Was ist neu

Hab ich viel getrunken?

Wortkrieger-Team
Monster-WG
Seniors
Beitritt
16.03.2015
Beiträge
4.157
Zuletzt bearbeitet:

Hab ich viel getrunken?

Als Tom aufwacht, hämmert es in seinem Kopf. Vorsichtig öffnet er die Augen. Tageslicht zwängt sich durch die Ritzen des Rollos. Er tastet die Bettseite neben sich ab. Kalt und leer.
Ganz langsam dreht er den Kopf, sucht mit zusammengekniffenen Augen das Zimmer ab: Seine Kleidung über dem Parkett verteilt, der Nadelstreifenanzug, Hose, Weste, Jackett, auf links gedreht und zerknittert in getrockneten Schlammspuren. Ein Schuh, mit Matsch überzogen, liegt unter der Heizung.
Tom schließt die Augen, kämpft gegen das Stechen und die Übelkeit an, versucht sich zu erinnern. In seinem Mund ist ein widerlicher Geschmack, seine Zunge klebt wie ein totes Tier am Gaumen.

Er schluckt, steht auf, stöhnt. Sein Knie schmerzt. Er wendet die Kleidung und hängt sie ordentlich über den Stuhl, die Krawatte obendrauf. Als er die Schuhe unter dem Stuhl versteckt, hört er Schritte im Flur und bewegt sich schnell zurück ins Bett.
Kaffeeduft strömt ins Schlafzimmer, Jessie tritt ein. „Hier, Schatz. Mit Milch und viel Zucker“, sagt sie und stellt die Tasse auf den Nachtschrank. „Bitte.“
„Danke, Süße.“
„Für dich tue ich doch alles.“ Abwartend legt sie den Kopf schief.
Tom gähnt, reibt sich das Kinn. „Sag mal, Süße, bin ich gestern hingefallen?“
„Ja“, sagt sie. „Beim Fußballspielen mit meinen Neffen.“
„Auch aufs Kinn?“
„Nein, du bist aufs Bein gestürzt und hast dir dabei die Hose aufgerissen.“
In seinen Ohren klingt es nicht vorwurfsvoll, eher, als würde sie ihn bemitleiden, ihm die Hose wieder nähen. Auch hat sie ihm nicht – wie sonst – wegen seines Katers eine Szene gemacht, der ihr nicht entgangen sein dürfte. Hat ihn sein Gefühl etwa getäuscht? Er hebt die Bettdecke hoch, untersucht sein Knie. „Wie ist das denn passiert?“
„Na ja, du wolltest zeigen, was du kannst, bist in den Ball reingegrätscht und dabei gestürzt. Danach hast du den Ball über den Zaun geschossen und kamst grantig zum Tisch zurück.“
„Oh“, sagt er verdutzt. „Tut mir leid. Und der Ball?“
„Kein Problem. Den hat Holger geholt.“
„Holger? Der Rotschopf?“
„Nein, mein Cousin. Der mit dem Bart. Der Rotschopf ist mein Bruder.“
„Ich erinnere mich wieder.“ Er haucht sich in die Hand, riecht seinen Atem. „Hab ich viel getrunken?“
„Na ja … Du hattest versprochen, dich von deiner besten Seite zu zeigen und …“
„Hab ich doch“, unterbricht er sie. „Ich hab mit den Kindern Fußball gespielt.“ Tom beäugt Jessie, die ihre Augenbrauen hochzieht. „Warum bist eigentlich schon fertig angezogen, Süße? Wollten wir uns nicht einen gemütlichen Tag auf der Couch machen?“
„Ich hab’s mir anders überlegt.“ Sie verlässt das Schlafzimmer und ruft noch: „Ich muss mich schminken“.
„Dein Vater wars! Er hat mich verführt.“
„Er hat nur mit Sekt mit dir angestoßen! So wie mit allen anderen. Ich glaube, er mochte dich“, schallt es aus dem Bad, „bis zu diesem Augenblick! Dann fing es an: Du hast dich allein an die Bar gestellt und von allen Flaschen probiert.“
„Ich wollte doch nur was Besonderes aussuchen für dich, für deine Familie.“
„Du hast den Frauen – vor allem den Brautjungfern – nachgegafft und meiner Schwester ins Dekolleté gestarrt!“
„Echt? Dann müssen sie das aber auch wert gewesen sein“, scherzt er, als wäre es eigentlich normale, reine Männersache. „Hab ich ihnen auch auf den Hintern geklatscht?“ Kaum hat er es gesagt, bereut er es schon. „Tut mir leid. Wird sicher nicht mehr vorkommen“, sagt er mit brechender Stimme. „Ich verspreche es!“ Diesmal war er wohl wirklich zu weit gegangen.
„Schon gut", sagt sie.
„Oh, Mann“, murmelt er und zweifelt daran, dass schon gut tatsächlich so gemeint ist. Er atmet tief durch, senkt den Kopf, grübelt, wie er das Gespräch ins Positive lenken, alles vergessen machen kann oder ob er besser gar nichts mehr sagen sollte. „Das Essen war geil, ne?“, sagt er schließlich.
„Du musst sehr hungrig gewesen sein.“
„Ich hatte den ganzen Tag vorher nichts gegessen.“
„Ach, und deshalb hast dich am Buffet vorgedrängelt? Du hast alles angetatscht und im Stehen in dich reingestopft.“
„Es schmeckte so gut. Ich musste doch probieren, was ich dir mitbringen kann.“
„Du hast auf den Boden geschlabbert und dir die Hände an den Ärmeln abgewischt.“
„Die Musik …?“, fragt er fast schon ängstlich zurückhaltend.
Plötzlich steht Jessie im Türrahmen. Frisches Rouge, rote Lippen, die Haare frisiert. „Die Musik? Gut, dass du das auch ansprichst. Du hast dem DJ das Mikro weggenommen, dich mit ’ner Flasche Schnaps wild auf der Tanzfläche hin- und hergedreht und laut und schief mitgesungen. Du hast sie alle von der Tanzfläche verjagt. Der DJ musste den Ton abdrehen.“
