- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 1
Grab in der Wüste
Als wir aus dem Flugzeug stiegen, schlug uns die heisse Luft wie eine Faust entgegen. Der Himmel blendete ocker und wir waren, kaum den Bauch des Transportmittels verlassen, mit einer feinen Sandschicht bedeckt.
Tamanrasset war eine Stadt im Süden Algeriens, und die grösste Stadt im Raum des Hoggargebirges, die sich, laut Jane, weiterentwickelt hatte zu einem regelrechten Touristenzentrum für jene mit Wüstenfaible, und deswegen viel seines ursprünglichen Charmes eingebüsst hatte. Und dennoch war ich begeistert, wenn auch traurig im Anbetracht dessen, dass ich das alles eigentlich mit Amy hatte erleben wollen.
Tuareg sind Nomaden, doch durch das immer härter werdende Klima und die Regierung jener Staaten, durch welche sie in der Sahara wandern, werden sie zunehmend zur Sesshaftigkeit gezwungen. Sie sind das Volk, von dem Amy und ich immer geträumt hatten. Sagen sie von sich zwar, dass sie Moslems sind, so herrscht bei ihnen dennoch kein Patriarchat, was viele zwangsläufig mit dem Islam verbinden, im Gegenteil, bis zu einem gewissen Grad herrscht sogar das Matriarchat. Jedenfalls war es früher so. Wie es heute um die gesellschaftliche Stellung der Frauen steht weiss ich nicht, vielleicht hat der Einfluss der sesshaften Algerier auch so weit gereicht, wer weiss.
Jane und ich hatten unseren Freund aus dem Niger benachrichtigt, er sollte uns hier am Flughafen abholen. Er hatte gerade geschäftlich in In Salah zu tun gehabt, sich nun ein paar Tage frei genommen und wollte uns währenddessen ein wenig Tamanrasset zeigen.
Wir sahen ihn schon von weitem, Matali ragte um Kopfeslänge aus der Menge, seinen Schesch locker um den Schädel geschlungen, strahlte uns mit einem breiten, lachenden Gesicht an und kam uns mit offenen Armen entgegen. Genau so hatte ich ihn in Erinnerung, als er uns in Amerika besucht hatte, nur mit dem Unterschied, dass ich damals noch ein kleines Kind war. Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn, wobei er sich weit zu mir hinunterbeugen musste. Ich roch diesen Geruch von Minze und Holzkohle, von Wüste und Wind und fühlte mich plötzlich von einer schützenden Hülle geborgen.
Matali war ein nigerianischer Targi. Er stammte von ehemaligen Sklaven oder Vasallen ab, so genau wusste er es nicht, genau so wenig wie er wusste, wie alt er war, doch er schätzte sich auf etwa 45 oder 50 Jahre. Aber was tat dies schon zur Sache. Er kannte meine Eltern und Jane so gut wie vermutlich nur wenige. Meine Grosseltern hatten seine Eltern in jungen Jahren hier in Tamanrasset kennen gelernt, und bevor sie sich getrennt hatten, hatten sie einander versprochen, sich oft zu besuchen. Dieses Versprechen wurde eingelöst, und so wuchsen Matali, meine Mutter und Jane praktisch gemeinsam auf. Mama reiste später auch einige Male mit meinem Vater hierhin, und ein, zweimal sogar mit uns, aber Amy und ich waren damals noch Babys gewesen und konnten uns nicht mehr an diese Besuche erinnern. Später, nach dem Tod meiner Grosseltern, wurden die Besuche seltener, doch brachen sie nie ganz ab, und meine Eltern baten Matali, nach Amerika zu kommen, da die Reise für sie mit drei Kindern relativ beschwerlich war. So kam es, dass Amy und ich die Wüste nur aus Erzählungen kannten und die Sahara zu einem immer grösseren Traum für uns wurde, zu einem Lebensziel. Die Abende am Feuer, das gemeinsame Couscous-Essen, das Spiel von Imzad und Tende, ersteres eine einsaitige Geige meist aus einem halben ausgehöhlten Kürbis und mit einer Ziegenhaut bespannt und letzteres eine Trommel (später sollten auch Benzinkanister dafür reichen), die tanzenden Mehara – die Dromedare – und die schillernden Rufe der Frauen unter dem sternklaren Himmelszelt eines nächtlichen Festes. Ich hatte Angst, dass diese Zeit vorbei war, dass es zu spät war und diese einst so strahlende Kultur vom Sand und der Kontrollsucht der Regierungen verschlungen worden war.
