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Herbstferien

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01.05.2009
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Herbstferien

Liebe Leute,
der Text liegt z.Zt. auf Eis - er wird im neuen Jahr bearbeitet, momentan kann ich mich leider wegen ausserwortkriegerlicher Textarbeit mit einer Deadline zum 31.12. nicht darum kuemmern.
Ganz lieben Dank fuer euer Verständnis, Katla
:gelb:

In diesen wenigen Herbstwochen verloren wir unsere Abenteuerlust.
Eigentlich hätte Tante Sanna uns – meine kleine Schwester Annikki und mich – zu ihrem Sommerhaus in den Wäldern von Kuhmo mitnehmen sollen. Fischen, Schwimmen, Beerenpflücken. Aber erst würden wir ein Wochenende in der Wildnis verbringen: Die Hütte eines Kollegen winterfest machen, der sich dieser Tage zu krank und schwach fühlte. Ihm gehörte eines der alten Blockhäuser, ungestrichen und so weit von der nächsten Ansiedlung entfernt, dass die unbefestigte Straße kilometerweit davor aufhörte und man stundenlang durch den Wald dorthin wandern musste. Die Einkäufe würden wir später erledigen, und so nahmen wir nur das Notwendigste aus dem Auto mit. Den Einritzungen auf meinem Ast zufolge war das vor sechzehn Tagen.

Nach dem Regen riecht der Wald nach dunkler Erde und verrotteten Blättern. Annikki und ich sammeln Pilze, so weit vom Haus entfernt wie wir uns zutrauen – aber alles in der Nähe haben wir bereits abgeerntet. Die Morgensonne scheint durch die Fichtenzweige und meine kleine Schwester hat noch nicht angefangen zu nörgeln. Es ist schwieriges Terrain für ihre acht Jahre und unser Sechsjahresabstand bedeutet, dass wir häufig Pausen einlegen müssen.
“Hey ...” Annikki zeigt auf eine Ansammlung roter Tupfen im Unterholz.
“Gut gemacht!” Ich war in Gedanken versunken und hätte die Preiselbeeren fast übersehen. Endlich Frühstück. Die Beeren haben eine bittere Süße, einige in der die Farbe von dunklem Purpur – diese sind die reifsten, süßesten – andere sind strahlender rot mit einigen fahlen Stellen: Diese packen wir in die Tasche und wärmen sie später in unserem kleinen Saunahaus auf. Wir lassen die Beeren am Gaumen zerplatzen, ihre leckere Bitterkeit weckt unsere Lebensgeister. Annikki, munter geworden, plappert von den Ponys, die sie reiten will, und von den Spielzeugautos, die sie bekommen wird, wenn wir wieder zurück zu Hause in Kajaani sind. Wo man sich Lebensmittel aus gut gefüllten Regalen holen und sie dann auf dem Elektroherd kochen kann. Sechzehn Tage und es fühlt sich ewig vergangen an, nur noch eine vage Erinnerung. Meine Beine fangen an zu kribbeln, ich stopfe mir eine Handvoll Preiselbeeren in den Mund, ihr roter Geschmack explodiert auf meiner Zunge, erfüllt mich mit plötzlichem Glück. Von einer jungen Tanne breche ich einige Zweige ab und kaue die weichen Spitzen. Ihr Harzgeschmack mischt sich mit dem bittersüßen Saft der Beeren. Ich biete Annikki einige an, aber sie schüttelt den Kopf, lächelt mit rot verschmierten Lippen.
“Naa, man kann keine Bäume essen”, stellt sie in ihrer besten Nachahmung eines Erwachsenen fest.
“Ach, komm, Schwesterchen. Unsere Spielregel ist doch, dass wir alles Essbare, das wir finden, auch essen müssen.”
Annikki schaut mich aus verengten Augen an.
“Denk gar nicht dran, jetzt rumzunörgeln”, sage ich. Aber liebevoll, mit einem Lächeln.
Sie nimmt die Fichtenspitzen an und kaut, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dann strecke ich ihr die Wasserflasche entgegen. “Hier. Spül nach, wenn du's eklig findest.”
Als wir schließlich eine kleine Lichtung erreichen, glüht die Sonne schon rosa-golden. Mein Rücken schmerzt – Annikki hat sich Huckepack tragen lassen, ist von Zeit zu Zeit eingeschlafen und hing wie ein Bleisack an mir. Ich lasse sie zu Boden gleiten. “Abendessen!”
Hier wachsen fette Trompetenpfifferlinge und Reizker im Schatten der Birken, beinahe unter den gelben Blättern verborgen. Annikki darf die Pilze nicht selbst pflücken. Für sie werden alle gleich lecker aussehen: die essbaren wie die giftigen. Also darf sie sie unter den nassen Blättern und Zweigen ausgraben. Ich pflücke einige und putze die mit meinem T-Shirt-Ärmel, die man gleich roh verzehren kann. Wenn man eine Weile keinen Zucker gegessen hat, schmecken selbst Pilze überraschend süß. Ihr erdiges Butteraroma lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Hätte es nicht geregnet, könnten wir ein Lagerfeuer anzünden. Die Pilze rösten und ihren Nussgeschmack genießen. Aber so werden wir sie später auf dem Saunaofen erhitzen. Jedes Mal, wenn wir das Mitternachtsessen ausfallen ließen, waren wir mit schmerzhaft knurrendem Magen aufgewacht.