Ihre Mimik wirkt reglos auf ihn, und in seinen Ohren klingt alles Gesagte wie eine tonlose Aufzählung, als würde sie ihm das Fernsehprogramm vom Abend vorlesen.
„Zum Glück hat mein Schwager eingegriffen.“
„Der mit den langen Haaren?“
„Mein Schwager! Der Bräutigam!“
„Puh, da sind mir die Pferde durchgegangen. Sorry, aber es ging ja alles noch mal gut aus.“ Auf den Bräutigam hätten er doch gehört. Wahrscheinlich hatten sie anschließend gemeinsam über alles gelacht und an der Bar Bruderschaft getrunken.
„So, meinst du? Du hast dich gewehrt, losgerissen, um dich geschlagen. Bis Papa dazukam.“
Er fasst sich ans Kinn. „Ach, dann war er es …?“
„Du hast herumgelallt, den Gästen die Reste aus den Gläsern getrunken. Dann hat Papa uns ein Taxi bestellt. Zum Glück.“
„Taxi? Aber wir sind doch zu Fuß ... oder?“
„Ja, du wolltest nicht einsteigen.“
„Ich wollte an die frische Luft, einen klaren Kopf …“
„Und ich dir hinterher.“
„Dafür bin ich dir auch dankbar, Süße.“
„So wie du drauf warst, hättest du die zwei Kilometer nie nach Hause gefunden, wärst in ‘n Graben oder Bach gestürzt. Und dann hast du noch …“, sagt sie, senkt den Kopf und steckt ihren Zeigefinger in den aufgerissenen Mund.
Tom errötet, lächelt verlegen.
Dann glitzern ihre Augen vergnügt. „Zum Glück ist uns das Taxi langsam gefolgt und der nette Fahrer hat dir hoch geholfen, als du vor dem Haus auf der Wiese alle Viere von dir gestreckt hast.“
„Hat er mich etwa auch …?“
Die Hände in die Hüften gestemmt, schaut Jessie ihn mit ausdruckslosen Augen an.
Er zupft sich am Haar. „Sorry, Süße. Ich hab die ganze Feier gesprengt. Kommt nicht mehr vor. Wirklich.“ Oh Mann, dieser Blick. Was will sie ihm damit sagen? Wird sie jetzt den ganzen Sonntag sauer auf ihn sein? Wie kann er das wieder gutmachen?
Jessie dreht sich um, verschwindet für einen Moment aus seinem Sichtfeld und steht kurze Zeit später wieder im Türrahmen. Sie hat ihre Pumps angezogen, eine Reisetasche in der Hand und einen Rucksack geschultert. „Ja, kommt nicht mehr vor. Da bin ich mir ganz sicher. Wirklich“, sagt sie und verzieht die Lippen zu einem dünnen Lächeln.
Er reibt sich die Nase. „Aber … Süße …“
„Hat sich ausgesüßt. Endgültig. Der Schlüssel hängt am Schlüsselbrett.“
Tom starrt ins Leere, hört sie übers Parkett stöckeln. Das kann nicht wahr sein. Das kommt zu überraschend. Wie konnte sie die ganze Zeit …?
Die Schritte verstummen und er vernimmt eine tiefe Männerstimme. Er zieht die Augenbrauen hoch, setzt sich auf. Wer oder was war das? Ganz sicher nicht das Radio in der Küche oder der Fernseher. Sein Kopf brummt, er macht den Mund mehrmals auf und wieder zu. Als die Wohnungstür geöffnet wird, steht er hastig auf. Er knickt ein, sein Knie schmerzt, er macht zwei Schritte, stößt gegen eine leere Bierflasche, die über das Parkett rollt und taumelt zur Tür, stützt sich an der Zarge ab, lugt um die Ecke und lauscht. Im Korridor brennt Licht; er blinzelt, seine Augen nehmen schemenhaft eine weitere Person wahr.
„Diesmal ist er zu weit gegangen. Boah, ich bin’s so leid. Aber du musstest ihm nicht gleich so ‘n festen Kinnhaken verpassen. Er hätte auch so gepennt wie ‘n Stein.“
Die Wohnungstür schlägt zu.
Tom torkelt über den Flur. Er kommt zu spät, bleibt an der Wohnzimmertür stehen, wirft einen Blick hinein. Ein Geruch nach Schweiß und Zigarettenqualm steigt ihm in die Nase. In den Ohren beginnt es zu rauschen, er unterdrückt einen Schrei: auf dem Sofa kreuz und quer Wolldecken und Kissen, auf dem Couchtisch zwei Kaffeepötte, eine leere Weinflasche, zwei Gläser, ein Teller, Käsemesser und Käserinde – sein bester, teuerster Wein, sein liebster alter Gouda. Auf dem Boden erblickt er etwas kleines Rotes. Er geht näher. Es ist ihr Spitzenhöschen, das da liegt, das nicht zufällig da so zur Schau liegt. Um ihn herum riecht es nach Leidenschaft und Gier und Körperflüssigkeiten. Er schluckt, fühlt sich auf einmal nüchtern wie drei Tage im Trockenen, aufgedreht wie eine Kiste Cola, niedergeschlagen wie ein ausgeknockter Boxer.
Mit hochrotem Gesicht geht er zum Fenster, blinzelt zwischen den Lamellen auf die Straße. Jessie und ein jüngerer Mann in Jeans, mit Lederjacke und langem Haar, treten aus dem Haus, stolzieren Arm in Arm auf ein Taxi zu.
Alles zieht sich in Tom zusammen. Er wischt sich eine Träne fort, reißt das Rollo beiseite, ballt die Fäuste und hämmert gegen das Glas. „Ich schaff es! Glaub mir! Ab heute!“
Der Mann öffnet den Kofferraum und Jessie legt ihre Taschen hinein. Während er sich hinters Lenkrad setzt, schaut Jessie kurz herauf, blickt dann nach unten und steigt ein.

