Graue Augen
Die grauen, einstmals sicherlich stahlblauen Augen der alten Wölfin durchboren mein Herz, dringen tief in meine Seele ein und wecken etwas in mir was ich so schon lange nicht mehr gefühlt habe.
Zwiespältig ist der Drang der in mir zu brodeln beginnt, wärend ich, ihr gegüber, am alten schäbigen Holtztisch sitze, vor mir zehnjahre alte Zeitschriften und ein Telephonbuch, seid zehn Jahren nicht mehr aktuell.
Alles ist alt hier in dieser neumodischen Mietwohnung im Erdgeschoss eines Wolkenkratzers. Sie hat es alt gemacht, einzig durch ihre Anwesenheit, so wie die Toten einem Friedhof erst seine gewisse Atmosphäre geben.
Was ist es was ich fühle? Mitleid? Ja, sicherlich, aber bloßes Mitleid hätte mich niemals dazu gebracht wieder zukommen, dazu bin ich viel zu egoistisch, viel zu selbstverliebt. Bloßes Mitleid rührt, aber es treibt nicht.
Was ist es dann? Warum tue ich mir das alles hier an?
Ihr altes runzlige Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse, die Wolfaugen füllen sich mit Tränen.
Ich soll sie zu ihrer Zweitwohnung fahren. Sie will sie vermieten.
Ich habe keine Zeit, mein Auto ist voll mit Menschen, voll mit Leben, ich muss weg und für den Tod ist kein Platz in meinem Golf.
Ob ich ein Handy habe? Ja, aber ich verschweige es. Warum? Ich müsste es holen und dass will ich nicht. Die Versuchung einfach nicht mehr wieder zukommen, wäre ich erst draußen, ist einfach zu groß. Ich muss bleiben, wenn auch nur für wenige Minuten in denen ich ihr nicht Helfen kann.
Warum? Erinnerung?
Nein, nicht was mein junges Leben bisher gesehen hat lässt sich hiermit vergleichen.
Sie bäugt sich vor, ihr Gesicht wirkt wie aufgequollen aus dieser Perspektive. Aufgequollen wie ihre Füsse. Wasser ist in ihnen hat sie mir gesagt, deshalb kann sie kaum laufen. Deshalb und weil sie gestürzt ist, viermal in der letzen Woche.
Die Krücken liegen nebem ihr auf dem braunen Holzboden.
Ob ich sie wirklich nicht fahren kann? Nein, sicher nicht, ich würde es nicht ertragen und meine Freunde warten doch auf mich. Es ist kein platz mehr im Auto. Wirklich nicht. Sie hat doch niemanden der sie fahren kann. Der Enkel arbeitet in der Nachtschicht, die Tochter sitzt im Rollstuhl, ihr Mann ist tot, und den Ami welcher sie mit 17 geschwängert hat, nach dem Krieg war das, hat sie seidher niemehr gesehen.
Sie soll doch einen Nachbar fragen ob er sie fährt wenn es so wichtig ist.
Das aufgedunsene Gesicht verzieht sich zu einer Zornesmaske.
Niemals würde sie diese Schweine fragen. Niemals.
Oh wieviel Hass brodelt doch in dieser Frau.
Es ist unerträglich, ich gehe zugrunde hier in dieser Wohnung. Der Tod steht praktisch schon auf der Fussmathe. Wartet bis ich hinaus gehe um mich abzulösen.
Bin ich selbstlos? Ist es dass? Gehe ich deshalb nicht, obwohl meine freunde warten und ich mir nichts sehnlicher wünsche als für immer zu verschwinden?
Will ich ihr Leben einfach nur versüßen, für eine kleine Weile?
Nein! Dass ist es nicht, ich spüre es genau. Sicherlich, meine Anwesenheit erfüllt all dies, aber es ist nicht mein Motiv.
Sie Braucht einen Mieter, den Reich ist sie nicht. Deshalb soll ich sie zur Wohnung fahren, oder mit dem Händy bei der Uni anrufen. Es geht nicht.
Die Frau ihres Neffen hat sie ständig angerufen und beschimpft, deshalb ist das Telephon abgestellt.
Soll ich das Händy holen? Soll ich es ihr schenken?
Ich kann jetzt nicht gehn, ich würde nicht mehr wieder kommen.
Wir reden. Zeit verstreicht.
Warum? Ich sollte im Auto sitzen , nach Hause fahren wie meine Freunde es wünschen...
Wir reden.
67 ist sie und schon am Ende. Zu viel ist geschen.
Er hat sie geschlagen, der letzte Mieter, jetzt wurde er verhaftet, aber sie braucht Geld.
Es wäre so einfach jemanden zu finden, alle suchen zuzeit eine Wohnung, dass Semester fängt bald an.
Ich schaue im Telephonbuch nach der Nummer der Universität, sie soll dort anrufen.
Der Fussmarsch zur öffentlichen Telephonzelle wird ihr gut tun, auch wenn die Füsse mit jedem Schritt schmerzen. Wäre sie bloß nicht gestürzt...
Bewegung ist gesund, gerade in diesem Alter...
Ich verabschiede mich und weiß genau dass ich wiederkommen werde. Sie weiß es auch....
Warum? Was ist der Grund? Warum tue ich mir das an frage ich mich immer wieder?
Ich schließe die Tür, sie klemmt, ich muss dreimal kräftig zuschlagen....
Faszination... ja ich bin fasziniert von all der Graussamkeit die das Leben für die Alten bereithält.
Ich muss es niederschreiben, das bin ich mir schuldig.