Was ist neu

Hölle auf Urlaub (jetzt noch heißer)

Seniors
Beitritt
01.12.2004
Beiträge
1.295
Zuletzt bearbeitet:

Hölle auf Urlaub (jetzt noch heißer)

»Ich dachte, wir fahren Bus?«
»Jepp.«
»Und was is das?«
»’n Airbus.«
»Soso.«
Teufel quollen Schwefelschwaden unter den Achselhöhlen hervor und kräuselten sich langsam zu einem Klimaschacht, der den Dunst begierig einsaugte.

Keiner der abgelebten Mittsiebziger, die ächzend, an allen möglichen Körperstellen knackend, im Begriff waren, das Flugzeug über die rundweg ebene Gangway zu besteigen, bemerkte dies. Ein ständiges Häh? und Wie? krächzte vom Boardingschalter, als Folge der Einbehaltung der Hörgeräte. Wobei es interessant wäre zu wissen, wie ein Flugzeug mittels eines Hörgerätes entführt oder zum Absturz gebracht werden kann.
»Achtung! Dat is einen Entführung! Ich hab hier nem Hörgerät und werde dem auch benutzen, wenn hier jemand aus die Reihe tanzen tut! Wir nehmen jetzt Kurs auf, äh… Wat war nochma wo wir hinwollten, Traude?«
»Nachn Hunsrück, Walter. Zu die Enkel.«
Absurde Vorstellung.
Nun ja, schlecht hören ist schon schlimm genug, aber die meisten Passagiere sahen auch noch schlecht aus. Einer dieser alten Knacker, dessen Haut starke Ähnlichkeit mit einem Fensterleder hatte, warf einen von Ignoranz durchsetzten Blick auf den Antichrist. Während zusammengekniffene Augen dem Desinteresse Ausdruck verliehen, reichte er seiner Frau, die womöglich nie so alt werden würde wie sie aussah, die Tickets.
Old Spice schälte sich aus seinem Kragen und stach ammoniakgleich in die satanischen Nüstern. Teufel war üblen Geruch gewohnt aber dieser Methusalem verströmte ein scheußliches Bukett. Die Kombination aus dem Rasierwasser und dem Versagen des Deorollers machte dies anscheinend möglich. In Gedanken notierte er diese Entdeckung und freute sich auf ein neues Aroma in seiner Sammlung der bestialischen Wohlgerüche.
Er betrachtete die Stewardess, die längliche Papierstreifen - Tickets, wie er gelernt hatte - einer Überprüfung unterzog, um dann mit einem kleinen Gerät, aus dem rotes Licht entwich - ein Scanner, was ganz Modernes -, darüber zu fahren. Es piepte. Piepen war nicht dämonisch. Piepen war nicht einmal annähernd böse. Piepen war vielmehr himmlisch. Und er hasste den Himmel und alles was damit in Beziehung stand. Sahnetorten etwa. Oder Satinbettwäsche. Teufel widerstand der Versuchung, der Dame ein ironisches Bei Ihnen piept’s wohl? entgegenzuschleudern.
Durch die Scheibe betrachtete er den Flieger. Weiß. Mit Flügeln – was für ein Flugzeug wohl nicht untypisch ist. Engel haben Flügel. Engel fand er richtig scheiße.
An einer elektronischen Tafel stand Gütersloh – Rom.
Von Gütersloh nach Rom, sinnierte Teufel. Wo, zur Hölle, konnte zwischen diesen beiden Städten eine Verbindung bestehen? Alle Wege führen nach Rom? Da führten eher alle Wege aus Gütersloh heraus.
Ausgerechnet Gütersloh. Ausgerechnet Vatikanstadt. Höhle des Löwen.
Seit wann hatte Gütersloh einen Flughafen? Teufel war nervös.
Ungewohnt kalter Schweiß bildete kleine Perlen auf der diabolischen Haut.
Als ihn ein Ellenbogen in die Seite stieß, wurde er aus seiner Träumerei gerissen.
»Hast du auch genug Stullen bei?« wollte Horst wissen, der sein Leben lang unter freiwilliger Klepto- und Pyromanie litt und jetzt virtuos den Reisebegleiter simulierte.
»Häh?« erwiderte Teufel mit gewisser Besorgnis.
Horst legte den Kopf schief und schürzte die Lippen, musterte seinen Chef kritisch von oben bis unten.
»Dauert lange«, meinte er schließlich und schob das Handgepäck an den Schalter.
»Was?«
»Na der Flug.«
»Warum?«
»Physik.«
»Wer?«
»Das sind mit Sicherheit tausend Kilometer – mindestens. Das dauert ’ne Weile bis wir da sind. Reibung der Luft. Gewicht des Jets. Länge der Strecke… mal Pi plus Vau Max, äh, geteilt durch die Erdanziehungs … ähm … kraft, Unterdruck, Aerodynamik, Jetstream, was weiß ich. Tja, das wird mal echt dauern.«
»Oh.«
»Physikalische Gesetze eben.«
»Kann man die nicht brechen?«
»Im Urlaub?«
»Ich dachte ja nur...«