 

Hallo Walterbalter,

wir hatten noch nicht das Vergnügen.
Schön, dass du vorbeigeschaut hast.

Ich finde dein Text hat nach der Überarbeitung sehr gewonnen.
Danke dafür. Hat sich wohl gelohnt.

Bei deinem Prota ist jetzt eine Entwicklung zu sehen; in der früheren Version hat er ja nicht viel gerafft.
Ja, das stimmt, nix gerafft ;)
Jetzt ist eher eine Spur von Einsicht zu sehen.

Bei der Freundin dürfte sich schon einiges an Zorn aufgestaut haben.
Und wie! :D

Auf der anderen Seite hat Tom wirklich nichts ausgelassen: Braut, Brautjungfrauen, Vater, Tanzeinlagen auf der Bühne usw.
Ja, was fürn Typ.

Am Anfang führt sie ihn auf Glatteis und rächt sich dann bitter.
Oja, so sollte das auch sein. Zuerst zuckersüß, dann "Baff".

Eine Kleinigkeit ist mir noch aufgefallen:
Danke für dein Adlerauge.

Habe mich sehr gefreut.


Hi Weltenläufer,

ich komme auf deinen Kommentar später ausführlich zurück.
Dies hier hat mich angetriggert. Darüber werde ich mir Gedanken machen und ein wenig am Text spielen, ausprobieren.

Deinem Typen nehme ich den Hangover einfach nicht ab. Dazu sind die Sätze zu geschliffen.
Aus dieser Sicht habe ich da bisher zu wenig betrachtet. Da ist sehr viel Wahres dran.

Bis dann.

Ach so, eins noch:

Freut mich zumindest zu sehen, dass du hier noch so aktiv bist. Diese Seite war in den letzten zehn Jahren ein großer Pfeiler in meinem Leben, und es hat etwas Beruhigendes, sie in gleicher Form vorzufinden, obschon es ein leicht merkwürdiges Gefühl ist, jetzt hier als Gast so aufzutauchen. Aber auch ein Vertrautes und Schönes. :)
Als Gast? Quatsch. Du hast eine Pause gemacht und bist als "Veteran" wiedergekehrt. ;)
Wie auch immer, für mich bist du noch immer der gute alte Welti. Legendär dein Text mit dem Turm und natürlich dein CopyWrite zu meiner Zombie-Apokalypse. :)
Schön, dich hier wieder so aktiv zu sehen.

Hi CoK,

Ich verstehe es jetzt.
Sehr gut. Freut mich. Danke für die Rückmeldung.

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hi Welti,

ich habe über deine Hinweise nachgedacht, den Text hin- und hergeändert und nun eine Version, die zum einen etwas klarer ist (eigene Kinder?), bei der die Dialoge hoffentlich besser geworden sind (watteweich), der Anfang angepasst wurde (Sonntagsvormittags-Familienfilm) und das Zuckersüße aufs Minimum reduziert wurde.
Dann habe ich noch ein, zwei Stellen gekürzt und so Erklärungsdinge/Gedanken herausgenommen.

ich fand den ursprünglichen Titel so schön. Aber wahrscheinlich hast du ihn geändert, weil er das Ende verrät? Den neuen Titel finde ich ziemlich grässlich ;)
Ja genau, der alte Titel "Ausgesüßt" hat das Ende schon angedeutet.
Wenn du einen Vorschlag für einen anderen Titel hast, her damit! Der muss dann aber auch wirklich gut sein. :D


Die Idee deiner Geschichte finde ich super. Dieses Erwachen in einer Blase der Unbewusstheit, das Einstechen in diese Blase mit Erinnerungen, bis sie schließlich platzt.
Danke dafür.

Aber irgendwie fehlt mir so der letzte Funke. ich weiß auch nicht genau, wie ich das beschreiben soll. Ich nehme deinen Figuren ihre Rolle nicht ab. Wahrscheinlich ist es mir dazu dann doch zu watteweich.
Es liegt auch viel an den Dialogen. Deinem Typen nehme ich den Hangover einfach nicht ab. Dazu sind die Sätze zu geschliffen.
Viele deiner Hinweise habe ich übernommen.

