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Grauschluchten

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15.03.2008
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Grauschluchten

Uki lief und lief, Häuserschluchtenwinde umpfiffen seine Nase, der dunkelblaue Mantel wallte hinter ihm, mit der rechten Hand hielt er den schweren schwarzen Hut an der Krempe. Graupeln peitschten ihm ins Gesicht, der Niederschlag lag fast waagerecht in der Luft. Es war, als hätte das Himmelspersonal seine tagelang zurück gehaltenen Kräfte auf einmal entfesselt, um gerade diesem Tag einen eisigen Stempel aufzudrücken.
Wenn Uki nicht beide Hände bräuchte – die eine hielt den Hut, die andere war ein wichtiges Rädchen seiner Laufmaschinerie - würde er seinen teilnahmslos wirkenden Wolkenschwestern die geballte Faust entgegen schütteln.
In seiner Welt aber gab es keine Konjunktive, nur Wirklichkeiten. Also lachte er, zeigte dem arktischen Wind seine glatten weißen Zähne und scherte sich nicht weiter um irgend etwas, das er nicht ändern konnte.
Die Häuser ragten wie Gebirge um ihn auf, schmutzige zehnstöckige Gebäude, deren Fenster die Bullaugen gigantischer U-Boote waren, die in dem Ozean der Möglichkeiten der Welt festgekettet und dazu verdammt waren, auf den lebensfeindlichsten Abschnitt schwarzer Tiefe zu starren. Ein Eismeer in fünftausend Meter Tiefe - keine Farbenpracht und kein Artenreichtum, nicht mal Fressen und Gefressen werden an diesem Tag.

Berlins nordöstliche Satellitenstadt war abweisender als üblich, die Menschen hockten trübselig in ihren Zimmern und versuchten sich halbherzig aufzumuntern, während ihre anderen Herzhälften damit beschäftigt waren Flachbildschirme voll zu tippen und Biervorräte leer zu saufen. Für ein paar Eiskristallsammler war es freilich eine Festzeit.
Wie lange Uki schon lief, war schwer zu sagen. Mehrere Jahre, vermutete ich. Als ich ihn fragte (was ich im Zuge der Story-Recherchen tat: Uki, fragte ich, wie lange läufst du schon?) redete er von der Lächerlichkeit jeglichen Zeitbegriffs, von Sonnenuntergängen und –aufgängen.

Das ist natürlich überhaupt keine Antwort, was ich ihm bei dieser Gelegenheit sagte.
Auf meinen Hinweis reagierte er nur mit weiteren wolkigen Formulierungen und blumigen Phrasen, zwischenzeitlich hielt ich ihn schon für einen dieser Wortakrobaten, die nichts tun, außer Wirklichkeiten hinter Worten zu verstecken.
(Aber nein, im Gegenteil: Eher war er wie ein fleischgewordenes chaotisches Ursprungswort oder die wortgewordene kakophonische Musikalität, möglicherweise von göttlichem Geist beseelt - außerdem aber auch so höflich, mir nicht ins Gesicht zu sagen, dass er mich für unhöflich und indiskret hielt.)
Um ihn nicht so leicht davon kommen zu lassen, bohrte ich tiefer, fragte nach und nach: An wie viele Jahreszeitenwechsel er sich erinnern könne, nach der Menge der Kleidungsstücke, die er während des Laufens vielleicht zerschlissen habe.
Was auch immer seine Wesensart ist – ein paar Sätze später werde ich meine Vermutung äußern – ein Feigling oder Blender ist er nicht.
In Reaktion auf meine Zudringlichkeiten explodierte Uki und erging sich in einer unglaublich geistreichen Kaskade von Beschimpfungen, umfasste die Welt menschlicher Begrifflichkeiten mit drei, vier skizzenhaften Wortschwällen, bevor er sie zwischen eisenharten Formulierungen schraubstockte, zur endgültigen Zerdrückung bereit.
Während seiner weltumfassenden, zerstörerischen Rede verdunkelte sich die Sonne in dem Maße, in dem seine wütenden Augen rot und röter wurden. Am Horizont bildeten sich graudrohende Windhosen und die Erde begann zu schwanken wie eine Schaukel, die von einem irren Kind angeschubst wurde.
„Halt!“ rief ich. „Komm zurück, lass gut sein! Die Zeit ist eine plumpe Illusion, du hast ja Recht!“ Ich wiederholte diese und bedeutungsähnliche Worte, verfiel in einen Singsang, der seinen Geist beruhigen und auf die Spur der Vernunft zurück locken sollte.
Er war kein sperriger Charakter, ebenso leicht entflammbar wie zu beruhigen, seine Iris entfärbte sich zusehends und war Sekunden später von ebenso reinem Weiß wie seine Zähne.
Während unseres Wortwechsels war er nicht einmal aus dem Tritt gekommen, die ganze Zeit war er weiter gerannt.
Nach diesem Ereignis vermutete ich, dass dieser Typ – Uki – die Personifikation der Welt war, vielleicht auch der Avatar eines fast vergessenen Gottes, dessen intuitives Wesen seine Kraft von einem zivilisationsfernen Volk bezog, das nicht missioniert oder rationalisiert worden war und ihn immer noch anbetete.
Nur, warum er ständig lief, wurde mir nicht klar. Lief er weg, wollte er wohin?

