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Hätten Sie kurz Zeit?

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24.01.2006
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Hätten Sie kurz Zeit?

Ich hatte mich gerade eben hingelegt und war kurz vor dem Eindösen, als urplötzlich das Telefon schellte. Jedes mal dieselbe Scheiße, dachte ich. Es kann seit drei Wochen niemand mehr angerufen haben. Vielleicht auch noch länger, doch just in diesem Moment der absoluten Ruhe, des wohlverdienten Nickerchens, just in diesem Moment klingelt das verdammte Telefon. Ich hätte es ja einfach schellen lassen können, aber da die Ruhe sowieso dahin war, konnte ich genauso gut abheben. Die Person, die zu solch einer ungünstigen Zeit anruft kann natürlich nicht mehr mit freundlichen Worten empfangen werden, das ist klar. Man zwingt sich eben zu einem meist sehr mürrisch geführten Telefonat. Meistens ist es ein Kumpel, ein Arbeitskollege oder vielleicht sogar die Schwiegermutter. Wenn man ganz viel Glück hat, ist Heidi Klum dran und fragt, ob man Lust auf spontanen Sex hätte. Schlimm wird es allerdings wenn Rainer Calmund dran ist und fragt, ob man Lust auf spontanen Sex hätte. Noch schlimmer erging es mir. Schlaftrunken wankte ich zum Telefon und nahm den Hörer ab.
Eine mir total unsympathische Stimme meldete sich.
„Guten Tag, meine Name ist Kärtner. Ich rufe im Name der Emnid Umfragegesellschaft an. Hätten Sie kurz Zeit?“
„Nein, und danke, an Staubsaugern bin ich auch nicht interessiert.“
„Sie erlauben, dass ich Ihnen ein paar kurze Fragen stelle?“
„Tut mir leid, aber ich hab jetzt absolut keine Zeit.“
„Es dauert auch nicht lange.“
Spätestens da hätte ich misstrauisch werden müssen. Da ich aber einfach ein herzensguter Mensch bin, konnte ich wieder nicht nein sagen und willigte ein. Vor meinem Gewissen hätte ich es sicher nicht verantworten können, wenn die Umfragegesellschaft Stellen abbauen würde und ich daran vielleicht sogar eine Teilschuld tragen würde. Bevor fragen kommen. Ja! So moralisch bin ich! Aber ich schweife schon wieder ab. Zurück zum Telefonat. Das ganze Horrorszenario begann mit dem Klassiker aller Fragen:
„Wenn morgen Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie wählen?“
„Morgen ist Bundestagswahl?“, erwiderte ich erstaunt.
„Nein, natürlich nicht. Aber wenn morgen Wahl wäre.“
„Ach so. Puh, wenn morgen Wahl wäre, hätte ich mir wahrscheinlich schon vorher Gedanken darüber gemacht, wen ich wählen würde. Das kann ich so aus dem Stegreif nicht beantworten.“
„Ist ja nur eine Umfrage. Geben Sie einfach irgendeine Partei an.“
„Ich wähle doch nicht irgendwen, am Ende kommen noch die Rechten an die Macht. Sind Sie verrückt?“
Der Herr am anderen Ende der Leitung antworte sichtlich genervt: „Aber es ist morgen doch gar keine Wahl. Das ist doch alles rein fiktiv.“
„Stimmt ja. Entschuldigung, das hatte ich vergessen.“
„Also?“
„Also was?“
„Also: Wen würden Sie wählen?“
„Also beginnen wir jetzt jeden Satz mit ‚also’?“ Über meinen tollen Witz musste ich einige Sekunden lachen. Er nicht.
Jetzt wurde mein Gesprächspartner langsam lauter.
„Wen würden Sie denn nun wählen?“
„Wen gibt es denn zur Auswahl?“
„Die üblichen Parteien halt.“
„Ja, dann würde ich vermutlich die üblichen Parteien wählen.“
„Aber sie können doch nicht alle Parteien wählen“
„Ja natürlich nicht.“
Er fragte erneut: „Welche Partei wählen Sie denn jetzt?“
„JETZT ist doch gar keine Wahl! Begreifen Sie das denn nicht. Ihre Frage ist doch rein fiktiv. Also wenn morgen Wahl wäre...“