Als Tom aufwacht, pocht sein Kopf. Er gähnt, reckt und streckt sich und öffnet vorsichtig die Augen.
Etwas durcheinander, aber auch den Einstieg finde ich problematisch. Pochen ist ein wirklich zu zahmer Begriff. Recken und gähnen, also da sehe ich eher einen Sonntag-Nachmittag-Familienfilm. Vielleicht hast du das ja auch beabsichtigt, aber es wirkt auf mich nicht stimmig
Hast recht. Ist nun ein Hämmern im Kopf und kein Recken und Gähnen mehr.

Dieses Zuckersüße. Nee, warum?
Ist ein wenig runtergefahren.
Sie soll gerade am Anfang "zuckersüß" rüberkommen, so dass er sich zunächst keine Gedanken über mögliche Konsequenzen seines Handelns macht. Sie spielt sozusagen damit, bis sie die Katze aus dem Sack lässt. Schon fies.

„Beim Fußballspielen mit den Kindern.“
Klingt, als wären es ihre Kinder
Guter Einwand. Sind nun ihre Neffen.

Wie bereits zuletzt gesagt, hast du gute Hinweise gegeben. Vieles davon habe ich übernommen, nicht alles hier jetzt einzeln aufgeführt.

Ich danke dir herzlich.

Wünsche dir einen tollen Samstag.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hi GoMusic,

Als Gast? Quatsch. Du hast eine Pause gemacht und bist als "Veteran" wiedergekehrt. ;)
Wie auch immer, für mich bist du noch immer der gute alte Welti. Legendär dein Text mit dem Turm und natürlich dein CopyWrite zu meiner Zombie-Apokalypse. :)
Schön, dich hier wieder so aktiv zu sehen.
Das ist lieb von dir, hast du in schön willkommenheißende Worte gekleidet. Ein ehrliches und warmes Danke dafür :)

Wenn du einen Vorschlag für einen anderen Titel hast, her damit! Der muss dann aber auch wirklich gut sein.
hm, nicht so richtig. Zumindest nicht mit dieser Anforderung :p
Hast recht. Ist nun ein Hämmern im Kopf und kein Recken und Gähnen mehr.
Auf jeden Fall besser so. Aber, hm. Mir ist das immer noch zu brav. Ich habe lange überlegt, was wie wo streichen und so und hab mir kurzerhand deinen Einstieg genommen, und ihn einfach mal umgeschrieben.
Sieh es als Mini-Copywrite an. :D Und bloß nicht als ausgefeilte Version; ich denke nur, die Sequenz müsste düsterer sein, damit das Zuckersüße dann auch krasser reinhaut und diesen Spagat aufmacht.

Als Tom aufwacht, hämmert es in seinem Kopf. Vorsichtig öffnet er die Augen. Tageslicht zwängt sich durch die Ritzen des Rollos. Er tastet die Bettseite neben sich ab. Kalt und leer.
Ganz langsam dreht er den Kopf, sucht mit zusammengekniffenen Augen das Zimmer ab: Seine Kleidung über dem Parkett verteilt, der Nadelstreifenanzug, Hose, Weste, Jacket, verdreht und zerknittert in getrockneten Schlammspuren. Ein Schuh, einmal komplett in Matsch getaucht, liegt unter der Heizung.
Tom schließt die Augen, kämpft gegen das Stechen und die Übelkeit an, versucht sich zu erinnern.
Er wollte sich entspannen, es sich gutgehen lassen, die harte Woche im Büro vergessen – den verlorenen Großkunden, den Ärger mit seinem Chef. Tom stöhnt, als er an das Gesicht seines Chefs denkt. In seinem Mund ist ein widerlicher Geschmack, seine Zunge klebt wie ein totes Tier am Gaumen.


Ist ein wenig runtergefahren.
Sie soll gerade am Anfang "zuckersüß" rüberkommen, so dass er sich zunächst keine Gedanken über mögliche Konsequenzen seines Handelns macht. Sie spielt sozusagen damit, bis sie die Katze aus dem Sack lässt. Schon fies.
Ja, da hast du etwas ausgedünnt, aber ich würde noch weiter runterfahren. Muss ist denn zB wirklich lächeln?

Hat mich umgetrieben, dass ich so viel genörgelt habe, ohne das konkret genug zu fassen.
Und da ich schon am Tippen war, hab Ichs dir einfach mal mitgegeben. Puh.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi weltenläufer,

vielen Dank für deine erneuten Gedanken und die tollen Vorschläge.

Mir ist das immer noch zu brav. Ich habe lange überlegt, was wie wo streichen und so und hab mir kurzerhand deinen Einstieg genommen, und ihn einfach mal umgeschrieben.
Ich habe jetzt einige Tage drüber nachgedacht und bin voll bei dir.
Am Anfang nicht so brav, dann passen das Zuckersüße und der Schluß umso besser.

Er tastet die Bettseite neben sich ab. Kalt und leer.
Hier musste ich lachen.
Ich habe hier einen anderen Text, der auch mit einem Prota im Bett beginnt. Da hatte ich das fast genau so auch mal gehabt, dieses Abtasten, kalt und leer. Hast du das von mir geklaut? :D

ich denke nur, die Sequenz müsste düsterer sein, damit das Zuckersüße dann auch krasser reinhaut und diesen Spagat aufmacht.
Genau.

Ja, da hast du etwas ausgedünnt, aber ich würde noch weiter runterfahren. Muss ist denn zB wirklich lächeln?
Ist weg.
Ich habe allgemein an den Dialogen noch etwas gefeilt. Weniger und kürzere Sätze.