Wir kehren im Halbdunkel zurück. Nicht geleitet von meinem zweifelhaften Orientierungssinn, sondern einem alten Großvater-Kompass, den wir im Haupthaus gefunden haben. Am Ankunftstag, als wir es noch betreten konnten.
Das Blockhaus wirft einen massiven Schatten auf den überwucherten Rasen. Die ungestrichenen Stämme sind aschgrau, Moos und Flechten wachsen an ihrer östlichen Wetterseite. Die Fenster düstere, blinde Löcher. Kein Rauch steigt vom gebrochenen Schornstein auf. Es fühlt sich an, als ob das Gebäude Wellen von nasser Kälte ausstrahlte.
Annikki verweilt zwischen der Hütte und dem Saunahäuschen, tritt von einem Bein aufs andere. “Warum können wir nicht …” fängt sie an, vollkommen übermüdet.
“So sind die Spielregeln, weißt du noch?”, frage ich und gebe ihr die Tasche voller Pilze, Fichtenzweige und Preiselbeeren. “Geh schon mal vor, ich hack noch ein bisschen Holz. Besser, wir brauchen nicht gleich den ganzen Stapel auf und kommen später nicht hinterher, wenn es kälter wird.”
Annikki ist trotzig, aber hat – in nur zwei Wochen – gelernt, dass eine Weigerung zu nichts führt.
Nur zögernd nähere ich mich der finsteren Hütte. Obwohl an allen Türen Schlösser sind, haben wir nirgends Schlüssel gefunden. Der alte Mann brauchte sie wahrscheinlich nicht, aber jetzt ist das eine ganz andere Sache. Jetzt könnte Annikki entscheiden, dass sie von unseren Spielregelen die Nase voll hat und es einfach wagt, ins Haus vorzustoßen. Wo es ein richtiges Bett gäbe, ein Sofa, einen holzbefeuerten Herd oder einfach ein bisschen mehr Platz. Sie könnte genug haben von unserer Saunabank mit den hastig zusammengesuchten Kissen und Wolldecken. Aber sie darf niemals entdecken, was ich fand, an diesem ersten dunklen Abend, als Tante Sanna offensichtlich mit dem Putzen, Rumwerkeln, aufgehört hatte und die Hütte verdächtig still geworden war.

Ich stelle den ersten Holzscheit auf den Block und hebe die schwere Axt. Meine Arme schmerzen schon jetzt – davon, dass ich meine kleine Schwester kilometerweit durchs Unterholz trug. Bald werde ich die Winterjacke ausziehen müssen und den Dampf von meinem Körper in die knackig kalte Herbstluft aufsteigen sehen. Es kommt mir vor, als ob die Hütte ihre Finsternis über den Freiplatz hin ausatmen würde und vermeide, zu ihren Fenstern zu sehen. Ich weiß, dass diese Balance nicht viel länger aufrecht erhalten werden kann. Die letzten Beeren werden gepflückt sein, die übersehenen Pilze verrottet. Die Wärme der Sonne wird den Waldboden nicht mehr erreichen. Wir werden den ersten Schnee riechen und unser kleiner Saunaofen wird nicht mehr ausreichen. Dies sollte ein zehntägiger Urlaub werden und wir haben nicht mal richtige Winterstiefel eingepackt. Niemand erwähnte, wo der nächste Nachbar wohnt und selbst wenn, führte uns der Weg auch durch die Nacht und das würde Annikki nicht überleben.
Die Axt spaltet mit trockenem Knall einen weiteren Klotz. Instinktiv horche ich auf, dass ich unter dem Schlag kein anderes Geräusch überhörte. Die Hütte steht schweigend da, beherbergt etwas Kaltes, Stilles, das nicht dort sein sollte.

 

Hej @Katla ,

ein fragwürdiges Vergnügen, die Kinder durch den finnischen Wald zu begleiten und wie es Kindern zueigen ist, spielen sie. Auch in der Not. Ich war die meiste Zeit an den Film von Benigni 'Das Leben ist schön’ erinnert. Auch Die Protagonistin versucht alles Mögliche, die kleine Schwester von er Realität fernzuhalten, sie zum Essen seltsamer Dinge zu bewegen.
Hänsel und Gretel als Märchenvorlage kam mir in den Sinn und ich wünschte, Annikki hätte bei der Wanderung durch den Wald zum Haus kleine Kieselchen ausgestreut. :(

Was mich immer wieder einmal aus der Atmosphäre kickte, ist die Sprache. Die Protagonistin ist 14 Jahre alt, sie handelt instinktiv und fürsorglich, spricht aber verdammt erwachsen und ihre Wahrnehmung artikuliert sie geistreich. So hätte ich mir vorgestellt, sie würde am Ende all ihren Mut und die Kraft aufbringen, um die tote Tante auch dem Haus zu zerren, damit sie den Winter drinnen überleben könnten. Skandinavische Schüler lernen bereits in der Schule, sich draußen zurechtzufinden. Sie zeigt das vorbildlich.

Aber sie darf niemals entdecken, was ich fand, an diesem ersten dunklen Abend, als Tante Sanna offensichtlich mit dem Putzen, Rumwerkeln, aufgehört hatte und die Hütte verdächtig still geworden war.
Es soll nebulös bleiben, was der Tante widerfahren ist. Es kann sich bloß um etwas Mystisches handeln, denn wenn sie eines natürlichen Todes gestorben wäre oder aufgrund eines Unfalls, wäre es einer Achtjährigen zuzumuten, sie damit zu konfrontieren und sei es bloß, um nicht draußen zu erfrieren und Hoffnung zu haben, gefunden zu werden. Das Trauma, dass sie dann erlebt hätte, wäre eine andere Geschichte. Also denke ich mir, die Ich-Erzählerin ist ein seltsames Menschenkind, wenn sie unvernünftig reagiert und das Sterben in Kauf nimmt.

So birgt deine Geschichte viele Spannungsmomente und bleibt in allen Ecken und Enden mehr als seltsam. ;)

Ich wollte das nur mal gesagt haben. So als Leseeindruck. :shy:

Lieber Gruß. Kanji

 

Liebe @Kanji ,

ui, ganz ganz lieben Dank fürs Lesen-Kommen und mein schlechtes Gewissen wecken, weil ich hier noch nicht weiter dran gearbeitet habe - ich hab mich schon entschieden, das erklärende Intro zu kicken und ein, zwei Infos davon - wie mir mehrfach geraten wurde (auch in dem Kurs, für den der Text war) - später einzuflechten.