Aus einem anderen Hausaufgang, ein paar Straßen weiter, kam die Pea. Es ist nicht vermessen zu behaupten, dass ein Flor wie ein Duft von Frühling sie stets umwehte. Blonde Locken, die auf ihre Schultern fielen, grüne Augen, die genau so gut herausfordernd wie schelmisch blitzen konnten, reinweiße Haut, auf den Wangen ein Hauch von Rot, ebenso war die Nase etwas gerötet, was ihr den Reiz des Unvollkommenen schenkte und wohl der Kälte geschuldet war.
Ihr Körper, dessen sehr weibliche Form an eine Sanduhr erinnerte, wurde von einem praktisch wirkenden, olivgrünen Militärparka sackartig verhüllt. Sie hatte keine Not, sich schön zu machen, weder für sich noch für einen Irgendwen. Auf dem Weg, Uki zu treffen, war ihr nur ein Accessoire wichtig: Das grüne Tuch aus Brokat, das sie sich um Hals und vor den Mund legte.
Gelassen und von dem Hagel unbeeindruckt, schritt sie nobel und stolz wie die Hohepriesterin eines vorchristlichen Kultes die verlassenen Straßen von Hellersdorf entlang, hinter deren U-Boot-Häusern all die Manfreds und Mustafas, Edits und Edirnes ihre farblosen Leben fristeten, nichtsahnend, dass eine Auserwählte auf dem Weg zu ihrem Auserwählten war.

Uki aber ahnte dass sie unterwegs war, ohne zu wissen wer sie sei und was er mit ihr anfangen könne, wusste er, dass sie für ihn und umgekehrt: dass es da eine Bestimmung gäbe.
Es war nicht mehr so, dass er vor sich selbst und seinem weltenzerstörerischen Zorn davon rannte, nein, jetzt lief er zu ihr, von Gefühlen baldigen Neuanfangs getrieben.
An einem Blumengeschäft vorbeilaufend, kaufte er „irgend eine blaue Blume to go“, das sollte die Morgengabe sein, sein Geschenk für die Braut.

Auf einer Kreuzung trafen sie sich, küssten sie sich, liebten sie sich. Von dichten Hagel- und Schneeschauern umgeben, die ihnen eine Intimität schenkten, wie sie in keinem vorhanggeschützten Turmzimmer eine größere hätte sein können.
Das Kind, das aus ihrer Verbindung entstand, wurde wenige Minuten später mit leuchtenden, bernsteingelben Augen geboren. Da die beiden nichts außer sich und ihrer Existenz besaßen, mussten sie von sich nehmen, um dem Kind etwas zu geben.
Pea gab einen Buchstaben, ihr A, Uki gab sogar zwei, das K und das I, so bekam das Kind den Namen Aki. Aus den Netzhäuten von Pe und U schliff U mit seinen scharfen Worten ein Prisma, froh, seine Wortgewalt für schöpferische Tätigkeit nutzen zu können. Vor dieses Prisma legten sie die blaue Blume und das grüne Tuch und Aki durchleuchtete alles mit ihren bernsteingelben Augen.

