Was ist neu

Gruppentherapie

Seniors
Beitritt
03.10.2001
Beiträge
2.047
Zuletzt bearbeitet:

Gruppentherapie

„So. Heute ist also auch die Katja in unserer Gruppe. Zuerst wollen wir alle gemeinsam unser neues Mitglied begrüßen! Hallo, Katja.“
„Hallo Katja!“
„Wie geht es dir? Möchtest du uns erzählen, was dir auf der Seele liegt?"
„Also ... ähm ... ich ... ich ... weiß nicht..“
Der Schweiß steht mir auf der Stirn und meine feuchten Hände versuchen, sich an dem harten Stuhl festzukrallen.
„Wollen wir Katja den Einstieg etwas leichter machen, indem wir uns mal kurz vorstellen? Ihr könnt sicher alle noch nachempfinden, wie euer erstes Mal in der Gruppe gewesen ist, nicht wahr?“
„JA!“
„Prima. Detlef, möchtest du heute den Anfang machen?“
„Also, ich bin der Detlef. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt, geschieden und habe zwei Kinder.“
„Sehr gut, Detlef. Erzähl uns von deinem Problem.“
„Immer wenn ich eine hübsche Frau auf der Straße sehe, muß ich die Hosen fallen lassen und zwanghaft masturbieren.“ Dicke Tränen kullern über sein vernarbtes Gesicht. Kaum verständlich, mit gebrochener, wimmernder Stimme führt er sein Geständnis fort:
„Ich kann nichts dagegen tun. Aber warum müssen diese dreisten Dinger auch nackt durch die Einkaufspassagen laufen? Sie machen das, um mich zu quälen. Sie demütigen mich mit ihren schamlos nackten Brüsten und enthaarten Venushügeln.“
„Ruhig Detlef. Wir wissen alle, wie sehr du leidest. Aber wir haben schon besprochen, daß sie nicht nackt sind... “
„Ach ja?“ Seine Tränen sind versiegt und nun erreicht die purpurne Zornesröte sein Gesicht. „Sie sind nackt!“ schreit er mit fast hysterischer Stimme. „Splitterfasernackt! Meinen Sie, ich bin krank? Glauben Sie, ich bilde mir das ein?“
„Detlef, es ist alles in Ordnung. Natürlich glaube ich nicht, daß du krank bist. Aber du weißt doch, daß es völlig normal ist, daß die Frauen nackt laufen. Sie sollen uns Männern doch gefallen.“
„Aber Herr Doktor.“
„Entschuldige Linda, möchtest du etwas dazu sagen?“
„Und ob ich das will. Es ist eine Unverschämtheit, was Sie gerade von sich gegeben haben. Sie gehören also doch zu den Männern, die uns Frauen nur als Lustobjekte sehen? Masturbieren Sie auch auf der Straße?“ Ihre Stimme fängt an zu zittern. „Ich dachte, Sie wären anders. Wie können Sie mir das antun?“
„Linda, möchtest du vielleicht fortfahren? Erzähl uns doch von dir...“
„Erst müssen Sie sagen, daß Frauen nicht nackt auf der Straße laufen müssen, um euch zu gefallen. Sagen Sie, daß Detlef ein kranker Spinner ist.“
„Ach Linda, wir haben das doch schon oft in der Gruppe ausdiskutiert.“
„Sagen Sie es!“ Fest entschlossen, jetzt bockig zu sein, verschränkt Linda ihre wulstigen Arme vor Brust.
„OK, Linda. Du hast natürlich Recht. Aber wir müssen lernen, Verständnis zu zeigen. Wir können doch nicht wie Neandertaler aufeinander losgehen, nur weil jemand eine andere Meinung hat. Wir müssen Detlefs Meinung akzeptieren. Und Detlef muß unsere Meinungen akzeptieren. Was meinst du, Linda?“
„Es tut mir leid, Detlef.“
„Detlef?“
„Ich hab doch gar nichts gemacht.“
„DETLEF?“
„Mir tut es auch leid.“
„Sehr gut. Ich sehe, ihr macht Fortschritte. Doch nun stell dich doch bitte kurz vor, Linda.“
„Ich heiße Linda und bin lesbisch.“
„Phantastisch, Linda. Ist es nicht eine Wohltat, seine Fehler zu erkennen?“
„Na ja...“
„Bitte schildere uns noch etwas deutlicher dein Problem.“
„Ich stehe auf Frauen.“
„Linda, arbeite nicht gegen die Gruppe. Wie stehst du zu Männern?“
„Männer? Diese verrückten, triebgesteuerten Kreaturen? Ich hasse sie, ich verabscheue sie.“
„Hervorragend. Wieso verabscheust du sie?“
„WIeso? Dazu fallen mir eine Milliarden Gründe ein. Sind Sie sicher, daß Katja die alle hören möchte?“
„Katja, möchtest du antworten?“
„Also, ähm ... vielleicht nicht alle auf einmal?“
„OK, Linda. Versuchen wir es anders. Wie geht es deinem Mann?“
„Hoffentlich schmort er in der Hölle und läßt sich jeden Tag aufs Neue vom Teufel persönlich in den A...“
„Linda, nicht so aggressiv. Atme tief durch ... Ja, so ist es gut. Merkst du schon, wie du dich besser fühlst? Ja? Soll ich für dich fortfahren?“
Ein zustimmendes Nicken.
„Katja, Linda hatte eine sehr, sehr schwere Kindheit, die wir hier unter anderem auch aufarbeiten werden und müssen. Der Grund, weshalb sie hier ist, liegt in einem großen Fehler, den sie einmal gemacht hat. Sie hat ihre drei Brüder, ihren Vater und ihren Ehemann ... na ja, sagen wir mal ... kastriert.“
„Es war kein Fehler. Es geschah ihnen recht. Sie waren Ausgeburten der Hölle. So wie alle Männer...“
„Natürlich, Linda. Wir verstehen dich sehr gut. Nicht wahr?“
Ja!
„Fein. Oh, ich sehe, wir neigen uns dem Ende unserer kleinen Plauderstunde. Vielleicht möchte Katja uns jetzt doch von ihrem Problem erzählen. Katja, weshalb bist du hier?“

