Gott würfelt nicht
„Los Gott, du bist dran“ ermunterte der Teufel. Seine Augen blitzten erwartungsvoll. In seiner Hand blinkten zwei Würfel, die er nervös zwischen seinen Fingern hin und her gleiten ließ.
Gott strich sich durch seinen Bart. „Gut, ich werde Huhn 91, in der Legebatterie 17 von ihrem Leid erlösen und ihr zu einem besseren Leben verhelfen, dabei wird sie 20 glückliche Freilandküken groß ziehen.“
Beide beugten sich gespannt über das Erdenspiel. „Hervorragend!“, sprach der Teufel. Ballte zugleich seine Hand zu einer Faust und wedelt mit ihr in der Luft hin und her. Ein Grinsen huschte ihm über sein rotes Gesicht, als er die Würfel ‚Schicksal‘ und ‚Entscheidung‘ auf das Spielfeld sausen ließ. Der Blick des Teufels zuckte, als sie zum stehen kamen. Er zog die Mundwinkel nach oben und klopfte mit seinem Fingernagel auf den Tisch. „Ach ja“, säuselte er. “Chuck Tompkins wird Geld von einem Anverwandten erben, dies wird ihm ermöglichen zu studieren und seinen Weg zu gehen. Er entscheidet sich jedoch, das übrige Geld in eine Chromfabrik zu investieren, welche 759 Tiere und 5987 Pflanzen qualvoll verenden lässt, allerdings wird auch die Lebenserwartung von 32 Arbeitern halbiert.“
„Oh, das ist ein harter Schlag.“ Gott strich sich nachdenklich über die Stirn und raunt aus seinem Bart. „Warum hast du denn auch die Menschen übernommen, mit deiner Art zu spielen hat man ja kaum eine Chance.“ Der Teufel lehnte sich triumphierend zurück und streckte genüsslich seine Glieder. „Tja, was ich erschaffen hab, das kann ich auch verwalten, außerdem spiele ich, mit meinen Würfeln, zumindest fair, im Gegensatz zu dir. Nun beschwere dich nicht, immerhin gehören dir die Tiere und Pflanzen und alles.“
Ein Luftzug wehte durch die Halle, in der sie sich niedergelassen hatten. Gott nickte zustimmend und lauschte nach Antworten. „So, nun rette schon eins deiner Geschöpfe“ zischte sein Gegenüber ungeduldig, in Erwartung auf Gottes stets rechtschaffenden Zug, grinste er siegessicher.
Der alte Mann fing an etwas vor sich hin zu murmeln, den Blick stets auf das Spiel gerichtet. Wenn der Teufel doch nur diese Würfel nicht hätte, dachte er bei sich, so wäre er auf sich gestellt und müsste eigene Entscheidungen treffen.
Kaum hatte er diesen Gedanken ergriffen, da regte sich auch schon, fast lautlos, etwas aus einer dunklen Ecke des Saales, es näherte sich mit hastigen Flügelschlägen und noch ehe der Teufel sich versah, stürzte ein Vogel auf das Würfelfeld hinab und stahl ihm einen seiner Entscheidungsträger.
Es war Bernd, die Elster, Gottes erstes Geschöpf, welches er so lieb gewonnen hatte, das er ihn bei sich aufnahm. Schier Zufällig schien er auf der Suche nach einem Hochzeitsgeschenk zu sein. Der Teufel tobte vor Wut. „Das war dein Werk! Gib es zu! Solch Taten sehen dir doch gar nicht ähnlich.“ Mit seinen Hufen stampfte er immer wieder auf den steinigen Boden.
Gott aber blieb ruhig, als wäre nichts geschehen und erwiederte mit gewohnt freundlicher Stimme: „Du bist dran.“
Er aber ergriff voller Zorn den übrig gebliebenen Schicksalswürfel und warf ihn Gott gegen die Brust, so, dass er hinunterrollte und auf seinem rechten Knie zum Stehen kam. Dieser überlegte kurz, hob seine Hand und ließ Bernd zu sich kommen.
Bereitwillig übergab der Vogel ihm den anderen Würfel. „So, nun tu etwas mit einem deiner Geschöpfe“, trieb er seinen etwas verwirrt dreinblickenden Spielgefährten an, in Erwartung auf des Teufels nun stets niederträchtigen Zug, lächelte er, seines Sieges sicher.