Die Welt erstrahlte nicht mit einem Mal in allen Regenbogenfarben, aber eine neue Farbigkeit sickerte langsam in jedes Ding und alles Leben hinein. Auf den Wänden der Betonschluchten wuchsen ein paar zaghafte Graffitis heran, die Kronen der Bäume bekamen das ihnen zustehende satte Grün und goldener Schimmer durchwob die Blätter, mancherorts begannen längst erloschene Menschenaugen zu leuchten.
Kurz: Überall, wo vorher nur das Grau herrschte, durchbrachen bunte Sprenkel die Tyrannei des Unbunten.
Als Manfred aufstand, um die Heizung hoch zu drehen, blickte er durch das große Balkonfenster nach draußen. Er verstand nicht, dass es an den Farben lag, aber fühlte eine Zufriedenheit bei der Betrachtung seiner altbekannten Umgebung, die jetzt um einiges frischer und lebendiger wirkte.
Dieses Gefühl wuchs zu einem kleinen Glück heran und zur Feier des Tages beschloss er, sich ein weiteres Bier zu gönnen und Edit, seine ewig geile Nachbarin, zu einem Youporn-Videoabend einzuladen.

 

Hallo Kubus,

dieser Text schreit danach interpretiert werden zu wollen.
Dafür bietest du eine Menge Stoff. Glücklicherweise bist du mit dem Tempo etwas zurückgegangen, verglichen mit deinem "verdammten Unbunt." Hier bietest du schon mehr Raum für deine Bilder, die teilweise wirklich stark sind. So können sie besser wirken. Insgesamt fehlt mir aber immer noch der erkennbare rote Faden, der die Gedanken aufzureihen in der Lage wäre.
So hatte ich beim Lesen zu stark den Eindruck, die Erfindung der Figuren wäre das eigentliche Highlight und nicht die Geschichte, die sie erzählen könnten.
Du merkst, so ganz glücklich bin ich mit diesem Text nicht. Eine Menge bietest du hier an und viel davon finde ich gelungen, aber irgendwie schwebt es zu sehr im Raum, oder, um bei Uki zu bleiben, rennt es etwas richtunglos durch die Gegend.

Es war nicht mehr so, dass er vor sich selbst und seinem weltenzerstörerischen Zorn davon rannte, nein, jetzt lief er zu ihr, von Gefühlen baldigen Neuanfangs getrieben.
Das will nicht passen, denn zuvor ist es noch die Frage, ob er denn zu etwas läuft, oder vor etwas weg. Hier gibst du plötzlich Tatsachen an, die du im Text nicht eingeführt hast, was recht willkürlich aussieht.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Kubus,

das hier ist deine beste Geschichte bisher. Sie ist lebendig und aktiv. Man merkt von Anfang bis Ende, das der Autor das Geschehen bestimmt und es jederzeit in der Geschichte ändern kann. So ist jeder Satz dann spannend, denn der Leser ist auf alles gefasst. Das liegt auch daran, dass in so einer Märchenform alles passieren kann. Deine zwei Figuren hast du schön gewählt. Sie kommen mir nicht bekannt vor. Wenn du sie selbst erfunden hast, und sie nirgends angelehnt sind, dann ist das gute Arbeit.
Für mich beschreibst du die Ankunft des Sommers. Welche Jahreszeiten die beiden Prots darstellen, weiß ich nicht. Aber wenn der Typ am Ende sein Fenster öffnet, ist alles bunt, also Frühling oder Sommer. Schade, dass du dann ein so plumpes Ende findest, das vielleicht zeigen soll, wie wenig es an der Welt ändert, wenn es schöner wird, das beschissene Leben auch weiterhin beschissen bleiben. Aber das Ende ist so einfach unschön und passt auch gar nicht. Lass dir was anderes einfallen. Eine ewig geile Nachbarin wünscht sich zwar jeder, aber als vermeintlich reale Person ist sie wohl kaum zu halten.

jedenfalls eine gute Geschichte bei der ich gespannt bin, wie sie gemeint ist.


lieben Gruß

 
Zuletzt bearbeitet:

hi weltenläufer, vielleicht liegen unsere irritationen über des anderen geschichten an deren verschiedenem aufbau? so konsequent wie du deine geschichten aufbaust, versuche ich für gewöhnlich nicht zu schreiben. ich möchte andere literarische wege beschreiben, als die stringenten.