Keiner hatte gemerkt, wie ich die Pistole aus meiner Jacke zog. Nachdem der letzte Schuß verstummt war, antwortete ich leise:
„Ich hasse Gruppentherapien und besonders diese aalglatten, Verständnis heuchelnden Psychotherapeuten.“

Tja, Herr Doktor, genau so und nicht anders ist es gewesen.

Herr Doktor?

Ich bekam keine Antwort.


© Pandora (K.B.), 2001

 

Hi Hendek,

erstmal danke für dein Lob :)

Zu deinen Kritikpunkten:

1.
Zitat:
--------------------------------------------------------------------------------
Ihr könnt sicher alle noch nachempfinden, wie euer erstes Mal in der Gruppe, nicht wahr?“
--------------------------------------------------------------------------------

Recht hast du. Da hab ich ein Wort vergessen. Wird editiert. *hüstel*


Zitat:
--------------------------------------------------------------------------------
Ich bin Linda und lesbisch
--------------------------------------------------------------------------------

ME klänge es blöd, wenn ich zweimal hintereinander "bin" verwenden würde. Ich dachte, man könnte es so schreiben und das "und" würde reichen, um zu verdeutlichen, dass das "bin" sich auf beides bezieht. Mach mir darüber mal Gedanken. :)

Mir ist es durchaus bewusst geworden, dass die Katja die ganze "Gruppentherapie-Geschichte" einem weiteren Arzt erzählt hat, jedoch neigte ich dazu zu glauben, der Arzt hätte Selbstmord begangen, weil der letzte Satz "Ich bekam nie eine Antwort" doch irgendwie irreführt...

Hm, interessante Sichtweise.Ist mir vorher gar nicht aufgefallen, dass man es auch so interpretieren könnte.
Aber du hast Recht (ich hasse, es diese Worte zu sagen :D ) Aber ich denke auch, wenn ich den Satz weglassen würde, würde das Ende noch verwirrender sein.
Hm, werd ich mir auch noch mal überlegen.

