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Hörst du mich?
Hörst du mich?
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Es war in einer Diskothek. Es gab nur noch dich und mich. Alles im Raum vibrierte durch die Schwingungen der Musik. Mir gefiel der Gedanke: Niemand konnte dein Lachen hören. Alle konnten es nur sehen.
Es machte mich gleich mit den anderen.
Meine Augen hingen an deinen Lippen und konzentrierten sich auf die Laute, die diese formten.
Ich verstand deren Sinn nicht, weil zur Musik weißes Licht flackerte und den Ablauf der Zeit verlangsamte.
Stroboskoplampen. Momente künstlich verlängern.
In meinem Herzen trage ich Erinnerungen an eine andere Zeit, die viel zu schnell vergangen war:
Als kleines Kind hatte ich oft ganz fest an meine Mutter gedacht. Sie musste es gespürt haben, denn sie hatte mich verstanden, nahm mich gleich in die Arme, als sie bei mir war. Ihre Lippen berührten meinen Kopf und deren zartes melodiöses Zusammentreffen mit meiner Haut war so innig, es bedurfte keines Wortes: Trost. Ihr Geruch hüllte mich ein und was eben noch ein Schrecken war, geriet in Vergessenheit.
Ich liebte sie sehr und als sie starb verlor ich nicht nur eine Mutter, sondern den einzigen Menschen, der mir Zuversicht für mein Leben gegeben hatte. Nach ihrem Tod lebte ich, wie unter einer durchsichtigen Glocke: Ich konnte hindurch sehen, aber mir blieb verborgen, was andere dachten und empfanden. Mir wurde klar: meine Mutter war für mich der Zugang zu ihnen gewesen.
Sie war es, die mich ermutigte, wenn meine Entschlossenheit ins Wanken geriet. Ich versuchte, mich ohne sie zurecht zu finden, weil ihr in mich gesetztes Vertrauen es mir abverlangte. Mein Bestreben war mühselig, oft bitter die Erfahrung und die Sehnsüchte unerfüllt.
Bis an diesem Abend.
Ich fokussierte imaginär einen Strang durch die rauchige Luft in dem meine Emotionen für dich hinein geflochten waren:
Spürst du mein inwendiges Prickeln?
Ich beobachtete deine Hände, deine Mimik. Nichts davon verriet, dass du meine Botschaft empfangen hattest. Ich versuchte es erneut, schloss meine Augen und mein brennender Wunsch drängte alle anderen Empfindungen zurück:
Ich begehre dich.
Ich dachte, du müsstest es physisch spüren können, aber kein Blick von dir, erwiderte mein Verlangen.
Entäuschung wollte wieder an mir nagen: mein Herz schlug gegen meine Rippen, meine Hände pressten sich auf den Tresen, die Anspannung entlud sich in ungebärdigen Lauten, von denen ich annahm, dass die Musik sie verschluckte.
In diesem Moment, musste es jedoch zu hören gewesen sein: ich bemerkte, die Tanzfläche leerte sich und ich erkannte es daran: wie sie mich anstarrten. Ihre Blicke: einige angewidert, andere lüstern, meist befremdet.
Sie durchbohrten mich.
Und du? Ängstlich war ich, und doch: ich suchte nach deinen Augen.
Du sahst mich zum ersten Mal richtig an. Offen war deine Haltung.
Mutig gestand ich es, in dieser Sprache, die mir so fremd ist.
Deine Augen funkelten, als du auf mich zugingst.
Hier geht es zu einer Kurzversion des Textes als Experiment