half Rising Man. Super düsterer Doom-Metal, tonnenschwer. Vielleicht kommt daher das mit dem Brocken? ;):Pfeif:

Noch zu deinen Einzelanmerkungen:

Wie gesagt, am Anfang verhaspelst du dich ein wenig. Das klingt für meinen Geschmack nicht so schön. Kriechen… Hmm…
Warum nicht leuchten?
,,Der Horizont leuchtete in hellrot‘‘
Oder so etwas…
Ist abgeändert.

Den ersten Teil könnte man streichen. Aufregen, das klingt so banal und alltäglich. ,,Warum nannte kein Arzt die Dinge beim Namen‘‘
Sehr gut! Habe ich geändert.

Das ist ungünstig ausgedrückt. Medizinisch gesehen würde ich eher von marmorierter Haut sprechen.
Auch das habe ich verändert.

Puh, was für ein Satzmonster. Überlege dir mal, ob du dass nicht ein wenig aufdröseln möchtest…
Mir gefallen solche Satzmonster (zwischendurch) :shy::drool:

Grammatikalisch klingt das seltsam für mich. müsste da nicht ,,umso mehr‘‘ eingefügt werden?
Zumal ich dass auch kürzer und härter anpacken würde. So in der Art vielleicht:
Ein Kuckuckskind - Das war sie!
Ich finde deinen Vorschlag ziemlich gut. Habe die Stelle noch nicht angepasst, werde aber noch was dran machen.

Ich würde nur Gehalt schreiben. Du erklärst ja ein paar Sätze später ohnehin sehr schön, als was er arbeitet.
Stimmt. Ändere ich noch.

Also ich weiß nicht, ob dass nur ich so sehe… Aber Sonnenlicht empfinde ich nie als farblos. Vielleicht ,,weißes Sonnenlicht‘‘ Ist auch keine Farbe, aber klingt besser…
Geht mir auch so. Es soll hier aber bereits etwas surreal wirken. Deshalb ist das Sonnenlicht an der Stelle farblos. Mmmh, ich überlege noch, ob und wie ich es verändere.

Ist das ,,übersättigt‘‘ hier aus einer Überarbeitung übrig geblieben? Auf jeden Fall passt es nicht rein.
Yep. Ist gekillt jetzt.

Wenn du es so, als Art Gedankenstrom, schreiben wolltest.
Habe die Stelle angepasst.

Tippfehler. ging
Nur Spiegeln. spiegelte sein Innenleben.
Sehr gut! Ist beides verbessert. Danke für dein genaues Auge.

Hier ist dasselbe Satzzeichen Problem. Solche Gedanken würde ich mit Punkten trennen.
Ist erledigt.

Rainbow Runner, vielen Dank für dein gutes Feedback, für die Kritik, für deine Zeit und fürs Lesen und alles. Ich habe mich sehr gefreut!

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey,

was soll ich sagen? Ein Text, der mich angesprochen hat! Er ist sprachlich gelungen, weil du viele stimmige Bilder erzeugst.

Z.B.:

Ein farbloses Sonnenlicht brach durch die Wolkendecke. Die Fenster des Rastplatzgebäudes staubig und die Fassade grau wie Asche. Auf dem Parkplatz ein Sattelschlepper mit geplatztem Reifen. Der Fahrer pisste in ein Gebüsch. Die Tür zu Mikes Diner & Quickmart quietschte und eine Glocke bimmelte. Im Innern roch es nach Bohnerwachs, kaltem Frittierfett und etwas anderem, dass Frank an Antiseptika erinnerte. Auf einem Tisch lag ein halbgegessenes Stück Pizza. Eine Fliege summte darüber.
Manchmal empfinde ich solche Detailbeschreibungen als Lesehindernis. Warum soll ich wissen, dass der Sattelschlepper geplatzte Reifen hat? Bei deinem Text sind diese Details nicht Selbstzweck, sondern Ergänzungen zum Inhalt, der eigentlichen Erzählung.
Das ist der zweite Punkt, warum ich deine Erzählung hoch bewerte: Du beschreibst eine ungewöhnliche, unverbrauchte Situation, verläßt dich nicht nur auf dein Können, eine Atmosphäre zu beschreiben.
Eine gute Eigenschaft der Geschichte ist auch die Möglichkeit, den Inhalt auf sich selbst zu beziehen. Zum Glück erleben nur wenige Menschen die geschilderte Tragödie. Aber: Man kann reflektieren, wie man sich selbst in einer solchen Lage (oder einer weniger brisanten, aber ähnlichen) verhalten würde. Wie stark wäre man, die Beziehung?
Wenn man ehrlich ist, kann man nicht garantieren, gewisse Schnittmengen mit Frank zu haben. Deshalb ist es auch unerheblich, dass du einen unsympathischen Protagonisten gewählt hast. Sein Charakter ist vielschichtig, dadurch wird er interessant.

Franks Blick folgte den Verstrebungen, den Rippen, die aufgehängt an einer verkrümmten Wirbelsäule endeten, die Planen löchrig, zerfetzte Hautlappen.

Stählerne Skelette von Hochspannungsmasten, die Leitungen tiefhängende Darmschlingen
Vom Auto nicht viel übrig, ein rostzerfressenes Gerippe

Schön, dieses durchgehende Motiv des Skeletts, ein Hinweis auf den Schluss:
Seine Hand wanderte weiter, tastete nach dem Griff der Trage, in der Mayas Skelettchen festgezurrt war, unter den Fingern die poröse Struktur ihrer Knochen.
Inhaltlich bin ich bei dem oben zitierten Skelett hängen geblieben, das Kind wurde doch im Motel zurück gelassen. Natürlich kann ich mir auch vorstellen, dass dies nur eine Art psychohygienischer Einbildung war.


Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann und ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, so das es wüst und roh und abstoßend aussah, realisierte er, dass irgendetwas getan werden musste.

Ein Vorschlag:

'Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann realisierte er, dass ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, es wüst und roh und abstoßend aussah, irgendetwas getan werden musste.'

So vermeidest du zweimal ‚dass‘ und ein sehr nach hinten verschobenes Verb.

(Geht auch: Spätestens als sich ihr Schädel abnorm entwickelte realisierte …).

Ansonsten: hatte, so dass


Stählerne Skelette von Hochspannungsmasten, die Leitungen tiefhängende Darmschlingen
Wie gesagt, gut, dieses Skelettmotiv. Es ist ein tolles Bild, Darmschlingen am Skelett ist trotzdem etwas gewagt (andererseits - was man alles so assoziieren kann ...).

Dröge wälzte er sich von ihr herunter, zog die Hosen hoch und stand ans leere Fenster.
"ans" ist das eine regionalabhängige Formulierung? (Stellte sich ans Fenster; ging zum leeren Fenster? Stand am? Was ist ein volles Fenster?).

Durch das seichte Wasser schnellten kleine fluoreszierende Fische, hunderttausende davon
Müssen es gleich hunderttausende sein?

Gut, mal etwas außerhalb der üblichen Plots zu lesen,

l G,

Woltochinon

 

Hey @deserted-monkey

Das ist ein guter Text, den ich gern gelesen habe. Die Thematik, die atmosphärischen Beschreibungen, die Dialoge, die Figurenzeichnung haben mich angesprochen. Drei kritische Überlegungen. Nimm, was du gebrauchen kannst.
1. Erstens scheint mir der Text noch etwas unentschlossen. Zum einen präsentierst du die fiebrig-düstere Gegenwartssituation, gespickt mit surrealen Elementen. Das hat mir sehr gut gefallen. Zum anderen aber finden sich im Text erklärende Rückblenden, was die Geschichte auf den Boden der medizinischen Tatsachen holt. Zuweilen liest sich das dann fast wie eine Krankengeschichte inkl. Aufzählung von Symptomen usw. Ich denke, mir hätte es besser gefallen, wenn du den Fokus komplett auf die aktuelle Situation, auf die inneren Zustände und Prozesse gelegt hättest. Es drängt sich der Vergleich zu Lynchs Eraserhead auf. (Ist immer ein wenig problematisch, wenn man auf andere Werke verweist, die es "besser" machen, aber hier scheint mir das allenfalls hilfreich zu sein). Das Baby dort hat ja Vogelgestalt und das finde ich gut gemacht, denn als Zuschauer komme ich gar nicht auf die Idee, eine Diagnose oder entsprechende Fragen zu stellen. Damit wird die Geschichte auch deutungsoffener. Wofür steht das Vogelkind? Geht es vielleicht um die Erfahrung, dass man ein Wesen auf die Welt gebracht hat und nicht weiss, wie man damit umgehen soll - eine traumatische Erfahrung, die unabhänig vom Gesundheitszustand des Kindes ist? Spielt sich das nur im Kopf des Protagonisten ab? Durch den Verzicht auf "Realitätssinn" behält der Film die beklemmende Stimmung konsequent aufrecht, wird zu einem anderthalbstündigen Alptraum, der mich in meinem Innersten gepackt hat.
2. Damit verbunden: Mir ist der Prot noch etwas zu wenig ambivalent. Ja, da ist der Ekel. Aber da müsste m.E auch Verantwortung, Fürsorge, Pflichtgefühl vorhanden sein und spürbar werden. Dieses Spannungsfeld, diesen enormen Konflikt hätte ich gerne noch etwas ausgelotet gehabt. Wie fühlt es sich an, das Kind zu versorgen, es zu pflegen, es zu lieben? Und es gleichzeitig loswerden zu wollen? Erst dieser Widerspruch würde den Text so richtig schön unerträglich machen, finde ich.
3. Ich habe mich dabei ertappt, die atmosphärischen Beschreibungen ab einem bestimmten Punkt zu überfliegen. Die sind weiterhin gut gemacht, aber ein bisschen auch mehr vom Gleichen. Da könnten noch Farbtupfer rein. Oder dann vielleicht gegen Ende etwas zurückfahren.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Woltochinon

Schön, von Dir zu lesen! Bist ja ein richtiges Urgestein hier, wenn ich dein Beitrittsdatum und die Beitragsanzahl ansehe, wird mir grad bisschen schwindelig ;-) Soll was heissen, dass Du diesem Forum schon so lange treu geblieben bist. Sehr cool! Danke für deinen Beitrag unter meiner Story.

Ein Text, der mich angesprochen hat! Er ist sprachlich gelungen, weil du viele stimmige Bilder erzeugst.
Das freut mich sehr, Woltochinon!

Manchmal empfinde ich solche Detailbeschreibungen als Lesehindernis. Warum soll ich wissen, dass der Sattelschlepper geplatzte Reifen hat? Bei deinem Text sind diese Details nicht Selbstzweck, sondern Ergänzungen zum Inhalt, der eigentlichen Erzählung.
Schön, dass Du das so wahrnimmst. Das wurde ja von anderen bisschen kritisiert, dass es vielleicht stellenweise zu viele Details sind, zu viele Atmo-Beschreibungen. Muss da wohl noch das richtige Mass ausloten ... Nicht, dass die Story dadurch auf der Stelle tritt. Freut mich aber, dass es bei Dir insgesamt gut funktioniert hat.

Das ist der zweite Punkt, warum ich deine Erzählung hoch bewerte: Du beschreibst eine ungewöhnliche, unverbrauchte Situation, verläßt dich nicht nur auf dein Können, eine Atmosphäre zu beschreiben.
Gut, mal etwas außerhalb der üblichen Plots zu lesen,
Sehr cool. Ja, ich versuche natürlich schon, nicht den x-ten Plot nochmal frisch aufzuwärmen, kommt aber sicher auch auf die Lesegewohnheiten an, wie man das wahrnimmt und ob das Individualität besitzt. Aber natürlich nehme ich dieses Feedback sehr gerne an, denn das war und ist mir schon wichtig, in dem Sinne möglichst ungewöhnliche Stories zu erzählen. Wenn die Leser dann auch noch mitgehen, ist das super. Die Idee für die Geschichte war sehr spontan, ich wusste als erstes nur, dass ich über eine Krankheit schreiben möchte, bzw. über ein Kind mit einer seltenen Krankheit und was das für Auswirkungen auf die Eltern hat. Habe nach seltenen Krankheiten gegoogelt und bin auf das Alagille-Syndrom gestossen. Von da an hat sich dann alles wie von selbst ergeben.

Eine gute Eigenschaft der Geschichte ist auch die Möglichkeit, den Inhalt auf sich selbst zu beziehen. Zum Glück erleben nur wenige Menschen die geschilderte Tragödie. Aber: Man kann reflektieren, wie man sich selbst in einer solchen Lage (oder einer weniger brisanten, aber ähnlichen) verhalten würde. Wie stark wäre man, die Beziehung?
Wenn man ehrlich ist, kann man nicht garantieren, gewisse Schnittmengen mit Frank zu haben. Deshalb ist es auch unerheblich, dass du einen unsympathischen Protagonisten gewählt hast. Sein Charakter ist vielschichtig, dadurch wird er interessant.
Auch dieses Feedback freut mich sehr, vor allem auch das mit der Reflektion. Dass Du Frank als vielschichtigen Charakter wahrnimmst, finde ich super, aber ich denke schon, jetzt nach doch einigen Rückmeldungen, dass ich ihn noch hier und da ausbauen muss, damit die Story noch etwas tiefer einsinkt. Aber hey, super Sache, dass Du auch mit einem unsympathischen Protagonisten 'leben kannst'! :-)

Ein Vorschlag: 'Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann realisierte er, dass ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, es wüst und roh und abstoßend aussah, irgendetwas getan werden musste.' So vermeidest du zweimal ‚dass‘ und ein sehr nach hinten verschobenes Verb. (Geht auch: Spätestens als sich ihr Schädel abnorm entwickelte realisierte …). Ansonsten: hatte, so dass
Der Satz wurde auch bereits von Rainbow Runner kritisiert. Ich habe den jetzt etwas umgeschrieben, dank deiner Vorschläge! Habe zwei Sätze draus gemacht, so ist die Passage hoffentlich auch etwas einfacher konsumier-/lesbar, hehe. Die 2x 'dass' habe ich noch nicht eliminieren können, weil sonst für mich der Rhythmus nicht mehr passt, aber was noch nicht ist, kann noch werden ;-) Danke!

Wie gesagt, gut, dieses Skelettmotiv. Es ist ein tolles Bild, Darmschlingen am Skelett ist trotzdem etwas gewagt (andererseits - was man alles so assoziieren kann ...).
Danke Dir. Ja, das mit den Darmschlingen ist erst im Nachhinein dazugekommen, erst war da was anderes. Fand es dann recht passend, weil es sich wieder auf das Syndrom bezieht, bei dem wohl auch die Därme verkümmern können. Aber ja, ich gebe Dir schon recht, dass die Darmschlingen am Skelett 'hängen' ... Mmmh, ja ... :D

"ans" ist das eine regionalabhängige Formulierung? (Stellte sich ans Fenster; ging zum leeren Fenster? Stand am? Was ist ein volles Fenster?).
Mmmh, vielleicht ist das irgendwie Schweizerisch? :D Klang für mich einfach gut. 'Stellte sich ans Fenster' finde ich an und für sich sehr gut, aber dann habe ich 2x 'sich' im selben Satz ... Was ich wiederum nicht so doll fände. Ich überlege mir noch was. Mit dem 'leeren Fenster' ist gemeint, dass es einfach eine Öffnung ist, also ohne Scheiben etc. Vielleicht etwas unpräzise? Ein 'volles Fenster' klingt ja echt doof ... :P Vielleicht finde ich noch etwas Treffenderes, danke für den Hinweis.

Müssen es gleich hunderttausende sein?
Guter Punkt. Es sind jetzt noch 'tausende'.

Vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text, Woltochinon, fürs lesen und kommentieren! Ich muss zugeben, habe bisher nur den Text aus der letzten Challenge von Dir gelesen, werde nach weiteren Ausschau halten und mir den ein oder anderen zu Gemüte führen :-) Alles Gute und hoffentlich bleibst Du weiterhin aktiv!

Beste Grüsse,
d-m

 

Servus,

ich würde hier anfangen, den Text davor wegkürzen:

Erst drei Jahre nach der Geburt dämmerte ihm, dass sein Mädchen an einer seltenen Krankheit litt und das Verdrängung nicht als Gegenmittel helfen würde.
Begründung: Der Einstieg ist schwer zu konsumieren, langsam, ich bekomme die Figuren nicht zu Gesicht, baue keine Bindung auf, fiebere nicht mit ihnen mit, ich habe mir schwer getan, die ersten Absätze zu lesen. Dabei ist deine Geschichte richtig gut. Fange hier an, ist mein Rat. Der Satz knallt und man ist direkt in Verbindung mit deinem Prot, spürt sein Schicksal und die Zwiegespaltenheit. Es ist auch ein gut gewähltes Schicksal - könnte das nicht jedem von uns passieren? Frank kann nichts dafür, dass sein Kind behindert ist. Er kann nichts dafür, dass er ein einfacher Arbeiter mit geringem Lohn ist. Diese zwei Zufälle gemeinsam aber schlagen auf ihn ein wie Magenhiebe. Es ist kein Ende in Sicht. Er muss etwas tun, das grausam ist, um sich zu retten. Er könnte auch anders handeln, könnte sich völlig aufopfern - aber Frank will auch ein Leben. Man versteht das als Leser, und dass jemand aus gutem Grund grausam handeln muss, ist interessant. Der Text davor, die Sache im Motel - das ist nur Ballast für den Text, der nichts zur Sache tut, der keinen Konflikt packend in sich hat. Schmeiß das raus, ist meine Empfehlung, und starte direkt hier. Der Satz scheppert und man ist direkt angefixt.

Erst drei Jahre nach der Geburt dämmerte ihm, dass sein Mädchen an einer seltenen Krankheit litt und das Verdrängung nicht als Gegenmittel helfen würde. Ihre Haut verfärbte sich, bekam Marmorflecken und er musste ihr die Händchen hinter den Rücken binden, weil sie sich dauernd blutig kratzte. Netty lag vollgepumpt mit Tabletten auf dem Sofa und bekam nichts mit. Auf der Fahrt ins Krankenhaus dachte er: Drei verschwendete Jahre.
Spätestens als sich ihr Schädel abnorm zu entwickeln begann, realisierte er, dass ihn sein Kind zunehmend an ein stumpfsinniges Neandertalermädchen erinnerte, dem jemand mit einem Stein die Gesichtsstruktur zerschlagen hatte, so dass es wüst und roh und abstoßend aussah.
Sehr stark Stelle.

Manchmal, in seltenen wolkenlosen Mondnächten saß er regungslos an Mayas Krippe und betrachtete sie, nur dann, in dieser anthrazitgrauen Düsternis, nahm er sie als seine Tochter wahr, die er sich so sehr gewünscht hatte, und fand Frieden im Moment.
Doch der Tag zerstörte jede Illusion. Je länger er darüber nachdachte, kam er zum Entschluss, dass sie ein Kuckuckskind sein musste. Irgendjemand hatte sein echtes Mädchen gestohlen und es gegen dieses Wesen ausgetauscht.
Ebenfalls äußerst stark

Die letzten Jahre ackerte er als Feldarbeiter auf einer riesigen Farm, die mindestens tausend Hektar umfasste. Dort erlebte er die Geburt eines Mondkalbs. Amorphus globosus nannte der alte Farmer das rundliche Gebilde aus Haut, Fell und wahllos zusammengewachsenen Innereien. Frank hatte sich abwenden und kotzen müssen. Das blutverschmierte, unterentwickelte Ding im Gras ... Er versuchte, nicht mehr daran zu denken. Seine Hände krampften am Lenkrad und Schweiß stand in seinem Nacken. Ihn fröstelte.
Genauso das

Unter ihnen der Asphalt. Grau. Gleichförmig. Endlos. Das Brummen des Motors.
sehr schön

Eine Woche später versuchten sie, in einer Bauruine miteinander zu schlafen. Doch Franks halberigierter Penis war ihm zu nichts nutze. Dröge wälzte er sich von ihr herunter, zog die Hosen hoch und stand ans leere Fenster.
stark

Frank dachte an einen Fötus und einen Uterus, ohne zu verstehen, warum oder näher darüber nachzudenken.
würde ich streichen, darauf kommt der Leser selbst, dann wirkt es auch stärker

Frank wiegte es sachte und obwohl es keine Schnauze oder sonst eine Öffnung besaß, mit der es Laute von sich geben konnte, vernahm er das leise, tröstliche Muhen des Mondkalbs. Erschöpft schlief er ein und träumte von seinem Kind, diesmal in Frieden, mit sich selbst und ihr.
Ein aschener Morgen graute und Frank kroch zurück in die schimmlige Bauruine, setzte sich auf die vor Feuchtigkeit klamme Matratze und legte die Hände vors Gesicht. Die Isolation seiner Tränen, eine Befreiung. Er berührte Nettys Pullover, strich über die knotige Wolle, als könnte er darin etwas erfühlen, was er längst vergessen hatte. Seine Hand wanderte weiter, tastete nach dem Griff der Trage, in der Mayas Skelettchen festgezurrt war, unter den Fingern die poröse Struktur ihrer Knochen. Und er legte sich auf die Matratze, zusammen mit dem verwitterten Schädel, hielt ihn eng in seinem Arm, die Wasserflecken an der unverputzten Decke anstarrend. Auf der rissigen Betonfläche vor der Ruine stand der Anhänger eines Trucks. Seine zerfetzten weißen Planen flappten sachte im Wind.
Für mich bräuchte es dieses versöhnliche Ende nicht. Ich denke, weniger wäre hier mehr. Für mich ist der Konflikt Franks stark genug, die Story zu tragen und satt zu machen. Ich komme mir hier auch etwas betrogen vor als Leser - ich glaube nicht, dass Frank an dieser Stelle wirklich versöhnt ist mit seinem Schicksal und den Dingen, die er erlebt und getan hat. Das geht zu schnell, ist irgendwo der deus ex machina. Er geht ins Meer und am nächsten Morgen ist alles von ihm gefallen. Ich denke, so schnell geht das nicht. Für mich braucht es auch das Loswerden dieses Konflikts in der Story gar nicht. Lass ihn einfach diese eigenartige Begegnung in den Wellen mit dem Kalb haben, aber streiche die Versöhnung mit sich selbst und dem Schicksal. Lass offen, wie es weitergeht mit Frank im Allgemeinen. Dass seine Tochter da als Skelett liegt ist mir auch ein bisschen too much, das bräuchte es für mich an der Stelle auch nicht. Ich würde sie einfach eine Erinnerung sein lassen, vor der er davonläuft.