Leider bin ich grad wegen eines Projektes ziemlich im Stress, weil mich jemand hängengelassen hat und ich jetzt einiges an unnötiger Arbeit auf den letzten Drücker hab. Aber ich bleibe dran, es wird nur noch etwas dauern! :shy:

Was mich immer wieder einmal aus der Atmosphäre kickte, ist die Sprache. Die Protagonistin ist 14 Jahre alt, sie handelt instinktiv und fürsorglich, spricht aber verdammt erwachsen und ihre Wahrnehmung artikuliert sie geistreich.
Ich habe tatsächlich nicht versucht, wie ein Kind zu schreiben, allerdings ist das ja auch bereits ein Teenager. Ich kannte mal einen Vierjährigen, der sich nahezu unterhalten konnte wie ein Erwachsener (also ein Mittdreißiger oder -vierziger, nicht wie ein 19-jähriger), mit dem gleiche Tonfall und der gleichen ernsten Miene. Mit vierzehn bekommen viele Mädels schon ungeplant Babies. Also, ich denke, es kommt sehr auf das Mädel an und da sah ich keinen Grund, sie künstlich auf naiv zu bürsten.
Andererseits verstehe ich, wenn jemand sagt: naja, schlucke ich nicht so leicht. Es ist auch eindeutig eine erzählte Geschichte, also ein bewusst 'gemachter' Text, kein Ausschnitt aus dem wahren Leben von Kids.
So hätte ich mir vorgestellt, sie würde am Ende all ihren Mut und die Kraft aufbringen, um die tote Tante auch dem Haus zu zerren, damit sie den Winter drinnen überleben könnten. Skandinavische Schüler lernen bereits in der Schule, sich draußen zurechtzufinden.
Ich fasse mal dieses und das nächste Zitat in meiner Antwort zusammen ...

(Aber flüster dir ganz leise ins Ohr: Finnland gehört zu den nordischen Ländern, aber nicht zu Skandivanien ;).)

Es kann sich bloß um etwas Mystisches handeln, denn wenn sie eines natürlichen Todes gestorben wäre oder aufgrund eines Unfalls, wäre es einer Achtjährigen zuzumuten, sie damit zu konfrontieren und sei es bloß, um nicht draußen zu erfrieren und Hoffnung zu haben, gefunden zu werden.
Ich glaube, das hab ich überhaupt nicht gut geplant oder aber ich bin zu sehr nach dem finnischen spekulativen Stil gegangen, wo die Linie zum Spekulativen oder sogar Paranormalen sehr viel dünner ist als südlicher. Es war meine Idee, dass die Schrägheit eben dadurch vemittelt wird, dass sie sich nicht angemessen verhält.

Den Rückmeldungen nach zu urteilen, ist mir das nicht gelungen. Es wirkt wohl eher unnachvollziehbar und seltsam (aber seltsam nicht im Sinne des Genres). Das werde ich wohl hier nicht mehr ganz retten können, weil das eben mein Plot / Konflikt ist - aber es ist auf jeden Fall ein ganz tolles Lernstück gewesen.

Ich hoffe sehr, meine Antworten hören sich nicht wie Rechtfertigungen an, ich drehe deine Anmerkungen und meine Überlegungen nur gern hin und her. :gelb: Ich will ja auch aus jedem Text was lernen.

Mich freut sehr, dass du mir deine Eindrücke dagelassen hast und auch die Atmosphäre etwas genießen konntest, ganz ganz lieben Dank!

Ein Glas Roten auf die Blücherbrücke und Kiel überhaupt, natürlich mit dir dabei! :wein:

Und jetzt packe ich, morgen ganz früh geht es für ein verlängertes Wochenende nach Stockholm (Wikingerausstellung im Historischen Museum und das nietnagelneue Wrackmuseum besichtigen).
Möglicherweise bin ich bis Montag Abend nicht online.

Liebste Grüße,
Katla

 

Hey @Katla,

...was ich auch wieder mehr machen sollte (ich ich ich, wie egoistisch..), ist Geschichten auf WK zu lesen, denn da steckt viel Inspiration drin (u.a.). Also hab ich mal vorbeigeschaut,auch wenn der Text vielleicht schon von deinem Radar verschwunden ist.

Interessanter Text, den ich so nicht erwartet hätte - habe aber auch den tag nicht gelesen.
Bei den Wald und Naturbeschreibungen, dem Abgelegenen, musste ich an das Buch Eine Frau erlebt die Polarnacht von Christine Ritter denken, das ich kürzlich gelesen habe. Falls du's nicht kennst, sehr zu empfehlen, quasi ein Bericht; sie hat 1938 ein Jahr in Spitzbergen gelebt.

Jedenfalls hab ich anfangs gestutzt über das mit den sechzehn Tagen, da ist klar, irgendwas stimmt nicht. Als sie dann zurück an der Hütte sind, kommt Spannung rein. Es wird klar, dass was mit der Hütte nicht stimmt, was mein Interesse weckt, da ich ziemlich auf Horrorfilme bzw solche mit Psychoanteil stehe (gibt leider zu viel Schrott). Und dann ist die Geschichte zuende.
Fand ich ein bisschen schade, ich hätte gern gewusst, was die beiden nun machen. Vor allem weil klar ist, so kann es nicht weitergehen bei den beiden, denn der Winter wird kommen.

Finde ich interessant, dass du das so offen lässt - ich habe gemerkt, dass ich dazu tendiere, ein rundes Ende zu schaffen. Dabei mag ich offene Schlüsse.

Was ich auch gut fand war die Darstellung, dass selbst ein 8 jähriges Kind verdammt schnell und bemerkenswert gut lernen kann - das scheint nicht jede/r zu wissen.

Übrigens war irgendwo eine unrunde Formulierung, etwas Grammatikalisches, krieg das aber grad am Handy nicht zitiert...nicht so wichtig.

Jetzt aber gute Nacht!
rainsen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @rainsen ,

ganz lieben Dank für den Gegenbesuch, ich freue mich sehr. :gelb:

Also hab ich mal vorbeigeschaut,auch wenn der Text vielleicht schon von deinem Radar verschwunden ist.
Nein, er ist absolut nicht vom Radar verschwunden, ich denke öfter daran und mit sehr schlechtem Gewissen, weil ich das Editieren ständig aufschieben muss. Bis Jahresende werde ich leider immer noch keinen Kopf dafür haben, weil ich bis dahin ein Projekt fertig haben muss, bei dem es - mehr unverschuldet als verschuldet - einiges an Stress und Mehrarbeit gab als eingeplant.
Bei den Wald und Naturbeschreibungen, dem Abgelegenen, musste ich an das Buch Eine Frau erlebt die Polarnacht von Christine Ritter denken, das ich kürzlich gelesen habe. Falls du's nicht kennst, sehr zu empfehlen, quasi ein Bericht; sie hat 1938 ein Jahr in Spitzbergen gelebt.
Oh, das klingt ja wunderbar. Nein, kannte ich nicht, da schaue ich aber auf jeden Fall mal nach. Nach Spitzbergen möchte ich nämlich unbedingt noch, auf einem Segelschiff. Und durch die Nordwestpassage. #ThingsToDoBeforeIDie
Fand ich ein bisschen schade, ich hätte gern gewusst, was die beiden nun machen. Vor allem weil klar ist, so kann es nicht weitergehen bei den beiden, denn der Winter wird kommen.
Ah, das ist nun eine der wenigen Dinge, die ich nicht vorhabe, zu ändern. Ich verstehe aber deine Sicht, würde mir als Leserin möglicherweise genauso gehen.
Ich wollte wegen der eingeschränkten Sicht und damit ich den Leser nicht anlügen / hinters Licht führen muss, einen Icherzähler.
Und ich hab zwar schon einige Male Icherzähler geschrieben, die Geister sind (einige wissen es, einige nicht), aber das war hier nicht mein Plan - und dann wird es schwierig, die Figur sterben und dabei die Geschichte noch halbwegs auserzählen zu lassen.
Finde ich interessant, dass du das so offen lässt - ich habe gemerkt, dass ich dazu tendiere, ein rundes Ende zu schaffen.
Ich wollte - das ist aber nicht aufgegangen, sogar aus verschiedenen Gründen - ein Abrutschen ins Weird, gekoppelt mit einer (wie ich mir dachte) absehbaren Konsequenz: dass die beiden das nicht überleben werden. Hätte ich das stärker auserzählt, meine ich, dass das ein schwacher, langweiliger Schluß gewesen wäre, weil man sich das eben denken kann. Dann lieber - dachte ich - vorher rausgehen und die Implikation stehenlassen.

Ich fürchte aber, mit all den reinen Implikationen hab ich es doch etwas übertrieben hier. :schiel:

Fest steht für die Überarbeitung schon, dass ich das Intro (wie z.B. jimmy es geraten hat) kicke, dass noch einige Szenen reinkommen, die das Problem mit dem Haus deutlicher machen oder zumindest wiederholt (dass das Prinzip deutlicher wird und es nicht nur unnachvollziehbar klingt, wie wohl eher noch momentan).
Dann ist mir aber noch nicht aufgegangen, warum das, was ich gern subtil spekulativ hätte, nicht so klingt, sondern einfach schlecht durchdacht oder unglaubwürdig (also: nix Spekulativ-Seltsames, sondern zu unrealistische Reaktionen der Figuren, die gelesen werden, als sollte alles realistisch sein). Und hier scheint mit wirklich der Hase im Pfeffer zu liegen. Das muss ich erst mal knacken, bevor ich mir weitere Szenen überlege.

Ganz liebe Grüße und dank dir noch mal,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Nein, er ist absolut nicht vom Radar verschwunden, ich denke öfter daran und mit sehr schlechtem Gewissen, weil ich das Editieren ständig aufschieben muss.
Da fällt mir ein, ich wollte mich eigentlich durchs Flash Fiction Forum prokrastinieren ... na, da hab ich wohl das Prokrastinieren prokrastiniert oder so ... jedenfalls gut, dass rainsen deinen Text noch mal hochgespült hat, dann geb ich auch noch mal meinen Senf zu deinem Text, liebe @Katla, wo ich schon mal da bin.
Ich habe rainsens Kommentar gelesen und deine dazugehörige Antwort, die ganzen anderen Kommentare und Antworten aber nicht, es kann also sein, dass ich nix wirklich Neues beitrage, aber da ich ja auch zu Lernzwecken kommentiere, ist das für mich ok :-)

Der Einstieg holpert für mich.

In diesen wenigen Herbstwochen verloren wir unsere Abenteuerlust.
Hat sowas einen Namen? Die Ankündigung, dass etwas passieren wird? Mir verrät das hier zu viel. Dann geht es weiter
Eigentlich hätte Tante Sanna uns – meine kleine Schwester Annikki und mich – zu ihrem Sommerhaus in den Wäldern von Kuhmo mitnehmen sollen. Fischen, Schwimmen, Beerenpflücken. Aber erst würden wir ein Wochenende in der Wildnis verbringen: Die Hütte eines Kollegen winterfest machen, der sich dieser Tage zu krank und schwach fühlte. Ihm gehörte eines der alten Blockhäuser, ungestrichen und so weit von der nächsten Ansiedlung entfernt, dass die unbefestigte Straße kilometerweit davor aufhörte und man stundenlang durch den Wald dorthin wandern musste. Die Einkäufe würden wir später erledigen, und so nahmen wir nur das Notwendigste aus dem Auto mit.
Hast du das alles schon auf grammatikalische Korrektheit abgeklopft? Ist das echt so richtig? Also eigentlich hätten sie in Tante Sannas Haus sein sollen. Das heißt, dort sind nicht. In Jimmys Text Licht, habe ich gelernt, dass man den Konjunktiv nicht als Ersatz fürs Futur verwenden sollte. Aber auch das Futur klingt für mich seltsam. Also: wir hätten dort sein sollen, werden/würden aber erstmal in die Wildnis fahren. Da stimmt doch etwas nicht, oder? Es müsste doch heißen: "Wir hätten dort sein sollen, sind aber hier." Aber nach dem Futur "würden" wechselst du ins Prät, dann wieder ins Konjunktiv. Meiner Meinung nach haut das alles so nicht hin, aber das ist keine grammatikalische Kompetenz, die das sagt, sondern nur so ein Gefühl ;-) Weil der Einstieg durch die vielen Zeitformen so kompliziert ist, habe ich mich gefragt, was genau du davon eigentlich brauchst. Ich würde das auf jeden Fall entschlacken und entkomplizieren, mMn kann der eigentlich auch komplett raus, auf mich wirkt der irgendwie drangepappt, ein bisschen wie Infodump: So, liebe Leser, jetzt seid ihr erstmal orientiert. Wissta also Bescheid. Los gehts! ... im Präsens dann übrigens, was das Dranpappen-Gefühl verstärkt.

Nach dem Regen riecht der Wald nach dunkler Erde und verrotteten Blättern. Annikki und ich sammeln Pilze, so weit vom Haus entfernt wie wir uns zutrauen – aber alles in der Nähe haben wir bereits abgeerntet.
Ja, genau! Orientierung. Setting. Damit kriegst du mich. Das sind zwei gute Sätze (für mich natürlich ... ich versuche mal, das nicht ständig dazuzuschreiben, weil ich denke, dass dir klar ist, dass ich einen ganz subjektiven Leseeindruck schildere, der nicht mit Kompetenz oder Expertise oder sonstwas zu verwechseln ist). Ich weiß, wir sind im Wald, dunkle Erde und verrottete Blätter - das klingt eine Stimmung an und die ist eher düster, obwohl es ja nur riecht. Aber das wird dann bestätigt. Wir trauen uns nicht uns weit vom Haus zu entfernen, aber wir müssen, weil wir essen brauchen. Ja, da steckt viel drin in den zwei Sätzen.
Die Morgensonne scheint durch die Fichtenzweige und meine kleine Schwester hat noch nicht angefangen zu nörgeln.
Nachdem ich deinen Text gelesen habe, finde ich den Satz nicht passend. Du hast im Satz oben in meiner Lesart gerade eine Stimmung kreiiert, die du hier zerstörst. Zum einen mit der Morgensonne (oh wie schön hell und freundlich ist es doch im Wald!) zum anderen mit der nörgelnden Schwester - die ist zu alltäglich, nee, ich will doch den mystischen Wald, will wissen, was da los ist.
und unser Sechsjahresabstand bedeutet
Ich lese das auch als Infodump. Ist das wichtig? Die SChwester ist acht, das Alter des Ichs kann ich doch aus der Sprechweise etc. herleiten. Wäre es problematisch, wenn ich denken würde, das Ich ist 16 statt 14 Jahre oder gar 18 Jahre alt?
Ich war in Gedanken versunken und hätte die Preiselbeeren fast übersehen.
hat keinen Mehrwert, könnte raus.
“Denk gar nicht dran, jetzt rumzunörgeln”, sage ich. Aber liebevoll, mit einem Lächeln.
Hier auch wie oben. Diese Mini-Konflikte zwischen den Geschwistern lenkt irgendwie vom eigentlichen Thema ab, finde ich.
und hing wie ein Bleisack an mir.
Vielleicht fällt dir ja ein besserer Vergleich ein ... oder kannst du mit dem "Bleisack" tatsächlich etwas verbinden? Was ist überhaupt ein Bleisack? Wofür braucht man den?
Nicht geleitet von meinem zweifelhaften Orientierungssinn, sondern einem alten Großvater-Kompass, den wir im Haupthaus gefunden haben.
Ok, da denke ich jetzt an das "so weit weg, wie wir uns zutrauen" und nun frage ich mich dann jetzt doch, wie weit weg das genau ist. Wenn es nur mir so geht, fein, wenn das anderen auch so geht, dann vielleicht einfach weglassen und dieses Faß lieber gar nicht aufmachen?
Am Ankunftstag, als wir es noch betreten konnten.
Ok, das kommt jetzt aber spät. MMn sollte das früher kommen. Die sammeln da so friedlich ihr Essen und alles scheint ganz prima. Abenteuerurlaub eben. Ich bin, wenn ich so drüber nachdenke, nicht sicher, was für eine Stimmung du tranportieren willst. Da ist die Geschichte für mich irgendwie nicht konsistent. Soll es spannend-düster sein oder eher fröhlich-optimistisch? Also die sind da ja schon 16 Tage, die Tante ist ...? Ich weiß ja vom Intro, dass es da die Tante gegeben hat. Und die gehen fröhlich Beeren und Pilze sammeln, ja klar, die haben sicher Hunger, aber so richtig kommt der nicht bei mir an. Auch die Angst sich zu verlaufen nicht. Die haben ja einen Kompass. Prima. Bei mir kommt eher so ein Prima-Gefühl an, dass die das doch echt klasse machen.

aus Versehen auf Abschicken geklickt. to be continued ...

 

Das Blockhaus wirft einen massiven Schatten auf den überwucherten Rasen. Die ungestrichenen Stämme sind aschgrau, Moos und Flechten wachsen an ihrer östlichen Wetterseite. Die Fenster düstere, blinde Löcher. Kein Rauch steigt vom gebrochenen Schornstein auf. Es fühlt sich an, als ob das Gebäude Wellen von nasser Kälte ausstrahlte.
Also, das soll jetzt schon so bedrohlich-düster wirken oder? Also ist das die Grundstimmung, die du vermitteln willst. Ich finde zB "massiv" dafür kein geeignetes Adjektiv. "düstere, blinde Löcher" ja das schon eher. Kein Rauch auch. Statt "es fühlt sich an" einfach direkt: Vom Gebäude gehen Wellen von nasser Kälte aus ... auch wenn ich nicht genau weiß, was das sein soll.
Annikki ist trotzig, aber hat – in nur zwei Wochen – gelernt, dass eine Weigerung zu nichts führt.
Oder bin ich auf der ganz falschen Spur? Gehts um den Ich-Erzähler? Ist das irgendein Psycho?

Nur zögernd nähere ich mich der finsteren Hütte. Obwohl an allen Türen Schlösser sind, haben wir nirgends Schlüssel gefunden. Der alte Mann brauchte sie wahrscheinlich nicht, aber jetzt ist das eine ganz andere Sache. Jetzt könnte Annikki entscheiden, dass sie von unseren Spielregelen die Nase voll hat und es einfach wagt, ins Haus vorzustoßen. Wo es ein richtiges Bett gäbe, ein Sofa, einen holzbefeuerten Herd oder einfach ein bisschen mehr Platz. Sie könnte genug haben von unserer Saunabank mit den hastig zusammengesuchten Kissen und Wolldecken. Aber sie darf niemals entdecken, was ich fand, an diesem ersten dunklen Abend, als Tante Sanna offensichtlich mit dem Putzen, Rumwerkeln, aufgehört hatte und die Hütte verdächtig still geworden war.
Also jetzt stehe ich komplett auf dem Schlauch. Ist die Hütte noch etaws anderes als das Haupthaus? Die ist verschlossen? Warum hat er Sorge, dass sie reingeht? Ohne schlüssel? Und wieso ist die Tante dann reingekommen? Oder wo hat die geputzt? Ich nehme zur Kenntniss, dass du (als Autorin) mich als Leserin nicht darüber aufklären willst, was das passiert ist und was das Ich fand. Ich würde darum überlegen das wegzulassen. Also den ganzen letzten Satz im obigen Zitat. Die Hütte sollte sich aus dem Text heraus als gruselig ergeben, ohne dass sie sagt: oh, ich fand was ganz schlimmes, aber was, das sag ich euch nicht.
Es kommt mir vor, als ob die Hütte ihre Finsternis über den Freiplatz hin ausatmen würde und vermeide, zu ihren Fenstern zu sehen.
In vielen Fällen finde ich es direkter besser formuliert, also ohne "es kommt mir vor" oder "fühlt sich an wie" etc. Also eher: Die hütte atmet ihre Finsternis ... oder auch: Es ist also ob ...

ch weiß, dass diese Balance nicht viel länger aufrecht erhalten werden kann.
welche Balance?

Dies sollte ein zehntägiger Urlaub werden und wir haben nicht mal richtige Winterstiefel eingepackt. Niemand erwähnte, wo der nächste Nachbar wohnt und selbst wenn, führte uns der Weg auch durch die Nacht und das würde Annikki nicht überleben.
Zu erklärend.
Die Axt spaltet mit trockenem Knall einen weiteren Klotz. Instinktiv horche ich auf, dass ich unter dem Schlag kein anderes Geräusch überhörte. Die Hütte steht schweigend da, beherbergt etwas Kaltes, Stilles, das nicht dort sein sollte.
Also, wenn du es so explizit sagen musst am Ende noch, dann hast du etwas falsch gemacht ;) :kuss: Eigentlich sollte es am Ende dann nun wirklich klar sein. Ist das die Geschichte? Geht es eigentlich um die Hütte? Oder, vielleicht sollte die Hütte jetzt und das Ende der Gipfel der Bedrohung sein?

Kleines Fazit: Ich finde dein Setting toll, Wald ist immer gut und ich finde du kannst da auch gut drauf aufbauen. Aber mir ist nicht klar, was für eine Stimmung eigentlich herrschen soll und wenn ich jetzt denke, dass es um die Hütte geht oder zumindest um etwas Bedrohliches, dann wäre es hilfreich, das im Text früher anzulegen bzw. anders zu entwickeln. Aber vielleicht habe ich auch alles falsch verstanden. Das kann sein. Ich hoffe, mein Kommentar hilft trotzdem etwas.

Liebe Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Katta ,

ganz herzlichen Dank für deine detaillierte Rückmeldung. Ich werde sicher auch einiges daraus in die Überarbeitung einfliessen lassen. Leider ist es so, dass ich erst Anfang des neuen Jahres Zeit haben werde, mich mit den Problemen dieses Textes zu befassen.

Kleinere Anmerkungen könnte ich einbauen oder eben nicht, aber hier ist mir etwas nicht gelungen, das mit dem Aufbau und den Genre zu tun hat (geplant war eine spezielle Art der Finnischen Phantastik, die so gut wie nix Konkretes auf den Tisch legt und mit dem Spekulativen ganz haarscharf am Realismus vorbeischrammt, obwohl schon sehr skurrile oder dezidiert paranormale Dinge vorkommen). Und ich habe zwar zwischendurch immer mal wieder darüber nachgedacht, wo und warum ich das nicht hinbekommen hab, aber bin noch zu keinem Schluß gekommen. Damit steht und fällt aber die Geschichte. Eben weil es kein Geisterhaus und kein Mord sein soll.

Ich hab oben über den Text schon einen Verweis gesetzt, dass die Geschichte aus Zeitgründen jetzt auf Eis liegt. Es gibt noch einen kleinen Text, den ich sogar zwischengeschoben hier einstellen werde, der wie mein außerwortkriegerisches Projekt eine Deadline zum 31.12. hat.

Sorry! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Text nochmal hoch-kommentiert wird, sodass ich Zeit gehabt hätte, bissl im stillen Kämmerlein vor mich hinzufrickeln. Tagge dich sehr gern, wenn ich etwas daran gearbeitet hab.

Ganz liebe Grüße, :gelb:
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Henry K. ,

ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, der mir bei der Überarbeitung ganz sicher helfen wird.

Auch wenn ich nicht alle Kommentare gelesen habe, tauchen da ja schon jede Menge wertvolle Anmerkungen auf.
Absolut.

Wem erzählt die Ich-Erzählerin das alles? Sie scheint ja noch in der Situation drinzustecken, zählt die Tage. Und ihre einzige Begleitung ist die Schwester. Und die hat alles miterlebt.
Ist mir grad in letzter Zeit aufgefallen: diese Frage hat hier im Forum den Rat zu show, don't tell in der Häufigkeit abgelöst. Ich hab das selbst bei bestimmt der Hälfte meiner letzten Komms geschrieben. Zum einen sind solche Häufungen sehr gut, weil automatisch mehr Leute darauf achten. Ein bisschen geht mir das wie mit dem Dekonstruktivismus: Erst ist das mind-blowing - alles erscheint in einem anderen Licht, alles lässt sich auseinandernehmen und neu zusammensetzen, das befreit. Dann endet es manchmal damit, dass es nichts mehr gibt, was sich grundsätzlich einfach ganz schlicht sagen kann und auch so meint.

Meine: Wenn alles klingt wie eine Mary Sue oder wie der Autor selbst, der seine Meinung/Sprache direkt an den Leser bringt, ist das selbstverständlich ein handwerklicher Fehler (und den sieht man selbst ja nicht, daher ist die Frage immer spannend).
Wenn aber die Erzählstimme erkennbar die eines Erzählers und nicht des Autors selbst ist: Der Erzähler erzählt alles dem Leser.
Prosa funktionierte - in schriftlicher wie auch in rein mündlicher Form - hunderte, wenn nicht tausende Jahre so, dass ein Erzähler eine Geschichte erzählt. Erst seit den späten 1980ern / 1990ern (ausgehend von den USA) wurde eine Art extremer Rollenprosa, Deep Point of View, verwendet, die das Ziel hat, alle offensichtlichen Spuren des Erzählers aus dem Erzählten zu tilgen. Indem es in eine Art sehr kontrollierten Bewusstseinsstrom verpackt wird. Sodass man beim Lesen den - eigentlich inkorrekten - Eindruck hat, dem Prota direkt beim Denken zuzuhören. Diese Form des Erzählens ist - obwohl sie einigen als sehr lebensnah / lebendig erscheint - aber ganz genauso gemacht wie z.B. ein neuraler, allwissender auktorialer Erzähler, den viele heute als veraltet ansehen.