P.S. Aber wieso sollte sich ein Arzt mitten im Patientengespräch umbringen, während der Patient fröhlich weiterplappert? Das finde ich dann doch etwas zu weit hergeholt ;)

liebe Grüße, Pan

 

Aber wieso sollte sich ein Arzt mitten im Patientengespräch umbringen, während der Patient fröhlich weiterplappert? Das finde ich dann doch etwas zu weit hergeholt
Na ja, weit hergeholt sind im Prinzip beide Varianten - aber du sagst es doch selbst - Satire darf alles! ;)

Nun ja, dem Arzt könnte die ganze Geschichte zuviel geworden sein, dass er es nicht mehr ausgehalten und sich den Todesstoß gegeben hat... :engel:

 

Hallo pan,
Deine Story finde ich ausgezeichnet.
Die Kritik ist teilweise mehr als kleinlich.
Hier sollten vor allem Stil, Inhalt und Idee sehr gut beurteilt werden.
by.by altegise

 

Hi Pan

Da les ich doch tasächlich noch was neues"altes" von Dir und finde es sehr schön in seiner klischeehaftigkeit getroffen.
Jetzt, wo ich mit Dir darüber geredet habe, fühle ich mich gleich besser, nicht wahr Pan, Du auch ?
Pan ?...Paan ???

Lord :D :D

 

Ähm... *röchel* kann ma einen nen Krankenwagen rufen?

achja, ich bräuchte dann noch eine Konstruktive-Kritik-Transfussion.

Gracias.

:D

[ 26.05.2002, 14:46: Beitrag editiert von: Pandora ]

 

Hi Altegise,

hatte deine Kritik glatt übersehn.
Danke für die Blumen :)

Die Kritik ist teilweise mehr als kleinlich.
Nunja, auch kleine Fehler gehören ausradiert. Bin dankbar über jedes Fehlerchen, was gefunden wird und somit vermieden werden kann. Nur so wird aus einer guten Geschichte eine perfekte Geschichte :D

Aber selbstverständlich freue ich mich auch über so lobende Kritik wie deine. Also weitermachen :D

so long, Pandora

 

Hi Pan,

jetzt glaub ich echt, ich muss mich dringend in Therapie begeben, weil mir eingentlich nichts kritikwürdiges aufgefallen ist. Lese sie nochmal, wenn meine Theapie rum ist, aber bis dahin bleib ich dabei:

Prima geschrieben, mit sehr gutem Ende.

Gruß vom querkopp

P.S. Wenn ich nicht den Thread "Verwechslung von Protagonist und Autor" gelesen hätte, würde ich an dieser Stelle fragen: "Seit wann bist du wieder draußen aus der Geschlossenen?" :D

 

Hi Querkopp,

danke für deine Kritik.
Wünsche dir natürlich für deine Therapie alles Gute. Erkundige dich aber mal besser nach den "Mitgliedern". Falls eine Katja dabei ist, wechsel die Therapie :D

So long, Pan

 

Wie komisch - es ist tatsächlich eine dabei. Aber es ist eine gaaanz gaaaanz Liebe, sagt nichts von sich aus, und wenn man sie anspricht krallt sie sich nur am Stuhl fest, es steht ihr Schweiß auf der Stirn und sie stottert nur. Ich glaube, wenn ich ihr zeige, dass ich Verständnis habe, geht sie bestimmt mehr aus sich raus.
Trotzdem Danke für die Warnung.

 

Hmmm... Klischees, ja... Sonst aber nix. Lauter weit verbreitete Vorurteile, die von einigen Kritikern nichtmal als solche erkannt werden... "Wir wissen ja, wie das "

Original erstellt von Morphin:
Ja,
wie in einem guten Woody-Allen-Film. Gut gemacht. Wissen wir zwar schon längst, wie es bei den Spinnern zugeht, aber man kann nie genug lästern.
Heiko
Ja, es ist wirklich toll über Leute zu lästern, die sowieso schon ganz unten sind. Weiter so... Mir ist diesmal kein besonders witziger Erzählstil aufgefallen... Eine Aufzählung von grottenschlechten Klischees, die schon etwas sauer machen... Ach egal. Viel Spaß weiterhin bei dem Lästern über die Hauptzielgruppe des Lästerns ;) Ich halte die Geschichte nicht für sonderlich durchdacht und gelacht hab ich auch nicht... Aber ich werde deine Geschichten trotzdem nicht meiden, Pan ;)

 

Hm, ich werde irgendwie missverstanden.
Motto, du weißt aber was eine Satire ist?
Und hoffentlich auch, dass Protagonist und Autor nur in sehr seltenen Fällen identisch sind ;)

Meine "Kritik" richtet sich nicht gegen die "Hauptzielgruppe des Lästerns", sondern gegen die Gesellschaft.