Ich hörte ihn nur noch ein verzweifeltes ‚Arrggh’ knurren. Dann meinte er: „Vielleicht sollten wir einfach zur nächsten Frage übergehen.“
„Sie sind der Chef.“
„Welche dieser Tankstellen kennen Sie?“
„Ich tanke immer bei Agip.“
„Das will ich aber nicht wissen. Ich will wis...“ Da unterbrach ich ihn.
„Weswegen rufen Sie dann an, wenn Sie das gar nicht wissen wollen.“
Er wurde langsam immer aggressiver. „Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich will nur wissen, welche dieser Tankstellen Sie kennen, nicht wo sie tanken.“
„Ist doch völlig egal, ob ich die anderen kenne. Ich tanke eh immer bei Agip.“
„Könnten Sie mir trotzdem bitte sagen, welche dieser Tankstellen Sie kennen?
„Freilich, dazu müssten Sie nur mal endlich die Tankstellen aufzählen.“
„Ja, das wollte ich ja, als Sie mich unterbrochen hatten.“
„Jetzt bin wieder schuld oder was?“
„Nein, natürlich nicht. Können wir fortfahren?“
„Bitte.“
„Welche dieser Tankstellen kennen Sie?“ Er wollte gerade anfangen die Tankstellen aufzuzählen, als ich ihn wieder unterbrach.
„Das fragten Sie bereits.“ Ihm schien schon fast der Kragen zu platzen.
„Dann lassen Sie mich sie doch mal aufzählen.“
„Machen Sie halt jetzt endlich.“
„BP, Agip, OMV, Shell, Aral.“
„Ja, die kenne ich alle.“
„Welche finden Sie am besten?“ Ich antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Agip! Da tanke ich immer.“
„Das sagten Sie bereits.“
„Dann hätten wir uns das Ganze also doch schenken können.“
„Nein, ich musste ja wissen, ob Sie die anderen Tankstellen auch kennen.“
„Ich sagte doch schon, dass ich sie kenne.“
„Das habe ich ja auch registriert.“
„Dann ist ja gut. Darf ich Sie mal etwas fragen?“
Sichtlich überrascht entgegnete er: „Meinetwegen.“
„Wie oft am Tag machen Sie eine solche Umfrage?“
„Wieso wollen Sie das wissen?“
„Interessiert mich halt.“
„Na ja, circa 30 Umfragen am Tag. Vormittags bin ich ja studieren.“
„Echt. Was studieren Sie denn?“
„Volkswirtschaftslehre. Aber zurück zur Umfra...“
„Interessant?“
„Es geht so.“
„Ach, Sie sind mit ihrer Studienentscheidung also unzufrieden?“
„Nein natürlich nicht. Zurzeit ist es nur ziemlich stressig. Wer macht eigentlich hier die Umfrage Sie oder ich.“
„Sie! Sie haben ja angerufen.“
„Ich weiß. Also fahren wir fort.“
„Eine kurze Frage noch.“
Er willigte ein: „Also gut.“
„Wie viel verdienen Sie denn?“
„Das ist eine ziemlich private Frage. Finden Sie nicht?“
„Die Wahlentscheidung doch auch, oder etwa nicht? Ich habe einen gut bei Ihnen.“
„Ok. Monatlich bekomme ich 500 Euro.“
„Für wie viele Stunden?“
„Für 12 Stunden die Woche“
„Warten Sie mal.“
„Was ist denn jetzt?“ Ich tippte auf meinem Taschenrechner dann fuhr ich fort. „Das sind 10,40 Euro die Stunde. Nicht schlecht, nicht schlecht...
„Können wir jetzt bitte endlich weiter machen ich will fertig werden!“
„Sicher. Aber warum machen Sie denn nichts anderes, wenn Sie von ihrem Job so genervt sind?“
„Zur Zeit ist es leider nicht so leicht eine Stelle zu finden. Vor allem Teilzeitkräfte sind nicht so gefragt.“
„Ach so. Welche Partei würden Sie eigentlich wählen, wenn morgen Bundestagswahl wäre?“
„Weiß nicht. Aber ich glaube ich muss jetzt mal langsam auflegen. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für eine Umfrage.“
„Dauert auch wirklich nicht lange.“

 

Hallo Daniel,
lässt einen wirklich schmunzeln die Geschichte, lästige Werbebotschaften am Telefon sind immerhin etwas, das wir alle mehr oder weniger kennen (lernen mussten). Nettes Thema, gut ausgearbeitet.

