Was ist neu

Grau

Mitglied
Beitritt
15.12.2004
Beiträge
29

Grau

Sie sitzt in einem Linienbus. In einem dieser blauen Linienbusse, die alle graue Scheiben haben, von der schmutzigen Stadtluft und die große graue Aufschriften tragen, die früher einmal bunt waren. Sie sitzt also in diesem Linienbus, und um ein Haar, da hätte ich sie übersehen, weil sie sehr klein ist und sehr zierlich. Zu zierlich, sagen die anderen. Zierlich genug, um nicht aufzufallen, würde sie antworten, hätte man sie denn gefragt. Zierlich genug, um nicht gesehen zu werden, als kleines graues Mädchen, inmitten dieser großen grauen Menschen, in einem dieser blaugrauen Linienbusse, die früher einmal strahlend blau waren, genauso blau waren wie ihre Augen.
Früher, als diese grauen Gestalten noch Gesichter hatten für sie, früher, als die Linienbusse noch Farben hatten, als die ganze Welt noch Farben hatte. Früher, da hatte auch sie noch Farben, da war sie nicht nur das kleine graue Mädchen. Früher, da hat sie manchmal gelacht, dieses Mädchen, vielleicht war sie sogar glücklich.
Doch irgendetwas war mit ihr geschehen, ganz langsam und schleichend. Ebenso schleichend, wie ihre Mundwinkel immer starrer wurden, beinahe starrer als ihr Blick. Vielleicht war auch ihr Herz starrer geworden. Und wenn man sie fragen wird, was das war, das ihr das Lächeln nahm, dann wird sie einem den Rücken zuwenden und ihr Blick wird noch lebloser werden, als zuvor und sie wird aus dem grauen Busfenster starren, so als ob draußen in der farblosen Welt etwas ungemein bedeutendes geschehen würde, obwohl es doch in Wirklichkeit nur die grauen Fensterscheiben sind, die sie anstarrt, oder durch die sie hindurchstarrt und die ihr beinahe ebenso unbedeutend scheinen, wie ihr Leben selbst. Und sie wird lange auf die Fensterscheibe starren, traurig und lange, so lange, dass sie ihre Haltestelle verpasst und so lange, bis es anfängt dunkel zu werden, in den Straßen, noch dunkler als zuvor, und sie wird starren und schweigen, eine kleine Ewigkeit wird sie schweigen, doch irgendwann, irgendwann wenn sie die Worte gefunden hat, die ihr richtig scheinen und von denen sie weiß, dass sie die Wahrheit nicht nur streifen, sondern dass sie selbst die Wahrheit sind, ja dann wird sie sich langsam umdrehen und sie wird deine Augen suchen und sie wird deinen Blick suchen, doch da sind keine Augen mehr, da ist niemand mehr da, der ihr zuhören wird, der ihre Wahrheit hören wird und der bereit ist, für sie zu verstehen, warum ihre Welt keine Farben mehr hat.

 

Hallo Leah,

herzlich Willkommen auf KG.de!

Hm... eine sehr traurige Geschichte, die du da geschrieben hast. Etwas verwirrend für mich allerdings die Tatsache, dass jemand Fremdes das Mädchen beobachtet und denoch genau zu wissen scheint, wie sie fühlt.
Das finde ich etwas unlogisch, wenn auch nicht unmöglich.

Das Ende fand ich etwas melodramatisch. Warum sollte dann plötzlich niemand mehr da sein, der ihre Geschichte anhören möchte? Aus welchem Grund?

LG
Bella

 

Hallo Leah,

als Anfang für eine Geschichte finde ich deinen Text interessant und gut, aber eben nur als Anfang. Da wo die Geschichte losgeht, brichst du ab und behauptest, es wäre das Ende. Nein. Jetzt begännde die Arbeit des Erzählens. Ab dem Moment erst könntest du aus deiner farblosen Protagonistin eine Geschichte hervorlocken, die sie erzählt. Aber dadurch, dass niemand so lange warten wollte, bis deine Protagonistin die Worte der Wahrheit gefunden hat, drückst du dich ums Erzählen.
Das ist im hohen Maße unbefriedigend.
Nun erzähl also dem Leser auch, was das Mädchen im Bus niemandem mehr erzählen konnte.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo,

die Geschichte meines Mädchens liegt meiner Meinung nach genau darin, dass die Person verschwunden ist, genau darin, dass niemand sich die Zeit nimmt, zuzuhören, abzuwarten, bis man die richtigen Worte gefunden hat um den anderen das zu sagen, was einem Wirklich auf dem Herzen liegt, dass die Welt nur noch aus flüchtigen Blicken besteht und aus verschlossenen Augen, anstatt aus offenen Ohren.
Ich wollte es dem Leser nicht zu einfach machen, denn ich finde dass man ein wenig eigenständiges Nachdenken doch nicht zu viel verlangt sein dürfte.
So viel dazu.
Mit freundlcihen grüßen!