Matali führte uns nach endlosen Kontrollen aus dem Flughafen, wo er uns in seinen alten Wagen einsteigen liess. Der Verkehr war mörderisch, und Matali fuhr, als wären ihm eine wilde Meute Kannibalen auf den Fersen. Erst als das Auto schliesslich hielt, wagte ich es, die Augen zu öffnen. Mit zitternden Knieen stieg ich aus und hielt es für ein unbegreifliches Wunder, dass ich noch am Leben war. Matali, der die ganze Fahrt über fröhlich mit Jane geplaudert und seinen Blick eher auf sie gerichtet hatte anstatt auf der Strasse - was meine Ängste, die ich ausstand, nicht gerade minderte - führte uns lachend in das Hotel, vor dem wir gehalten hatten. Wir legten hier unsere Sachen nieder, und richteten uns ein. Eine halbe Stunde später holte Matali uns ab, er wollte uns die Stadt zeigen.
„Ich kann euch nicht garantieren, dass wir auf Tuareg treffen werden, ausser vielleicht ein paar auf den Märkten. Normalerweise halten sie sich um diese Zeit weiter im Süden auf, nicht in der Nähe von Tam.“
Wir durchstreiften die Souks, Matali und Jane feilschten und handelten könnerisch, um uns beiden jeweils einen Schesch zu ergattern. Am Nordende des Marktes wurden die Tiere zum Verkauf geboten, Mehari über Mehari, Ziege über Ziege. In der Ferne erblickte ich hin und wieder hochgewachsene Gestalten, die mit hochmütigem Blick und geschmeidigen Bewegungen auf Händler einredeten. Auch wenn Tam nicht als die schönste Stadt der Welt zu bezeichnen war, so verliebte ich mich doch auf Anhieb in sie.
In den nächsten drei Tagen machten wir Ausflüge zu Tin Hinans Grab, der Stammmutter aller Tuareg, Ausflüge nach Assekrem und Abalessa, wo Matali unser Fremdenführer spielte, doch immer hielt ich den Koffer mit der
Ersatzurne fest verschlossen. Am vierten Tag unseres Aufenhaltes meinte Jane schliesslich, dass ich die Sache nicht mehr länger hinauszögern könnte. Ich wusste, dass sie Recht hatte, und so machten wir uns früh am Morgen, als es noch dunkel war und zusammen mit der Büchse, auf der Piste Richtung Süden auf den Weg in das Herz der Sahara. Matali lehrte mich, wie man einen Schesch zu schlingen hatte – Jane kannte dies schliesslich schon aus ihrer Kindheit – und ich hatte das Prinzip schnell begriffen. Ich entwickelte mit einem Mal eine unbändige Freude daran, das indigoblaue Tuch wieder und wieder um mein Haar zu winden. In Anbetracht der vor mir stehenden Aufgabe wurde ich wieder zu einem kleinen und gänzlich kindischen Kind. Ich lachte bei jeder Gelegenheit schallend auf um nicht weinen zu müssen und das Geräusch von Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Jane und Matali sahen mich erst verwundert an, wurden aber bald von meinem Lachen angesteckt.
Und dann erblickten wir die ersten Seribas, von den Tuareg bewohnte Schilfstrohhütten. Sie wurden von dem zögerlichen Licht der Morgensonne golden umrahmt, erstrahlten in beinahe übernatürlicher Schönheit. Hunde bellten und schemenhafte Gestalten sahen uns entgegen. Ich fühlte mich wie im Traum. Nervös rutschte ich auf dem Sitz hin und her. Wir hielten, Matali und Jane stiegen aus, und begrüssten zwei Targias, indem sie ihre Handflächen streiften. Matali sagte ihnen etwas auf Tamahaq, ihrer Sprache, und deutete dabei auf mich. Mittlerweile hatten Kinder unser Auto umringt und starrten mich Fremde schweigend an. Auch die beiden Targias unterzogen mich einer eingehenden Betrachtung. Schliesslich zog ich meinen Schesch herunter und versuchte es mit einem Lächeln. Ein kleines Mädchen lächelte schüchtern zurück, der Bann war gebrochen. Nun bestürmten die Kinder mich mit Fragen, und als sie begriffen, dass ich leider kein Tamahaq verstand, machten sie das, was alle sich freundlich gesinnte Fremde machen, die sich kennen lernen wollen ohne die selbe Sprache zu sprechen. Sie zeigten mit ihren kleinen Händen auf sich selbst und sprachen langsam und deutlich ihre Namen aus. Dann zeigten sie auf mich, und machten ein fragendes Gesicht.