Hat mich umgetrieben, dass ich so viel genörgelt habe, ohne das konkret genug zu fassen.
Und da ich schon am Tippen war, hab Ichs dir einfach mal mitgegeben. Puh.
Lieben Dank nochmal. Das gefällt mir sehr gut. Ich habe das fast so übernommen, mit dem Hintergedanken, dies noch sacken zu lassen und ggf. später noch ein wenig anzupassen.

Habe mich sehr gefreut.

Wünsche dir einen tollen Abend.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @GoMusic

Hab ich viel getrunken?

Der Titel hat mich angelockt, weil ich Suff-Ausrede-Geschichten nicht leiden kann :D
(Ich habe Leute kennengelernt, die sitzen im Knast und wissen nicht, warum, nur weil sie morgens mit ner toten Freundin im Bett aufgewacht sind, und nicht wissen, wie das eigentlich dazu gekomen war. Wenn ich dann "oh - ich kann ja nix dafür, weil ich betrunken war" lese oder höre, geht mir das Messer auf.)
Aber, Du hast es gekonnt in eine Richtung getrieben, die ich unterschreiben kann. Klasse! :)

Als Tom aufwacht, hämmert es in seinem Kopf. Vorsichtig öffnet er die Augen. Tageslicht zwängt sich durch die Ritzen des Rollos. Er tastet die Bettseite neben sich ab. Kalt und leer.
Ich finde den Anfang fast zu lang, weil ich eigentlich schon durch die Überschrift weiß, dass es so beginnt.
„Er hat nur mit Sekt mit dir angestoßen!
Das doppelte "mit" ist vielleicht pingelig - zumal ich beim Überfliegen der Kommentare gemerkt habe, dass Du an diesem Satz schon rumgedoktert hast. Aber ist ok - es ist ja direkte Rede -d a redet ja nicht der Autor, sondern der Prot :)

.... „Aber … Süße …“
„Hat sich ausgesüßt. ...
großartig :D

Der Mann öffnet den Kofferraum und Jessie legt ihre Taschen hinein. Während er sich hinters Lenkrad setzt, schaut Jessie kurz herauf, blickt dann nach unten und steigt ein.
"schönes" Ende - passt!

Mein Fazit: Danke für diese Geschichte.

Gruß
pantoholli

 

Hi @pantoholli

wie ich mich gefreut habe, dass du meine Geschichte wieder herausgeholt hast ...,

Der Titel hat mich angelockt, weil ich Suff-Ausrede-Geschichten nicht leiden kann :D
... und das allein wegen des Titels :)
Nein, natürlich auch wegen der Message, denke ich mal.

Du hast es gekonnt in eine Richtung getrieben, die ich unterschreiben kann. Klasse! :)
Das ist gut. Anders geht es ja auch nicht.
Der soll mal schön drunter leiden und sein Fett abbekommen :cool:

"schönes" Ende - passt!
Mein Fazit: Danke für diese Geschichte.
Vielen Dank für deine Zeit, deinen Kommentar und das Lob.

Wünsche dir ein tolles Wochenende.
Liebe Grüße, GoMusic

 

Hallo @GoMusic ,

puh, sie geht dann doch. Gute Idee, bevor es schlimmer wird. Ich finde es zwar stark, wenn Partner/innen auch in schweren Zeiten füreinander da sind, aber man kann sich nicht völlig selbst aufgeben. Manchmal ist man machtlos gegen den großen Antagonisten: Der Sucht. Und kann sich nur noch selbst retten.

Als Tom aufwacht, hämmert es in seinem Kopf. Vorsichtig öffnet er die Augen. Tageslicht zwängt sich durch die Ritzen des Rollos. Er tastet die Bettseite neben sich ab. Kalt und leer.
Ganz langsam dreht er den Kopf, sucht mit zusammengekniffenen Augen das Zimmer ab: Seine Kleidung über dem Parkett verteilt, der Nadelstreifenanzug, Hose, Weste, Jacket, verdreht und zerknittert in getrockneten Schlammspuren. Ein Schuh, mit schmierigerem Matsch überzogen, liegt unter der Heizung.
Diesen Einstieg finde ich super. Du sagst in wenigen Zeilen alles, damit sich die Leser:innen orientieren können. Der Hinweis auf die Probleme mit dem Chef fand ich allerdings überflüssig. Hat mich auch zunächst ins falsche Setting gebracht. Mit dem Anzug sah ich ihn dann eher in einer Bank sitzen, als auf einer Hochzeitsparty.
„Kein Problem. Den hat Holger geholt.“
„Holger? Der Rotschopf?“
„Nein, mein Cousin. Der mit dem Bart. Der Rotschopf ist mein Bruder.“
Ups, lange sind die noch nicht zusammen, oder?
„Echt? Dann müssen sie das aber auch wert gewesen sein“, scherzt er, als sei alles gar nicht so schlimm, als sei es eine Männersache, die sie ihm nachsehen würde.
Das fand ich realistisch. Alles weglachen. Diese Selbstverleugnung, die viele Alkoholiker haben.
„Schon gut", sagt sie.
Stoische Ruhe. Ganz schön Nerven hat sie ...
„Du musst sehr hungrig gewesen sein.“
„Ich hatte den ganzen Tag vorher nichts gegessen.“
„Ach, und deshalb hast dich am Buffet vorgedrängelt? Du hast alles angetascht und im Stehen in dich reingestopft.“
Aber ein bisschen sticheln tut sie dann doch.
„Puh, da sind mir die Pferde durchgegangen. Sorry, aber es ging ja alles noch mal gut aus.“ Auf den Bräutigam hätten er doch gehört.
Hier wieder: Alles Schönreden :thumbsup:
„Taxi? Aber wir sind doch zu Fuß ... oder?“
„Ja, du wolltest nicht einsteigen.“
„Ich wollte an die frische Luft, einen klaren Kopf …“
„Und ich dir hinterher.“
„Dafür bin ich dir auch dankbar, Süße.“
Da ist so ein bisschen was, das mich irritiert. An einige Sachen erinnert er sich genau, an andere nicht. Grundsätzlich ist es ja so, dass Alkoholiker erst ab einer gewissen Promillezahl funktionieren. Sie sind vorher nervös, fahrig, also auf Entzug. Einen Filmriss bekommen die gar nicht so schnell. Also, er muss wirklich sehr tief ins Glas geschaut haben. Aus ihren Erzählungen kommt das auch rüber.
Ein Filmriss endet aber meist nicht spontan oder lässt Lücken zu. Ein Teil des Abends ist komplett ausgeklammert und es muss eine Art Erholung eintreten, wenn die Erinnerung wieder einsetzt. Eine Runde Schlaf z. B.