Lange Rede: Herleiten möchte ich nur, dass ich kein Interesse habe, den Erzähler aus meinen Texten zu schreiben. Auch als Leser mag ich starke Erzähler, egal, in welcher Perspektive.

Der Text hier ist nicht als DeepPoV oder als Bewusstseinsstrom geplant, dass die Erzählerin Dinge beschreibt und wertet, die man im realen Leben nicht so sehen würde, ist klar. Das allein ist selbstverständlich kein Fehler. Ein Fehler wäre es (ich mag ihn hier gemacht haben, das sieht man ja selbst nicht und mir passiert das auch immer wieder), wenn der Erzähler nicht vom Autor zu trennen ist. Diese Story ist völlig erdacht, also nix, was ich ansatzweise erlebt habe. Herausstechen sollte nicht etwas, das wie mein eigener Kommentar wirkt - sondern sollte so wirken, als ob die Erzählerin es innerhalb der Fiktion erzählt.

Das schreibe ich jetzt nur so ausführlich, weil ich eine Rückfrage habe, die mir sehr wichtig ist, zu klären, damit ich keinen Quark in meinen Geschichten schreibe:

Ich habe mich noch nicht allzu ausführlich mit der Theorie von Erzählperspektiven oder der Erwartungshaltung an diese befasst, aber hier scheint mir eine Inkonsistenz vorzuliegen.
Rückfrage vor dem Hintergrund: Inkonsistenz im Sinne von 'die Icherzählerin redet zwischendurch wie die Autorin, sie fällt öfter aus der Rolle oder dem Register, verwendet einen unpassenden Mix aus verschiedenen Stimmen / Haltungen' etc. ? Das wär sehr ungünstig.

Oder im Sinne von: Es ist offensichtlich, dass die Erzählerin ihre Gedanken und beschriebenen Handlungen zu einer Geschichte strukturiert, was im realen Leben so nie laufen würde. Dazu würde ich sagen: Selbstverständlich nicht, es ist als Prosa geplant und da benötige ich wie alle Prosa das unausgesprochene Einverständnis des Lesers, dass er Prosa liest. Ist das auch deine Idee beim Lesen, und ich hab es auf eine Art geschrieben, die diese Übereinkunft unmöglich macht und dich rauskickt, hab ich ganz massiv was falsch gemacht.

Ich wäre also wirklich interessiert, wo (bzw. warum genau, wenn durchgehend) es für dich inkonsistent klingt.

Ich habe es so verstanden, dass die grosse Schwester die Kleine vor dem schützen will, was im Haus ist. Sie selbst aber scheint dem ja psychisch standzuhalten. Warum also lenkt sie die Schwester nicht ab oder schickt sie in die Sauna oder woanders hin und beseitigt das Problem?
Das ist der phantastische / weirde Anteil daran, und das hat wohl bei keinem gefluppt. Dazu muss ich analysieren, wie ich die Vorbilder lese (mein Text ist an diesem Stil, aber keiner bestehenden Geschichte orientiert). Wie die aufgebaut sind und was ich hier nicht hingekriegt hab. Das kann ich wie gesagt erst im neuen Jahr, weil ich gedanklich bei ganz anderen Texten bin und das möchte ich wirklich gründlich angehen, weil das hier etwas war, was ich zum ersten Mal probiert hab.
Beim Lesen habe ich mich das gefragt und in den Kommentaren sagst du, es soll keine Leiche geben und keine "Geister". Was lauert denn da?
Jein: Ich meinte nur, es gebe keine Geister und keinen Mord, aber es gibt eine Leiche (die Tante ist im Haus verunglückt und liegt dort).
Warum kann sich die grössere Schwester nicht drum kümmern?
Meine Idee kommt nicht nur von der Finnischen Phantastik, sondern war als eine spekulative Überzeichnung von verschiedenen realistischen Verhalteweisen gedacht (hat nicht funktioniert, wie gesagt): Kinder, die etwas kaputt machen und das dann verstecken anstatt das einfach zu sagen; die etwas unters Bett / die Matraze / in den Schrank stopfen, was sie meinen, den Eltern nicht zeigen zu wollen. Und mehr sinister (obwohl die Erzählerin am Unfall der Tante keinerlei Schuld trifft): die Haltung von Kindern, die nicht nur Tiere, sondern andere Kinder foltern und töten (z.B. beim Fall Bulger und dutzenden ähnlichen seitdem): so eine kindliche Sicht, dass alles nur ein Spiel ist, und eine erwachsene, die ein Bewusstsein der Grausamkeit beweist.

Ich muss im neuen Jahr aber noch schauen, wie ich es so formuliere, dass es auf Ebene der Geschichte in aller weirdness folgerichtig erscheint, auch, wenn ich keine klare Linie zwischen dem Spekulativen und dem Alltäglichen ziehen will (das wäre keine gute Übung, denn das wird in der Finnischen Phantastik auch nicht gemacht - es geht also, ich muss nur lernen, wie).

Vielleicht hilft's ja.
Absolut! Vielen lieben Dank.
Ich erkläre übrigens immer so viel in meinen Antworten, weil ich die Probleme noch mal für mich selbst strukturieren will - auf keinem Fall so gedacht, dass ich Lesern erklären will, wie sie bitte meinen Text zu sehen haben.

Alles weitere dann im neuen Jahr, und langsam freue ich mich, mir wieder den kleinen Text (der mehr als Doodle für einen Kurs gedacht war) vorzunehmen.

Herzlichst,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Henry K. ,

vielen Dank für die Klärung. Dann sieht es so aus (sage ich, um mich nicht voreilig von einem handwerlichen Fehler freizusprechen), als ob es nicht inkonsistent wäre, sondern die Erzählstimme durchgängig konsistent ist, du sie aber nicht gern liest.

Also die Erzählerin sagt halt selbst, dass sie noch in der Situation drin steckt und es Tag 16 ist. Klar, theoretisch erzeugt das Spannung, weil der Ausgang offen ist. Aber es wirft eben hier die Frage auf, wem sie das erzählt.
Ja, es ist Icherzähler + Präsens, die Geschichte wird (als Geschichte, nicht als Gedankenprotokoll) erzählt, während sie passiert.

Die Frage nach dem 'wer das erzählt' ist bei einem Icherzähler im Präsens (immer noch vorausgesetzt, ich hab innerhalb dessen halbwegs sauber gearbeitet) genauso relevant oder irrelevelant wie bei allen anderen Perspektiven.
Das bedeutet für mich - u.a. weil das mein default Erzähler ist -, dass ich da nicht ändern muss. Das ist beruhigend, auch wenn es leider sein mag, dass es nicht eine Stimme ist, der z.b. du gern folgst. Wie gesagt, ich hasse Deep PoV, empfinde es als anbiedernd und oft sogar dümmlich. Es gibt da ja ganz unterschiedliche Präferenzen (und das ist gut so), aber das möchte ich jedenfalls nicht schreiben.

Klassischerweise würde man das lösen, indem die Erzählerin ein Tagebuch oder einen Bericht verfasst (hat), der irgendwann abreisst. So kann sie einerseits in der Situation sein, andererseits ist es schlüssig, warum wir als Leser das erfahren.
Nee, klassischerweise ist das nicht, das ist eine Form, die wohl ihre Hochzeit vor 300-100 Jahren hatte. Aber schon damals eher Ausnahme als Regel.
Ich finde Briefform auch spannend zu lesen, wenn sie gut gemacht ist, aber sie ist eher unlogischer. Weil in Briefform Dinge auf eine Art erzählt werden, wie man nie einen Brief oder Tagebuch schreiben würde: Sinneseindrücke vom Setting, epische Dialoge und detaillierte Erinnerungen (dass der Gegenüber eine bestimmte Mimik zeigte in einer kleinen Sekunde, was Leute trugen ...), die man so nie erinnern würde und die, wenn man sie niederschrieb, wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als realistisch verstreichen würde (tatsächlich eine erwartete / formimmanente und damit handwerklich gewollte Inkonsistenz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit).

Es ist ebenso - wie mEn jimmy es mal nannte - ein "gentlemen's agreement" zwischen Autor und Leser, dass man glaubt, alles ereignete sich quasi beim Schreiben/Lesen. Ich hab da nix gegen, u.a. Lovecraft hat gut funktionierende, hochspannende Tagebuch-Geschichten (bes. "Der leuchtende Trapezoeder" a.k.a. "The Haunter in the Dark"), bei dem der Erzähler sogar schreibt, während er stirbt. *gn*
Also, das ist mega-künstlich, kann aber funktionieren. Jean Rays absolut brillanter "The Mainz Psalter" ist ein anderes Beispiel. Aber wäre die Geschichte hier als Niederschrift erzählt und sollte - da nicht mehr im Kontext eines 'vintage' Textes - glaubhaft sein, müsste die gesamte Stimme, Syntax, Plot, Handlungen, Eindrücke vom Setting, wörtliche Rede vollkommen anders formuliert sein. Und auch im Perfekt erzählt, denn die Prota schleppt ja kein Tagebuch mit zum Beerensammeln und kann beim Holzhacken nix notieren.
Dann ist die Art des Plots auch postmodern und einen solchen Mix halte ich zumindest für diesen Text kontraproduktiv.

Sowas liest man eher bei einem Glas Punsch im Sessel. Auch gut, aber das erforderte eine andere Art von Geschichte mit einer anderen Dynamik.

Ganz lieben Dank noch mal, und noch einmal die Bitte, mit weiteren Komms zu warten - ich bearbeite Texte mit viel Aufmerksamkeit und Akribie, weil ich weiter lernen will. Und denke momentan schon mehr an diesen, als mir der Stress mit dem Herausgabeprojekt erlaubt. Leider kann ich den Faden nicht snoozen, und wenn ich den Text oben rausnehme und als Baustelle deklariere, wird er (und das ist auch gut) gelöscht.

Herzliche Grüße,
Katla

 

Hallo @Henry K. - dann hab ich dich missverstanden und bedanke mich wirklich ganz herzlich für die erneute Rückmeldung (ja, das absolut Blöde ist, dass es mir jetzt auch total in den Fingern juckt, etwas zu dieser Geschichte zu machen und mein Zeitproblem grad kam noch nie so ungelegen! :heul:).

Dass du eben nicht rückblickend erzählen willst, habe ich gecheckt. Aber dann wäre es in meinen Augen klüger, den Anfang zu ändern und schon viel stärker zu verdeutlichen, dass die "wenigen Herbstwochen" gerade stattfinden und vor allem ein fucking problem sind - um es mal drastisch auszudrücken. Denn wenn es nicht rückblickend ist, ist das doch die komplementäre Inkonsistenz: Man blickt doch nicht dem Hunger- oder Kältetod entgegen und fängt an von irgendwelchen Herbstwochen und Abenteuerlust zu erzählen. Weisst du, was ich meine?
:idee::idee::idee: Ah, mennö. Klar!

Ich hatte mir das als Klammer um den Text gedacht (@Katta hatte ja auch die abschließende Klammer dazu kritisiert), ein reflektierender Rückblick aus der Position 'Erstes Drittel der Geschichte', wenn es noch nicht ganz so krass ist. Das kicke ich dann mit dem Rest des Erklärbär-Intros - und gut, dass du das noch mal so aufgedröselt hast, weil ich eigentlich vorhatte :Pfeif:, die beiden Klammersätze nicht mitzustreichen. #KillYourDarlings

Dann ist es selbstverständlich eine Inkonsistenz. Danke! (Eigentlich sogar - und das hatte ich ketzerischerweise sogar beim Schreiben auf dem Schirm - eine Variante des dramatischen Präsens, was man wirklich lassen sollte).

Sorry, es ist ziemlich bescheuert, Kritiker zum Warten aufzufordern, musste ich auch noch nie machen.

Und ich hatte dich jetzt nicht als totalen Fan von Deep PoV eingeordnet, übrigens.

Herzlichst, Katla

 

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