„Atara.“, sprach ich ebenso langsam und deutlich wie sie, und ihre Gesichter hellten sich auf, denn Atara ist ein Name der Tuareg.
Ich stieg aus und trat zu Matali und Jane. Die beiden Frauen waren gross und schlank, hatten stolz geschwungene Augenbrauen und einen funkelnden Blick. Auf dem Gesicht der Älteren begannen Falten sich langsam aber sicher ihren Weg durch die Haut zu bahnen, doch tat dies dem Strahlen der Augen keineswegs einen Abbruch. Wie ich es gesehen hatte, streifte ich meine Handfläche an den ihren. Sie waren warm und trocken. O Amy, nur du bist es, die in diesem Bild fehlt.
Algerien war früher eine französische Kolonie gewesen, weswegen noch manche hier französisch sprachen, für mich eine Möglichkeit mich zu verständigen. Zohra war die Älteste des Lagers und die Mutter von Amira. Die Gastfreundschaft ist für die Tuareg nahezu heilig, und so wurden wir in ihre Seriba eingeladen. Im Eingang erwartete uns Aflane, der Mann Amiras, welche übrigens schwanger war. Auch seine Handfläche streiften wir, dann zogen wir unsere Schuhe aus und betraten das angenehm kühle Halbdunkel der Behausung. Wir setzten uns im Schneidersitz hin und Zohra machte sich daran Tee zu kochen. Die Teezeremonie, wie viel hatten Amy und ich bereits von ihr gelesen, doch wirklich dabei zu sein bei einer solch traditionellen Handlung, die man zu kennen geglaubt hatte, das war ein feierliches Gefühl.
Matali unterhielt sich mit Aflane und fragte ihn nach dem Verbleib der anderen Männer.
„Sie sind nach Tam auf die Souks um dort neue Mehara zu kaufen. Ein Mehari starb letzten Sommer bei der Geburt eines Kalbes, ein anderes wurde von Schakalen getötet, als es sich zu weit von der Herde entfernt hatte. Ich selbst habe mir eine Verletzung zugezogen, die mich daran hindert, lange Zeit zu gehen oder zu reiten, und so bin ich gezwungen gewesen hier zu bleiben.“
Mit einem Mal bemerkte ich, dass Amira mich unverwandt ansah. Ich fragte sie nach dem Grund. Amira sprach nicht mehr so fliessend französisch wie ihre Mutter, da sie nach dem algerischen Unabhängigkeitskrieg geboren worden war, doch sie konnte sich äusserst gewandt verständigen.
„Deine Augen haben einen Blick, der mich nachdenklich macht. Ein Feuer lodert darin.“
Ich lachte, etwas besseres fiel mir nicht ein. Jane erklärte ihr den Grund unseres Aufenthaltes hier, Amira, Aflane und Zohra nickten und sagten, dass sie mit mir fühlen würden. Ich dankte ihnen und setzte das Teeglas an meine Lippen. Amy, dieser Augenblick, dieser heisse, köstlich süsse Tee, wie gern hätte ich ihn mit dir erlebt. Mir ist nach Weinen zu Mute, aus Glück, das hier erleben zu dürfen, und aus Trauer, dies ohne dich tun zu müssen. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und wandte den Kopf. Zohra sah mich lange und durchdringend an, und durch diesen Blick von einer beängstigenden Klarheit sah ich direkt hinein in meine Seele, dieses abgrundtiefe Loch der Leere. Sie strich mir leicht übers Gesicht, eine Bewegung die so fein war, dass sie eigentlich gar nicht existierte.
Auf französisch wandte ich mich an sie.
„Meine Schwester sollte jetzt eigentlich hier neben mir sitzen.“
Zohra nickte.