„So wie du drauf warst, hättest du die zwei Kilometer nie nach Hause gefunden, wärst in`n Graben oder Bach gestürzt.
Nach Hause finden die Leute erstaunlich oft (wenn sie nicht in einen Bach stürzen).
Er zupft sich am Haar. „Sorry, Süße. Ich hab die ganze Feier gesprengt. Kommt nicht mehr vor. Wirklich.“
Jau.
Tom starrt ins Leere, hört sie übers Parkett stöckeln. Das kann nicht wahr sein. Das kommt zu überraschend. Wie konnte sie die ganze Zeit …?
Wieso trägt sie Stöckelschuhe? Ich würde in einer solchen Situation fluchttaugliche Schuhe anziehen. Man weiß ja nie.


Sprachlich bist Du unheimlich weit beim Schreiben. Ich habe nichts auszusetzen. Keine Fehler, kein Patzer, keine Ungenauigkeiten. Weiter so! Und gerne gelesen!


Liebe Grüße
Mae

 

Hallo Maedy,

ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut.

Diesen Einstieg finde ich super. Du sagst in wenigen Zeilen alles, damit sich die Leser:innen orientieren können.
Irgendwie ist mir eine solche Orientierung in letzter Zeit wichtig geworden, wahrscheinlich weil ich es selbst gerne bei kurzen Geschichten so vorfinde :)

Der Hinweis auf die Probleme mit dem Chef fand ich allerdings überflüssig. Hat mich auch zunächst ins falsche Setting gebracht. Mit dem Anzug sah ich ihn dann eher in einer Bank sitzen, als auf einer Hochzeitsparty.
Aus der Sicht habe ich das gar nicht gesehen.
Sehr guter Hinweis. Das ist nun raus.

„Kein Problem. Den hat Holger geholt.“
„Holger? Der Rotschopf?“
„Nein, mein Cousin. Der mit dem Bart. Der Rotschopf ist mein Bruder.“
Ups, lange sind die noch nicht zusammen, oder?
Ich denke, das sagt nicht unbedingt etwas über die Länge einer Beziehung aus. :shy:
Es geht auch um Interesse, Aufmerksamkeit, Egoismus etc.

Das fand ich realistisch. Alles weglachen. Diese Selbstverleugnung, die viele Alkoholiker haben.
Danke.

„Taxi? Aber wir sind doch zu Fuß ... oder?“
„Ja, du wolltest nicht einsteigen.“
„Ich wollte an die frische Luft, einen klaren Kopf …“
„Und ich dir hinterher.“
„Dafür bin ich dir auch dankbar, Süße.“
Da ist so ein bisschen was, das mich irritiert. An einige Sachen erinnert er sich genau, an andere nicht. Grundsätzlich ist es ja so, dass Alkoholiker erst ab einer gewissen Promillezahl funktionieren. Sie sind vorher nervös, fahrig, also auf Entzug. Einen Filmriss bekommen die gar nicht so schnell. Also, er muss wirklich sehr tief ins Glas geschaut haben. Aus ihren Erzählungen kommt das auch rüber.
Ein Filmriss endet aber meist nicht spontan oder lässt Lücken zu. Ein Teil des Abends ist komplett ausgeklammert und es muss eine Art Erholung eintreten, wenn die Erinnerung wieder einsetzt. Eine Runde Schlaf z. B.
"Jeder Jeck ist anders." Das passt m.E. auch auf Alkoholiker.
Ich habe so einiges mitbekommen. Das Nervöse, Fahrige, Aggressive, In-sich-Zusammensacken, den Ehrgeiz, das Kriminelle, das Ausflippen, das Leugnen und Verdrängen, das Lügen, Sich-und-der-Welt-was-vormachen, das Sich-nicht-helfen-lassen-wollen und was es alles noch gegeben hat.

Drei (sehr) enge Verwandte sind mit im Durchschnitt Anfang 50 an Alkohol und teilweise in Verbindung mir anderen Suchtkrankheiten gestorben. Jeder war anders. Jeder litt am Ende anders. (Anderes Thema, vielleicht wird es mal in einer Geschichte verarbeitet.)


