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Heimkehr
Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um.
Alles steht noch an dem Platz, wo ich es hingestellt habe, aber trotz allem kommt es mir fremd vor, eintönig, grau!
Ich stelle die große Nike Tasche auf dem Sofa ab und lasse mich in die Kissen gleiten.
Die Regentropfen prasseln leise an die Fensterscheiben, ein Donner ist zu hören.
Eigentlich mag ich den Regen, besonders im Sommer, wenn man nach ein paar langen heißen Tagen im Park spazieren gehen kann, durch den Regen gehen, um dabei diesen sommerlichen Duft, der sich durch die abkühlende Hitze vermischt, einzuatmen.
Doch jetzt kommt er mir grässlich vor, so... grau! Sechs Wochen Urlaub im sonnigen Spanien, bis zu 45 Grad in der Sonne und jederzeit am Strand entlang laufen, den heißen Sand zwischen den Zehen rieseln zu spüren und sich vom lauwarmen Meerwasser kühlen lassen.
Kein Regen,Sonnenschein. Ein Blitz lässt mich in die Wirklichkeit zurückkehren.
Eins, Zwei, Drei der Donner grollt. Mein Heim, aber irgendwie fremd. Ich glaube ich habe mich zu sehr an den spanischen Stil der Villa gewöhnt.
Rustikal stand sie an der Klippe von Gibraltar.
Vor sechs Wochen bin ich aufgebrochen, in den sonnigen Süden, nur mit genügend Bargeld und meinem Flugticket in der Tasche.
Der lang verdiente Urlaub! Dort angekommen wurde mir erst einmal gesagt, dass mein Zimmer schon vergeben war, weil ich die Reservierung vergessen hatte zu bestätigen.
Da das ganze Hotel kein einziges Zimmer mehr frei hatte, ließ ich mir erst einmal auf der sonnigen Terrasse einen kühlen Orangensaft bringen.
Petro, ein netter junger Kellner, gab mir den Tipp, dass eine alte Frau, Zimmer in ihrem Haus an der Klippe vermietet und so versuchte ich mein Glück dort.
Die Überraschung war groß, als ich feststellte was das für eine wunderschöne alte Villa war. Die Besitzerin war eine englische alte Dame aus London, die ihr Rentnerdasein dort verbrachte. Sie hat mich freundlich ins innere ihres Hauses gebeten und wir tranken einen Eiskaffee miteinander. „Das Haus ist einfach viel zu groß für eine allein stehende Frau wie mir und ich würde mich über junge Gesellschaft freuen!“, und so blieb ich.
Ich sitze immer noch auf dem Sofa, es hat aufgehört zu donnern, doch der Regen prasselt weiter gegen die Scheiben.
Ich versuche mich aufzuraffen, schnappe mir die Reisetasche und schleppe sie in Richtung Schlafzimmer. Ich friere, in Spanien gab es das nicht! Ich stolpere im Schlafzimmer über den Teppichrand und lande rücklings auf meinem Bett.
Na prima, keine zehn Minuten daheim und schon Unfallgefährdet!
Auch hier blicke ich mich um, meine Pflanzen hängen verdörrt am Boden, sogar die Palme die nicht viel Wasser braucht, lässt die Blätter hängen.
Ich liebe Pflanzen, sie geben ein sympathischen Flair zu meinem neu erworbenen Kleiderschrank. Es harmoniert! Ja, ich liebe Pflanzen, mein Esszimmer sieht bald wie ein Tropenwald aus. Esszimmer..., ich renne ins Esszimmer, wenn die Pflanzen im Schlafzimmer so aussehen, wie sieht es dann dort aus?
Ich stolpere schon wieder über diesen Teppich und beschließe, ihn raus zu schmeißen.
Schon komisch, dass ein Mensch, während er etwas tut, schon das nächste im Kopf ausheckt.
Ein trauriges Bild erwartet mich im Esszimmer.
Es gibt drei Möglichkeiten warum es so aussieht, wie es aussieht:
1.Ich habe ihnen vor meiner abreise zu wenig Dünger gegeben, oder
2.es war genauso heiß in München wie in Spanien (was ich aber bezweifle)
3.Meine Mutter hat entschieden zu wenig gegossen oder besser gesagt überhaupt nicht!
Ich gehe langsam im Raum umher, fasse jede Pflanze an ihren hängenden Blättern an, manche fallen schon bei der kleinsten Berührung zu Boden.
Ich laufe zur Küche, hole die Gießkanne und lass sie mit kaltem Wasser voll laufen.
Ich greife zum Telefon, ein guter Moment, meiner Mutter anzurufen, ihr zu sagen, dass ich wieder Zuhause bin, ihr vom sonnigen Süden erzählen und ihr meine Meinung sagen, dass sie meine Pflanzen getötet hat.
Es läutet, einmal, zweimal, dreimal, die Stimmer meiner Mutter meldet sich:
„Hallo hier ist der Anrufbeantworter von Elisabeth Schneider. Bitte hinterlassen Sie nach dem Piepton Ihren Namen und Telefonnummer, ich rufe sie baldmöglichst zurück, danke.“
Ich spreche ein paar Worte und lege dann auf. Ich hasse diese Anrufbeantworter, obwohl ich selber auch einen besitze, aber der war inklusive Telefon.
Hat man einen von diesen elektronischen Dinger kann man nie sagen, dass man keinen Anruf bekommen hat.
Ich laufe zurück und greife nach der vollen Gießkanne.
Manche Leute halten einen für bescheuert, wenn man mit Pflanzen spricht, aber mir ist egal was andere sagen, zumindest sind meine Blumen immer schön.
O.K. Sie waren immer schön, bis jetzt! Ich koche innerlich.
Ich friere auch nicht mehr, dass ist immer so, wenn ich mich aufrege. Ich bekomme auch immer einen roten Kopf. Das regt mich auch auf.
Das fängt ja toll an!
Ich will zurück nach Spanien!, zurück zu der netten alten Mrs. Monroe, an den Strand, ans Meer, zu den Leuten die mir in der Zeit ans Herz gewachsen sind.
Der Regen hat ein wenig nachgelassen, aber von Sonne keine Spur.
Ich muss an eine Werbung im Fernsehen denken: „Wer glücklich sein will, muss Radio hören!“ Warum auch nicht!
Ich laufe zurück ins Wohnzimmer, trete an meine Anlage und drehe auf.
Es läuft „It's rainning man“ , auch das noch! Das hat mir gerade noch gefehlt, aber O.K., besser als gar nichts.
Ich gehe ins Schlafzimmer, diesmal aber auf der Hut, nicht wieder über den Teppich zu stolpern. Ich greife nach der Tasche, greife nach meinen Sommerkleidern und lege wieder alles in den Schrank. Zweimal hab ich meine Tasche eingepackt und zum zweiten mal packe ich aus, aber wehmütig! In Gibraltar habe ich mir ein weißes mit schwarzen Margaritten besticktes Kleid geleistet.
Ein Kleid, dass man zur jeder Tageszeit hat anziehen können, außer man will in die Oper.
Und nun muss ich es in den Schrank legen. Und Tschüss schöne Sommerstimmung.
Ich sehe in den Spiegel, eine braun gebrannte Frau starrt mich an, in Jeans und einem blauen Top. So sah ich vor sechs Wochen noch nicht aus, als ich das letzte mal in diesen Spiegel blickte.
Meine Freunde werden mich um diese Bräune beneiden, vor allem, weil sie an der frischen Luft und an der Sonne so geworden ist und nicht im Solarium.
Warum gehen Leute überhaupt dort hin? Weil es zur Mode geworden ist.
Früher im 18. Jahrhundert, galt man als makellos, wenn Frauen am ganzen Körper weiß waren. Heute will jeder so aussehen, als kommt man frisch von der Karibik und na ja, ich bin der Mode erlegen. Wer will auch so aussehen, als komme man frisch aus dem Leichenhaus!
Die Tasche ist leer und so schmeiß ich sie mit Wehmut hinter den Schrank.
Das war´s. Es ist Samstag und am Montag nimmt der Alltag wieder seinen Platz im Leben ein.
Ich laufe in die Küche. Die Küche, ein Ort an dem man Essen zubereitet, eine Küche die einfach nicht zu der Farbe der Wand passt. Ich beschließe die Küchenwände neu zu streichen, vielleicht eine schöne Pastellfarbe, statt diesem komischen grau- weiß Geschmiere. Mrs. Monroe hatte eine Pastellfarbene Küche und passte auch zu der Küchengarnitur.
Bei Mrs. Monroe sah so oder so alles toll aus.
Alle Möbel passten zum Raum.
Blauer Salon, roter Salon, ein in wunderschönes hellrosa gehaltenes Schlafzimmer mit schönen Blick auf das offene Meer hinaus. Wenn ich bei mir aus dem Schlafzimmerfenster blicke, sehe ich nur die Dächer von München.
Rotes Dach mit Dachterrasse, braunes Dach mit Solaranlage.
Eben Dächer. Es hat mir immer sehr gut gefallen, abgeschieden von dem Straßenlärm, ganz oben in meiner Dachwohnung, dem Himmel ein Stück näher.
Nachts Sterne zu beobachten und die Seele baumeln lassen, aber was sind die Sterne im Gegensatz zu denen in Spanien?
In Gedanken versunken hab ich nicht gemerkt, wie ich vor dem offenen Kühlschrank stehe und hineinstarre.
Er ist leer. Warum sollte er auch voll sein?
Ich greife wieder einmal zu Telefon und bestelle mir beim Pizzaservice um die Ecke eine große Käsepizza. Lieferzeit 15 Minuten.
Na gut ich könnte ja hinlaufen, ich wäre auch schneller, aber ich habe absolut keine Lust durch diesen Regen zu stampfen und dabei von Autos nass gespritzt zu werden.
Ich mache es mir im Wohnzimmer bequem und zünde eine Kerze an. Lausche den Klängen des Radio.
Ich bin daheim. Zurück aus meinem lang verdienten Spanienurlaub... und ich will wieder zurück!
Ich mache mir Gedanken was ich alles in meiner Wohnung ändere:
Teppich rausschmeißen, Küche umstreichen, die Pflanzen wieder zum Leben erwecken und ja, dass Wichtigste, meiner tollen Mutter die Meinung sagen, weil sie so verantwortungslos war. Eigenartig, dass sie sich noch nicht gemeldet hat, sie ist doch sonst nicht so lange fort! Telefon. Anrufbeantworter. Oh Gott, ich hasse dieses Ding.
Ich rufe meine Schwester an. Anrufbeantworter. Seit wann hat sie denn den?
Egal, dann ruf ich eben meine andere Schwester an.
Kein Anrufbeantworter. Ich bin erleichtert. Komm schon nimm ab! Nichts ! Typisch! Na dann eben nicht. Es klingelt an der Tür. Das ging aber schnell. Ein stämmiger muskulöser Italiener mit der Aufschrift „ Marios Pizzeria“ steht in der Tür. Ich nehme die Pizza und gebe ihm noch ein wenig Trinkgeld, in der Hoffnung er würde fragen, ob er noch etwas für mich tun könnte!
In diesem Fall hätte ich gesagt, er solle seinen Hintern in mein Schlafzimmer bewegen, ohne über den Teppichrand zu stolpern.
Aber er fragt nicht. Er nimmt grinsend das Geld und verschwindet im Treppenlift.
Na dann eben nicht, zumindest hat er die Pizza dagelassen. Typisch! Das Radio spielt irgend ein Lied von einer Boyband, von der mir der Name nicht einfällt. Der Text ist irgendwie deprimierend.
Aber die Pizza schmeckt lecker.
Der Käse ist toll verlaufen.
Eben eine echte Käsepizza alla Mario!
Mario ist ein netter Mann um die 60 und ich bin schon als kleines Kind bei ihm auf dem Schoß gesessen. Aber heute hat er seinen freien Tag und lässt andere für sich arbeiten, sonst wäre ich vielleicht doch noch durch den Regen gestampft.
Es ist schon fast dunkel draußen und meine Sorge um meine Mutter nimmt zu. Vielleicht ist etwas geschehen, ein Unfall, aber dann, hätte mich jeder auf meinem Handy erreichen können und in den ganzen Wochen kam nie ein Anruf, nicht einmal von der Kanzlei. Ich versuche noch einmal meine Mutter zu erreichen. Fehlanzeige. Aber bei meiner älteren Schwester hab ich Glück.
Wie immer hab ich nur gesagt: „Ich bin’s.“, weiter kam ich nicht, schon bestürmt sie mich über den Urlaub, ob er schön war, über das Wetter, ob ich einen Mann kennen gelernt habe und und und. Sie fragt mich immer etwas und beantwortet es selber.
So war sie schon immer, ich schätze deshalb ist sie Zeitungsreporterin geworden.
Man kommt nie zu Wort. Die armen Leute, die sie interviewt.
Sie quatscht ca. 5 Minuten, bis sie fragt, warum ich nichts sage.
Zum ersten mal seit 5 Minuten kann ich einen ganzen Satz sagen, ohne weiteres Geplapper von ihr. Ich erfahre, dass meine, in diesem Fall unsere Mutter mit einem reichen Mann nach Los Angeles geflogen sei, um dort zu shoppen.
Das war vor einer Woche.
Aber ihr gehe es gut. Das sieht meiner Mutter überhaupt nicht ähnlich.
Wer wohl dieser geheimnisvolle Reiche ist?
Na ja, so viel zum Thema „Pflanzen“.
Ich habe nur einen Moment nicht geredet und schon nimmt meine Schwester die Gesprächsthemen wieder auf. Ich höre ihr weitere 10 Minuten zu, nehme mir die Alufolie, die unter jeder Pizza als Wärmedecke liegt zur Hand und lasse sie nah am Telefon rascheln.
Schlechte Verbindung. Weg war Sie. Schnell lauf ich zur Telefonbuchse und ziehe den Stecker.
Es ist gemein, aber es hilft.
Irgendwie glücklich tanz ich ins Wohnzimmer zurück, greife nach einem Stück Pizza und tanze weiter. Ich fühle mich wohler. Hätte mich jemand beobachtet, hätten sie gedacht, ich wäre völlig verrückt geworden.
Ich tanze die halbe Nacht, bis ich schwer atmend ins Bett sinke und einschlafe.
Ich träume von den Sonnenuntergängen, aber nicht von Spanien, sondern von München. Na bitte, ein erster Fortschritt, sich langsam wieder an die Heimat zu gewöhnen. Es ist 11 Uhr morgens, als mich die Sonne im Gesicht kitzelt. Sonne. Kein Regen. Ich stehe auf und öffne weit das Fenster.
Es riecht nach Sommer. Ich laufe ins Bad und stelle mich unter die Dusche.
Danach greife ich ohne zu zögern das weiße Sommerkleid.
Frisiere und schminke mich, schnappe mir meinen Schlüssel und gehe hinaus. Hinaus in meinen Park, der mir so vertraut ist.
Die Vögel zwitschern, Menschen sitzen mit einem Picknickkorb im Gras, vom gestrigen Gewitter keine Spur. Kinder tollen auf dem Spielplatz.
Bekannte Gesichter grüßen. Eigentlich kenne ich die Leute nur vom sehen, durch meine Spaziergänge.
Die Sonne scheint und lässt alles glücklich und schön aussehen.
Langsam schlendere ich zu meiner Wohnung zurück.
Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Ich bin Zuhause. Ein tolles Zuhause. Auch die Küche sieht nicht mehr so schlimm aus.
Ja, ich bin daheim!