„Das tut sie. Hier in der Wüste ist man den Toten näher als den Lebenden, der vollkommenen Stille näher als dem Lärm. Hier hat das Wort Realität seine Bedeutung verloren, und doch gibt es für uns nichts wichtigeres als sie.“
Wir redeten noch eine Weile miteinander, und schliesslich, in der flirrenden Hitze des Mittags, machten wir uns auf den Weg weiter hinein in die Wüste. Nach einer halbstündigen Fahrt schliesslich fühlte ich, dass hier der Ort für Amy war. Es würde ihr gefallen. In der Ferne der Hoggar, und hier die Dünen. Komisch eigentlich, dass man die Sahara immer mit Dünen assoziiert, auch wenn diese tatsächlich nur einen minimalen Prozentsatz der Wüste ausmachen.
Ich umklammerte den Behälter, den Jane aus der Küche entwendet hatte und der nun einen Teil der Asche meiner Schwester enthielt mit meinen Fingern und bat Matali anzuhalten. Er kam meiner Bitte nach, und nach der einkehrenden Stille die der absterbende Motor hinterlassen hatte und einigem Zögern stieg ich aus, die Asche unterm Arm. Ich entfernte mich von dem Wagen und ging den Dünen entgegen. Eine nach der anderen bestieg ich, ich hatte schon bald aufgehört zu zählen, und irgendwann blieb ich auf der höchsten Düne stehen und blickte zurück. Das Auto stand mitten auf der Piste, doch Jane und Matali waren nicht zu sehen, vermutlich hatten sie sich im Schatten eines Hügels niedergelassen. Schliesslich öffnete ich langsam die Büchse und umfasste die seidene Asche mit meiner Faust.
Amy, du hast einst gesagt du würdest mich verstehen, wenn ich mit dir spräche. So höre mir zu. Du warst die Sonne meiner Seele, der Atem meines Geistes. Nun stehe ich hier, alleine am Ziel unserer gemeinsamen Reise, und halte deine Asche in meinen Händen. Ich fühle, dass du anwesend und, noch wichtiger, glücklich bist. Ein Wind kommt auf, extra für dich. Ich hebe die geschlossene Hand, um deine Asche dem Himmel und der Erde, dem Wind und dem Sand zurückzugeben, und mit der nächsten Böe lasse ich dich los. Du fliegst dahin, befreit von den Fesseln der Welt, der Ewigkeit entgegen. Du bettest dich ein, wandelst dich zu einem Teil des Kreislaufs des Lebens. Und ich verneige mich zum Abschied vor dir, Seele, verneige mich zur Begrüssung vor dir, Allgegenwärtige.
Ihre Asche war bereits in den nächsten Sekunden verschwunden. Ich setzte mich auf den heissen Sand und starrte hinaus auf diese endlose und leere Weite. Noch war das Drama nicht beendet. Noch musste der Rest von Amys Asche beerdigt werden. Ich stand auf, klopfte mit gedankenleerem Kopf meine Hosen vom Sand frei und ging zurück. Jane und Matali empfingen mich wortlos, wir stiegen ins Auto und fuhren zurück nach Tam.
Vor unserer Ankunft dort trafen wir noch einmal Zohra, Amira und Aflane. Zwei Tage, in denen Amira mir verriet, dass sie ihr Kind – sie fühlte, dass es ein Mädchen war – nach mir benennen würde. Zwei Tage, in denen ich ein wenig Tamahaq lernte, und die drei Tuareg, welche ihrem Ruf der Gastfreundschaft alle Ehre machten uns das Versprechen abnahmen, sie bald wieder zu besuchen. Schliesslich musste ich doch meine Namensschwester kennen lernen. Wir lernten noch ein paar andere Tuareg kennen, auch Mädchen in meinem Alter, und wir lachten und scherzten auf gebrochenem Tamahaq und gebrochenem Französisch. Wir assen Couscous, tranken Tee über Tee, hörten dem Spiel von Imzad und Tende zu, und ich lernte auf einem Mehari zu reiten. Die Tuareg haben unzählige Namen um ein Dromedar näher zu beschreiben. So heisst zum Beispiel ein Mehari mit einem weissen Maul Imulssan, ein gesprenkeltes Mehari Ajmilal oder ein schwarzes Ékawél.