Nach Hause finden die Leute erstaunlich oft (wenn sie nicht in einen Bach stürzen).
Ja, merkwürdig, oder?
Aber da fällt mir gerade ein, dass ein ganz entfernter Verwandter (muss so um 1960 gewesen sein, vor meiner Zeit) auf dem Heimweg besoffen in eine Baugrube gestürzt ist. Direkt vor seinem Haus, wo er es eigentlich hätte wissen müssen. Er fand also auch bis nach Hause. Ihm konnte jedoch nicht mehr geholfen werden.

Tom starrt ins Leere, hört sie übers Parkett stöckeln. Das kann nicht wahr sein. Das kommt zu überraschend. Wie konnte sie die ganze Zeit …?
Wieso trägt sie Stöckelschuhe? Ich würde in einer solchen Situation fluchttaugliche Schuhe anziehen. Man weiß ja nie.
Ja, kann mir denken, was jetzt kommt, dass Frauen auch immer ein Paar bequeme Schuhe dabei haben :lol:
Vielleicht trug sie auch ihre bequemen Pumps, die mit dem kurzen, breiten, geräuschreduzierten Absatz, und er hat nur ein Gestöckel gehört. :Pfeif:


Sprachlich bist Du unheimlich weit beim Schreiben. Ich habe nichts auszusetzen. Keine Fehler, kein Patzer, keine Ungenauigkeiten. Weiter so! Und gerne gelesen!
Vielen Dank. Ich strahle!

Danke nochmals für deine Zeit und den tollen Kommentar.
Sorry, wenn ich in meiner Antwort vielleicht zu viel Selbsterlebtes hineingebracht habe. Sonst gar nicht meine Art. Aber evtl. doch ein Zeichen, dazu mal was schreiben zu müssen.

Schönen Abend.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hey du,

so ein mittelschweres Beziehungsdrama. Er hat offensichtlich (und nicht zum ersten Mal) zu tief ins Glas geschaut und völlig freigedreht und sie macht sich vom Acker. Ist ja in seiner Kürze hart an der Flashfiction dran, denke ich, und da stört es mich auch nicht, dass es eher Szene bleibt, man die Figuren jetzt nicht so sehr näher kennenlernt. Es ist dieses Erzählen, das mich an die Erzählschulen von Lajos Egri, Bob McKee und und James Frey denken lässt. Also an steiler Wandlung interessiert, an klarer Prämisse, deutlichem inneren und äußeren Konflikt. Ich war eine gute Zeit lang bei Fiction-Writing.de (der Konkurrenz? :D ). Falls du es nicht kennst, ein anderes, geschlossenes Schreibforum (man muss sich anmelden). Im Vergleich zu den Wortkriegern gab es dort viel mehr Autoren, die mit solchen Erzählansätzen (so nenne ich es mal) unterwegs waren. Da hat man viel klassisches Handwerkzeug lernen können, viel wie so klassisch Unterhaltung, Spannung und Konflikt funktioniert. Auch @Rob F ist für mich ein Autor, dessen Stories ich diesem Profil klassisch handwerklicher Erzählstruktur zuordnen würde (so wie ich es kenne und erlebt habe). Bei den Wortkriegern ist gefühlt ja vermehrt so ein eher wortvernarrter, experimenteller, unkonventioneller Ansatz verbreitet (vielleicht auch nur mein Eindruck). Auch das hat seine Für und Wider. Das wollte ich nur mal kurz so ausbreiten, weil es sich mir gedanklich aufgedrängt hat :D
Zurück zu deiner Story. Die Wandlung, die du hier in aller Kürze erzählst, ist ja schon ziemlich groß, aber für eine Szene (eigentlich aus einem größeren Stück, wo eben Vorbereitung geleistet wird) durchaus machbar. Und dafür, finde ich, steht sie hier schon mit beiden Beinen ganz gut auf dem Boden. Problematisch finde ich, wie ich vom Erzähler durch Jessies Reaktionen irregeführt werde. Ich staune hier eher ungläubig, als ich die Wandlung dann lese, weil sie, aber vor allem auch weil der Text sich vorher so gar nichts anmerken lässt. Bei ihr finde ich das schon richtig so. Aber der Text sollte mir als Leser doch irgendwie die Chance geben, dass Übel bereits vorzuahnen. In dieser Vorahnung darf er mich natürlich trotzdem auf eine falsche Fährte schicken, dann bin ich sozusagen selbst Schuld. Zum Beispiel kann er mich glauben lassen, dass Jessie ihn nur verarscht (dass deswegen Worte und Kontext nicht zusammenpassen, was der Text mir freundlicherweise suggeriert) und gar nichts passiert ist; damit die Überraschung am Ende dann trotzdem stimmt. So geht es mir als Leser schon okay, aber ein wenig fühle ich mich auch, als nähme mich der Text nicht wirklich ernst.

Ein Schuh, mit schmierigerem Matsch überzogen, liegt unter der Heizung.

warum dieser Komparativ?

Er wendet die Kleidung

das konnte ich mir als Aktion nicht gut vorstellen. Vielleicht einfach aufheben?

„Für dich tue ich doch alles.“

Beim ersten Lesen dachte ich da, hier fehlt doch irgendwie das Augenzwinkern.