Gruß, Pandora

Rest wegeditiert wegen sinnlos

[ 09.06.2002, 13:21: Beitrag editiert von: Pandora ]

 

Aber ich glaube trotzdem weiterhin, dass Satire nicht wirklich lügt...
Also, Satiriker stellen sich meist selber blöd und geben eine falsche subjektive Einstellung wieder.
:confused:

[ 07.06.2002, 20:11: Beitrag editiert von: Pandora ]

 

Sorry, Zitat bezog sich eigentlich nur auf zwei Sätze, hatte voreilig geklickt.

Ich finde Deine Kurzgeschichte irre witzig und auch sehr gut geschrieben. (wörtl. Rede, kurze Sätze...)
Besonders haben mir die Antworten des Psychotherapeuten gefallen (ich lasses jetzt lieber das Zitieren aus Deinem Text)
Phantastisch, Linda. => ....
Prima, Detlef =>...blabla
Sehr überzeugender Stil.
Nun zum Diskussionspunkt; eine Satire und Vorurteile?? sorry, aber das ist mir wirklich ein Rätsel, zumal Pandora die Psychotherapeuten kritisiert (nein, das ist nicht das richtige Wort für eine Satire, sagen wir lieber "sich über sie belustigt") und nicht die "sowieso armen" Patienten.
Es wird sich über jm. überzeugend piekserisch ausgelassen, was wirklich sehr gut und lebendig rüberkommt.

Ich habe aber trotzdem eine Frage zu Deiner Geschichte, warum schreibst Du im lyrischen ich?
Ich fände es persönlich interessanter, die Personen gleichebnig zu betrachten, zumal Linda nicht unbedingt die Hauptperson ist..(und man kaum etwas über ihren Gefühls bzw. gedanklichen Standpunkt erfährt)..
..allerdings eine zentrale Figur und durchaus eine sich bewegende.
...Naja, darüber kann man streiten!
Ich fands klasse, weiter so!!!
*Jala*

 

Sorry, bevor es missverstanden wird, ich meinte natürlich Katja!!!

 

Hm, an sich ziemlich schöne Story, stilistisch ausgereift, im Dialog gut ausgearbeitet. Allerdings ist der Therapeut meinem Empfinden nach etwas zu extrem überzeichnet, was bei mir zur Folge hatte, daß ich mich irgendwann gegen Ende unbewußt aus der Geschichte ausgeklinkt habe, weil sie mir schon aufgrund dessen zu unwahrscheinlich vorkam. Eigentlich schade.

Gruß, Andy

 

Hi,

danke für dein Lob.
Was den Therapeuten angeht: so überspitzt finde ich ihn eigentlich nicht.
Außerdem kann Satire nicht überspitzt genug sein *rausred* :D

Gruß, Pandora

 

Ich hab' jetzt noch Tränen in den Augen. Einfach nur geil!

:rotfl: :rotfl: :rotfl:
:lol:

Große Klasse Pan!

(Ich darf Dich doch Pan nennen oder?)

Schöne Grüße

MisterSeaman

[ 02.08.2002, 13:58: Beitrag editiert von: MisterSeaman ]

 

Hallo Pandora. Mach gerade eine Pause im Büro und wollte eigentlich Kaffee trinken. Aber Deine Story ist tausend mal besser in ihrer wirkung als der beste Kaffee. einfach genial gemacht! Dass der Psychiater immer in der WIR-Form spricht ist ein feines Detail. Sag mir bitte, wann Du die nächste Geschichte postest. Die muss ich unbedingt lesen. Liebe Grüße. Ernst

 

Hey Mister Seaman, hey Ernst,

dank euch für eure lobenden Worte *rotwerd*
Schön, wenn man Menschen im postiven Sinne zum Weinen bringen kann :cool:

Ernst: Nunja, es stehen ungefähr 13 Geschichten in meiner Geschichtenliste. das dürfte reichen, dir die Zeit zu vertreiben, bis mein neustes Werk vollendet ist (was aber gewiss noch einen Monat oder so dauert) ;)

Gruß, Pandora

P.S. Ja, man darf mich Pan nennen.

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom