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Heimkehr

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02.01.2002
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Heimkehr

Seit Kriegsbeginn malte ich mir immer wieder aus, wie ich reagieren würde, wenn Pa wiederkäme. Vielleicht riefe ich Ma herbei und wir würden ihm gemeinsam entgegen laufen. Oder wir würden das Haus herrichten, Essen zurecht machen und dort auf ihn warten. Manchmal glaubte ich gar, einfach in Ohnmacht fallen zu müssen. Beim Aufwachen sähe ich als erstes in sein Gesicht, in sein Lächeln, in seine Augen und seine Stimme würde meinen Namen flüstern. Ma würde vor Freude weinen, wir säßen lange zusammen und hielten uns in den Armen.

Es war ein heißer Sommertag, den ich auf der Veranda verbrachte. Ich spielte mit meiner Puppe, obwohl ich mir mittlerweile fast zu alt dafür vorkam. Sicher, ich war noch ein Kind, doch der Krieg hatte alles verändert. Ich musste oft an meinen Freund Marco denken, mit dem ich früher so viele Nachmittage unten am Fluss verbracht hatte. Seit sein Vater gemeinsam mit Pa weggegangen war, gab es diese Nachmittage nicht mehr. Marco hatte keine Zeit mehr. Als ich Ma danach fragte, antwortete sie, er sei jetzt der Mann im Haus seiner Familie. Sie weinte bei diesen Worten und ich wagte nicht mehr darüber zu sprechen. Nur manchmal wünschte ich mir, ein Junge zu sein. Dann hätte auch Ma einen Mann im Haus. Ich war kein Junge, aber von dem Tag an half ich ihr noch mehr als früher.

Ma war ins Dorf gegangen, um ein paar Besorgungen zu machen; ich sollte das Haus hüten und ein wenig spielen. Wie spielt man, wenn der Vater irgendwo in der Ferne ist, wenn man nicht weiß was er gerade macht und wie es ihm geht? Wie spielt man, wenn die Mutter mit den Tränen kämpft, sobald nach ihm fragt? Wie spielt man, wenn alles ungewiss ist, außer, dass irgendwo da draußen Krieg und Tod das Leben beherrschen? - Aber ich spürte Mas traurigen Blick auf mir, wenn ich an diese Dinge dachte und so setzte ich mich mit der Puppe vor die Tür.

Die Sonne schien auf meine verbrannten Beine, Vögel zwitscherten ihr Lied und ab und zu flatterte ein Schmetterling vorbei. Vögel singen auch, wenn anderswo Kanonen schießen. Auf eine Art fand ich diesen Gedanken tröstlich. Ob heute unten am Fluss viele Vögel in den Bäumen saßen? Ob man wieder den einen oder anderen Fisch im klaren Wasser sah? Ob sich die Kaninchen aus den Büschen wagen würden? Marco würde keine Zeit haben, aber ich hatte sie. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch früh war. Ma käme erst am Abend zurück und der Fluss war nah ... Ich lächelte. Marco würde nicht da sein, aber der Fluss schon. Vielleicht wartete er nur auf meinen Besuch.

Ich verriegelte das Haus und lief auf die Straße. Meine nackten Sohlen gruben sich in den weichen Sand. Ein streunender Hund folgte mir ein paar Schritte lang. Immer wieder versuchte er mit seiner nassen Nase an meine Beine zu stupsen und zum ersten Mal seit Wochen musste ich lachen.

Der kürzeste Weg zum Fluss führte über die Felder. Ma hatte mich oft gebeten nach Einbruch der Dämmerung diese Gegend zu meiden. Es war einsam dort, nur ein paar Landstreicher schlugen hin und wieder ihr Lager auf. Ich hatte ihr mein Versprechen gegeben, obwohl ich bei Tage nie jemanden bei den Feldern angetroffen hatte. Bis heute.

Zuerst kam mir der alte Schäfer in den Sinn, der früher bisweilen mit seiner Herde durch unseren Ort gezogen war. Als ich aber die Augen zusammenkniff um besser sehen zu können, erkannte ich, dass es keine Herde war. Was da über die Felder zog, waren Menschen. Dutzende von Menschen. Hunderte.

Ich blieb wie angewurzelt stehen bei diesem Anblick. Hunderte von Menschen, beladen mit Taschen und Säcken, die sich dem Dorf näherten. Meine Handflächen wurden feucht. Wer waren diese Fremden? Ich musste an Siedler denken, Pilgerväter, die ausgezogen waren um neues Land zu bevölkern. Doch hier gibt es kein freies Land. Mein Atem beschleunigte sich, während mein Verstand sich weigerte die einzige Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Nein, denk nicht daran, sie können es nicht sein, wer auch immer diese Menschen sind, es kann nicht sein ...

Da stand ich in meinem zerschlissenen Kleid und wollte nicht glauben was meine Augen sahen und was mein Herz unablässlich in mir schrie: Sie sind heimgekehrt. Es ist vorbei. Sie sind heimgekehrt.

Mir schwindelte. Ich griff nach einem Baumstamm, um mich abzustützen. Meine Kehle war wie ausgedorrt. Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, ein jeder zu lang um ihn bis zum Ende verfolgen zu können. Nur einer setzte sich durch und raunte mir zu, was zu tun sei. Ohne weiter zu überlegen gehorchte ich ihm. Meine Füße flogen über den Boden, während ich winkte und Vaters Namen schrie. Wollte ich früher zunächst zu meiner Mutter laufen oder meine Kleider richten, so dachte ich jetzt nur noch daran, meinen geliebten Vater in die Arme zu schließen.

Atemlos, verschwitzt und ausgelaugt stoße ich zu diesen Menschen. Das Herz hämmert in meiner Brust, als wolle es zerspringen, meine Blicke gleiten über die Männer, alles Männer, ich muss Recht haben, es sind Soldaten. Wo ist Vater? Es sind so viele Menschen und ihre Gesichter sind dunkel vor Schmutz. Ich rufe nach Vater, doch niemand dreht sich zu mir. Sie gehen weiter, immer weiter, passieren mich wie einen Strauch. Niemand sagt ein Wort. Ihre Blicke gehen an mir vorbei. Ich hoffe auf eine bekannte Gestalt, einen Nachbarn vielleicht. Wo ist Vater, jemand muss es mir sagen können. Ich laufe an den Männer vorbei, es sind alte, junge, große, kleine darunter, und alle sehen sie müde aus. Ihre Kleider sind zerfetzt, ihre Schritte langsam und gleichmäßig. Vater, bist du auch müde? Komm heim, komm heim zu uns! Da, dieser Hut, ich kenne ihn! - Nein, nicht Pa, aber Marcos Vater! Auch Marcos Vater kehrt heim. Ich rufe auch nach ihm, aber er hört mich nicht. Sie alle, alle ziehen an mir vorüber und starren mit leerem Blick in die Ferne.

Mit hängenden Schultern lasse ich die Männer passieren. Ein erdiger Geruch steigt mir in die Nase. Noch einmal hole ich Luft und rufe, winke; vergebens. Es ist als, wäre ich nicht da für sie.

Es mögen Minuten oder Stunden gewesen sein, die ich dort stand, bis ich begriff, ich weiß es nicht. Ich wusste mit einem Mal, dass Pa irgendwo unter diesen Männern war. Und ich wusste, dass er heimkehrte. Nach Hause. Nicht hierher. Nach Hause.

Zitternd ließ ich mich auf einen Stamm sinken. Ich durfte Pa nicht auf seinem Weg stören. Der Wind streichelte wie eine tröstende Hand durch meine Haare, als ich dem Zug bei seinem langsamen Marsch über die Felder nachsah. Bis er hinter dem Horizont verschwand.

Komm gut heim, Vater.

 
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Hi Ginny,

eine schöne, traurige und bewegende Geschichte hast Du da geschrieben. Das erste Mal lief mir an dieser Stelle ein Schauer über den Rücken:

Da stand ich in meinem zerschlissenen Kleid und wollte nicht glauben was meine Augen sahen und was mein Herz unablässlich in mir schrie: Sie sind heimgekehrt. Es ist vorbei. Sie sind heimgekehrt.
Das nächste Mal kurz vor Schluss:
Und ich wusste, dass er heimkehrte. Nach Hause. Nicht hierher. Nach Hause.

Wirkliche Kritikpunkte habe ich keine. Zunächst dachte ich zwar, der Anfang sei ein wenig zu lang, aber als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, fand ich es doch genau passend, so wie es ist.
Das einzige, was ich anzumerken habe, ist Folgendes: Ich verstehe die Zuordnung zur Rubrik "Horror/Grusel" nicht so ganz. Auch wenn mir Schauer über den Rücken liefen: Es war eher aus Mitgefühl als aus einem Gruseln heraus. Ich hätte eher die Rubrik "Gesellschaft" gewählt.

Ansonsten: Wie gesagt ein sehr guter Text, der zum Nachdenken anregt und ein überraschendes Ende bereithält.

Liebe Grüße
Kerstin

P.S.: Anhand der nachfolgenden Kommentare fällt mir auf, dass ich wohl mit Blindheit geschlagen war. Ich hatte nicht an eine Prozession von Zombies gedacht. Mir war zwar klar, dass der Vater tot sein muss, aber ich dachte, er würde in einem Sarg oder sonstwie von den anderen heimkehrenden Soldaten getragen. Daher auch meine Schwierigkeit mit der Rubrikenzuordnung. Betrachte meine Anmerkungen oben als irrelevant. Sorry für die Verwirrung, mit der ich hoffentlich nicht andere angesteckt habe. :)

 

Hallo Ginny,

wirklich eine Geschichte, die einen mitnimmt. Man kann sich sehr gut in das arme Mädchen hineinversetzen, ihre Verzweiflung und Traurigkeit kommen richtig heftig rüber.

Am Anfang spekuliert man, was kommt. Hatte erst gedacht, Daddy kommt als Zombie wieder bzw. irgendwie verwandelt und böse, da könnte man noch Horrorgarn raus spinnen. Später auf dem Feld hätte er schwerverletzt oder tot dabei sein können, das wäre auch mies gewesen. Ich schließe mich da Katzano an, echter Horror oder Grusel ist's nicht, eher sehr traurig und nachdenklich, aber Gesellschaft passt auch nicht so recht. Trotzdem fand ich's sehr schön.

Ein kleiner Schreibfehler:

Zuest kam mir der alte Schäfer

Sonntagsgrüße
Peter

 

Hallo Ginny!

Eine sehr bewegende Geschichte.
Schön, dass es nicht zur 0815 Zombiegeschichte geworden ist. Du hast das Umfeld wunderbar aufgebaut. Obwohl ich auf der Suche nach hartem Horror diese Geschichte gelesen habe, hat sie mich keinesfalls enttäuscht. Von denen, die ich gelesen habe, deine beste Geschichte in Horror bisher (auch wenn sich die Rubrik durchaus noch ändern könnte ;) ).

Stellen, wie diese sind schön und zeigen dennoch die ganze Härte des Krieges:

> Ich verriegelte das Haus und lief auf die Straße. Meine nackten Sohlen gruben sich in den weichen Sand. Ein streunender Hund folgte mir ein paar Schritte lang. Immer wieder versuchte er mit seiner nassen Nase an meine Beine zu stupsen und zum ersten Mal seit Wochen musste ich lachen.<

Die Freuden finden sich in so geringen Sachen, wie streundende Hunde wieder. Sehr gelungen!

>Nur einer setzte sich durch und raunte mir zu was zu tun sei und ohne weiter zu überlegen gehorchte ich ihm.<

Da gehört glaube ich nach ‚raunte mir zu‘ ein Komma. Ich würde auch ein ‚und‘ weniger schreiben. Vielleicht einfach zwei Sätze: ..., was zu tun sei. Ohne weiter zu überlegen...

Was mir ein wenige unklar ist, ist das Alter der Protagonistin. Ich schätze vierzehn. Aber an manchen Stellen fand ich sie reifer, älter, an anderen kindlicher.

Der Schluss, insbesondere der letzte Satz ist irgendwie schon unheimlich...

Jedenfalls mE sehr gelungen!

mfg Van

 

Hallo Ginny!

Auch wenn meine Kritik lange nicht so üppig ausfallen wird wie die von Blackwood, so scheint sie doch in dieselbe Richtung zu zielen.

Zunächst einmal hat sie mir gut gefallen. Weißt du, andere Autoren haben diese kurzen Kgs nicht drauf, da misslingen sie, werden unvollständig und halbfertig. Was ich von dir gelesen habe, machte bis jetzt nicht den Eindruck.
Allerdings, bin ich auch der Meinung, dass du dich ein wenig zu sehr beeilt hast, dass du die Gefühle und Gedanken des Mädchens aneinandergereiht hast, sie manchmal aber nicht verzahnt sind, die passen nicht zueinander. Auch die Beschreibung der Heimkehrer ist für mich etwas vage und unbefriedigend.:rolleyes: Tja, tut mir Leid, ich hatte den Eindruck.

Wenn ich das Ganze nehme, so hatte ich die Bürgerkriegsgeschichten von Bierce im Kopf. Exakt die Atmosphäre und auch die Intonation.

Wenn hier niemand von Zombies gesprochen hätte, nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass wir hier leibhaftige Untote vor uns haben, eher doch wohl leibhaftige Tote. Aber das ist Auslegungssache.

Vielleicht solltest du den Anfang überprüfen, Mindestens vier "Würde" in drei Sätzen, das macht sich nicht gut und stört ungemein.

Auch die Zeitänderung am Schluss des Textes empfand ich eher als störend, siehe Blackwood.

Aber sonst - ich sehe ja mehr den Gesamteindruck - eine schöne Geschichte, die in einer Allegorie rüberbringt, was platt hätte werden können.

Viele Grüße von hier!

 
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Hallo zusammen.

@katzano, Peterchen und Van: Freut mich, dass der Text euch gefallen hat. :-)

@Blackwood:

gepostet um 4:29 Uhr?
Sogar erst um 5:29 Uhr - schätze, deine Forumsuhr tickt falsch. ;-)
Nun....du bist wohl der Letzte, dem ich etwas über Schlaflosigkeit erzählen muss.

Bei der fehlenden Atmosphäre gebe ich dir Recht, ich hatte selber Bedenken, vor allem was den Schluss angeht. Wenn ich den Leser in der passenden Stimmung erwische genügen ihm diese Zeilen vielleicht, aber grundsätzlich muss das noch verbessert werden (ein paar Details habe ich vorletzte Nacht deswegen noch eingefügt, dafür ein paar andere - mM nach eher schwache - Sätze gestrichen).
Ich werde mir den Text nochmal vornehmen und, wenn ich es hinkriege, in Sachen Atmosphäre etc überarbeiten und hoffentlich intensivieren können. Danke für deine sehr ausführlichen Anmerkungen. Wundert mich übrigens gar nicht, dass du so auf die Atmosphäre fixiert bist, da war dein (vermeintlicher?) Namensgeber ja ein Meister drin. ;-)

@Hanniball: Der PM habe ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen <g> - danke auch dir und ich schau mal, was ich alles noch verbessern kann.

Thnx.

Ginny

 

Hi Ginny!
Als erstes muss ich mal zugeben, dass ich diese Geschichte des Namens wegen gelesen habe. Und zwar den Namen des Autors wegen. Ich konnte mich zwar nicht mehr recht entsinnen, was ich als letztes von dir gelesen hatte, aber dennoch verband ich deinen Namen mit Qualität ;)
Und ich hatte recht. Mich erwartete zwar keine Grusel Story im eigentlichen Sinn, aber es hat sich gelohnt. Zu Beginn fängst du sehr schön dieses „Kriegsgefühl“ ein. Alle Männer sind fort und die Familien müssen sehen, wie sie sich selbst versorgen. Und am Ende dann diese Heimkehrer. Die Stimmung springt hier um, ohne es wirklich zu tun. Schwer zu beschreiben, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll...
Traurig und schön und dein Schreibstil verstärkt diesen Effekt noch einmal! :)

Grüße...
morti

 

Hallo Ginny,

vorab: die Geschichte hat mir gut gefallen. Keine Effekthascherei, sondern eine ruhige und melancholische Handlung, die trotz ihrer Kürze eine dichte Atmosphäre schafft.

Was mich beim Lesen irritiert hat, war folgendes: Zunächst einmal beginnst du in der Vergangenheitsform und schwenkst zum Schluß ins Präsens. In der ersten Hälfte kommen des öfteren Rückblenden vor. Dann arbeitest du auch viel mit Fragen (was mir grundsätzlich gefällt). Schließlich garnierst du die Story mit Gedankengängen.

Das war mir irgendwie zuviel. Ich hätte es besser gefunden, eine durchgehende Zeitform (wohl Präsens) vorzufinden. Wirklich gut gefielen mir dann auch die kursiven Textstellen.
Bei den Rückblenden bin ich etwas zwiegespalten, die hemmen den Lesefluß; ich denke, sie ließen sich geschmeidiger einbinden, wenn du das Mädchen noch tiefgehender/ausführlicher charakterisierst bzw. dem momentanen Geschehen noch mehr Gewicht beimißt.

Detailanmerkungen:

Essen zurecht machen
Sagt man das so? Ich habe diese Formulierung nie zuvor gehört.

Marco hatte keine Zeit mehr. Als ich Ma danach fragte, antwortete sie, er sei jetzt der Mann im Haus seiner Familie. Sie weinte bei diesen Worten und ich wagte nicht mehr darüber zu sprechen. Nur manchmal wünschte ich mir, ein Junge zu sein. Dann hätte auch Ma einen Mann im Haus. Ich war kein Junge, aber von dem Tag an half ich ihr noch mehr als früher.
Aus meiner Sicht wäre dieser Abschnitt prägnanter und aber dennoch eindeutig, wenn du die markierte Stelle entfernst, etwa so:
„Marco hatte keine Zeit mehr. Als ich Ma danach fragte, antwortete sie, er sei jetzt der Mann im Haus seiner Familie. Sie weinte bei diesen Worten und ich wagte nicht mehr darüber zu sprechen; aber von dem (jenem?) Tag an half ich ihr noch mehr als früher.“

Sie gehen weiter, immer weiter, passieren mich wie einen Strauch. Niemand sagt ein Wort. Ihre Blicke gehen an mir vorbei.
Der erste Satz gefällt mir sehr gut :thumbsup:
Wortwiederholung „gehen“.

Und ich wusste, dass er heimkehrte. Nach Hause. Nicht hierher. Nach Hause.
Gefällt mir wiederum sehr gut!

Fazit: gute Story, aber (für mein Empfinden, logi!) angesichts der Kürze zu viele Stilvariationen verbraten.

Gruß,
Some

 

Hi Ginny-Rose,

Dein Stil ist sehr schön und du bringst die Atmosphäre sehr gut rüber. Ich schätze die Protagonistin auf 8 - 9 Jahre.

Der Schluss läßt mich unbefriedigt zurück.
Ich dachte zwar, dass es irgendwie nur Geister sind, aber warum ist sie sicher, dass ihr Vater dabei ist, wenn sie zuerst so nach ihm gesucht hat und ihn nicht gesehen hat.

Stimmiger wäre es für mich gewesen, wenn sie begriffen hätte, dass er, weil er nicht bei diesen Männern war, dass sie die toten sind und dass ihr Pa desshlab zu ihr heimkehrte.

Grüße
Bernhard

 
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Hallo Ginny!

Ich habe die Kritiken meiner Vorredner jetzt nur mal überflogen, konnte allerdings ein durchweg positives Feedback herauslesen. Ganz so begeistert bin ich leider nicht. Zwar ist deine Geschichte handwerklich sehr gut geschrieben (wie alle deine Stories), dennoch kann ich mich meistens überhaupt nicht mit deinem Stil identifizieren. Das liegt zum einen daran, das ich oft den Eindruck habe, als wenn du während des Schreibens mehr auf die perfekte Verwendung von Grammatik und den generellen Satzbau, sowie Rechtschreibung achtest, als auf den eigentlichen Inhalt des Textes. Du beschränkst dich allzu oft auf Klischees und bringst für meinen Geschmack zu wenig Gefühl mit ein. Diese - vom Thema her ja im Grunde tief traurige - Geschichte zum Beispiel, liest sich (für mich) beinahe schon wie ein in Lyrik eingepackter Zeitungsbericht (vom Stil her, nicht vom Thema :D ) . Das ist jetzt natürlich etwas übertrieben, aber ich hoffe du verstehst im Kern, worauf ich hinauswill.
Du KANNST schreiben, setzt dieses Talent aber immer sehr trocken in die Tat um. Ich kann keine Verbindung zu deinen Protagonisten herstellen, mich nicht in sie hineinversetzen. Auch diese Story hat mich - offen gesagt - absolut kalt gelassen. Keine Gänsehaut, keine Trauer, kein Mitgefühl hast du in mir erweckt, was ich sehr schade finde; ich bin mir nämlich sicher, das du dazu durchaus in der Lage wärest.
Emotionen sind anhand von Texten sehr schwer auszulösen und es gibt für mich nichts schöneres, als wenn ich eine Geschichte lese, bei der ich mich schütteln muss vor Ergreifung, oder in der ich mit dem Prot. mitfiebere. Es hat sogar schon Texte gegeben, die mich derart berührt haben, das mir die Tränen gekommen sind, oder ich mich an den Sätzen regelrecht ergötzt habe (siehe beispielsweise "Liebste Freiheit" von arlekino, oder "aquamarinblau ist der Urknall" von all-apologies).
Ich will nicht behaupten, das ich deine Geschichten langweilig finde, aber es fehlt mir einfach immer das gewisse Salz in der Suppe. Alles liest sich gut und im Grunde gibt es keine greifbaren Kritikpunkte und doch habe ich sie fünf Minuten nach dem lesen schon wieder zur Hälfte vergessen. Mir fehlen ganz besondere Highlights, etwas was sich fest in den Geist brennt. Dramatik, oder tief emotionale Stellen, die ich immer wieder lesen will, weil sie so schön sind.
Bevor ich mich hier noch total verquassel und du dich fragst - Was will der eigentlich von mir? - nenne ich mal ein paar Beispiele :

Ma war ins Dorf gegangen, um ein paar Besorgungen zu machen; ich sollte das Haus hüten und ein wenig spielen. Wie spielt man, wenn der Vater irgendwo in der Ferne ist, wenn man nicht weiß was er gerade macht und wie es ihm geht? Wie spielt man, wenn die Mutter mit den Tränen kämpft, sobald nach ihm fragt? Wie spielt man, wenn alles ungewiss ist, außer, dass irgendwo da draußen Krieg und Tod das Leben beherrschen? - Aber ich spürte Mas traurigen Blick auf mir, wenn ich an diese Dinge dachte und so setzte ich mich mit der Puppe vor die Tür.

Anstatt soviele Fragen zu stellen, könntest du in dieser Passage meiner Meinung nach viel besser die Gefühlswelt des Mädchens beschreiben. Wie sie in dem stillen Haus sitzt. Alleine ist. Verunsichert und traurig. Irgendetwas markantes, was mich als Leser mitfühlen lässt.

Mit hängenden Schultern lasse ich die Männer passieren. Ein erdiger Geruch steigt mir in die Nase. Noch einmal hole ich Luft und rufe, winke; vergebens. Es ist als, wäre ich nicht da für sie.

Abgesehen davon, das du eine Passage vorher plötzlich in die Gegenwart verfallen bist, gefällt mir auch diese Stelle nicht. Gerade HIER hättest du meiner Ansicht nach einiges rausholen können, wenn du mehr ins Detail gegangen wärst. Wenn du den Leser wahre Verzweiflung hättest spüren lassen.

Zitternd ließ ich mich auf einen Stamm sinken. Ich durfte Pa nicht auf seinem Weg stören. Der Wind streichelte wie eine tröstende Hand durch meine Haare, als ich dem Zug bei seinem langsamen Marsch über die Felder nachsah. Bis er hinter dem Horizont verschwand.

Komm gut heim, Vater.


Auch dieser Abschnitt ist an für sich schön, für mich aber nicht ergreifend genug. Ich habe ihn dreimal gelesen und musste jedesmal unbewusst an einen kitschigen Hollywood Film denken.
Was mir zum Beispiel gut gefallen hat (auch wenn es sich hier ebenfalls um einen Hollywood-Streifen handelt), war die Heimkehr des toten Vaters bei "The Others". Die ganze Situation kommt sehr skurril herüber, fast schon beängstigend, obwohl eigentlich überhaupt nichts horrormäßiges passiert, so fühlt man sich dennoch unwohl, weil man weiss, das die gesamte Situation nicht stimmen kann.

So...ich hoffe du bist jetzt nicht allzu sauer auf mich :D Aber ich denke es ist besser, wenn ich dir meine ehrliche Meinung sage (schreibe). Du darfst mich auch nicht falsch verstehen: Diese Geschichte ist NICHT schlecht, aber sie vermag es einfach nicht mich zu fesseln (aber schreiben kannst du, wirklich!)

Bis dahin und viele Grüße

Cerberus

P.S.

Achso, noch ein paar kleine ´Fehlerchen´:

Wie spielt man, wenn die Mutter mit den Tränen kämpft, sobald nach ihm fragt?

Hier fehlt ein "man"

Ich laufe an den Männer vorbei,

MännerN

 

Haus herrichten, Essen zurecht machen
Zuviel des richtens...

Seit sein Vater gemeinsam mit Pa weggegangen war
Schwer zu begründen, aber es mißfällt mir, daß du in einem Satz einmal Vater und einmal Pa gebrauchst.

Ich spielte mit meiner Puppe, obwohl ich mir (mittlerweile fast) zu alt dafür vorkam.
1. Füllwörter
2. Ich weiß nicht, in dem Alter reflektiert man das so noch nicht. Dann wäre es schon sinniger, du schreibst "war" statt "mir vorkam".

ich sollte das Haus hüten und ein wenig spielen.
Ein Kind kriegt niemals die "Aufgabe", zu spielen. Das macht es von selber.

Wie spielt man, wenn der Vater irgendwo in der Ferne ist, wenn man nicht weiß was er gerade macht und wie es ihm geht?
Och, das geht eigentlich ganz gut...

Wie spielt man, wenn alles ungewiss ist, außer, dass irgendwo da draußen Krieg und Tod das Leben beherrschen?
Auch das sind keine kindlichen Gedanken.

wenn die Mutter mit den Tränen kämpft, sobald nach ihm fragt?
Da fehlt doch was?

Die Sonne schien auf meine verbrannten Beine
Verbrannte Beine? Ab in die Notaufnahme!

Vögel singen auch, wenn anderswo Kanonen schießen
Guter Gedanke!

den einen oder anderen Fisch
-> Fische

Marco würde nicht da sein, aber der Fluss schon. (Vielleicht wartete er nur auf meinen Besuch.)
Das letztere empfinde ich als überflüssigen Nachklapp.

lief auf die Straße. Meine nackten Sohlen gruben sich in den weichen Sand.
Die Straße ist aus Sand?

Zuerst kam mir der alte Schäfer in den Sinn, der früher (bisweilen) (mit seiner Herde) durch unseren Ort gezogen war.
Welch langes Gewürm von einem Satz.

während mein Verstand sich weigerte die einzige Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Nein, denk nicht daran, sie können es nicht sein, wer auch immer diese Menschen sind, es kann nicht sein ...
Warum diese Ablehnung?

Wo ist Vater, jemand muss es mir sagen können.
Was sind das für Kursivitäten? Wörtliche Rede? Wo sind die Anführungszeichen?

Ich wusste mit einem Mal, dass Pa irgendwo unter diesen Männern war
Eigentlich ist diese Gewißheit für mich NICHT nachvollziehbar. Bzw. es würde mir nicht reichen. Da läuft mein Vater in unmittelbarer Nähe an mir vorbei und ich gebe meine Mühen auf, ihn zu finden?

Und ich wusste, dass er heimkehrte. Nach Hause. Nicht hierher. Nach Hause.
Und wo soll das sein? Ich weiß zwar, was du meinst, aber nur, weil ich mir das zusammenreime. Einen Sinn ergibt das meiner Ansicht nach keineswegs.

Die Prot. findet sich mit dem, was sie aus einmal weiß oder zu wissen glaubt, für meinen Geschmack zu schnell an. Wo ist das Hadern, wo die Verzweiflung?
Wenn sie erschöpft zusammengebrochen ist, und der Zug hinter dem Horizont verschwunden. Wenn die Sonne untergegangen ist, und sie nach Hause muß, um ihrer Mutter zu berichten. Dann, ja dann ist es erlaubt, sich Erklärungen zurechtzustricken und sich zu trösten, daß alles seine Richtigkeit hat.
Vorher aber nicht. Das ist sonst seelenlos und konstruiert.

r

 

@morti, Bernhard, Some, Cerb und Rel (geile Abkürzungen :D ), danke für euer teilweise sehr ausführliches Feedback.
Ich seh's schon, überall der gleiche Vorwurf, viel zu wenig Atmosphäre. Was leider gerade bei Horror ein wahnsinnig wichtiger Bestandteil ist. Ist mir hier offenbar aber ziemlich misslungen.
Hm. Und ich muss gestehen, ich sehe mich derzeit nicht in der Lage, das auf Anhieb zu verbessern. Es ist nämlich nicht so, dass ich mir mit dem Text keine Mühe gegeben hätte. Das habe ich. Ich KANN es nur momentan nicht besser.
Ich setz mich in den nächsten 1-2 Wochen mal ran und werde eure Anmerkungen dabei berücksichtigen. Vielleicht wird es danach besser, intensiver sein.

@Rel:

Was sind das für Kursivitäten? Wörtliche Rede? Wo sind die Anführungszeichen?
Keine wörtliche Rede. Nur ihre Gedanken. Sozusagen ein innerer Monolog.

Thnx.

Ginny

 

Hi Ginny!

Alles voll von (teilweise sehr) ausführlichen Kommentaren, Fehler wurden dir auch schon alle aufgeführt. Recht viel sinnvolles kann ich also nicht mehr anmerken.

Wie Morti sagte: deinen Namen verbindet man mit Qualität, deshalb bin ich auch auf die Geschichte gestoßen. Eine für dich typische Story: kurz, geradlinig, keine großen Ausschweifungen. Was ich diesmal aber etwas vermisst habe war die fehlende Pointe. Gut, sie ist schon vorhanden, nur wird sie einem diesmal sehr sanft und behäbig vor Augen geführt. Nicht mit dem Holzhammer wie z.B. bei "Die Kiste" (war das der Titel?).

Die Story kommt vollkommen ohne Dialoge aus, was aber auch dazu führt, dass man sich nicht richtig in die Geschichte reindenken kann und alles wie ein Traum wirkt. Was mir eindeutig fehlt (und das wurde hier ja schon gesagt) ist die fehlende Atmosphäre. Keine Gänsehaut, kein Grusel. Du baust sehr konsequent eine melancholische Stimmung auf, trotzdem kann sich das Mädchen noch an kleinen Dingen, wie singenden Vögeln, erfreuen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo die Männer in ihr Blickfeld geraten, hätte die Stimmung aber umschwenken müssen. Zumindest wenn die Story ihre Daseinsberechtigung in "Horror/Grusel" haben soll. Die Sommeridylle hätte in etwas bedrohlicheres umschwenken müssen. Ziemlich "langweilige" Zombies. Wanken, ohne das Mädchen zu beachten, friedlich in ihr Grab.

Schlecht ist die Geschichte natürlich trotzdem nicht, aber ihr fehlt einfach das gewisse Etwas um dem Leser länger als fünf Minuten in Erinnerung zu bleiben. Eine Metzelorgie wäre sicher der falsche Schluss, dennoch vermisse ich die Bedrohung und das Angstgefühl, das ich normalerweise mit "Zombies" in Verbindung bringe.

Sorry, wenn ich nur wiederholt habe, was schon gesagt wurde.

Gruß
Mike

 

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