Sie verlässt das Schlafzimmer und ruft noch „Ich muss m

würde noch einen Doppelpunkt setzen

„Dein Vater wars! Er hat mich verführt.“

das klingt ein bisschen falsch :D

scherzt er, als sei alles gar nicht so schlimm, als sei es eine Männersache

hier wäre Konjunktiv II angebracht, weil er ja weiß, dass es nicht so ist bzw. dass es schlimm ist und eben keine Männersache. Also Irrealis und folglich Konjunktiv II.
Abgesehen davon hat sich diese Emotion, dass er es plötzlich (heimlich) als "so schlimm" empfindet, für mich nicht so ganz angebahnt. Das würde ich daher etwas abschwächen oder es anders vorbereiten. Abgeschwächt:

... scherzt er, als wäre das eigentlich normal, reine Männersache.

dass „schon gut“

könntest überlegen, ob du das in Abgrenzung zum Dialog in einfachen Anführungsstrichen oder sogar kursiv schreibst.

„So, meinst du? Du hast dich gewehrt, losgerissen, um dich geschlagen. Bis Papa dazukam.“

Hier dachte ich dann so. Hä, sie war am Anfang doch sehr nett zu ihm. Woher kommt jetzt diese Wandlung.
Das Problem ist für mich nicht ihre (gespielte) Nettigkeit, sondern dass der Text ihre damit kontrastierenden nonverbalen Zeichen verschweigt, die mir eine Chance gäben, dass mitzuverfolgen.

Sie hat ihre Pumps angezogen, eine Reisetasche in der Hand und einen Rucksack geschultert. „Ja, kommt nicht mehr vor. Da bin ich mir ganz sicher. Wirklich“, sagt sie und verzieht die Lippen zu einem dünnen Lächeln.
Er reibt sich die Nase. „Aber … Süße …“

Das kam mir deshalb (weil hier der ganze Twist ja noch nicht klar ist) ziemlich unnatürlich vor. Bzw. eigentlich ja natürlich, aber so im Kontrast zu ihrer Nettigkeit davor.

aufgedreht wie eine Kiste Cola

:)


So viel erst mal von mir. Schön, mal wieder was von dir zu lesen. Tatsächlich ist das nicht so ganz mein Thema, ich empfinde solche Beziehungskisten und -streits immer irgendwie als klischiert (was nicht dein, sondern mein 'Problem' ist). Deshalb hab ich versucht, meinen Kommentar eher technisch auszurichten. Ich hoffe, das passt so für dich.

Lieben Gruß
Carlo

 

Hallo Carlo,

schön, dich unter meiner Geschichte zu finden, auch wenn es nicht dein Lieblingsgenre ist.

Einen tollen Kommentar hast du dagelassen, mit dem ich sehr viel anfangen kann.

Ist ja in seiner Kürze hart an der Flashfiction dran,
Ja, da habe ich lange überlegt, ob es noch FF oder schon KG ist.
Jetzt überlege ich sogar, den Text noch etwas zu erweitern.

Es ist dieses Erzählen, das mich an die Erzählschulen von Lajos Egri, Bob McKee und und James Frey denken lässt. Also an steiler Wandlung interessiert, an klarer Prämisse, deutlichem inneren und äußeren Konflikt.
Ja, so schreibe ich gern, ohne die genannten Autoren zu kennen. Danke für den Hinweis, da schaue ich sofort mal nach.

Die Wandlung, die du hier in aller Kürze erzählst, ist ja schon ziemlich groß, aber für eine Szene (eigentlich aus einem größeren Stück, wo eben Vorbereitung geleistet wird) durchaus machbar.
Da ist noch Potenzial, es auszubauen. Ich überlege noch.

Problematisch finde ich, wie ich vom Erzähler durch Jessies Reaktionen irregeführt werde. Ich staune hier eher ungläubig, als ich die Wandlung dann lese, weil sie, aber vor allem auch weil der Text sich vorher so gar nichts anmerken lässt. Bei ihr finde ich das schon richtig so. Aber der Text sollte mir als Leser doch irgendwie die Chance geben, dass Übel bereits vorzuahnen. In dieser Vorahnung darf er mich natürlich trotzdem auf eine falsche Fährte schicken, dann bin ich sozusagen selbst Schuld.
Auch ein Punkt, wo ich lange überlegt habe. Jessie mag vielleicht den Mund verziehen, wenn er es nicht sieht, sicher. Da erlaubt es aber die Erzählperspektive nicht, dies zu zeigen.


Zum Beispiel kann er mich glauben lassen, dass Jessie ihn nur verarscht (dass deswegen Worte und Kontext nicht zusammenpassen, was der Text mir freundlicherweise suggeriert) und gar nichts passiert ist; damit die Überraschung am Ende dann trotzdem stimmt.
Auch eine gute Idee. Sie veräppelt ihn, da sie merkt/schon von früher weiß, dass er einen Blackout hat und sich an nichts erinnert.
Auch schön, wenn man mehrere Beweggründe/Hintergründe beim Lesen im Sinn hat.

Das Problem ist für mich nicht ihre (gespielte) Nettigkeit, sondern dass der Text ihre damit kontrastierenden nonverbalen Zeichen verschweigt, die mir eine Chance gäben, dass mitzuverfolgen.
Ja, wird verschwiegen.
Ich mach mir mal nen Kopp, ob/wie ich das machen kann.

Deine Text-Vorschläge habe ich gerne übernommen.

Vielen Dank für deine Zeit und Gedanken.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom