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Heimat ist kein Ort

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18.05.2005
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Heimat ist kein Ort

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Einfach frei sprechen, haben Sie gesagt? Wissen Sie, das wird nicht leicht. Normalerweise spreche ich nie über mich selbst. Auch mit meinen Freundinnen nicht. Wir reden nur über so allgemeine Themen, wie etwa: „Welchen Film hast du im Kino gesehen?“ Oder: „Wo hast du deinen Urlaub verbracht?“ Meine Freundinnen wissen gar nicht, dass ich hier bin. Meine Mutter weiß es auch nicht. Ich könnte es ihr nie im Leben erzählen. Sie glaubt, zum Psychologen gehen nur Verrückte. Meine Mutter hat eine etwas einfache Weltsicht, wissen Sie…
Eigentlich fühle ich mich ein bisschen schuldig. Warum bin ich heute in Therapie, mir fehlt doch gar nichts. Ich bin doch gesund, körperlich und geistig. Ja, aber hier bin ich, jetzt ist es zu spät. Sie möchten sicher wissen, warum ich zu Ihnen gekommen bin. Also…
Meine Mutter ist Serbin und mein Vater ist Türke. So, jetzt habe ich es gesagt. Dabei weiß es sonst niemand außer meiner Familie. Meine Freundinnen kennen nur den serbischen Teil. Und Leuten, die ich nicht näher kenne, denen erzähle ich freiwillig gar nichts. Sie hören meinen Namen – Milana Milić – und fragen: „Bist du Serbin?“ Und ich sage ja. Oder sie fragen: „Bist du Kroatin?“ Und ich sage auch ja.
Bis zu meinem fünften Lebensjahr war ich Milana Demirel. Serbischer Vorname, türkischer Nachname. Dann haben sich meine Eltern scheiden lassen und meine Mutter hat wieder ihren Mädchennamen angenommen. Auch meinen Namen hat sie geändert. Und sie hat mich serbisch-orthodox taufen lassen. Sie ist zwar nicht besonders gläubig, aber sie meinte, es gehöre einfach dazu. Vorher war ich ohne Bekenntnis. Mein Vater ist Muslim. Aber vor Religionen habe ich fast so viel Angst wie vor Politik. Ich weiche ihnen aus, wo ich nur kann.
Ja, jetzt heiße ich Milana Milić. Das klingt seltsam, nicht wahr? Aber mein Name ist noch mein geringstes Problem.

Meine Eltern haben sich in Wien kennen gelernt. Meine Mutter ist als Kind mit ihren Eltern hergekommen, von meinem Vater weiß ich es nicht. Meine Mutter redet nie über ihn und ich kann mich an so vieles nicht mehr erinnern. Nun, sie haben sich kennen gelernt, ich weiß nicht, wo genau, sie haben sich verliebt und sie haben geheiratet. Beide Familien waren dagegen. Das können Sie verstehen, oder? Die Eltern meines Vaters wollten, dass er eine Türkin heiratet. Zumindest nehme ich das an. Wie gesagt, von der Familie meines Vaters weiß ich nicht viel. Ich habe mir alles erst viel später zusammengereimt. Auch fast alles, was die Ehe meiner Eltern betrifft.

Die Familie meiner Mutter war noch stärker dagegen. Sie wissen schon, die Schlacht auf dem Amselfeld… Aber ich will nicht darüber reden. Schon allein der Name tut mir weh. Ich könnte anfangen zu weinen. Verrückt, oder? Dabei ist es nur ein Name. Aber ich weine nie, zumindest nicht vor anderen.
Wo war ich? Ja, meine Eltern. Ich kann mich an vieles nicht mehr erinnern. Aber ich weiß noch, wie sie miteinander gestritten haben. Ich weiß nicht, worüber oder in welcher Sprache. Aber ich habe mich jedes Mal unter dem Tisch versteckt. Ist das nicht seltsam? Meine Eltern haben nie aufeinander eingeschlagen, sie haben auch nie mit Gegenständen nach einander geworfen. Trotzdem habe ich mich versteckt und die Augen zugemacht, als ob ich nicht mehr da sein wollte. Ich war ein ängstliches Kind. Ich glaube, ich bin auch heute noch ängstlich.
Ja, und irgendwann haben sie sich scheiden lassen. Mein Vater hat mir sehr gefehlt, obwohl meine Eltern so viel gestritten haben. Jedes zweite Wochenende hat er mich abgeholt, manchmal hat mich auch meine Mutter zu ihm gebracht. Ich weiß noch, wie sie einander gegenüber gestanden sind. Zwar war ich damals noch ein Kind, aber die Kälte, die zwischen ihnen war, habe ich genau gespürt.
An meinen Vater habe ich eigentlich viele gute Erinnerungen. Wir sind oft in den Tiergarten Schönbrunn gegangen und er hat mich auf seine Schultern gesetzt, damit ich die Tiere auch alle sehe. Außerdem hat er mit mir Puppen gespielt. Daran denke ich wirklich gern. Ich weiß nicht, ob das viele Männer mit ihren Kindern machen, aber für meinen Vater war es ganz selbstverständlich. Zu seiner Familie hat er mich auch manchmal mitgenommen. Da gab es Leute, die waren wirklich nett zu mir. Zum Beispiel eine Tante namens Emine – ich durfte Emi zu ihr sagen – die war sehr lieb, richtig herzlich. Sie hat mir immer Süßigkeiten geschenkt oder mir Geschichten erzählt. Ich glaube, es waren lustige Geschichten, weil ich jedes Mal gelacht habe. Dafür habe ich Bilder für sie gemalt. Und dann gab es noch einen Cousin, der hieß Deniz. Mit ihm habe ich immer gespielt, er hatte eine ganze Schachtel voller Spielzeugautos. Außerdem hatte er einen Hund und wir durften ab und zu mit ihm spazieren gehen. Aber andere Leute haben mich behandelt wie Luft. Oder sie kamen nur in die Küche, wo ich mit meinem Vater saß, grüßten uns und gingen wieder. Damals habe ich Türkisch mit ihm gesprochen. Das habe ich fast alles wieder verlernt. Aber manchmal passiert es mir, dass ich jemanden Türkisch reden höre – und dann verstehe ich plötzlich einen ganzen Satz. Dann fahre ich jedes Mal zusammen.
Als ich neun war, ist mein Vater in die Türkei zurück gegangen. Ich habe ihn so vermisst – ich spüre den Schmerz heute noch. Anfangs hat er mir jeden Monat geschrieben, dann nur noch jedes halbe Jahr und schließlich kamen seine Briefe gar nicht mehr. Ich habe ihn nie wieder gesehen und weiß nicht, wie es ihm heute geht. Auch zu seiner Familie habe ich keinen Kontakt mehr. Vielleicht ist es ja auch besser so. Aber früher habe ich mich ständig gefragt, was ich falsch gemacht habe. Was stimmt mit mir nicht, was ist so schlimm an mir, dass mein Vater sich nicht mehr meldet?

Meine Mutter hat versucht, mir meinen Vater zu ersetzen. Sie hat oft mit mir gespielt und mir jeden Abend vorgelesen, auch wenn sie müde von der Arbeit war. Als ich dann im Jugendalter war, meinte sie, ich könne ihr alles erzählen. Aber ich habe ihr immer weniger erzählt. Wahrscheinlich lag es nicht nur daran, dass ich älter wurde. Wissen Sie, während ihrer Ehe hat meine Mutter lange Zeit nicht mehr mit ihren Eltern gesprochen. Danach hat sie sich aber bemüht, alles wieder gutzumachen. Auch heute noch ist sie so unterwürfig ihrer ganzen Familie gegenüber, dass ich gar nicht zusehen will. Aber wir sehen unsere Familie oft. Meine Großeltern haben ihr anscheinend ihren Fehltritt verziehen – oder wie immer man das nennen soll. Aber sie sind so nationalistisch. Fast meine ganze Familie ist es, mehr oder weniger. Meine Mutter betrifft das nicht, eigentlich ist sie unpolitisch. Ich bin es auch. Ich habe einfach solche Angst davor. Jedes Mal, wenn eine Freundin mit mir über Politik reden will, wechsle ich das Thema – auch wenn es gar nicht um mich geht.

Wenn ich von meiner Familie spreche, meine ich den Wiener Teil. Ich habe auch Verwandte in Serbien, aber ich war noch nie dort, obwohl meine Mutter mich ständig dazu drängt. Ich sage nicht nein – so ehrlich bin ich nie – aber ich erfinde jedes Mal eine neue Ausrede. Den Familientreffen kann ich nicht entgehen. Ja, meine Mutter… Ich will ihr keine Vorwürfe machen. Sie hat alles für mich getan. Sie hat zwei Jobs angenommen, damit ich studieren konnte. Ich verdanke ihr mehr, als ich jemals gutmachen könnte. Aber… wo war ich? Ja, meine Familie. Meine Großmutter ist sehr freundlich zu mir. Sie will mich genauso bemuttern, wie meine Mutter es tut. Immer wieder fragt sie mich, wie es mir geht, ob ich etwas zu essen möchte, ob mir kalt ist… Aber ich halte Distanz zu ihr. Während der zwei Kriege hat sie ziemlich schlimme Dinge gesagt. Mein Großvater auch. Aber er ignoriert mich ohnehin, er spricht überhaupt nicht viel mit Frauen.
Es gibt zwei Menschen, die ich sehr gern habe. Der eine ist mein Cousin Aleksandar. Er wird Saša genannt. Wenn wir uns treffen, sprechen wir auch nur über Oberflächliches – genau wie mit meinen Freundinnen. Aber Saša ist irgendwie anders. Mir kommt es so vor, als ob er sich auf den Familientreffen genauso unwohl fühle wie ich. Und als ob er sich insgeheim über die Familie lustig machen würde. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber er scheint gegen irgendetwas zu rebellieren. Wogegen, das weiß ich nicht. Aber ich unterhalte mich sehr gerne mit ihm. Auch mit meiner Cousine Marija. Sie ist zehn Jahre älter als ich, verheiratet und hat vier Kinder. Sie redet von nichts anderem. Jedes Mal beschwert sie sich darüber, dass sie viel zu viel zu tun habe. Und trotzdem bringt sie mir immer wieder selbstgebackenen Kuchen mit. Sie fragt mich oft, wie es mir geht und was ich so mache. Ich sage dann „Mir geht es gut“. Aber es stimmt nicht. Es hat noch nie gestimmt.

Die anderen… Nun, offen feindselig ist niemand. Außer damals, als wir Kinder waren. Ich kann mich daran erinnern, dass meine Cousine Biljana plötzlich ausrief: „Ich will nicht neben Milana sitzen!“ Und ich fragte mich: Warum will sie das nicht? Wir haben doch gar nicht miteinander gestritten. Und wieder: Was habe ich falsch gemacht?
Manche spielten damals nicht mit mir. Heute reden sie nicht mit mir. Und wenn doch, dann nur sehr distanziert. Weil ich eben auch dazu gehöre. Obwohl ich mit diesem furchtbaren Makel behaftet bin. Manchmal führe ich mit einem Verwandten ein ganz normales Gespräch und plötzlich fallen Sätze wie: „Ich sehe das so und so, aber das kannst DU ja nicht verstehen.“ Oder: „Darüber kann ich mit DIR ja nicht reden.“ Dann weiß ich wieder, wer ich für sie bin.
Ja, manche sagen diese schrecklichen Dinge. Ich will sie nicht wiederholen, will nicht darüber sprechen. Nicht jetzt. Während des Kosovo-Krieges war es besonders schlimm. Jetzt kommen mir schon wieder die Tränen.
So, jetzt ist es besser. Wissen Sie, meine Mutter konnte damals Nächte lang nicht schlafen. Sie ist wach gelegen und hat an ihre Verwandten in Serbien gedacht. Sie hat solche Angst gehabt, dass ihnen etwas zustoßen könnte. Aber zum Glück ist ihnen nichts geschehen.
Ich konnte damals auch nicht schlafen. Ich habe auch Angst gehabt, aber es war eine Angst, die größer war als jene vor dem Tod. Das klingt pathetisch, ich weiß. Wahrscheinlich ist es mir damals nur um mich selbst gegangen. Ich bin egoistisch. Dabei will ich es nicht sein. Jemand wie ich DARF nicht egoistisch sein, verstehen Sie?
Damals ging es in den Nachrichten um nichts anderes. Für mich war es eine Albtraumzeit. Immer wieder haben Leute mich gefragt: „Was denkst du, Milana?“ Und ich wollte nicht darüber sprechen. Das haben sie nicht verstanden. „Was ist, du musst doch eine Meinung dazu haben?“ Und jetzt ist es wieder in den Nachrichten. Wahrscheinlich bin ich deshalb hergekommen.

Ob ich mich zerrissen fühle? Nein, das geht gar nicht. Ich bin nicht Serbin, ich bin nicht Türkin und Österreicherin bin ich auch nicht. Daran erinnern mich meine schwarzen Haare und meine Haut, die jeden Sommer braun wird, obwohl ich das gar nicht will. Ich bin nichts. Gar nichts.

Manchmal denke ich, dass ich so gerne Kinder hätte. Wie meine Cousine Marija. Aber wenn ich ein Kind hätte, würde es sich vielleicht genauso fühlen wie ich. Und das will ich nicht. Doch, ich hatte schon mehrere Beziehungen. Drei, um genau zu sein. Aber es war immer sehr schwierig. Zunächst einmal ging es darum, mich zu verlieben… Ich nehme an, die meisten Leute verlieben sich, ohne darüber nachzudenken. Sie tun es einfach. Aber bei mir war es komplizierter. Einen türkischen Freund hätte meine Mutter nie akzeptiert. Sie will ja nicht einmal, dass ich über meinen Vater spreche. Selbst, wenn ich wüsste, wo er wohnt, könnte ich ihn nicht besuchen. Nicht einmal anrufen. Wegen ihr.
Einen Serben als Partner kann ich auch vergessen. Wenn er erfahren würde, was ich bin, würde er doch schreiend davon laufen. Nun, das vielleicht nicht. Aber Sie wissen schon, was ich meine. Also dachte ich: „Verliebe dich in einen Österreicher, dann bist du auf der sicheren Seite.“ Meine Freundinnen sind auch alle Österreicherinnen, bis auf eine, die ist Italienerin.
Meine Beziehungen waren dennoch sehr, sehr schwierig. Alle drei sind zerbrochen. Meine Freunde meinten immer, ich sei so verschlossen, ich würde mich nicht öffnen, ihnen nicht vertrauen. Ich sei ständig so deprimiert, mit mir mache das Leben keinen Spaß.

Manchmal wünsche ich mir, ich wäre etwas anderes. Serbin, Türkin, Österreicherin. Oder das Kind eines Serben und einer Österreicherin. Was auch immer. Ich will doch nur so etwas wie eine Heimat. Für mich ist Heimat kein Ort auf der Landkarte, das weiß ich. Aber wie ich sie finden soll, das weiß ich nicht. Über meinem Leben hängt ein Schatten und der heißt Amselfeld. So, jetzt habe ich es doch wieder gesagt. Amselfeld. Auf Serbisch Kosovo Polje. Den türkischen Namen dafür kenne ich nicht. Seltsam, oder?

 
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Hallo Iris (Jahrgang 1982?), ich habe noch nicht deine anderen Geschichten gelesen, was mich wahrscheinlich nicht gerade zu einem ausgewogenen Urteil bringt. Da ich diese Geschichte nun mal bis zum Schluss gelesen habe (obwohl ich bei den verwirrend vielen Familienzusammenhängen beinahe aufgehört hätte), denke ich, werde ich auch dazu was sagen.

Die (Bekenntnis-?)Form, die du gewählt hast, bringt den Leser in die Position des Psychiaters, der alles verstehen muss. Leider habe ich gar nichts verstanden. Das (nur nebenbei) legt auch die Schwäche der Psychoanalyse dar. Denn innerhalb einer Kultur kann man leicht psychische Probleme auf Vaterlosigkeit oder depressive Mutterfigur o.ä. zurück führen. Aber wie sie schreibt, gab es auch nette Momente, eine Alles-halb-so schlimm-Botschaft, die ich auch nicht ironisiert verstanden habe. Bei dem buntgemischten kulturellen Hintergrund deiner Prot, greifen dennoch rein psychologische Verstehensversuche zu kurz.

Das Problem der ich-Form für mich als Leser besteht darin, dass sie sich in jeder Hinsicht verweigert, nämlich zu reden, Stellung zu beziehen, zu wissen, zu erklären. Dies wird auch nicht kompensiert durch eine weitere Erzählinstanz, die ergänzend und erklärend dazwischen gehen könnte, wenn sich die Prot entzieht und sich einem stummen Leiden hingibt, einem Schwimmen in ihrem Seelenbrei, ohne der kulturellen Komponente wirklich nachzuspüren.
Denn im Grunde hat deine Prot mit ihrem kulturellen Hintergrund und ihren Erlebnissen (von denen sie nichts preis gibt, schade) den Zugang zu Erkenntnissen, der mir z.B. verschlossen ist. Der Hintergrund deiner Prot scheint ihr selbst - verständlich, aus sich selbst heraus verstehbar. Aber er erschließt sich nicht aus sich heraus. Ich kann mit Amselfeld außer den Fakten, die mir Wikipedia liefert nicht viel anfangen, ich kenne das Trauma, dass sich dahinter verbirgt nicht.
Ich würde mit Freude eine überarbeite Fassung lesen.
Gruß Claudio

 

Hallo, Claudio Naso!

Danke für das Lesen der Geschichte und deine Kritik!