Am Abend vor unserer Abreise führte mich Aflane zu der Herde der Mehara.
„Such dir eins aus, wir werden auf es aufpassen, bis du wiederkommst.“
Ich starrte ihn an. Er wollte mir tatsächlich ein Mehari schenken? Er lachte über meinen ungläubigen Blick.
„Im Herzen bist du eine von uns, eine Targia. Du warst es schon bei deiner Geburt, doch es hat lange gedauert, bis du deinen Weg zu uns gefunden hast. Nun bist du hier, und was ist ein Targi ohne Mehari? Dromedare sind stur, ich kann dir lediglich anbieten eines auszuwählen, doch es liegt am Mehari, ob es dich akzeptiert oder nicht.“
Wir gingen zwischen den Mehara durch und eins nach dem anderen ignorierte uns beflissentlich. Nur eines schaute auf, als wir es passierten, und bei jenem blieb ich stehen. Es hatte ein weisses Fell, und als es mich mit klugen Augen ansah bemerkte ich, dass sie blau waren. Aflane nickte anerkennend.
„Eine gute Wahl. Sie läuft gut und ausdauernd. Iuinaran ist ihr Name.“
Iuinaran. Ich näherte mich dem Dromedar, welches sich wieder seinem Fressen zugewandt hatte. Sehr begeistert schien es nicht, von mir in seiner Mahlzeit gestört zu werden, doch Iuinaran liess mich trotzdem näher kommen und sie streicheln. Sie blähte wohlig die Nüstern.
„Steig auf.“, wies mich Aflane an. Er zog Iuinaran auf die Knie, der wir mittlerweile anscheinend auf die Nerven gingen. Unwillig und verärgert liess sie sich nieder und ich setzte mich auf sie drauf. Ohne Sattel hatte man weniger Halt, doch es ging. Ich kreuzte meine Füsse über ihrem Hals, wie ich es gelernt hatte, und sie stand auf. Ihr sanfter Schritt wiegte mich, sie schien sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben. Nach ein paar Runden um die Herde lenkte ich sie wieder zu Aflane und liess sie niederknien, dann stieg ich ab.
„Was denkst du?“, fragte ich Aflane.
„Sie akzeptiert dich als würdig, auf ihrem Rücken zu sitzen. Es hätte mich gewundert, wäre es anders gewesen.“
Schliesslich streichelte ich Iuinaran zum letzten Mal, die mich keines Blickes würdigte, und wir gingen zurück zum Lager.
Wir verabschiedeten uns von einander in dem Wissen, dass wir uns wiedersehen würden, was die Trennung sehr erleichterte. Aflane versprach, gut auf Iuinaran aufzupassen. Amira umarmte mich und sagte lächelnd, dass sie ihrer Tochter viel von mir erzählen würde bis ich wieder käme. Schliesslich trat ich zu Zohra, welche mich ebenfalls umarmte.
„Wir sind gut mit Matali befreundet. Falls du uns besuchen kommen solltest, und wir nicht hier sind, frag ihn, er weiss immer wo wir uns gerade aufhalten.“
Ich nickte mit zugeschnürter Kehle.
Schliesslich stiegen Jane, Matali und ich ins Auto und fuhren los, während in der Ferne die schlanken Gestalten sich mit den Formen der Wüste vereinten.
Zurück in Tamanrasset buchten wir einen Flug, der uns am nächsten Morgen über Algier nach Hause bringen sollte. Am folgenden Tag am Flughafen verabschiedeten wir uns tränenreich von Matali, und ein letztes Mal roch ich diesen mir inzwischen so vertraut gewordenen Geruch nach Holkohle, Wind und Sand.
Im Flugzeug schliesslich erwachte ich aus diesem Traum, der ein paar Tage gedauert hatte, die wunderschönsten Tage meines Lebens, beendete den Traum von der Wüste. Den ganzen Flug über sprachen wir kaum ein Wort. Erst als wir die Wüste und Afrika verlassen hatten und das glitzernde Blau des Atlantiks meine Augen schmerzte, wandte ich meinen Blick vom Fenster ab, lehnte mich im Stuhl zurück und zog Saint-Exupérys ‚Botschaft der Wüste’ aus meinem Rucksack hervor.