 

Ich denke, dass jeder im Kopf die Möglichkeiten durchspielen könnte, was dem Mädchen geschehen ist. Sie könnte einen Familienangehörigen verloren haben, oder einen guten Freund... Sie könnte sexuell mißbraucht worden sein oder oder oder...
Es geht also sicherlich nicht darum, dass sich nicht jeder eine Möglichkeit vorstellen könnte, was dem Mädchen geschehen ist.

Ich gebe Sim aber recht: Es ist unbefriedigend eine Geschichte zu lesen, die schon am Anfang aufhört.

 

Leah schrieb:
Ich wollte es dem Leser nicht zu einfach machen, denn ich finde dass man ein wenig eigenständiges Nachdenken doch nicht zu viel verlangt sein dürfte.

Das lese ich als Argument immer wieder unter solchen Texten und es ist ein richtiges Totschlagargument.
Damit kann ich auch begründen, nur einen Satz als Geschichten zu verkaufen. Schon "Ich packe meinen Koffer" ist danach eine Geschichte, da sich ja jeder selbst seine Vorstellungen machen kann, was alles in den Koffer kommt, wohin die Reise gehen soll, ob es eine Urlaubsreise oder ein Geschäftsaufenthalt werden soll, ob das Geschäft glatt geht, ob der Urlaub schön wird. Nein, das Argument lasse ich nicht gelten.
Natürlich sollte man dem Leser nicht das Denken abnehmen, aber das ändert nichts an meiner Kritik zu deinem Text. Es ist der Anfang zu einer Geschichte. Es ist noch nicht die Geschichte.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Leah,

deine geschichte fand ich anstrenged zu lesen. Das lag entweder an dem einen, superlangen Absatz oder aber an den superlangen Sätzen. Diese hier beispielweise:

Und wenn man sie fragen wird, was das war, das ihr das Lächeln nahm, dann wird sie einem den Rücken zuwenden und ihr Blick wird noch lebloser werden, als zuvor und sie wird aus dem grauen Busfenster starren, so als ob draußen in der farblosen Welt etwas ungemein bedeutendes geschehen würde, obwohl es doch in Wirklichkeit nur die grauen Fensterscheiben sind, die sie anstarrt, oder durch die sie hindurchstarrt und die ihr beinahe ebenso unbedeutend scheinen, wie ihr Leben selbst.
Und sie wird lange auf die Fensterscheibe starren, traurig und lange, so lange, dass sie ihre Haltestelle verpasst und so lange, bis es anfängt dunkel zu werden, in den Straßen, noch dunkler als zuvor, und sie wird starren und schweigen, eine kleine Ewigkeit wird sie schweigen, doch irgendwann, irgendwann wenn sie die Worte gefunden hat, die ihr richtig scheinen und von denen sie weiß, dass sie die Wahrheit nicht nur streifen, sondern dass sie selbst die Wahrheit sind, ja dann wird sie sich langsam umdrehen und sie wird deine Augen suchen und sie wird deinen Blick suchen, doch da sind keine Augen mehr, da ist niemand mehr da, der ihr zuhören wird, der ihre Wahrheit hören wird und der bereit ist, für sie zu verstehen, warum ihre Welt keine Farben mehr hat.
Diese zwei Sätze sind ja fast die Hälfte des Textes! Das liest sich nicht nur mühsam, das ist auch sehr unübersichtlich.

Die Geschichte an sich, die mir eher wie ein erster Entwurf vorkam, hat Potential, aber es ist sicher nötig, sie auszubauen. In ihrer momentanen Fassung ist sie mir jedoch zu einseitig, zu wertend und zu farblos. Es passiert zu wenig, es gibt kaum handlung. Du beschreibst nur. Und das eben sehr lang und umständlich.

Vielleicht war auch ihr Herz starrer geworden.
Tolle Formulierung.

liebe Grüße,
Anea

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom