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Gotspam City, Montag, 23:25 Uhr
Wayne Bruce lehnte sich zurück. Auf den über vierzig Monitoren in der Wand vor ihm spielten sich Szenen unaussprechlicher Gewalt ab: Überfall, Mord, Folter, Vergewaltigung. Bruce kicherte kurz, als er sah, wie ein Vater den Helden spielte, um sich und seine aus dem Theater kommende Familie vor einem bewaffneten Ganoven zu beschützen. Er wurde erschossen, ebenso seine Frau.
„Versager!“ entfuhr es ihm verächtlich, als der Gauner die Flucht ergriff und den vielleicht zehnjährigen Sohn der beiden ungeschoren ließ. Er steckte sich eine Filterlose in den Mund und zündete sie sich mit einem Streichholz an, das er an seinem unrasierten Kinn anriss. Zu seinen Füßen türmten sich zerdrückte, leere Bierdosen.
„Master Wayne?“
„Was gibt’s, Tetzlaff?“
„Die Katze, Sir“, teilte der schlampig livrierte Butler mit.
„Soll reinkommen.“ Bruce kratzte sich im Schritt. „Ich hab da so ein Jucken zwischen den Beinen, das soll mir die Pussy mal wegschleck-"
„Sir, ich spreche nicht von Ihrer gedungenen Lacklederhure. Die Katze der Küchenhilfe, Sir, hat geworfen. Sie wollten informiert werden.“
„Ach so, ja, richtig. Sind sie … niedlich, die Kätzchen?“
„Außerordentlich, Sir“, erwiderte Tetzlaff.
„Sehr schön. Packen Sie die Viecher in einen Sack und ersäufen Sie sie im Brunnen.“
„Sehr wohl, Sir.“
„Und packen Sie die Katzenmutter gleich mit dazu.“
„Sehr wohl, Sir.“ Tetzlaff wandte sich zum Gehen, hielt dann jedoch kurz inne. „Sir, was darf ich der Küchenhilfe mitteilen?“
„Stimmt, irgendeinen fiesen Spruch könnte man ihr noch reindrücken. Sagen Sie ihr … nein, besser: Die Küchenhilfe kommt auch in den Sack. Das ist richtig fies. Im Garten müsste doch noch Platz sein, neben dem Komposthaufen, wo wir damals diese nervige Zirkuswaise verscharrt haben ... wie hieß die Pfeife noch gleich? Tobey?“
"Robin, Sir."
"Jaja, neben dem. Da ist noch Platz, oder?"
„Jawohl, Sir, in der Tat. - Und wegen des Juckens … soll ich die Katze ordern?“
„Nein, Tetzlaff. Die stecken sie auch in den Sack.“
Tetzlaff schwieg.
„War nur Spaß“, fügte Bruce hinzu. „Rufen Sie lieber mal Wonder Woman an. Die und ihr magisches Lasso, whoooohooo, ich sag’s Ihnen.“
„Sehr wohl, Master Wayne. Ich werde dann jetzt die Katzen und die Küchenhilfe ertränken.“
„Tun Sie das. Und vergessen Sie diesmal nicht, den Spaß aufzuzeichnen.“ Und während Tetzlaff die Stufen zu Bruce Manor hinaufstolperte, murmelte Bruce zu sich selbst: „Schließlich will ich auch was davon haben. Wofür mache ich die Scheiße eigentlich?“
Im nächsten Augenblick hellte sich seine Miene wieder auf. Vor nicht einmal zwei Monaten hatte er der Stadt Gotspam einen gewaltigen Signalscheinwerfer anonym zukommen lassen. In einem Schreiben an Commissioner Gordon hatte er mitgeteilt, dass der Scheinwerfer nur in einem Augenblick größter Verzweiflung, quasi zum Zeitpunkt eines Notstandes eingeschaltet werden dürfe.
Und jetzt, in diesem Moment, liefen Beamte von Gotspam auf dem Dach des Polizeipräsidiums herum, auf dem auch der Scheinwerfer stand. Bruce hatte auf den übrigen Bildschirmen bereits gesehen, dass der Fool, der Gambler, Five-Nose und jeder andere halbwegs hirnverbrannte Superschurke der Stadt bereits den ganzen Abend über jede auch noch so kleine Bankfiliale, jeden Schnapsladen, jeden Passanten, der sich in eine dunkle Seitengasse verlaufen hatte, überfallen hatten.
Bruce lächelte herablassend über die vermeintlichen Verbrechergenies. Gegen ihn waren das alles nur kleine Lichter, mittelprächtige Möchtegerne, bemühte Anfänger. Er würde ihnen zeigen, wie man so richtig böse war, wie die ultimativ-perfekte Perfidie sich ausnahm.
Menschen liefen in Panik durch die Straßen von Gotspam, Autos überrollten rücksichtslos Passanten, die im Wege standen. Jeder kämpfte gegen jeden, jeder wollte um jeden Preis überleben, und wenn der Preis das Leben anderer war. Bald schon ... bald würden sie den Scheinwerfer einschalten. Es war nur noch eine Frage von Minuten.
Bruce riss eine weitere Bierdose auf, spuckte seinen Zigarrettenstummel aus und griff nach einer Tüte Schokonüsse. Commissioner Gordon hatte das Dach betreten. Ungeduldig schob sich Bruce eine Schokonuss nach der anderen in den Mund. Gordon gab das Zeichen, der Hebel der Anlage wurde umgelegt, alle blickten hoffnungsvoll nach oben.
Am Himmel über Gotspam City stand das weithin sichtbare Symbol einer geballten Faust mit ausgestrecktem Mittelfinger.
„Muahahahahaha!“ brüllte Bruce vor Lachen, als er die entgleisenden Gesichtszüge von Gordon und dem Bürgermeister sah. „Da habt ihr’s, da habt ihr’s, Leute. Ich bin Badman, ja, das bin ich. Fickt euch, ihr Anfänger, ihr Luschen. Hahahahahahahaha!“ Bruchstücke halbgekauter Schokonüsse sprühten aus Bruces Mund. Er warf seiner Reflektion in den Mattscheiben der über vierzig Monitore eine Kusshand zu und schlug sich auf die Brust. „Ja, mein Lieber, denen hast du es wirklich gezeigt! Du bist echt der Antiheld! Wahahahahaha-ack! Ack! Ack!”
Zitternd vor Erregung und akuter Atemnot stand Wayne Bruce vor der Monitorwand, eine Schokonuss in der Luftröhre und erstickte im Augenblick seines schönsten Triumphes. Das letzte, was er sah, bevor er tot über dem Kontrollpult zusammenbrach, war wie der Bürgermeister Commissioner Gordon eine Ohrfeige gab. Er hätte gerne boshaft gelacht, aber er hatte keinen Atem mehr.
Oben in Bruce Manor ertränkte Tetzlaff vor laufender Videokamera sieben Katzen und eine Küchenhilfe. Dennoch hatte Master Wayne nichts verpasst. Tetzlaff hatte vergessen, eine Kassette einzulegen.