Fazit: Das ist eine sehr starke Story, sehr stark geschrieben, aber die ersten Blöcke sind purer Ballast und geben der Geschichte eine Schlagseite, die ihr nicht guttut. Steige später ein, an der Stelle, an der Franks innerer Konflikt so schön authentisch erzählt wird, und du hast deine Leser am Haken. Da sind einige sehr schöne Stellen drin, ich mag das Abgründige, aber auch, wie authentisch du das Schicksal mit dem behinderten Kind dargestellt hast, ich glaube dem Text an diesen Stellen sehr und wertschätze es, dass der Text so offen mit den Aggressionen Franks umgeht. Erinnert mich an eine Erzählung, die ich mal geschrieben habe, "Am Ufer", da habe ich mit ähnlichen Dingen gearbeitet. Noch eine Sache: Schade, dass das nicht in Deutschland spielt. Das würde einem noch mehr an die Nieren gehen als Leser. Weil das Ganze in Amerika spielt, ist da ein ganzer Ozean an Distanz zwischen Franks Schicksal und meinem, und ich kann zwar meinen Voyeurismus ausleben, aber kann mich innerlich mit dem Gedanken "das betrifft mich irgendwie eh nicht, anderes Krankenkassensystem, andere Löhne" davor retten, dass mir Franks Schicksal so richtig an die Nieren gehen kann. Aber insgesamt ein sehr starkes Teil.

Beste Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Peeperkorn

Herzlichen Dank für dein Feedback. Habe mich sehr darüber gefreut. Auch, weil Du wiederholt unter einer meiner Stories kommentiert hast. Danke für deine Zeit.

Das ist ein guter Text, den ich gern gelesen habe. Die Thematik, die atmosphärischen Beschreibungen, die Dialoge, die Figurenzeichnung haben mich angesprochen.
Zum einen präsentierst du die fiebrig-düstere Gegenwartssituation, gespickt mit surrealen Elementen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Das ist toll, Peeperkorn! Anhand deiner Rückmeldungen zu meinen drei letzten 'Horror'-Geschichten kann ich gut meine Weiterentwicklung nachvollziehen. Das gibt mir ein gutes Gefühl für kommende Texte, dass ich da auf dem richtigen Weg bin. Möchte neben den Afrika-Stories, die ich von Zeit zu Zeit schreibe, sehr gerne auch diese eher phantastischen Texte weiterentwickeln und ausbauen. Deine Beiträge und deine Meinungen waren mir da eine grosse Hilfe und Unterstützung.

Mit deinen Anmerkungen kann ich viel anfangen, alle drei von Dir aufgezeigten Punkte bringen die Story weiter, denke ich.

Zum anderen aber finden sich im Text erklärende Rückblenden, was die Geschichte auf den Boden der medizinischen Tatsachen holt. Zuweilen liest sich das dann fast wie eine Krankengeschichte inkl. Aufzählung von Symptomen usw. Ich denke, mir hätte es besser gefallen, wenn du den Fokus komplett auf die aktuelle Situation, auf die inneren Zustände und Prozesse gelegt hättest.
Ich habe bereits an MRG was dazu geschrieben und ich stimme Dir da zu, dass diese Rückblenden nicht das Gelbe vom Ei sind. Ich glaube, die müssten szenischer geschrieben sein, damit es besser zieht. Was aber schon ein wenig an mir nagt, ist, dass Du davon schreibst, dass die Geschichte 'auf den Boden der medizinischen Tatsachen zurückgeholt wird' und dass es sich dadurch dann wie 'eine Krankheitsgeschichte' liest. Du bringst danach ein gutes Beispiel:

Es drängt sich der Vergleich zu Lynchs Eraserhead auf.
Ich gebe es zu: Habe Eraserhead nie gesehen! (ja, Schande über mich :P)
Aber auch ohne den Film zu kennen: Das Krankheitsbild nicht so konkret machen und das Kind mehr als 'Monster' beschreiben. Finde das einen sehr guten Punkt, auch wenn ich anfänglich noch etwas unentschlossen kommentiert habe, ob da mehr zu den medizinischen Hintergründen nicht besser wäre ... Aber dann hätte ich mich weiter in Begrifflichkeiten verstrickt, von denen ich nicht grade Ahnung habe :-) Es leuchtet mir ein, so wie Du es schilderst und vorschlägst.

p.s.: Den Film werde ich mir noch ansehen, danke für den Tipp!

Mir ist der Prot noch etwas zu wenig ambivalent. Ja, da ist der Ekel. Aber da müsste m.E auch Verantwortung, Fürsorge, Pflichtgefühl vorhanden sein und spürbar werden. Dieses Spannungsfeld, diesen enormen Konflikt hätte ich gerne noch etwas ausgelotet gehabt. Wie fühlt es sich an, das Kind zu versorgen, es zu pflegen, es zu lieben? Und es gleichzeitig loswerden zu wollen? Erst dieser Widerspruch würde den Text so richtig schön unerträglich machen, finde ich.
Ja, ich denke, das ist der springende Punkt bzw. der Punkt, der mir mittlerweile am stärksten unter den Nägeln brennt. 'Richtig schön unterträglich', ja, das fände ich klasse. Ich muss zugeben, was Überarbeitungen bei meinen Texten anbetrifft, bin ich leider ein fauler Affe, aber ich nehme mir das vor, hier an dem Gnosis-Text weiter rumzuschrauben, mit dem Hauptziel, Frank widersprüchlicher, ambivalenter zu gestalten. Das hat mich auf jeden Fall darin bestärkt!

Ich habe mich dabei ertappt, die atmosphärischen Beschreibungen ab einem bestimmten Punkt zu überfliegen. Die sind weiterhin gut gemacht, aber ein bisschen auch mehr vom Gleichen. Da könnten noch Farbtupfer rein. Oder dann vielleicht gegen Ende etwas zurückfahren.
Ich hatte bereits während des Schreibens ein ähnliches Gefühl ... Habe meinen inneren Kritiker dann aber einfach zum Schweigen verdonnert :D Das sind schon recht viele Atmo-Details und dann meist auch noch geballt auf engem Raum. Sehe den Punkt, dass es sich zu stark wiederholt. Farbtupfer, ja, muss ich mir überlegen, ist ja schon sehr grau und trostlos alles, aber ein paar von den Beschreibungen rausnehmen, das ist eine sehr gute Idee. Werde ich noch was dran machen!

Lieber Peeperkorn, merci für den Kommentar, ich sehe das noch brachliegende Potential jetzt besser, danke Dir sehr für deinen Input und das Du erneut Zeit in einen meiner Texte investiert hast.

Beste Grüsse,
d-m


Hallo @zigga

Danke auch Dir sehr für deinen Kommentar. Ich war schon etwas erleichtert, das er positiv ausgefallen ist :D Freut mich, konnte die Story Dich in ihren Kernpunkten erreichen.

Fange hier an, ist mein Rat.
Ich denke, ich mag diese radikale (Kürzungs-)Herangehensweise eigentlich, aber ich brauche da noch etwas Zeit, das selbst zu sehen. Auch von anderen wurde der Anfang bemängelt. Muss was dran sein. Habe mir bereits eine Version abgespeichert, ohne den Anfang und schaue mal in einer Woche oder zwei, welche Version sich dann für mich besser liest.

Der Satz knallt und man ist direkt in Verbindung mit deinem Prot, spürt sein Schicksal und die Zwiegespaltenheit. Es ist auch ein gut gewähltes Schicksal - könnte das nicht jedem von uns passieren? Frank kann nichts dafür, dass sein Kind behindert ist. Er kann nichts dafür, dass er ein einfacher Arbeiter mit geringem Lohn ist. Diese zwei Zufälle gemeinsam aber schlagen auf ihn ein wie Magenhiebe. Es ist kein Ende in Sicht. Er muss etwas tun, das grausam ist, um sich zu retten. Er könnte auch anders handeln, könnte sich völlig aufopfern - aber Frank will auch ein Leben. Man versteht das als Leser, und dass jemand aus gutem Grund grausam handeln muss, ist interessant.
Danke Dir! Super Feedback. Und danke auch für die Stellen, die Du als stark empfunden hast.

würde ich streichen, darauf kommt der Leser selbst, dann wirkt es auch stärker
Mit der Stelle war ich auch nicht recht zufrieden. Habe es nach deinem Vorschlag angepasst.

Ich komme mir hier auch etwas betrogen vor als Leser - ich glaube nicht, dass Frank an dieser Stelle wirklich versöhnt ist mit seinem Schicksal und den Dingen, die er erlebt und getan hat. Das geht zu schnell, ist irgendwo der deus ex machina. Er geht ins Meer und am nächsten Morgen ist alles von ihm gefallen. Ich denke, so schnell geht das nicht.
Gebe ich Dir recht. So ganz weiss ich noch nicht, ob ich den Schluss einfach abschneiden kann, habe aber direkt den Satz mit dem Einschlafen und Träumen und Friedenfinden gekillt. Dass das mit dem Skelett too much ist, verstehe ich auch, es ist es ein zu 'einfacher Ausstieg', Franks Erlebnisse als Traum oder Halluzination abzutun (was das Skelett ja irgendwo impliziert, denke ich), eigentlich fast so, wie am Ende der Story zu schreiben: Und dann wachte er auf. Nee, sehe den Punkt. Danke!

Da sind einige sehr schöne Stellen drin, ich mag das Abgründige, aber auch, wie authentisch du das Schicksal mit dem behinderten Kind dargestellt hast, ich glaube dem Text an diesen Stellen sehr und wertschätze es, dass der Text so offen mit den Aggressionen Franks umgeht. Erinnert mich an eine Erzählung, die ich mal geschrieben habe, "Am Ufer", da habe ich mit ähnlichen Dingen gearbeitet.
Auch dafür vielen Dank! Die Story hatte ich damals sogar gelesen. Fand das heftigen Tobak. Wollte eben noch mal nach ihr sehen, aber Du hast sie wohl rausgenommen zwecks Einsendung. Drück Dir die Daumen, dass es klappt.

Noch eine Sache: Schade, dass das nicht in Deutschland spielt. Das würde einem noch mehr an die Nieren gehen als Leser. Weil das Ganze in Amerika spielt, ist da ein ganzer Ozean an Distanz zwischen Franks Schicksal und meinem, und ich kann zwar meinen Voyeurismus ausleben, aber kann mich innerlich mit dem Gedanken "das betrifft mich irgendwie eh nicht, anderes Krankenkassensystem, andere Löhne" davor retten, dass mir Franks Schicksal so richtig an die Nieren gehen kann. Aber insgesamt ein sehr starkes Teil.
Ich glaube, das liegt hauptsächlich an meiner letztjährigen Leseprägung, dass das in Amerika spielt. Habe mir eine Menge amerikanische Weird-Autoren reingezogen, da gibt's viele, die's echt drauf haben, finde ich. War so meine Inspirationsquelle. Ich kann den Punkt schon nachvollziehen, wegen Deutschland, aber schlussendlich müssen die Handlung und die Charaktere packend sein, denke ich, dann spielt das nicht so eine grosse Rolle, was der Handlungsort ist. Aber ich verstehe es, wenn Du gegen die Amerikanisierung der Kultur sein solltest.

Danke Dir sehr, zigga, für Zeit und fürs Lesen und den Kommentar, der mir echt Bock gemacht hat, weiterzuschreiben.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey,

habe die Kommentare überflogen und das Meiste von dem, was ich bei der Geschichte so denke und fühle, bereits gelesen. Einiges sehe ich auch komplett andersrum. Und vielleicht verstecken sich ja in meinen Ausführungen ein oder zwei neue Punkte. Außerdem habe ich bisschen Flusenlese gemacht.

Die Geschichte von Frank, der Frau und Kind getötet hat (?), erzählt als düster metaphorisches Roadmovie. Das entwickelt am Anfang einen tollen, rätselhaften Sog, hat dann in der Mitte einen infodumpigen Knoten und endet mit der Grotte und den Skeletten der Familie wiederum düster geheimnisvoll, nicht ins Detail auserklärt. Insgesamt eine empfehlenswerte Geschichte. Das Mondkalb mit seinen außen herum verwachsenen Innereien und augenlosem Schädel und ich weiß nicht was alles war mir anfangs ein bisschen zu on the nose, aber im zweiten Lesedurchgang ist das eigentlich ein schönes Bild für Franks Ekel vor seiner Tochter.

Womit ich beim Prot bin. Achillus hat gesagt, schwer mitzufiebern bei so einem Arsch. Ich finde, man guckt ein bisschen hin wie bei einem Politiker oder sonst irgendeiner öffentlichen Figur, die man nicht mag, und wird dadurch ja auch irgendwie unterhalten, weil man sehen will, was baut er oder sie jetzt schon wieder für einen Mist?

Allerdings denke ich auch, die Story würde davon profitieren, Frank einen inneren Konflikt zu gönnen, Schuldgefühle wegen des Abscheus vor seiner Tochter. Diese Nummer am Schluss, die Rettung des Kalbs, ich weiß nicht, vielleicht soll die dafür stehen, aber das wäre mir zu wenig zu spät. Ein ganz bisschen mehr Menschlichkeit würde Frank gut zu Gesicht stehen, so als Person und auch als Figur in einer Geschichte.

„wir müssen gehen“
Da nimmt die Story sofort an Fahrt auf, mit diesem Satz, und auch, dass man eben erst mal nicht weiß, was Sache ist, hat mich mit- und reingezogen. Mal so als andere Sichtweise, weil irgendwo stand, das Rätselraten sei ihm oder ihr zu lang gewesen.

