Mitglied
- Beitritt
- 15.11.2008
- Beiträge
- 13
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 10
Happy Birthday, Günther
Happy Birthday, Günther!
Ich erwachte bereits um 5.43 Uhr am Morgen, weil mir die Sonne ins Gesicht schien. Heute ist der Tag meines 42. Wiegenfestes. Freunde oder Bekannte habe ich keine zu mir eingeladen, da ich keine Zeit zum Feiern habe.
Ich muss den ganzen Tag arbeiten und für das kommende Wochenende ein Seminar für meinen Chef organisieren. Dies tue ich, um meine Stellung in der Firma wieder aufzubessern, nachdem ich letzte Woche aus Versehen einen Schaden in Höhe von 1,2 Millionen Euro angerichtet hatte.
Es läuft zurzeit eben nicht rund bei mir.
Alles, was irgendwie schief gehen konnte, ging schief.
Aber jetzt wird alles besser, dachte ich bei mir, und ging auf meinen kleinen Balkon, im 2. Stock meiner, am rande eines bayrischen Dorfes gelegenen, Mietwohnung. Es war ein herrlicher Sommermorgen.
Ich spürte es!
Heute war MEIN Tag!
Dies änderte sich aber sofort wieder, als ich sah, dass mein Auto weg war! Ich sah auf den Platz, auf den ich meinen Golf gestern Abend gestellt hatte – meinen schwarzen Golf – und hier stand nun ein anderer Wagen. Dieser war grün. Genauso so ein grün hatte ich mir für meinen Wagen immer gewünscht.
Ich ging zu meinem Telefon und rief die Polizei an. Ich meldete den Verlust meines Autos. Der Beamte am anderen Ende der Leitung teilte mir mit, dass sich am Vormittag ein Kollege bei mir melden wird. Ich erwiderte ihm, dass ich den ganzen Tag arbeiten müsste, und dass ich keine Zeit für den Beamten hätte. Daraufhin legte mein Gesprächspartner auf.
Ich überlegte, was ich nun tun sollte? Bis zu meinem Arbeitsplatz war es mit dem Auto 1 ½
Stunden. Eine Bus- oder Bahnverbindung gab es nicht. Ich sah zum Himmel. Es zogen Wolken auf. Ich machte mir erst einmal einen Kaffee, und während dieser durch die Maschine lief, ging ich duschen. Danach frühstückte ich. Um halb 9 musste ich bei der Arbeit sein. Es war nun halb 7. Unmöglich zu schaffen.
Ich entschloss mich, ein Taxi zu rufen. Gerade als ich wählen wollte, klingelte mein Telefon. Es war meine Freundin, die mich bat sie gleich abzuholen. Ich erklärte ihr meine Situation – sie zeigte kein Verständnis und griff mich verbal sehr hart an. Das wäre mal wieder typisch für mich. Ich wäre ein Versager. Ihrem alten freund Peter wäre so etwas niemals passiert. Dann sagte sie, wenn ich sie nicht abholen käme, würde sie sich wieder mit eben diesem Peter treffen, mit dem sie sowieso schon die letzten beiden Nächte verbracht hätte. Er wäre ein richtiger Mann. Er würde seiner Firma Geld einbringen, anstatt diese finanziell zu schädigen. Dann sagte sie in ihrer Wut, dass nun Schluss sei mit uns. Sie legte auf. Ich sah aus dem Fenster. Es regnete. Ich hob den Hörer meines Telefons ab und wollte jetzt ein Taxi rufen. Das Telefon war tot. Draußen donnerte und blitzte es. Ich schloss die Balkontür und setzte mich für einen Moment an den Küchentisch. Dann viel mir mein Handy ein. Ich griff es und wählte die Nummer der Taxizentrale. Eine freundliche Stimme in meinem Gerät verkündete mir, dass mein Prepaidguthaben aufgebraucht wäre, und dass ich erst Neues aufladen müsste, bevor ich wieder telefonieren könnte.
Ich war gefrustet.
Eben war es noch – mein Tag - und nun war es wieder - mein Leben – grausam.
Nur gut, dass ich nette Nachbarn hier in meinem Haus habe, dachte ich, und ging hinunter, um an der Tür zu klingeln, damit ich mir dort ein Taxi rufen konnte. Keiner öffnete. Da fiel mir ein, dass die beiden Familien, die in diesem Haus wohnten, zusammen für 3 Wochen in urlaub gefahren waren. Aber ich ließ mich nicht entmutigen. Ich ging zu unserem einzigen Nachbarhaus und läutete dort. Die Klingel war abgeschaltet, da beide Ehepartner wohl wieder Nachtschicht hatten.
Also machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Es half ja nichts.
Natürlich hatte ich keinen Schirm, da ich meinen vorgestern im Theater vergessen hatte. So lief ich 2 Stunden lang über die kleine Landstraße neben dem Wald, ohne dass mir eine Menschenseele begegnete. Plötzlich klingelte mein Handy. Auf dem Display konnte ich die Nummer meines Chefs erkennen. Ich schaute auf die Uhr - sie war vom Regenwasser kaputt gegangen.
Ich nahm das Gespräch an. Mein Chef war wütend, da ich schon 25 Minuten über die Zeit
war und ich in 5 Minuten ein wichtiges Meeting mit finanzstarken Kunden hatte. Ich erklärte ihm meine Situation und teilte ihm mit, dass ich frühestens in 45 Minuten in der Firma sein könnte, woraufhin er mir wutentbrannt erklärte, dass ich gar nicht mehr zu kommen bräuchte, wenn ich nicht in 5 Minuten in der Firma wäre. Er legte auf.
Ich fand das alles zum Kotzen.
Als ich 20Minuten später das kleine Nachbardorf erreichte, sah ich das Plakat eines Reisebüros. Hier war ein brasilianischer Strand abgebildet. Als ich dieses traumhaft schöne Bild sah, wurde mir warm ums Herz und ich musste lächeln.
Ich blieb stehen und überlegte kurz, ob ich es wagen sollte!? 3 Wochen Brasilien!? Ich
rief noch einmal in der Firma an, wo man mir meine Kündigung bestätigte.
Ich entschloss mich nun, die Reise anzutreten. Ich ging so, wie ich war zu meiner Bank, hob meine 3000 Euro erspartes Geld von meinem Konto ab, und ging zum Flughafen, wo ich mir ein Ticket nach Brasilien kaufte.
Ich stieg in das Flugzeug und atmete durch. Meine Kleider waren halbwegs getrocknet und die Last meiner letzten Wochen fiel mit einem Mal von mir ab.
Ein herrliches Gefühl!
Ich konnte förmlich spüren, wie ich mein altes Leben durch das Betreten des Flugzeuges hinter mir gelassen hatte.
Dann ging es los.
Die Maschine hob ab.
Nach etwa einer Flugstunde begann ein Triebwerk zu brennen und die Maschine neigte sich langsam nach vorne. Im Flugzeug brach Panik aus.
Dann bekam ich eine SMS.
Ich las sie:
"Hallo Günther!
Alles Gute zum Geburtstag von mir und dem Rest der Familie.
Wie gefällt dir die neue Farbe deines Autos?
Wir haben es heute Nacht lackieren lassen.
Die Nummernschilder liegen unter dem Wagen.
Ich hoffe die Überraschung ist gelungen!
Dein Bruder Achim"
7 Sekunden später schlug das Flugzeug auf dem Boden auf.
Es gab keine Überlebenden.
(C) Thorsten Grün 2000/ 2008