Details findest du im PDF-Dokument (das mit dem Extra-Dokument habe ich mir von sim abgeschaut :D)
http://www.lavelapuerca.de/div/umfragen.pdf
Liebe Grüße,
Sebastian

 

Hallo neukerchemer!

ja jedes mal die selbe Scheiße
dieselbe

Wenn man ganz viel Glück hat, ist irgend ein
irgendein

Das ganze Horroszenario
Horrorszenario

Geben Sie einfach irgend eine Partei an."
irgendeine

Ich wähle doch nicht irgend wen
irgendwen

Wen würden Sie den nun wählen?"
denn

Zur Zeit ist es nur ziemlich stressig
Zurzeit

Wenn's ein Schnellschuss war, ist es ganz nett zu lesen, brachte aber keine Überraschungen mit sich. Der Anfang zieht sich und langweilt schnell. Die Dialoge sind an manchen Stellen gut umgesetzt. Jedoch wäre diese Geschichte als reine Dialogform vielleicht unterhaltsamer. Ohne erklärende Einschübe würde der Text mehr Fahrt aufnehmen und möglicherweise besser zünden.


LG
flash

 

Hallo Neukerchemer,

ja, nette kleine Geschichte mit teilweise recht witzigen Dialogen. Hat mir im Großen und Ganzen gefallen, auch wenn die Pointe nicht wirklich überraschend war.

Da ich aber einfach ein herzensguter Mensch bin und gerade wirklich nichts besseres zu tun hatte,
Den Satz versteh ich nicht, ich denke der Gute wollte schlafen?

Gruß
Lemmi

 

mir hat die geschichte gefallen, aber ich würde sie auch besser finden, hättest du sie in einem reinen dialog geschrieben.
mcwise

 

Hallo Sebastian, flashbak, Lemmi und mcwise

vielen Dank fürs lesen und kommentieren euch vieren. So viele Kommentare in so kurzer Zeit. Bin echt total überrascht.

Die Fehler werde ich bei Gelegenheit selbstveständlich verbessern. Freut mich das sie euch gefallen hat.

Ich denke das ihr Recht hab und sie in reiner Dialogform besser zündet. Ursprünlich wollte ich es auch so schreiben, dachte aber ab und zu mal einzuschieben wer was sagt ist nicht verkehr, da man so den Faden vllt nich so leicht verliert. Da werde ich auf jeden Fall nochmal drüber schauen.

@Lemmi

Zitat:
Da ich aber einfach ein herzensguter Mensch bin und gerade wirklich nichts besseres zu tun hatte,

Den Satz versteh ich nicht, ich denke der Gute wollte schlafen?


Ja du hast recht. Das sollte ich ändern.

Viele Grüße und nochmal vielen Dank euch allen

neukerchemer

 

Hey RotAway,

auch dir vielen Dank fürs Lesen und fürs "süß" finden ;)

viele Grüße
neukerchemer

 

Hallo neukerchemer,

die Dialoge finde ich echt lustig. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen.
Ich muss aber flash Recht geben. Der Anfng zieht sich in die Länge.
Allerdings muss all meinen Vorkritikern bei dem Votum für eine reine Dialogform widersprechen. Das soll doch eine Kurzgeschichte sein und kein Theaterstück. Der Dialog ist so, wie er ist, für meine Begriffe voll in Ordnung.

Au revoir

MiK

 

Hallo Mik,

vielen Dank fürs Lesen und kommentieren. Freut mich das es dir gefallen hat!

Über den Anfang werde ich nachdenken und mal schaun ob ich da was kürze. Wollte halt den Witz mit Rainer Calmund unbedingt drin haben.. :-)

A bientot
neukerchemer

 

Salut,

Ja, der Calmund war echt gut. Das ist eine Vorstellung, die wirklichen Horror hervorruft. Den solltest du lasen.

A bientot
MiK

 

Moin neukerchemer,

Ich bin etwas gespalten, was diesen Text angeht.
Der Dialog an sich gefällt mir ziemlich gut, die Wendung am Schluss auch. Reine Dialoggeschichten mag ich eh (hab selbst tonnenweise von dem Zeug geschrieben).

Was mir allerdings ehrlich gesagt nicht so gut gefällt, sind die Einschübe zwischen dem Dialog. Ich bin generell kein Freund von direkten Anreden des Lesers ("kennen sie das?") - das wirkt auf mich immer irgendwie aufgesetzt anbiedernd. Geschmackssache.
Wenn du nen reinen Dialog draus mchen tätest, würdest du dem Ding auch automatisch einiges an mehr Tempo geben und das ist bei solchen Dialogen vermutlich nie verkehrt. ;)

"Weiß nicht. Aber ich glaube ich muss jetzt mal langsam auflegen. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für eine Umfrage."
"Dauert auch wirklich nicht lange."
Exakt hier würde ich den Text enden lassen. Ist ne hübsche Pointe.

 

Servus gnoebel,

auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ich denke du hast recht. Ich werde die Einschübe entfernen, wenn ich endlich mal dazu komme. Anfangs dachte ich der Leser könnte vielleicht den Überblick verlieren (Wer jetzt was sagt), deswegen hab ich ab und zu ne Erläuterung geschrieben. Aber die kommen raus! Basta. Denke das ich sie morgen ändern werde...

"Weiß nicht. Aber ich glaube ich muss jetzt mal langsam auflegen. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für eine Umfrage."
"Dauert auch wirklich nicht lange."

Exakt hier würde ich den Text enden lassen. Ist ne hübsche Pointe.

Stimmt eigentlich. Die zwei Sätze am Schluss sind überflüssig...

viele Grüße
neukerchemer

 

So, bin jetzt endlich mal dazu gekommen sie zu verbessern. Hab den Anfang umgeschrieben, ein paar Kleinigkeiten, sowie Rechtschreibfehler verbessert.

Die Einschübe habe ich allerdings drin gelasse und auf eine reine Dialogform verzichtet.

viele Grüße
neukerchemer

 

jo

Ich habe sogar gelacht, weiß zwar nicht mehr genau, an welcher Stelle aber ich habe tatsächlich gelacht. Das passiert nicht oft hier.
Erinnert an Herricht und Preil (Zonis wie ich kennen die).
Die Wendung ist zwar erahnbar aber nichtsdestotrotz erfreulich zu verfolgen.
Die Einleitung hätte spritziger oder "vornehmer" formuliert durchaus ihre Berechtigung - wurde ja hier kritisiert.
Weiter so.

 

Heyho Plasticbrain,

vielen lieben Dank auch dir fürs Lesen und Kommentieren.

Ich habe sogar gelacht, weiß zwar nicht mehr genau, an welcher Stelle aber ich habe tatsächlich gelacht. Das passiert nicht oft hier.
Toll. Das freut mich!

viele Grüße
neukerchemer

 

hallo,

bin ganz neu hier, weiß noch nicht so recht wie das alles hier so funktioniert und ich hoffe nicht alles falsch zu machen!
also ( hehe ), ich finde deine geschichte recht unterhaltsam und einigermaßen lustig. den calmund witz etc. würde ich auch auf jeden fall lassen. frischt alles etwas auf- finde ich. mir hätte bei reiner dialogform etwas gefehlt. was für mich etwas widersprüchlich war: „ ...herzensguter mensch....“- als solcher würdest du am anfang des telefonates nicht „nein!“ sagen. du wärst von vornherein einfach nur nett und nicht zu einer ablehnung fähig.
aber das nur am rande.
im großen und ganzen hat mir die geschichte gut gefallen!

äh....so long... oder so.......?

bambesene

 

Hallo Bambesene,

erst mal herzlich willkommen auf Kg.de und dann natürlich vielen Dank fürs Lesen und kommentieren. Freut mich das sie dir gefallen hat.

widersprüchlich war: „ ...herzensguter mensch....“- als solcher würdest du am anfang des telefonates nicht „nein!“ sagen. du wärst von vornherein einfach nur nett und nicht zu einer ablehnung fähig.
Naja so herzensgut das ich nicht lieber geschlafen hätte bin ich dann doch nicht. Ist meiner Ansicht nach nicht so ein Widerspruch.

viele Grüße
neukerchemer

 

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