Blut triefte von den Wänden, sickerte in einen ewigwährenden Strom aus Schmerz und Leid - das Becken des Wahnsinns.
Knut und Kalle hingen angekettet an der Wand, aus der ab und an kleine Stichflammen leckten, die zum Leidwesen der beiden kaum Abwechslung mit sich brachten, außer versengten Arschbacken. Sie glotzten auf Hackbert, den Minotaurus, der schnarchend in einem Stuhl aus Menschenknochen fletzte und eine Art rustikalen Speer in den Armen hielt. Seine mächtig fette Hüfte zierte ein breiter Gürtel, an dem eine lederne Schlaufe die Schlüssel für diverse Schlösser hielt. Einer dieser Schlüssel passte in das Kettenschloss von Knut und Kalle. Logisch.
Zwischen ihnen und der zuckersüßen Freiheit lag der besagte Strom aus Blut, das daraus resultierende Becken des Wahnsinns und ein unüberwindbarer Lavapfuhl, der durch die blubbernde, bestialische Gischt an grausamer Bedeutung gewann und durch die höllische Hitze (ungefähr Dreimilliarden Grad über Null), noch unüberwindbarer schien, als er sowieso schon anmutete. Allein der Gedanke, sich über diese Hindernisse hinwegzusetzen, kostete Überwindung.
»Is weit wech, der Hackbert mit seine Schlüssel.«
»Jo.«
»Komm wa nich ran.«
»Nö.«
»Könn wa vergessen.«
»Jo.«
»Scheiß Hölle.«

