Gunnar streikt
Gunnar streikt
Es ist zwölf Uhr Mittags. Die Technik versagt. Ich trete demonstrativ fünfmal gegen meinen PC und stelle fest: Es ist ihm egal. Er will nicht anspringen. Stattdessen tackert er im Takt zu Marilyn Mansons zarter Stimme und ich beschließe die Situation ruhen zu lassen. Stattdessen koche ich mir ein Ei. Ich habe tierischen Schmacht auf so ein schönes hartgekochtes Ei. Woher kommt das? Mangelerscheinungen, die nur ein Ei befriedigen kann? Ich denke besser nicht drüber nach und überlege stattdessen ob es Menschen auf dieser Welt gibt, die mehr Probleme haben. Jo, bestimmt, beschließe ich und überlege, dass mein Bedarf sich nicht nur auf ein Ei sondern auch instinktiv auf eine Tasse Kaffee manifestieren könnte. Ich mache mir eine ordentliche Mischung im Löffel-Steh-Verfahren und trinke das Zeug auf Ex. So, nu ist alles wieder fit. Ich stelle mich demonstrativ vor meinen PC und brülle ihn nicht mehr an sondern streichel liebevoll seine Hardware. So und nun noch ein Versuch. Aus dem Radio mault mich Cat Stevens an und ich frage mich, was er nu wieder will. Die Feststellung, dass er nur seinen Song runterjodeln will, liegt auf der Hand und ich frage mich, warum ich das nicht toleriere. Der Entschluss ist offenkundig. Mein PC macht mich mürrisch und ich lasse es an Cat Stevens aus. Irgendwie ist das nicht fair.
Gut. Trick siebzehn. Ich lasse den PC alleine und damit wird alles gut. Ich gehe ins Wohnzimmer und schmolle. Das hilft weder mir noch meinem Computer. Aber ich fühle mich so schön kindisch dabei. Die Welt braucht mehr Drogen beschließe ich und schnappe mir eine Tafel Schokolade. Einmal eingeatmet und das Ding ist vernascht. Schokolade verleiht Glücksgefühle. Die Technik nicht. Ich gehe wieder zu meinem Freund dem PC. Für gewöhnlich funktioniert alles, wenn man nur die rechte Geduld mitbringt. Das eine früher, das andere später und das letztere wird einfach dreist entsorgt. Das erzähle ich auch meinem PC, der mittlerweile einen Namen von mir bekommen hat. Ich drohe ihn Bärbel zu nennen, wenn er nicht sofort spurt. Bärbel die Zicke. Meinem PC ist das herzlichst egal und ich beschließe ihn einmal zu knuddeln. Vielleicht braucht er einfach nur Liebe. Mein Freund kommt rein. Er schaut mich an und fragt, ob ich zu wenig Aufmerksamkeit von ihm bekomme. Mir ist das Ganze etwas peinlich. „Es ist alles anders als du denkst“ haue ich den Standartbeziehungsspruch raus und freue mich, auch mal so eine Fernsehszene nachgestellt haben zu können. Mein Freund setzt sich hin und schaut mich kurz skeptisch an. Dann ignoriert er mich. Das ist wohl auch das sinnvollste. Ich schaue den PC an. Der ja nun Bärbel heißen sollte. Frauen sind ja für gewöhnlich zickig. Aber ich will lieber auf Männern rumhacken. Daher nenne ich ihn Gunnar. Gunnars sind gemächlich und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. „So Gunnar, wir müssen mal ein ernstes Wort miteinander sprechen. Wenn du nicht sofort anspringst, dann nehm ich dir die Speicherchips raus, ziehe alle Stecker und massakriere dir den Lüfter. Willst du das?“ Ich ignoriere meinen Freund, der ängstlich zu mir rüberschaut. Gunnar sagt gar nichts mehr. Er tackert auch nicht mehr. So. Ich drücke auf den Knopf und er springt an. „Ein Wunder?“ frage ich mich. Dann gehe ich aus dem Raum und werfe ihm einen Handkuss zu. „Alles klar. Ich wusste wir werden uns verstehen. Hab dich lieb Gunnar“, jodel ich ihm liebevoll zu.
Mein Freund schaut mich noch mal tiefgründig an und die nächsten Tage nimmt er oft in den Arm und sagt mir, dass er mich gern hat. Ich lasse an dieser Stelle die Frage offen, ob er eifersüchtig auf Gunnar ist oder beschlossen hat, dass ich zuwenig Liebe abbekomme.
