Große Pause
Es ist ein grauer Morgen. Im Grunde ist jeder Morgen grau, an dem ich diese vergammelte und langweilige Schule besuchen muss, aber dieser Morgen ist auch noch vom Wetter her grau.
Ich ziehe genüsslich an meiner Kippe, mein einziger Trost in der ersten großen Pause.
Nach den 2 Stunden Mathe erwarten mich jetzt 2 Stunden Chemie. Schlimmer kann es eigentlich gar nicht kommen. Als ich aufschaue muss ich sehen, dass es doch schlimmer kommt. Besser gesagt; er kommt.
Benjamin.
Immer muss er mit mir reden. Jede Pause kommt er zu mir und lässt alle vermuten, wir wären Freunde. Ich glaube, dass er meinen Beliebtheitsstatus nach unten zieht, wenn die Leute mich mit ihm sehen.
Dieses lächerliche, aufgesetzte Grinsen auf seinen Lippen allerdings, das fehlt heute.
„Hallo“ sagt er und reicht mir die Hand „Wie geht es dir?
Ja, tu nur so als wären wir Freunde, jeder will ja cool sein, keiner Wunder, dass du dich vor allen anderen auf den Hof in meinem Licht zu zeigst.
„Ja, ja passt schon, könnte besser sein.“ sage ich.
Wäre Benjamin nicht die einzige Person, die mir Mathe und Chemie erklären kann, könnte ich ihm endlich mal sagen, dass er mir tierisch auf die Nerven geht.
Benjamin, du hast ne Scheiß-Friseur, geh doch endlich mal zum Friseur...
Benjamin, warum wäschst du dich nicht, es ist unerträglich, auch nur 10 Meter in deiner Nähe zu sein...
Benjamin, warum machst du keinen Sport, mit so einem Wanst kriegst du nie ein Mädchen ab!
„Weißt du eigentlich, was für ein Glück es ist, gute Freunde zu haben?“ fragt Benjamin mich.
Wie lächerlich, du Volltrottel, wir sind keine Freunde, du bist für mich nur eine kostenlose Nachhilfe!
„Ja, natürlich weiß ich das, warum fragst du?“ sage ich und schnicke meine Kippe in weitem Bogen von mir weg.
Benjamin sieht mich finster an.
„Was’n los?“ frage ich.
„Vielleicht kannst du es mir ja sagen.“
Keine Ahnung, was der hat!
Ich zucke mit den Schultern.
„Ne, kann ich nicht.“
Benjamin sieht mich immer noch so bescheuert an und sagt:
„Ich möchte dir jetzt mal was erklären: Ich weiß, dass ich hier nicht der hübscheste und bestimmt auch nicht der beliebteste Schüler bin, damit muss ich leben. Aber wenn du dich schämst, wenn ich hier mit dir auf dem Hof spreche, dann sag es wenigstens, du scheinst dich nämlich nicht zu schämen, wenn ich mein Wochenende damit verbringe, dir sämtliche Enzymreaktionen zu erklären.“
Ich muss husten.
„Benjamin! Was geht denn plötzlich mit dir ab, wie kommst du den auf so was?“
Verdammt, ich glaube die zwei geilen Mädels aus der 12b kriegen mit, wie ich von Benjamin dumm angemacht werde.
„Weißt du, der Daniel, darunter verstehe ich einen guten Freund, was der mir alles von dir erzählt hat... Weißt du, was dir fehlt? Ehrlichkeit“, sagt Benjamin, er hat sich gerade vor mich hingestellt.
„Benjamin, lass uns in Ruhe ein anderes Mal über so Kleinigkeiten reden“, sage ich leise, die zwei Mädels schauen leider immer noch neugierig zu uns herüber.
„Ich glaube, ich lasse dich jetzt mal in Ruhe, und lernen werde ich dieses Wochenende auch mit jemand anderem“ sagt er, dreht sich um und geht.
Ich glaube, der hat sie wohl nicht mehr alle... ist ihm überhaupt bewusst, mit wem er da gerade geredet hat?
„Hey Benjamin, weißt du, was du mal machen solltest? Kauf dir Seife und wasch dich, du stinkst!“ rufe ich ihm möglichst weit hinterher. Einige lachen laut. Benjamin geht weiter, ohne sich umzudrehen.
Ganz elegant drehe ich mich zu den Mädchen hin, die eine grinst schadenfroh, die andere sieht mich mit unmissverständlicher Abneigung an.
Es blinkt und leichter Nieselregen setzt ein.