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Gut, besser, Bismark
Gut, besser, Bismarck
Ich saß mal in einer Bar und ich sprach da mit einem Autonomen.
Er trank Rotwein, so wie ich, wir waren die einzigen, also fragte ich ihn:
„Warum schmeißt ihr eigentlich immer noch mit Steinen? Die einzige Sprache, die diese Menschen verstehen sind Atombomben und Geldscheine.“
Und dann bestellte er sich nen Wachmacher, nen doppelten, und sagte: „Scheiße.“
Und ich sagte: „Richtig.“
Dann kam son Typ in die Bar, sah mir ziemlich abgekratzt aus, setzte sich zwei Hocker von uns weg und sagte : „Scheiße, ich trinke, hab meine Frau geschlagen und jetzt hat sie mich verlassen.“
Und ich sagte nur : „Richtig.“
Und Uli, der Autonome, sagte nur : „Scheiße.“
Und ich sagte: „Kannst du laut sagen, so was macht man nicht.“
Dann öffnete sich die Tür und es kam ne Frau rein.
Es war Lulu, sie betrat den Laden, schaute sich um und für uns ging der Himmel auf. Wir wurden alle so geil, dass unsere Gläser überschwappten und uns der Schaum die Mundwinkel runterlief.
Lulu setzte sich, guckte den Barkeeper an und fragte:
„Sind hier eigentlich nur Schwuchteln und Versager in diesem Laden?“
Und der Autonome seufzte, guckte auf sein Glas mit Wachmacher und sagte: „Scheiße.“
Und ich schaute zu Lulu und sagte: „Richtig.“
Lulu war immer cool, klar, sie war am Ende, aber für ihre 40 Jahre hatte sie nen strammen Hintern und konnte nicht schlecht über Camus oder Krausser abgehen. Einmal hatte sie sogar behauptete ihn getroffen zu haben und schloss mit bestimmender Miene:
„Schreiben kann er ja, aber im Bett ist er ne Niete, ohne Flachs.“
Über Camus konnte sie mir diesbezüglich nichts sagen, der war ja auch schon tot, Autos und so…
Wie dem auch sei, ich griff also in meine Tasche und fand da nen Zettel, und darauf stand:
Gut, besser, Bismarck: der größte Deutsche.
Und für nen kurzen Moment dachte ich, Wagner von irgendwoher zu hören.
Und ich zeigte ihn dem Autonomen und der sagte : „Scheiße, son Rechtsgewichse.“
Und ich sagte: „Richtig, kein Plan, wie der in meine Tasche kommen konnte.“
Dann stand Lulu auf, rückte sich die Titten zurecht und brüllte:
„Ist hier denn nicht mal ein richtiger Kerl im Laden? Sind hier etwa alle so verkackt, wie dieser Penner hier?“
Und sie zeigte auf Uli, den Autonomen mit dem Wachmacher.
Ich wusste auch nicht so recht, auf so was konnte man fast alles sagen, also erwiderte ich: „Allerdings, nur Trinker, Freaks und Schreiberlinge.“
Der Autonome klopfte dreimal auf den Tresen, drehte sich zu Lulu um und rülpste: „Die Ästhetik deiner Existenz ist, mit Verlaub, zum kotzen.“ aus sich heraus. Daraufhin begann er zu taumeln und ich hörte nur noch das Geräusch von zerbrochenem Glas.
Nu war Uli blind, beugte sich runter um seine Brille zu finden und fiel vom Hocker.
Ich glaube Störtebeker gehört zu haben, vielleicht war’s auch nur Gegurgel, Uli war danach auf jeden fall still.
Ich schaute auf den Boden, sah nen Tütchen mit weißem Pulver und Foucault’s: Die Sorge um sich. Sexualität und Wahrheit 3, daneben noch nen paar Flyer mit dem Schriftzug: Lichtenberg muss sterben, damit wir leben können.
Genau das richtige für Lulu,so dachte ich.
Stadt: Leipzig, Bezirk: Zentrum, Kneipe: Amok.
Sie hob das Buch auf, nahm das Tütchen und verschwand auf dem Klo.
Ich bestellte erst mal nen Wachmacher, um die gefallenen Kameraden zu ehren.
Irgendwann kam Lulu dann wieder, Uli hing immer noch am Boden und seine langen Haare schwammen inzwischen in einem braun-roten Bröckchensee, das sah irgendwie lustig aus, erinnerte mich an die Besichtigung der Kläranlage in Stammheide in der Neunten, da hatte mich Anja angemacht.
„Und Lulu, irgendwas gelernt auf dem Pissoir?“
Aber sie reagierte gar nicht, schaute auf ihre Möpse. Ich glaube sogar ein Zittern gesehen zu haben und schüttete den Klaren runter, Wachmacher...
Sie nahm ihren Handspiegel, zog die Lippen nach, überprüfte ihr Haar und gesellte sich zu Uli.
Der Knall war wahrscheinlich kilometerweit zu hören.
Ich zahlte, kratzte mich am Gesäß, schaute Uli und Lulu an, wie sie da lagen, Kopf an Kopf, Leben neben Leben, verschüttet, falsche Zeit, falscher Ort, und atmete tief durch.
Der Typ hatte sie eisenhart umgenietet, erst hatte ihn seine Frau verlassen und
dann das, Lulu hatte ihm, nach ausführlicher Lektüre auf dem Klo, den Schwanz gezeigt.
Ich weiß nur noch, dass ich rannte, meine Titten hüpften unterwegs auf und ab wie eine Wildwasserbahn im Safari Park und begannen zu schmerzen, daran konnte auch mein Jackett nichts ändern aber ich war raus, sicher.
Als ich in meinem Appartement ankam, ging mir nur noch eine Sache durch den Kopf: „Scheiße!
Ich zog die Spülung, sah dem braunen „Deutschländer“ hinterher und hörte nur ein gluckerndes: „Richtig.“
Am nächsten Morgen packte ich sofort das Telefon:
„Hallo, Dr. Ratziger? Können wir den Termin eventuell vorziehen? Wie wäre es am nächsten Donnerstag?“
„Tut mir leid Frau Niestätter, aber die nächsten Wochen sind wir leider komplett ausgebucht. Der nächste Termin, den wir haben, ist leider erst am 28ten.“
„Aber es ist wirklich dringend.“
„Tut uns leid, da können wir auch nichts machen, das früheste ist nun mal der Achtundzwanzigste.“
Ich steckte mir eine Zigarette an, las ein bisschen Foucault und zählte die Zeit. Foucault gab mir Recht…