Er hatte immer ein Kind gewollt. Die Zeit von Nettys Schwangerschaft war die beste seines Lebens gewesen. Doch dieses beschissene Syndrom machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Beim Neugeborenen waren keine Anzeichen von Krankheit zu erkennen gewesen und für Frank bewegten sich Begriffe wie Hypoplasie, Stenose oder Leberdysplasie außerhalb seines Wortschatzes. Auch später blieben sie fremdartig und unverständlich.
Hier war’s das dann mit dem Raten. Das wird so Rumms! vor den Latz geknallt, das ist ein richtiger Info-Fremdkörper, wenn man das mal mit dem bisherigen Verlauf der Geschichte vergleicht.

Each sunrise is an opportunity to start a new life.
Ich würd das übersetzen. Im Original stehen lassen ist für mich eine ausländische Figur in den USA. Gilt so auch für jede andere Sprache beziehungsweise jedes andere Land, jeden anderen Kulturraum. Es gibt das auch, das sich das so durchzieht, dass immer wieder Sachen in der Sprache des Spielortes eingestreut werden, aber auch da hast du meine ich durch Prot oder Erzähler immer oder meist den Blick von Außen. Der Spanier stellt ja in Spanien nicht fest: Hey, das ist doch Spanisch da auf dem Plakat.

How to grief and process the loss of a loved one
World famous samosas
Bei Buchtiteln oder anderen Eigennamen wäre dann die Groß-/Kleinschreibung auch anders: How to Grief and Process the Loss of a Loved One (oder alles groß) und World Famous Samosas. Aber wie gesagt, besser fänd ich eh alles eindeutschen.

In der Dunkelheit des Motelzimmers ihre Haut pechschwarz, bei Berührung kalt wie Obsidian.
Du hast das zwischendurch immer mal wieder, diese verblosen Sätze, ist ja ein beliebtes Stilmittel. Ich finde die hier im Text aber so vereinzelt, dass sie mich immer wieder kurz raushauen, haben was von einem stilistischen Störenfried.

realisierte er,
Wurde ihm bewusst/klar

Die letzten Jahre ackerte er als Feldarbeiter auf einer riesigen Farm,
hatte. Nochmal Vorvergangenheit:

Auf Franks Frage, ob das genetisch bedingt wäre, sagte er nichts.
Auch hier würde ich ein „hatte“ gönnen, weil es ja nur ein kurzer, ein oder zwei Sätze langer Zeitsprung zurück ist.

Frank strich über ihren Hintern und achtete darauf, dass Paolo es sehen konnte.
Das habe ich nicht verstanden. Oder nachträglich überlege ich: Dass Paolo die Zuneigung sieht, falls es später mal vor Gericht um die Frage gehen sollte, ob Frank überhaupt dazu in der Lage wäre, seine Frau umzubringen? Das wäre mir glaube ich zu viel perfide Planung, zu viel kriminelle Energie für den von seiner Ablehnung übermannten Frank.

Dem ging es nur ums Geld, keine Spur von Anteilnahme. Seine kühle und sterile Mimik spiegelte Franks Innenleben.
Das ist mir zu einfach in mehrfacher Hinsicht. Der gierige Arzt, Franks kühles Innenleben … Warum bemerkt er das eigentlich, dass da Anteilnahme fehlt, wenn er doch innen so kalt ist?

An diesem Tag in der Klinik starb etwas in Frank
Die einzige Stelle im Text, an der mir eine wirklich extrem verbrauchte Formulierung aufgefallen ist. Mit Fehlgeburten und Mutationen und verwachsenen Organen ist ja eigentlich genug Bildmaterial da, um es so zu fassen, dass es wirklich ganz spezifisch nach dieser Geschichte klingt.

Vom Krankenhausgeruch drehte ihm der Magen
sich um? Ihm drehte der Magen? Geht das, ist das was Regionales?

Ein Karussell der Ohnmacht.
Manches ist mir zu dick literarisch und/oder unterbricht eine flüssige Erzählung mit übergroßen Worten, die die beschriebenen Szenen gar nicht nötig haben.

ihre Lebenserwartung sei entsprechend tief.
gering

Frank knirschte mit den Zähnen und sagte mit steinerner Stimme: „Für mich ist sie schon gestorben.“
Weil sie das Pech hatte, mit ihren Defiziten geboren zu werden? Und das bindet er dem Arzt auch noch so einfach auf die Nase, was er für ein Sack ist? Das sind so diese Stellen, da würde Frank die eine oder andere Schicht mehr in seiner Persönlichkeit guttun.

Seine sterbende Neandertalertochter auf dieser Liege ekelte ihn an.
Frank sah ihr Zittern und nahm sie widerwillig in den Arm.
s.o. Auch wenn hier isoliert gesehen Franks eigentlich schon Hass auf Mutter und Kind natürlich gut zur Geltung kommen.

Dann konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten und eine körperlich spürbare Bitternis schwappte auf ihn über.
Das bemerkt er? Bitterkeit/Bitternis? Ich meine, er ist ja nun Bitternis in Person, das ist ja wie Würfel Zucker in Cola werfen, schmeckt man da noch einen Unterschied?

und stand ans leere Fenster.
am leeren

Frank überreichte ihr die Zigarette
Überreichen klingt so nach Preis, gab

„Was Sie da tun, ist eine grausame Entmenschlichung“, flüsterte das Meer.
Die Isolation seiner Tränen, eine Befreiung.
Zu viel von allem, Übererklärung in aufgedunsenen Bildern/Worten.

So, jetzt steige ich hier mit Bitternis aus, aber eigentlich wie gesagt well done.


Viele Grüße
JC

 
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Hallo @deserted-monkey,

Titel von Texten sind gewissermaßen die Eintrittskarte für eine Geschichte (über Titelwahl habe ich mich vor Jahren mal hier geäußert).
Dein Titel ist recht ungewöhnlich. Wenn ich Gnosis mit 'Erkenntnis'/ 'Geheimnis' übersetze, frage ich mich, ob das deiner Intension bei der Titelwahl entspricht. Jedenfalls hat der Titel seinen Zweck erfüllt, mich hat er neugierig gemacht.
Ich habe jetzt mal in die anderen Kritiken reingeschaut, hätte nicht erwartet, dass ein unsympathischer Protagonist so sehr als Identifikationshemmnis angesehen wird. Für mich liegt der Schwerpunkt auf dem Geschehen, der Schicksalslast, die Frank überfordert.

Danke für deine nette Replik zu meiner Kritik.

LG,

Woltochinon

 

Hallo @Proof

Super, freue mich riesig, hast auch Du unter dieser Story kommentiert. Danke Dir sehr für deine Zeit, fürs Lesen und natürlich deine positive Rezeption des Textes. Finde ich alles sehr interessant, was Du schreibst, hast Du schön zusammengefasst und danke auch, dass Du bezüglich des Anfang des Textes ein Gegengewicht gibst. Es ist toll, hat der Anfang für Dich besser funktioniert, als für manch anderen Leser. Erstaunlich, wie so ein Text verschieden aufgenommen und gesehen werden kann. Sehr spannend!

Die Geschichte von Frank, der Frau und Kind getötet hat (?), erzählt als düster metaphorisches Roadmovie.
Cool, deine Interpretation, habe ich sehr gerne gelesen, auch wie Du den Text siehst: 'Düster metaphorisches Roadmovie', ja, das freut mich wirklich.

Das entwickelt am Anfang einen tollen, rätselhaften Sog, hat dann in der Mitte einen infodumpigen Knoten und endet mit der Grotte und den Skeletten der Familie wiederum düster geheimnisvoll, nicht ins Detail auserklärt.
Danke Dir. Den infodumpigen Knoten muss ich noch irgendwie gelöst kriegen. Was Du hier schreibst
Hier war’s das dann mit dem Raten. Das wird so Rumms! vor den Latz geknallt, das ist ein richtiger Info-Fremdkörper, wenn man das mal mit dem bisherigen Verlauf der Geschichte vergleicht.
sehe ich jetzt auch ähnlich. Ich glaube, es werden hier in diesem Text auch zwei Erzählweisen/-Stile nebeneinandergestellt, da ist die Gegenwartshandlung, wo man direkt bei den Charakteren ist (hoffentlich) und dann eben diese Rückschau, die ganz anders geschrieben ist, eher tell-lastiger und wie Du sagt, bisschen sehr infodumpmässig. Ich denke jetzt, es war ein wenig ein Fehler, diese beiden Schreibweisen miteinander in einer Story zu verknüpfen. Dennoch bin ich noch etwas unentschlossen, wie das besser zu lösen ist, ob da szenischer Schreiben vielleicht besser wäre. Jedenfalls ist mir aber eines klar geworden: In künftigen Geschichten werde ich das ganz sicher nicht mehr so machen! Man könnte deine Rückmeldung auch so lesen, dass der Knoten in der Mitte die Geschichte sozusagen zusammenhält, aber klar, Infodump ist nie gut, auch ein sehr unschönes Wort irgendwie :D

Insgesamt eine empfehlenswerte Geschichte.
Vielen Dank! Freut mich sehr.

Das Mondkalb mit seinen außen herum verwachsenen Innereien und augenlosem Schädel und ich weiß nicht was alles war mir anfangs ein bisschen zu on the nose, aber im zweiten Lesedurchgang ist das eigentlich ein schönes Bild für Franks Ekel vor seiner Tochter.
Super Feedback, merci. Auch danke dafür, dass Du zweimal gelesen hast, ist überhaupt nicht selbstverständlich! Gerade bei einem längeren Ding wie diesem.

Womit ich beim Prot bin. Achillus hat gesagt, schwer mitzufiebern bei so einem Arsch. Ich finde, man guckt ein bisschen hin wie bei einem Politiker oder sonst irgendeiner öffentlichen Figur, die man nicht mag, und wird dadurch ja auch irgendwie unterhalten, weil man sehen will, was baut er oder sie jetzt schon wieder für einen Mist?
Danke für deine Sichtweise, ich verstehe, was Du meinst und kann da mitgehen.

Diese Nummer am Schluss, die Rettung des Kalbs, ich weiß nicht, vielleicht soll die dafür stehen, aber das wäre mir zu wenig zu spät. Ein ganz bisschen mehr Menschlichkeit würde Frank gut zu Gesicht stehen, so als Person und auch als Figur in einer Geschichte.
Wurde bereits angesprochen und Du bestärkst die vorherigen Meinungen. Ja, der Frank ist noch ein wenig blass. Mal schauen, was ich da tun kann. Auch wenn es für Dich zu wenig zu spät ist: Mir gefällt deine Interpretation von Franks Begegnung mit dem Mondkalb. Mehr Menschlichkeit, ja, wichtige Anmerkung.

Da nimmt die Story sofort an Fahrt auf, mit diesem Satz, und auch, dass man eben erst mal nicht weiß, was Sache ist, hat mich mit- und reingezogen. Mal so als andere Sichtweise, weil irgendwo stand, das Rätselraten sei ihm oder ihr zu lang gewesen.
Danke!!

Ich würd das übersetzen. Im Original stehen lassen ist für mich eine ausländische Figur in den USA. Gilt so auch für jede andere Sprache beziehungsweise jedes andere Land, jeden anderen Kulturraum. Es gibt das auch, das sich das so durchzieht, dass immer wieder Sachen in der Sprache des Spielortes eingestreut werden, aber auch da hast du meine ich durch Prot oder Erzähler immer oder meist den Blick von Außen. Der Spanier stellt ja in Spanien nicht fest: Hey, das ist doch Spanisch da auf dem Plakat.
Machen Sinn, deine Ausführungen, verstehe das gut. Bin mir noch nicht sicher, ob ich das übersetze, aber hast schon recht, es liest sich etwas so, als wären Frank/Netty Urlauber in Amerika, guter Einwand, den ich mir sicher noch gründlich überlegen werde.

Du hast das zwischendurch immer mal wieder, diese verblosen Sätze, ist ja ein beliebtes Stilmittel. Ich finde die hier im Text aber so vereinzelt, dass sie mich immer wieder kurz raushauen, haben was von einem stilistischen Störenfried.
Den von Dir zitierten Satz habe ich sogleich ausgebessert und ihm ein Verb gegönnt. Ich gehe nochmal durch den Text und schaue, ob es noch mehr solche Störenfriede gibt. Stil ist mir sehr wichtig, deshalb danke für den Hinweis.

hatte. Nochmal Vorvergangenheit:
Auch hier würde ich ein „hatte“ gönnen, weil es ja nur ein kurzer, ein oder zwei Sätze langer Zeitsprung zurück ist.
Da konnte ich noch nicht viel machen, muss ich mal überlegen, weil für meinen Geschmack häufen sich dann diese 'hatte' und das mag ich persönlich gar nicht. Mal sehen, lässt sich sicher noch ein wenig umschreiben.

Frank strich über ihren Hintern und achtete darauf, dass Paolo es sehen konnte.
Das habe ich nicht verstanden. Oder nachträglich überlege ich: Dass Paolo die Zuneigung sieht, falls es später mal vor Gericht um die Frage gehen sollte, ob Frank überhaupt dazu in der Lage wäre, seine Frau umzubringen? Das wäre mir glaube ich zu viel perfide Planung, zu viel kriminelle Energie für den von seiner Ablehnung übermannten Frank.
Krass, was Du da rausgelesen und Dir überlegt hast, vielen Dank dafür! Ich habe die Stelle mit folgender Intention geschrieben: Diese Handlung, dieses über den Hintern von Netty streichen, macht Frank nur, um seine Überlegenheit gegenüber Paolo zu demonstrieren. Er geht wohl davon aus, dass Paolo aufgrund seiner äusserlichen Erscheinung nicht gerade gut mit Frauen kann, deshalb ist das hier so ein Ding, wo er sich die Hoheit verschaffen kann, wo er Herr der Situation ist (im Gegensatz zu seinem behindert geborenen Kind, wo das nicht der Fall ist). Ausserdem sollte es Frank weiter als Unsympathen kennzeichnen.

Das ist mir zu einfach in mehrfacher Hinsicht. Der gierige Arzt, Franks kühles Innenleben … Warum bemerkt er das eigentlich, dass da Anteilnahme fehlt, wenn er doch innen so kalt ist?
Guter Punkt. Ich überlege, wie ich es deutlicher machen kann und werde da dran sicher noch etwas umschreiben. Spontan hatte ich grade noch nicht die zündende Idee, ist aber notiert.