»Und jetzt?«
»Sitzen bleiben.«
Teufel glotzte Horst an und es schien, als ob er seine Hörner in dessen Kopf bohren wollte. Nur so zum Spaß.
»Wieso?«
»Stehplätze gibt’s in einem Flugzeu… Sag mal, willst du mich verkohlen?«
Teufel umklammerte die Sitzlehnen und atmete schwer. Wenn Horst genau hingesehen hätte, was er natürlich nicht tat, da er sich eingehend der Getränkekarte widmete, wären ihm kleine Stichflammen aufgefallen, die dem Belzebub aus der Nase schossen.
»Mir ist so … Mir ist irgendwie komisch«, stellte Teufel fest und es war nicht weiter schwierig, die Besorgnis in der Stimme zu vernehmen.
»Wann bist du denn das letzte Mal geflogen?«
»Vor ungefähr zweitausend Jahren. Aber frag mich nicht an welchem Tag. Es ging tierisch bergab.«
Horst runzelte die Stirn und tiefe Furchen, die schon fast mit Schluchten zu metaphorisieren waren, zeugten von unbemäntelter Verblüffung.
Hätte Horst gewusst, dass ein kriminelles Leben mit so viel Hölle bestraft werden würde, er wäre der katholischen Kirche beigetreten und hätte ordentlich gesündigt. Dieses Beichten war schon eine tolle Erfindung und ein bisschen Ablasshandel hat diesem Kirchenregiment schließlich noch nie geschadet – jedenfalls nicht so richtig.
Horst schnaufte und nachdem ein sanftes Bing ertönte, schnallte er sich an.
»Du musst dich auch angurten. Und immer schön atmen. Ein und aus.«
Der Blick von Teufel hätte nicht beklagenswerter sein können und es schien, als ob sich das Leid aller Gequälten in seinen Augen widerspiegelte – umrahmt von Flammen und blitzenden Funken selbstverständlich.
»Du weißt, dass ich keiner Vorschrift Beachtung schenke«, meinte Teufel trocken wie die Kehle eines Verdurstenden. »Das liegt in meiner Natur.«
Horst überlegte kurz.
»Ja, aber das ist zu deiner Sicherheit.«
»Fliegen ist doch sicher, oder?«
»Statistisch gesehen schon … ja.«
Teufel blickte aus dem Fenster und sah, wie die Gangway eingefahren wurde. Seine Kehle schnürte sich zusammen und versuchte mit aller Macht, den Kloß im Hals zu umschließen. Die Triebwerke heulten in einem lang gezogenen Ton auf und ein gleichmäßiges Brummen durchfloss das Flugzeug. Ein Stich.
Teufel fasste sich an die Brust.
»Ich glaub ich krieg nen Herzinfarkt.«
»Du hast gar kein Herz. Noch nie gehabt.«
»Aber mein linker Arm schmerzt und schwarz vor Augen wird mir auch schon.«
»Entspann dich. Gleich trinkst du 'n bisschen Cognac und dann ist alles wieder molto bene - um mal die Italiener zu zitieren.«
»Vielleicht sollte ich besser zu Hause bleiben. Du kannst ja alleine nach Rom zu …« Teufel zog eine Grimasse wie ein Baby, das zum ersten Mal Zitrone isst. »Benedikt.«
»Nu bleib mal locker. Dir kann hier nix passieren.« Teufels Vordermann schob die Lehne zurück, der kleine Nippel, der eigentlich dafür da war, das Tischchen zu halten, hatte sich’s anders überlegt und rebellierte in Form eines Bruchs. Die Tischplatte krachte auf Teufels Knie. Er erinnerte sich an sein Zuhause, denn der Schmerz war die reinste Hölle.
»Ich muss hier raus!«
Ein Flugbegleiter, der mit pantomimischer Sorgfalt die Sicherheitshinweise erklärte und in schwungvollen Bewegungen zu den Notausstiegen wies, bemerkte Teufels sorgenvolles Gesicht. Ob die tuntige Aussprache zum Bordprogramm gehörte, wagte Horst zu bezweifeln.
»Ist alles in Ordnung da drüben? Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
Horst wirbelte zu ihm herum.
»Äh, nö, nö. Alles paletti.«
»NICHTS IST PALETTI!« rumpelte es durch die Kabine.
Flammen zuckten plötzlich unter dem Sitz hervor und ein knirschendes Geräusch, das nur entstehen kann, wenn eine Baumwollhose reißt, schloss sich fröhlich aber nichtsdestotrotz bedrohlich, dämonischem Stöhnen und Ächzen an. Aus Teufels Hose ragte nun ein Schwanz, der nur einer Ratte gehören konnte - einer Ratte, die Menschen zum Frühstück frisst. Ein besorgniserregendes Knacken, als würden Knochen brechen, informierte die Passagiere, dass etwas höchst Abnormes vor sich ging.
Teufel stand mittlerweile und seine Beine ähnelten denen eines Pferdes. Es ploppte zweimal und aus seinem Haupt ragten riesige Hörner, die wirklich schön anzusehen waren, würden sie nicht die Schläfen eines Menschenkopfes zieren.
Grauer Dunst entwich sämtlichen Poren und umhüllte Teufel wie eine Blase, die im Begriff war, jederzeit zu platzen. Einige der alten Passagiere kramten langsam aber stetig ihre Gehhilfen hervor, andere husteten noch einmal ab und verstarben oder brachen in altersschwache Panik aus. Alles recht unspektakulär.

»Sach ma was.«
»Wasn?«
»Irgendwas.«
»Boah, weiß nich.«
»Tote Hose, ey. Noch nich mal Streckbank oder Knochenreposition.«
»Lass mal den Hackbert wecken.«
»Und denn?«
»Weiß nich.«
»Das is die reinste Hölle hier.«
»Wir könnten ihn anspucken.«
»Na gut.« Knut zog hoch und rotzte Hackbert mitten ins Gesicht.

Die Metamorphose des Teufels hatte ihren Höhepunkt gefunden, als der Menschenkopf, der natürlich nur der Tarnung diente, explodierte und einer grässlichen Mischung aus Stierkopf, Haigebiss, Krokodilaugen und Mutter Beimer Platz bot.
Ein STOPPT SOFORT DAS FLUGDINGS ODER IHR WERDET DEN ZORN GOTTES… ÄH, ICH MEINTE DEN ZORN DER VERDAMMNIS ZU SPÜREN BEKOMMEN! krachte durch die Kabine und ließ manchen Passagieren augenblicklich das Herz stehen. Einige Scheiben gingen zu Bruch und der hilfsbereite Steward legte die Hand an die Stirn, um der Ohnmacht das Feld zu überlassen.
Das Flugzeug hielt, die Türen wurden geöffnet. Eine Handvoll Senioren war schneller als ihre körperliche und psychische Verfassung vermuten ließ. Sie lagen bereits auf der Startbahn, unter der Notrutsche. Diese hatte sich kurz nach deren Kollision mit dem Boden entfaltet.
Teufel schlachtete durch den Innenraum und rutschte, den halben Notausstieg verbrennend, als erster aus dem Flugzeug. Mit einem Zischen schlugen Flammen auf die Tragflächen über und setzten den Rest des Fliegers in Brand. Horst grinste ein begeistertes Grinsen und klatschte in die Hände. Feuer war seine Leidenschaft. Wenn er das Flugzeug hätte klauen können, wäre die Welt für ihn perfekt gewesen. Er ging gelassen durch die Wand und schwebte sanft auf den Beton, in der Hand seine Kamera.
Teufel spuckte Glut und Lava, bis der ganze Airbus in Flammen stand.

Der Schleim zog einen Faden, von der Nase zum Kinn und dann auf die Brust. Ekel versuchte sich in Hackberts schlafendes Bewusstsein zu drängeln, schob Müdigkeit und Entspannung problemlos beiseite.
»Wie? Was?«
Knut und Kalle lachten sich ins Fäustchen – im übertragenen Sinne. Kalle sammelte den Rotz und wälzte ihn mehrfach im Mund herum, bis er einen aerodynamischen Aggregatzustand erreicht hatte. Der Bruch beschleunigte und klatschte Hackbert mitten auf die Stirn. Die Kraft des Aufpralls ließ den Minotaurus vom Stuhl plumpsen. Ein später Reflex, der vielmehr der Trägheit Konkurrenz zu machen schien, ließ Hackberts Hand an die Stirn schnellen.
»Schleimig Gedöns! Werr hätt Frächheit mich zu bespücken?!«
Knut und Kalle lachten schallend und ließen die Ketten rasseln.
»Wähä dehm, derr mir besüdelt! Dehm soll der Toiffel holen!«
Hackbert kramte eine Kladde hervor, leckte einen Bleistift an, musterte die Angeketteten argwöhnisch und kritzelte drauf los.
»Ick werd dem im Notizblöck festhalten, Froinde.«

»Dass bei dir immer gleich alles Feuer fangen muss ...« Horst sah sich die Fotos, die er vom verbrennenden Flugzeug gemacht hatte, auf dem Display seiner Digitalkamera an.
»Ich konnte nix dafür. Mein Blutdruck war bestimmt viel zu hoch.«
»Wenn du Adern hättest, die Blut durch deinen diabolischen Körper transportieren würden, wäre der Druck immer zu hoch.«
»Ach, meinst du damit, dass die Betablocker bei mir gar nix nützen?«
»Äh…«
»Ich bin froh, wieder zur Hölle zu fahren.«
»Wir müssen unbedingt was gegen deine Flugangst tun.«
»Ja. Und vielleicht ein angenehmeres Urlaubsziel wählen.«
»Bronx?«
»Vielleicht Wanne Eickel.«

 

Hallo flashbak,

ich weiß nicht so recht was ich von deiner Geschichte halten soll. Viel Licht, aber auch viel Schatten. Ein Teufel mit Flugangst gefällt mir. Du hast auch viele gute Gags drin gehabt z.b das Hörgerät oder das die Frau niemals so alt werden könne wie sie aussieht, aber auch einige ziemlich lahme. Gleich der Einstiegsgag mit dem Airbus gefällt mir überhaupt nicht. Ansonsten lässt sich deine Geschichte gut lesen und ich hab auch einige Male geschmunzelt.
Alles in allem überwiegen die positiven Aspekte.

uf die Funktion von Kalle und Knut bin ich aber dennoch nicht gekommen. Ich finde man könnte die beiden einfach weglassen. Hab in ihren Dialogen nicht einmal gelacht und die Geschichte hätte auch ohne das Szenario in der Hölle die selbe Wirkung.

viele Grüße
neukerchemer

 

Hallo neukerchemer!

Danke fürs Lesen und Kritteln!

Du hast auch viele gute Gags drin gehabt z.b das Hörgerät oder das die Frau niemals so alt werden könne wie sie aussieht, aber auch einige ziemlich lahme.
Ja, das mit den Gags verhält sich bei mir so, dass ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken darüber mache ob sie lahm sind oder superlustig. Ich könnt ja jetzt wieder mit Geschmackssache kommen, aber ich tu's nicht. :)

Ansonsten lässt sich deine Geschichte gut lesen und ich hab auch einige Male geschmunzelt.
Na also.

Alles in allem überwiegen die positiven Aspekte.
NA ALSO! :D

uf die Funktion von Kalle und Knut bin ich aber dennoch nicht gekommen. Ich finde man könnte die beiden einfach weglassen.
Um ehrlich zu sein, habe ich auch grad vergessen, welche Funktion die beiden erfüllen. Aber sie haben eine, da bin ich mir sicher. Jedoch werde ich den Teufel tun und sie weglassen.


LG
flash

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom