Gute Nacht
Ich sehe sie wieder an. Ihr Blick ist in die Ferne gerichtet, es ist wie immer. Im Stillen bete ich sie an, mich nur einmal anzusehen, zu mir rüberzublicken und zu lächeln. Doch das tut sie nicht, sie sagt nur, dass ich unsere Freundschaft zerstört habe. Manchmal nimmt sie alle Beschuldigungen zurück und meint, dass ich nichts dafür kann – doch will sie trotzdem nicht mit mir zusammen sein.
Licht tritt ins Zimmer ein, geteilt von den strengen Rahmen des Fensters. Die Frostspuren am Fensterrand tauen langsam auf. Ich weiß, dass es noch zu früh ist, doch denke ich gerne an die jenen, die es geschafft haben und sich nicht zu sorgen brauchen, wie ich mir vorstelle. Und dann nimmt sie meinen traurigen Blick wahr, lächelt mir auf eine seltsame Weise zu. „Ich warte bis zum Abend“ – sagt sie mir damit. Ich fühle mich wohl bei ihr, denn sie gibt mir das, was ich immer gebraucht habe, lässt den Nebel in meinem Kopf zu klarer, formloser Substanz werden, die mich in ihrer bedingungslosen Qualität abhängig macht. Nicht, dass ich nicht dankbar bin – ich dachte nur, dass es mehr sein könnte und sie das gleiche fühlt wie ich. Wohl ist es meine Unentschlossenheit, die zu all dem geführt hat.
Wenn der Abend der vergeblichen Versuchung wäre, dann sei wohl der nächste Morgen ein würdiger Neuanfang, ohne dass es in das alte Buch geblickt werden muss. Ich neige schnell zu Lappalie, sie auch. Doch verlange ich etwas, was sie mir in dieser Realität niemals geben kann und doch… kann ich nicht ohne sie überleben. Morgen bringt sie mir tanzen bei, damit ich schneller davonlaufen kann, denn sie braucht ihr Recht auf dieselbe augenblickslose Einsamkeit, von der ich so geplagt werde. Zeit vergeht, und ich warte immer weiter ohne Erfolge zu erzielen, soll es weitergehen? Morgen Abend werde ich ihr ins Ohr flüstern, dass ich bedrückt bin, weil ich sehe, wie sie sich immer weiter von mir entfernt. Ich werde ihr sagen, dass ich sie nicht verlieren will, besonders jetzt nicht. Doch ihre Antwort wird leider nur aus zwei Wörtern bestehen, bevor sie in ihr Zimmer geht: „Gute Nacht“.