- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 9
Höllische Delikatesse
Meine Katze schleicht mir um die Füße. Die lernt wohl nie, dass sie im Bad nichts zu suchen hat. Ich putze mir die Zähne, als ich im Spiegel sehe, dass sich eine Kapuzengestalt hinter mir aufgebaut hat, mit einer Sense. Das Gesicht liegt im Schatten, ich kann nur ein knochiges Kinn erkennen. Scheint von Magersucht erfasst zu sein, der Arme. Ich drehe mich um. Niemand da.
Als ich mich wieder dem Spiegelbild widme, sehe ich ihn erneut. Ich spucke den Zahnpastaschaum aus, um sprechen zu können, ohne anschließend den Spiegel von weißen Pünktchen säubern zu müssen.
„Bist du ein umgestülpter Vampir? Oder warum kann ich dich nur im Spiegel sehen?“
„Ich bin Gevatter Tod!“, krächzt er mit Rabenstimme.
„Aha.“ Als ob das meine Irritationen aufdröseln würde. Ich putze mir also weiter die Zähne, will schließlich nicht zu spät kommen, zu meiner Geliebten. Ihr Mann dürfte nur für wenige Stunden weg sein.
„Interessiert dich denn nicht, wie du gestorben bist?“, krächzt der Sensemann.
„Ich und gestorben? Mädchen …“, sage ich zum Tod. „… nie war ich lebendiger!“
„So?“ Mir ist, als höre ich einen Raben lachen.
„Hör mal zu …“, sage ich und sehe, dass ich als Toter wenigstens nicht den Spiegel weiß punkten kann. „Ich hab’s eilig. Kannst du nicht einem anderen Menschen auf den Geist gehen?“
Das Spiegelbild wandelt sich zu einem Bildschirm. Mein eigenes Leben flimmert darin. Bei den peinlichen Szenen gucke ich verschämt hinter mich, nicht dass noch jemand anderes zuguckt. Sehr aufregend ist es ja nicht, was ich da sehe. Doch plötzlich kommt Spannung auf. Ein Graumelierter betritt meine Wohnung. Ersatzschlüssel? Das ist ja der Ehemann meiner Geliebten! Er sieht sich um, das Schwein. Riecht an meiner Unterwäsche. Leicht bisexuell, der Versager? Mich schüttelt es. Als er ins Bad geht und die Zahnpasta vom Spiegelschrank holt, geht mir ein Licht auf. Ich sehe, wie er eine Flüssigkeit in die Tube spritzt.
„Gift?“
„Ja“, krächzt der Tod.
„Toll.“ Und wie ich mich so im Leichenhaus liegen sehe, höre ich, wie jemand in diesem Moment die Wohnungstür öffnet. Meine Geliebte – und ihr Ehemann. „Das Geld ist in einem Tresor hinter einem Bild versteckt“, sagt sie zu ihm. Ich stelle mich ihnen in den Weg, doch sie laufen einfach durch mich hindurch.
Tot sein kann hinderlich sein. Aber ich hab da so einen Film in Erinnerung, wo ein Toter mit Hilfe einer Katze eine Vergewaltigung verhindert.
„Mutschi? Wooo bist du?“ Da liegt sie im Eck, das verschlafene Teil. „Aufwachen!“, rufe ich, doch die lässt sich in ihren Mäuseträumen nicht stören.
Als ich plötzlich auf der gegenüberliegenden Wand ein Licht wahrnehme, sind mir die beiden egal. Mich zieht es zum Licht. Allerdings habe ich das schwarze Loch übersehen, das sich vor dem Licht geöffnet hat.
Ich rutsche durch ein rußgeschwärztes Rohr und komme bald vor einem rothäutigen Gesellen zum Stehen. Hörner sind ihm aus der Stirn gewachsen.
"Wo bin ich hier?"
"Wonach sieht es aus?", fragt mich das Wesen, das aussieht, als wäre es flambiert worden.
Hinter ihm brodelt ein Kessel über einem lodernden Feuer.
„Hilf mir, die Brühe abzuschmecken“, sagt er. „Da werden nachher der Graumelierte und deine Geliebte gar gekocht.“
Und als er das so sagt, spüre ich plötzlich den Drang, in den Kessel zu pinkeln.