So hatte ich beim Lesen zu stark den Eindruck, die Erfindung der Figuren wäre das eigentliche Highlight und nicht die Geschichte, die sie erzählen könnten.

also ich hab jetzt keine innere wichtung: so viel prozent geschichte, so viel die figuren. das fließt doch ineinander und auch figuren sorgen für eindrücke.

Es war nicht mehr so, dass er vor sich selbst und seinem weltenzerstörerischen Zorn davon rannte, nein, jetzt lief er zu ihr, von Gefühlen baldigen Neuanfangs getrieben.

Das will nicht passen, denn zuvor ist es noch die Frage, ob er denn zu etwas läuft, oder vor etwas weg. Hier gibst du plötzlich Tatsachen an, die du im Text nicht eingeführt hast, was recht willkürlich aussieht.

hm, erst stellt sich der autor im text eine frage, später wird etwas vom text behauptet. das sind zwei verschiedene ebenen. wenns aber willkürlich rüberkommt, werd ich mal gucken, ob da noch was zu drehen ist.

danke für die kritische rückmeldung!

he Aris, oh, danke! das gibt kraft.

Wenn du sie selbst erfunden hast, und sie nirgends angelehnt sind,
schon sind sie angelehnt, ein paar zeilen vorher gibst du das stichwort:
Das liegt auch daran, dass in so einer Märchenform alles passieren kann
von wo aus ich zur mythologie komme - bei der figurerschaffung orientierte ich mich an mythologischen gestalten, logisch, götter und so. wesen mit besonderen fähigkeiten, die für aussergewöhnliche handlung sorgen sollen.

Schade, dass du dann ein so plumpes Ende findest, das vielleicht zeigen soll, wie wenig es an der Welt ändert, wenn es schöner wird, das beschissene Leben auch weiterhin beschissen bleiben

vielleicht deutet manfreds glückserfüllung auf einen beschränkten horizont, aber ich weiß nicht, ob der auch beschissen ist. denn:

Eine ewig geile Nachbarin wünscht sich zwar jeder, aber als vermeintlich reale Person ist sie wohl kaum zu halten.

er hat sie gefunden und ist gut drauf! :D

ne also, entschuldige Aris, aber die frage nach dem sinn der geschichte mag ich gar nicht beantworten. meine klebrige intention soll sich nicht über den text stülpen.
herzliche grüße

 

Hallo Kubus,

Herrlich, Deine schrägen Bilder. Habe die Geschichte durch und durch genossen. Irgendwie wartete ich auf eine Erklärung, die nicht kommt, auf eine Auflösung des Rätsels. Stattdessen wird es immer rätselhafter und Du überrascht andauernd. Der Ich-Erzähler, der “für die Geschichte recherchiert” scheint auch auf keinen grünen Zweig zu kommen. Dafür wird alles Unbunt farbenfroher. Auch eine schöne Auflösung. Manfred ist zwar nicht so poetisch, aber man gönnt ihm sein Vergnügen. Irgendwie vermeidet er, dass das Ende kitschig oder moralisch wird. Habe mich eine Weile gefragt, ob mir der Schluss nun gefällt oder nicht, dann die Frage verworfen. Überraschend ist er.

Trotz der reichlichen Charakterisierung werden die Figuren nie so ganz greifbar. Uki bleibt rätselhaft, Pea ideal und das Baby ein Freak. Ich schätze, so soll es sein. Mir gefiel’s.

Diesmal, finde ich, hieltst Du dich konsequent an die verdichtete Sprache. Das ist gerade das, was mir gefällt, macht den Text aber nicht unbedingt einfach zu lesen, weil man sich bei so vielen ungewöhnlichen Ausdrucksweisen oft fragt, was da eigentlich steht. An einigen Stellen würde ich etwas vereinfachen oder verunbildlichen, damit die “Häh?s” nicht den Lesefluss stören.

hielt er den schweren schwarzen Hut an dessen Krempe

“an der Krempe” fände ich flüssiger.

die andere war ein wichtiges Rädchen seiner Laufmaschinerie

Hier habe ich mich gefragt, ob Du wieder über eine Lokomotive schreibst oder sowas.

Für ein paar Eiskristallsammler war es freilich eine Festzeit.

Häh? – aber schön

zwischenzeitlich hielt ich ihn schon für einen dieser Wortakrobaten, die nichts tun, außer Wirklichkeiten hinter Worten zu verstecken

Ist das eine Anspielung auf Dich selbst? ;) Wie auch immer – gefiel mir.

verdunkelte sich die Sonne in dem Maße seine wütenden Augen rot und röter wurden.

Da fehlt doch was. “in dem Maße, in dem seine wütenden Augen …” vielleicht einfacher “sowie” oder sowas.

seine Iris entfärbte sich zusehends und war Sekunden später von ebenso reinem Weiß wie seine Zähne

Ich weiß zwar nicht, wie der weiße Teil in den Augen heißt (vielleicht “Augapfel”), und ob Du den gemeint hast, aber eine weiße Iris (ist doch der bunte Teil, oder?) sieht schon unheimlich aus, oder? Aber gut – auch nicht viel schlimmer als leuchtend bernsteingelb.

Nach diesem Ereignis vermutete ich, dass dieser Typ – Uki – die Personifikation der Welt war, vielleicht auch der Avatar eines fast vergessenen Gottes, dessen intuitives Wesen seine Kraft von einem zivilisationsfernen Volk bezog, das nicht missioniert oder rationalisiert worden war und ihn immer noch anbetete.

Den musste ich mehrmals lesen - und auf dem intuitiven Niveau des Leseverständnisses stehengeblieben.

Tja, wie gesagt, gefiel mir ausgezeichnet. Freu mich auf mehr.

Liebe Grüße

Elisabeth

 
Zuletzt bearbeitet:

>Überall, wo vorher nur das Grau herrschte, durchbrachen bunte Sprenkel die Tyrannei des Unbunten< und wir verspüren mit Manfred >eine Zufriedenheit bei der Betrachtung seiner altbekannten Umgebung, die jetzt um einiges frischer und lebendiger wirkte< als im >verdammten Unbunt< noch. Es freut mich zu sehen, wie Du voran schreitest in einem Berlin, dessen Bewohner Namen tragen wie Inuit und das Wetter spricht auch für den Ort Nuuk, der Hauptstadt Kalaallit Nunaats - was keine Traumwelt ist,

lieber Kubus,

sondern der Name Grönlands - des grünen Landes - in der Sprache der Ureinwohner. Die Bezeichnung Grönland hatten Eric der Rote und Leif Ericson für das unwirtliche Land genommen, um andere Europäer anzulocken zur Besiedlung des an sich unwirtlichen/-freundlichen Landes.

Gleichwohl gibt's noch das eine oder andere anzumerken (vielleicht schon in vorherigen Beiträgen angesprochen):

Du schreibst >In seiner Welt aber gab es keine Konjunktive, nur Wirklichkeiten< und einige Sätze später > ... Gebäude, deren Fenster die Bullaugen gigantischer U-Boote waren, die in dem Ozean der Möglichkeiten der Welt festgekettet ...< wenn das mal kein Wiederspruch wäre auf engstem Raum ...

>Während seiner weltumfassenden, zerstörerischen Rede verdunkelte sich die Sonne in dem Maße seine wütenden Augen rot und röter wurden<, klingt merkwürdig, vielleicht fehlt ja nur ein "wie".

Einige Kommata (wie auch im >Stadtrundgang ...<, solltestu vielleicht noch mal durchsehen, insbesondere nach wörtl. Rede) wären zu korrigieren wie in >Uki aber ahnteKOMMA dass sie unterwegs war, ohne zu wissenKOMMA wer sie ist und was er mit ihr anfangen könnte, wusste er, ...<, wobei die Passage,>wer sie ist< besser im Konjunktiv stünde, je nach Grad des Zweifels "wer sie sei" oder "wäre".

Dann gibt's Formulierungen, die zwar nicht unrichtig und erst recht nicht falsch sind, die aber sicherlich eleganter ausgedrückt werden können:

> ..., mit der rechten Hand hielt er den schweren schwarzen Hut an dessen Krempe< an wessen Hutes Krempe denn sonst? - hab ich bei Elisabeth auch gesehen: besser "der Krempe".

>Graupel peitschten ihm ins Gesicht, der Niederschlag lag fast waagerecht in der Luft.< So spricht vielleicht der Meteorolog', nicht aber der Poet und schon gar nicht der Traum vom grünen Land, der dann aber zumindest von "Graupel+n" spräche und brächte sicherlich die grausameren Griesel ins Gespräch, die vom Namen her schon Grau(s)en machen. Mein extremer Vorschlag: "Griesel zerschnitt ihm das Gesicht und lag fast ..." In jedem Fall müsstestu dem Graupel ein n gönnen.

Den >polarigen< änderte ich in "arktischen" Wind um, wohlwissend, dass die Temperaturen - wie es sich im grünen Land gehört - steigen werden im Jahresmittel.

Einmal fragstu auch >persönlich<. Wie fragt man eigentlich "un"persönlich?, und >auf meine Hinweisung< sollte zu "auf meinen Hinweis ..." werden.

Wie dem auch sei: die für mich schönste Formulierung ist, wenn Uki explodiert und schimpft>in einer unglaublich geistreichen Kaskade ..., umfasste die Welt menschlicher Begrifflichkeiten mit drei, vier skizzenhaften Wortschwällen, bevor er sie zwischen eisenharten Formulierungen schraubstockte, zur endgültigen Zerdrückung bereit.<

Auf die Story hin gönn ich mir - ohne Nachbarin - auch'n Pilsken.

Tschüss & schönes Wochenend'!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

hi Elisabeth, danke für die rückmeldung. dass dir die geschichte gefiel, glaub ich anhand deines kommentars. :) du hättest in der jury sitzen sollen, die dieser geschichte den abgeschmackten vierten platz gab.

ob mir der Schluss nun gefällt oder nicht, dann die Frage verworfen. Überraschend ist er.
so will er gelesen werden!
Irgendwie vermeidet er, dass das Ende kitschig oder moralisch wird.
klischee als randerscheinung und belehrende moral: ist als geschichtenende beides story-gau.
Trotz der reichlichen Charakterisierung werden die Figuren nie so ganz greifbar.
ich schreibe weniger, was ich sagen will, sondern vermeide eher, was ich nicht sagen will. möglicherweise daher der amorphe charakter der figuren, die sich durch deine worte trotzdem angenehm charakterisiert fühlen!
An einigen Stellen würde ich etwas vereinfachen oder verunbildlichen, damit die “Häh?s” nicht den Lesefluss stören.
ja, das halte ich anhand der rückmeldungen für eine gute idee, du lieferst ja gleich ein paar vorschläge mit, sei bedankt dafür.
Ist das eine Anspielung auf Dich selbst?
na so was - also wirklich! wenn ja, würd ich’s hier nicht schreiben, dann wär’s ja witzlos - wenn es so wäre. ;)
die andere war ein wichtiges Rädchen seiner Laufmaschinerie
tja, Laufmaschinerie, eigentlich ist der bewegungsablauf des laufens für mich eher organisch, als maschinell. aber Uki’s lauf hat für mich schon was roboterhaftes.
verdunkelte sich die Sonne in dem Maße seine wütenden Augen rot und röter wurden.
ich wollte ursprünglich tatsächlich schreiben: in dem Maße, in dem... . es bietet sich sehr an, jetzt tat ich’s, Friedrichard stolperte an der gleichen stelle.
seine Iris entfärbte sich zusehends und war Sekunden später von ebenso reinem Weiß wie seine Zähne
ne, ich meine schon das weiß in den augen, dann hab ich daneben gegriffen.

das, woher er seine kraft bezieht: götter gewinnen ihre kraft durch die menschen, die an sie glauben. so ein archaisches wesen wie Uki braucht auch ein archaisches volk, das nicht „modernisiert“ wurde.

bis bald, ich liefere gerne nach!

hallo Friedel, ein interessanter ausflug in ein land der inuit, also der menschen, wie es in ihrer sprache heißt. eskimos wurden sie von anderen genannt, was sie selbst als wenig schmeichelhaft empfinden. stand alles mal in einem was ist was buch.

>In seiner Welt aber gab es keine Konjunktive, nur Wirklichkeiten< und einige Sätze später > ... Gebäude, deren Fenster die Bullaugen gigantischer U-Boote waren, die in dem Ozean der Möglichkeiten der Welt festgekettet ...< wenn das mal kein Wiederspruch wäre auf engstem Raum ...
mit in seiner welt meine ich seine vorstellungswelt, nicht die äußere welt der geschichte. das erinnert mich an die von weltenläufer bemängelte stelle. ich weiß in beiden fällen nicht wie ich die probleme lösen könnte.

Die graupel bekommen das „n“ spendiert, griesel waren mir bisher völlig unbekannt, ich befürchte so wird’s anderen auch gehen. ich will die verständnisschwierigkeiten nicht erhöhen.

die fragliche passage steht jetzt im konjunktiv, aber an kommata reicht’s mir dort. ich würde dir gerne eine grammatikalisch fundierte begründung geben. :)

„arktisch“ ist genommen!

das „persönliche“ vor frage ist gelöscht.

„Hinweis“ nehm ich auch, grummelnd, zum zweck besserer lesbarkeit.

freut mich sehr, dass die geschichte frischer und lebendiger wirkte als die vorherige! wünsche dir eine angenehme woche.

kubus

 

Grüß Dich Kubus,

auch in einer vorgestellten Welt muss etwas überhaupt erst möglich sein, bevor's überhaupt wirklich werden kann, selbst als "reine" Vorstellung, die es wahrscheinlich genauso wenig gibt wie's Ding an sich. Vielleicht bin ich aber auch der falsche Ansprechpartner, weil ich den Konjunktiv (insbes. irrealis) für eines der interessantesten sprachlichen Probleme überhaupt halte. (Mein J, soviel überm Haupt!)


"Griesel" sind kleiner, kompakter als Graupeln, schneiden also ordentlich. Ist aber auch so okay, denn es sind ja nur Vorschläge, die wir machen. Übrigens beginnt der Mann ohne Eigenschaften mit'n bisschen Meterologie - wenn auch voller Ironie.

Gruß

Friedel

PS: >ich würde dir gerne eine grammatikalisch fundierte begründung geben.<???

 

he Friedel! ja, diese probleme überlasse ich gerne den philosophen, ich möchte nur funktionierende geschichten schreiben. wenns nicht funktioniert, wird umgeschrieben, gekürzt, rausgenommen. rotstiftphilosophie.

ich las vier wochen am mann ohne eigenschaften (ohne den fragmentarischen anhang), der steckt wirklich voller humor und zeitloser betrachtung, ein enormes werk. in einer monographie über musils leben war sinngemäß folgende bemerkung des autoren verzeichnet: bis ulrich auf agathe trifft, keine handlung stattfinden lassen
da wusste er wohl noch nicht, dass die beiden sich erst in der nähe von seite 700 treffen. man, was der für ne ausdauer hatte! fast sein ganzes leben widmete er einem werk, von dem er immer wusste, dass es keine antwort bergen kann.

PS: >ich würde dir gerne eine grammatikalisch fundierte begründung geben.<???
kann ich aber nicht.

herzliche grüße

 

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