So, jetzt nehme ich mal Stellung:

"Jahrgang 1982?"
Stimmt genau. :)

"obwohl ich bei den verwirrend vielen Familienzusammenhängen beinahe aufgehört hätte"
Welche Familienzusammenhänge genau findest du verwirrend? Eigentlich habe ich nur geschrieben, dass sie diesen oder jenen Cousin hat... :)

"Die (Bekenntnis-?)Form, die du gewählt hast, bringt den Leser in die Position des Psychiaters, der alles verstehen muss."
Das war durchaus gewollt, denn ich habe mir während des Schreibens vorgestellt, dass sie vor einem Psychotherapeuten sitzt und redet... Aber vielleicht sollte ich doch eine andere Form wählen?

"Aber wie sie schreibt, gab es auch nette Momente, eine Alles-halb-so schlimm-Botschaft, die ich auch nicht ironisiert verstanden habe."
Die schönen Momente muss es aus meiner Sicht geben bzw. sie müssen geschildert werden, damit die Personen der Handlung nicht als einseitig böse (oder was auch immer) charakterisiert werden.
Eine Alles-halb-so-schlimm-Botschaft kann ich für mich selbst nicht erschließen - aus meiner Perspektive ist Milana derart verzweifelt und hat so ein negatives Selbstbild, dass sie unbedingt Hilfe braucht.

Wenn du ihre Motive nicht verstehst, heißt das, dass ich sie deutlicher machen muss.
Was den kulturellen Hintergrund betrifft, hast du natürlich recht. Wenn ich die Geschichte überarbeite, muss ich noch viel mehr über die Hintergründe recherchieren.

Liebe Grüße,

Iris

 

Hallo Iris,

"Die (Bekenntnis-?)Form, die du gewählt hast, bringt den Leser in die Position des Psychiaters, der alles verstehen muss."
Das war durchaus gewollt, denn ich habe mir während des Schreibens vorgestellt, dass sie vor einem Psychotherapeuten sitzt und redet... Aber vielleicht sollte ich doch eine andere Form wählen?
Nee, das passt schon sehr gut. Du bringst dem Leser die Gedanken deiner Prota in einem einzigen Monolog nahe, und das ist dir in dieser Form mMn sehr gut gelungen. Man kann dieses sich-nirgendwo-zugehörig-fühlen deiner Prota sehr gut nachempfinden. Du schilderst die Gespräche mit ihren Bekannten (wirkliche Freunde/Freundinnen scheint sie ja nicht zu haben) als sehr oberflächlich, und auch in der Familie hat sie niemanden, mit dem sie reden kann. Da bleibt ihr letztlich nichts anderes übrig, als zum Psychologen zu gehen, obwohl sie ja selbst von sich sagt, ihr fehlt ja nichts, und sich fragt, warum sie das eigentlich macht.
Das Problem der ich-Form für mich als Leser besteht darin, dass sie sich in jeder Hinsicht verweigert, nämlich zu reden, Stellung zu beziehen, zu wissen, zu erklären.
Würde deine Prota mehr erklären, ginge mMn die Glaubwürdigkeit verloren. Es ist schließlich ihr erster Besuch bei einem Psychologen, da ist eine gewisse Verweigerungshaltung durchaus anzunehmen.

Eine Textstelle ist mir aufgefallen:

Meine Großmutter ist sehr freundlich zu mir. Sie will mich genauso bemuttern, wie ihre Tochter es tut.
...wie meine Mutter es tut. Fände ich hier besser, trotz der Wortwiederholung.
Ob ich mich zerrissen fühle? Nein, das geht gar nicht. Ich bin nicht Serbin, ich bin nicht Türkin und Österreicherin bin ich auch nicht. Daran erinnern mich meine schwarzen Haare und meine Haut, die jeden Sommer braun wird, obwohl ich das gar nicht will. Ich bin nichts. Gar nichts.
Sehr schöner Absatz.

Den geschichtlichen Hintergrung könntest du vielleicht noch deutlicher einbringen. Ich gebe zu, "Amselfeld" musste ich auch erstmal googeln. Deine Prota hast du aber glaubwürdig rübergebracht. Man könnte vielleicht kritisieren, dass alles 'erzählt' und nichts 'gezeigt' wird, aber das sei der Monologform hier mal zugestanden. Vom Stil her hat's mir auch gefallen, liest sich flüssig, da hakt nichts.

Gruß, Stefan

 

Hallo, Stefan!

Danke für deine Kritik!

Es freut mich sehr, dass du meiner Geschichte etwas abgewinnen konntest - und dass dir der zitierte Absatz und mein Stil gefallen haben.

Den geschichtlichen Hintergrund muss ich auf jeden Fall noch stärker einbauen, das stimmt.

Liebe Grüße,

Iris

 

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