Die einzige Stelle im Text, an der mir eine wirklich extrem verbrauchte Formulierung aufgefallen ist. Mit Fehlgeburten und Mutationen und verwachsenen Organen ist ja eigentlich genug Bildmaterial da, um es so zu fassen, dass es wirklich ganz spezifisch nach dieser Geschichte klingt.
Ja! Werde ich mir was besseres überlegen.

sich um? Ihm drehte der Magen? Geht das, ist das was Regionales?
Nun, vielleicht kommt das wieder aus der CH, weiss nicht genau, aber bei uns kann man sagen: Ich hab ein Drehen im Magen. Von da hab ich das abgeleitet.

Manches ist mir zu dick literarisch und/oder unterbricht eine flüssige Erzählung mit übergroßen Worten, die die beschriebenen Szenen gar nicht nötig haben.
Sehr gut, ja, ich glaube, ich verfalle da teilweise noch in 'alte' Muster. Hab die ein oder andere solche Stelle jetzt gekillt.

Das bemerkt er? Bitterkeit/Bitternis? Ich meine, er ist ja nun Bitternis in Person, das ist ja wie Würfel Zucker in Cola werfen, schmeckt man da noch einen Unterschied?
Ich denke, ich wollte da dasselbe zum Ausdruck bringen, wie gegenüber des Arztes: Frank selbst ist extrem verbittert, ja, aber diese Bitternis dann bei seinem Gegenüber zu sehen, die auch bei Netty wahrzunehmen, das hält er nicht aus und deshalb lässt er sie los. Aber ja, ich verstehe deine Sichtweise, vielleicht würde er das gar nicht mehr bemerken.

So, jetzt steige ich hier mit Bitternis aus, aber eigentlich wie gesagt well done.
Das freut mich, Proof! Schön, ist diese Bitternis durchgekommen. Besten Dank für all deine Anmerkungen und allgemein das gute Feedback. Die Stellen, die ich nicht extra zitiert habe, sind alle verändert. Das und die restlichen Sachen, sobald eingearbeitet, machen den Text runder, bin ich mir sicher.

Wünsche Dir einen tollen Sonntag und lass Dich feiern!

Beste Grüsse,
d-m



Hallo @Woltochinon

Danke für deine erneute Zuschrift.

Dein Titel ist recht ungewöhnlich. Wenn ich Gnosis mit 'Erkenntnis'/ 'Geheimnis' übersetze, frage ich mich, ob das deiner Intension bei der Titelwahl entspricht. Jedenfalls hat der Titel seinen Zweck erfüllt, mich hat er neugierig gemacht.
Dass Dich der Titel neugierig gemacht hat, das ist super, danke. Ja, ist ein eher ungewöhnlicher Titel, gebe ich Dir recht und (strenggenommen? :P) wohl auch nicht ganz korrekt formuliert, denn ich wollte es schon so haben, dass nicht das Mondkalb die Erkenntnis erlangt, sondern es Frank ist, der durch die Begegnung mit dem Mondkalb eine Art Gnosis erfährt. Hab da schon dran gefeilt, an dem Titel, vor dem Einstellen, aber mir ist nichts besseres eingefallen, bzw. alles andere wirkte umständlich und klanglich nicht schön. Ich erachte es mal als stilistische Freiheit oder so :Pfeif: Hoffe, Du lässt mir das durchgehen :-) Aber wie Du schriebst, der Titel hat seinen Zweck ja erfüllt.

Ich habe jetzt mal in die anderen Kritiken reingeschaut, hätte nicht erwartet, dass ein unsympathischer Protagonist so sehr als Identifikationshemmnis angesehen wird. Für mich liegt der Schwerpunkt auf dem Geschehen, der Schicksalslast, die Frank überfordert.
Danke auch dafür! Ja, recht diverse Rückmeldungen, aber alles sehr hilfreich. Muss ich mal schauen, wie ich von hier weitergehe. Habe da auch schon paar (weniger düstere :D) Sachen in Planung :-)

Beste Grüsse,
d-m

 
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Hallo DM,
ich nutze für diesen Post die spracherkennung von Android weil ich wegen eines fahrradunfalls meinen rechten Arm nicht benutzen kann und ich meinen linken gerne ein wenig schonen will. Ich bitte also die möglicherweise vielen Fehler und schrägen Formulierungen zu entschuldigen. Außerdem wird es nichts mit Zitaten, aber ich habe deinen Text gern gelesen und das wollte ich dir gerne einmal mitteilen.

Was mir gut gefallen hat, waren das Thema, der Plot, die Verbindung zu dem mondkalb, auch deine Atmosphärischen Beschreibungen. Ja, ich bin total gut durchgekommen durch den Text. Ich finde aber auch in der Mitte gibt es einen fremdkörper, zumindest hatte ich das Gefühl, als würde ich plötzlich eine andere Geschichte lesen. Da kommt auf einmal so eine krasse rückblende in auch dem nicht so schönen Plusquamperfekt und da kommt sehr der erklärbär durch , das waren die Stellen die mir nicht so gut gefallen haben. Aber immer wenn Du in der Gegenwart bist und in der Szene und die eigentliche Geschichte vorantreibst, also nicht erklärst, dann habe ich das total gern gelesen.

Ich habe auch ein bisschen in die anderen Kommentare reingesteckt und ja stimme zu, dass Frank ein bisschen mehr Ambivalenz vertragen könnte, aber ich fand die beiden auch so schon gut charakterisiert. Es wird deutlich was Frank für ein Typ ist, ich sag mal ein narzisstischer Kontrolletti vielleicht, und trotzdem schaffst du es auch jetzt schon, dass es darüber hinausgeht und dass ich dem Erzähler trotzdem gerne gefolgt bin bzw interessiert gefolgt bin. Aber noch ein wenig mehr, schadet sicher nicht.

Ja, und dann muss ich noch gestehen, dass ich das Ende nicht geblickt habe. Ich habe überlegt, ob er wohl träumt? Habe das aber eher wieder verworfen. Wahrscheinlich soll es ein bisschen surreal wirken, für mich hat es aber nicht so gut funktioniert, weil der Rest des Textes zwar düster, aber imA nicht surreal ist. Also wie im mittelteil ist auch das Ende für mich ein bisschen ein fremdkörper. Mir hat auch hier das aufgreifen des mondkalbes nicht so gut gefallen bzw erschien es mir einfach sehr konstruiert, auch das mit der Nebelschnur. Sehr symbolisch aufgeladen.

Ich glaube was wirklich Neues habe ich jetzt nicht hinzugefügt, aber es ich selbst finde es interessant,verschiedene rückmeldungen zu bekommen, auch wenn sie sich ähneln. Ach so, vielleicht noch einmal kurz zum Anfang. Ich bin total gut reingekommen, hatte überhaupt gar keine Probleme mich zu orientieren, war wegen des Motels und des highways direkt in den USA verortet und hatte das Schnaufen in der zimmerecke recht schnell als Baby/kind identifiziert. Aber man könnte das natürlich so benennen,vielleicht wäre es dann klarer für die Leser und genau dieser Punkt macht ja jetzt auch keine Spannung aus, also dass der unbedingt offen bleiben muss. Es könnte also einfach ein Satz sein wie: Frank lauschte dem schnaufen des Babys/Mayas aus der zimmerecke.

So das war's. Ich hoffe, das mit dem diktieren hat funktioniert und es ist nicht alles total unklar und verschwurbelt, was ich dir hier da lasse.

Viele Grüße, Katta

 

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