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Hans und Siegfried die Straßenmusikanten

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06.06.2002
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Hans und Siegfried die Straßenmusikanten

Blaulicht flackerte sich widerspiegelnd in den noch unverbarrikadierten Schaufensterscheiben. Selbst Sterne des klaren kühlen Nachthimmels schienen etwas bläulich mitzublinken. Das Sanierungsgebiet sollte gegen seine Wandlung zu einem noblen Neubaugebiet für die gutbetuchte Schickeria oder neureiche Yupies verteidigt werden. Der Widerstand stand kostümiert hinter Barrikaden aus Altautos und Sperrmüllsesseln – jüngere Volksmassen aus der gesamten Republik. Hans, ein älterer Typ aus dem Viertel, formte Gedanken zur Lage der blaublinkenden Staatsgewalt: „Entweder fehlt denen die Lust oder es liefen noch Friedensverhandlungen mit den Unterstützern des autonomen Widerstandes?“ Die Rufe wurden kecker und reichten von „Haut ab!“ bis zu „Feuer und Flamme für diesen Staat!“. Hans und die anderen Zuschauer warteten fast gelangweilt auf die Attacke der stur in ihren Fahrzeugen verbleibenden Polente. Wenn das so ist, dann konnten die Revoluzzer auch anders. Die Meldung war durch, die Halstücher wurden bis unter die Augen hochgezogen. Eine schwarzhaarige junge Frau, die zuvor noch ihre Tochter zur Oma gekarrt hatte: „Mutti, kannst du heute Abend die kleine Sheila nehmen, wir demonstrieren.“ - war auf das Dach eines Schrottautos geklettert, schwang eine extrem große rot-schwarze Fahne und rief: „Alles für alle und das umsonst!“ Steine flogen in ungesicherte Schaufensterscheiben und gaben den Weg zu den kostbaren Delikatessen und Spirituosen frei.

Das Gewissen von Hans war komplex und simpel zugleich, zumindest ungewöhnlich. Er hatte so eine delinquente Gewohnheit entwickelt, die ihn klar in die Kategorie eines Quartalskriminellen eingruppierte: Eine Straftat pro Quartal, nicht mehr, nicht weniger, war seine Devise. Der Tatrückstand sollte heute trotz aller bürgerlichen Ängsteleien wieder aufgeholt werden. Dort, wo die wagemutigen jugendlichen Plünderer mit den Riesenpaketen rauskamen, mußte er rein, wenn er seiner Schwäche nicht unterliegen wollte. Der Laden war dunkel, aber fast wie gewohnt suchte er den Weg durch das Drehkreuz. Im blauen Flackern erblickte er plötzlich Teddybären neben aufmontierten Modelleisenbahnen von Märklin – da hinter der riesigen Glasscheibe des Schrankes für höherwertige Waren standen größere Kartons, die etwas Puppenähnliches enthielten. Polizeisirenen heulten, aber die Fahnenschwenkerin hatte ihre Truppen zur Vorneverteidigung fest gruppiert. „Klirr!“ Der Wertschrank war geöffnet und Hans eilte mit dem Riesenpaket zu den Kassen. Hönisch wies ein Jugendlicher den Amateurplünderer im Methusalemalter auf den freien Ausgang hin.

Der Rest war Routine: Einwickeln des Beutepaketes in den Strickpullover, kleines Liedchen aus gespitzten Lippen geflötet und unbeteiligtes Schlendern durch das schmale Fußgängergässchen in Richtung Stadtausgang. Links, rechts, Straße, Radfahrweg, Waldweg. Vor der müden bepackten Gestalt erhoben sich die alten bröckeligen Backsteinmauern des unbewohnten Hauses eines nunmehr umgesiedelten Waldarbeiters. Die Fenster waren bis auf schmale Zwischenräume mit Brettern zugenagelt. Selbst dort, wo der Anbau abgerissen war, hatten fleißige Verantwortliche eine Mauer hochgezogen, die allerdings ganz oben eine Lücke lies und mit Hilfe der versteckt gelagerten Leiter routiniert von Hans und seinem Beutekarton überwunden wurde. Bäuchlings zog er die Sprossen rüber auf die Innenseite. Wer hätte es erwartet? Seine Wohnung leuchtete nunmehr im Lichte eines Kerzenstummels. Zusammenrollen, Augen zu. Zuckend kroch er auf der Flucht, durch irgendwelche Traumwelten, zerfließenden Zusammenhängen aus Bäumen und Steinen. Die Sonne hatte sich hinter Regenwolken versteckt, doch ein Specht hatte seinen Arbeitsalltag gestartet.

Hans riss den Karton auf und erstarrte. Moderne Jungen wünschten sich Roboter als Spielgefährten – in Luxusausführung lag „Siegfried“, der neue Spielroboter aus Nagasaki, funktionsbereit auf dem Kopfkissen von Hans. Batterien rein, Fernbedienung auf „on“ und die vorbereitende Programmierarbeit der Hauptabteilung „Spielroboter“ erwies sich als mustergültig. Interaktiv diskutierte Hans die Bedienung seines neuen Freundes mit dessen Sprachdecoder durch. Hämmernd ballerte es gegen die Fensterbretter: „Dir setz ich den Köter rein, du Scheißkerl!“, klang es bedrohlich von irgendwelchen Waldläufern. Seine diskrete leise Flucht zusammen mit „Siegfried“ über das Mäuerchen gelang besser als vermutet. Sein Widersacher hatte die Bulldogge inzwischen durch eine Lücke zwischen den Brettern vor dem Fenster ins Innere befördert.

Der Rest ist schnell erzählt. Zwei arme Gestalten sangen und tanzten unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ an den gewohnten Plätzen der Geiger, Gaukler und Bettelstudenten. Den staunenden Passanten führte das musikalische Duo Tanz und Gesang vor. Am besten klappte es zu den Klängen von „Ihr Kinderlein kommet!“ Wie ein Bandleader schnippte „Siegfried“ mit den Fingern und kreiste in den Hüften. Wispernd, dann immer deutlicher, ließ der Roboter seine krächzende Automatenstimme tönen: „Selbsthilfe, bitte, bitte, gib Geld!“

 

Hallo Gerhard,

Erstmal zum Text:

Hans und die anderen Zuschauer konnten, warteten fast gelangweilt auf die Attacke der stur in ihren Fahrzeugen verbleibenden Polente.

da fehlt was

war auf das Dach eines Schrottautos geklettert, schwang eine extremgroße rot-schwarze Fahne und rief: „Alles für alle und das sofort!“

extrem große


Dort, wo die wagemutigen jugendlichen Plünderer mit den Riesenpaketen rauskamen, mußte er rein, wenn er seiner Schwäche nicht unterliegen wollte. Der Laden war dunkel, aber fast wie gewohnt suchte er den Weg durch das Drehkreuz.

zweimal Komma


Der Rest war pfeifende Routine.

Dieser Ausdruck sagt mir nichts.

. Zuckend kroch er auf der Fluch durch irgendwelche Trauwelten zerfließenden Zusammenhängen aus Bäumen und Steinen.

Flucht Traumwelten


Die Sonne hatte sich hinter Regenwolken versteckt, doch ein Specht hatte seinen Arbeitsalltag gestartet.

Komma...kursiver Abschnitt liest sich komisch


Hans riß den Karton auf und erstarrte. Moderne Jungen wünschen sich Roboter als Spielgefährten – teuer, aber in modernster Luxusausführung lag „Siegfried“ der neue Spielautomat funktionsbereit auf dem Kissen.

Komma


Beim letzten Absatz blicke ich nicht ganz durch. Wieso hat der Hundebesitzer die Ambition, den Hund auf ihn loszulassen?
Dein Schreibstil ist mir etwas zu kantig und verschlungen, manche Sätze musste ich zweimal lesen, weil sie teilweise auch so lang sind.

Anfangs dachte ich, du erzählst nun eine Geschichte über eine Demo, dann kam der Diebstahl. Ich kann für mich keinen direkten Zusammenhang zwischen der längeren Beschreibung der Demo und dem Rest finden. Das wirkt alles etwas konfus und ist deswegen in Seltsam gut aufgehoben ;).

Fazit: Mir hat die Geschichte leider nicht besonders zugesagt.

Lieber Gruß
ber

 

Guten Tag Bernadette!
Die groben Fehler sind erstmal korrigiert worden. Es geht um den komischen Kauz Hans, der eine konkrete randständige Lebenswelt hat. Er kann nunmehr mit Inszenierung seines musikalischen Straßentheaters etwas Geld hinzu verdienen. Sein neuer Geschäftspartner und maschineller Freund hat die Situation verstanden und bettelt ungeniert. Vielleicht spielt das Thema Einsamkeit, die durch ein Spielzeug gelindert wird, auch etwas mit in die Sinngebung der Story hinein. Die Vertreibung illegaler Bewohner aus Abbruchhäusern ist gängige Praxis. Wer das macht? Was weiß ich? MfG Gerhard Kemme

 

Hallo Gerhard,

mich wundert es, dass du die Geschichte in seltsam gestellt hast. Gut, die Sache mit dem Roboter ist so im Moment nicht möglich, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich. Das opportunistische Verhalten von Hans ist auch nicht seltsam, auch nicht das Benehmen der aggressiven Aktivisten. Man hat den Eindruck, Hans schlägt sich auf seine Weise durch, arrangiert sich mit den gesellschaftlichen Umständen und ist froh einen Partner zu haben, selbst wenn es ein Roboter ist.

Tschüß... Woltochinon

 

Guten Tag Woltochinon!
Und die "richtige" Kategorie wäre? SciFi, Alltag oder Sonstige?
MfG Gerhard Kemme :hmm:

 

Hallo Gerhard,

Das war keine rhetorische Frage - ich hätte gerne gewusst, warum du dich für die Seltsam-Rubrik entschieden hast. Mir gibt dein Text eher Assoziationen zu gesellschaftlichen Fragen. (Da gibt´s keinen Grund für diese Augen ;))

Tschüß... Woltochinon

 

Guten Tag Woltochinon!
Wo wird deine Frage von mir nicht als konkret und Antwort verlangend angesehen? Sie wurde verstanden und u.a. mit einem "Hmm-Smily" beantwortet. Auf mich wirken nächtliche Demonstrationen im Sanierungsgebiet durchaus etwas unheimlich. Während einer solchen Veranstaltung, die dann doch immer mehr von einer erlaubten und angemeldeten Versammlung zu einem illegalen hektischen Geschehen sich verändert, hat jeder Teilnehmer, egal auf welcher Seite, auch sein individuelles Erleben. Dieses geht bei der Person von Hans immer weiter ab von den gewöhnlichen Wahrnehmungen. Er steht plötzlich im Rahmen einer sonst sich rechtstaatlich und zivilisiert gebenden Gesellschaft einer "Plünderei" gegenüber, durch die er aber plötzlich seltsamerweise in den Besitz eines Spielroboters gelangt, der ihm hilft etwas Geld zu verdienen. Beim besten Willen, mir würde es seltsam anmuten. MfG Gerhard Kemme

 

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