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Herr Grau

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14.06.2006
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Herr Grau

Seit 13 Minuten müsstest Du hier sein. Ich steh am Fenster und blicke nach draußen. Es hat die Nacht über geregnet. Alles ist nass. Es ist Sonntag und dazu noch Muttertag. Kein Mensch auf den Straßen. Eine neblig, milchige Suppe zieht sich zwischen den Häuserfronten langsam gen Himmel. Sogar die Heerscharen von Vögeln haben keine Lust zu fliegen. Es hat abgekühlt. Madonna spielt im Radio. Alles ist aufgeräumt. Alles an seinem Platz. Der Klatschmohn passt farblich zum Teppich. Nein, Du kommst nicht um 10, Du kommst um 11 Uhr. Kommst Du überhaupt? Wohin gehen wir denn wenn wir nicht dahin gehen wo wir gesagt haben wo wir hingehen? Hab ich in meinem Leben schon mal etwas anderes getan als zu warten? Das frag ich mich ernsthaft. Hat man dann endlich das auf was man gewartet hat, existiert es im "haben-wollten-Pool" nicht mehr und eins von zehntausend anderen "haben-Wollen" rutscht einfach nach. Ersetzbar, zu jeder Zeit und bis ans Lebensende.

Die ausgesprochenen Worte schneiden tiefe Ritzen ins Herz. Es genügen zwei Sätze und ich Häng am Seil. Die Situation am Seil zu hängen ist ja an sich schon beschissen genug aber dekoriert mit Deinen Worten macht das Baumeln in luftiger Höhe doppelt Spaß. Feuer und Wasser. Das Eine kann ohne das Andere nicht sein. Und doch sind sie so unterschiedlich. Ein Bus fährt vorbei. Ein dickbäuchiger älterer Herr sitzt starr und hält den billigen Blumenstrauß den er wahrscheinlich gestern noch kurz vor Schluss im Penny Markt gekauft hat, in seiner Hand. Muttertag. Ich blicke über die Häuserdächer und sehe nichts als graue Wolken. Grau ist eine komische Farbe. Nicht weiß, nicht blau, nicht schwarz. Grau kommt bestimmt aus dem Universum. Ist durch irgendein schwarzes Loch geflogen und hat gesagt „Hallo, ich bin Herr grau“. Es ist Mai und die Bäume sind so grün wie mein Shirt. Ich könnte auf „Herr Grau“ gut verzichten; ihm ist es egal.

Manchmal frag ich mich ob es ein Segen oder ein Fluch ist mit einem Verstand ausgestattet zu sein. Gott hat´s mir offensichtlich zugetraut mit einem Verstand umzugehen. Trotzdem wäre ich einfach manchmal gerne eine kleine, stinkende Blume auf einer großen grünen Wiese. Nichts anderes zu tun als wachsen. Stattdessen stehe ich am Fenster, hänge trübseligen Gedanken nach die sich langsam aufschaukeln zu einem gigantischen virtuellen Horroszenario. Mein Vorstellungsvermögen treibt mich zum Wahnsinn. Doch nein, wir haben ja nicht nur einen Verstand, da gibt’s ja auch noch das ach so sensible Herz…die Emotion. Ich weiß nicht was manchmal schwieriger zu handeln ist. Hat man das Eine im Griff, meckert das Andere und macht riesen Rabatz. Kann da nicht einfach mal Ruhe sein?

Ohne Erklärung. Ohne Feinschliff definierst Du deine Worte. Die Phantasie gibt ihren Rest dazu. Ausgesetzt in der Wüste in der jedes Sandkorn aus Worten besteht. Worte die meine Gedanken zur Reizüberflutung zwingen. Ich stehe auf der Wortdüne und blicke auf ein Meer von Worten die sich zu einer unbeherrschbaren Ansammlung von Gedanken zusammenrotten, auf ein Meer von Gedanken die so grau sind wie „Herr Grau“ himself. Ein Sammelsurium aus Eindrücken und Ausdrücken, von Augenblicken und schockauslösenden Erlebnissen. All das mischt sich zusammen und macht ein Individuum aus einem, dass aufgrund genau dieser Tatsache eigentlich schon gar nicht existent sein dürfte. Geister suchen „Führer“, suchen Lebensarten die ihnen scheinbar vorgeben wie es richtig funktioniert und wie man mit möglichst geringem „Geistesaufwand“ ans Ziel kommt. Der einfache Mensch ist im Grunde seiner Seele faul. Veränderungen sind unwillkommen.

Es hat begonnen zu nieseln. Von mir aus kann es Bindfäden regnen, hageln und die Tropfen können auch ruhig laut pflatschend gegen meine frisch geputzten Schreiben donnern…aber Niesel, Niesel ertrag ich nicht. Fein versprüht, in jede Ritze eindringend, allgegenwärtig, nie endender Nieselregen. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinab. Unwillkürlich trete ich einen Schritt vom Fenster weg. Man muss schon genau hinschauen um ihn jetzt überhaupt noch zu erkennen. Er macht sich extra dünn und fein. Er hat den Tag zuvor extra nur Suppe gegessen, damit er ja kaum sichtbar fallen kann. Heimtückisch und leise schleichend durchnässt er Dich. Langsam aber stetig. Er legt sich auf dich, nimmt dich völlig ein. Er sorgt dafür, dass du krank wirst und frierst. Natürlich vorausgesetzt du bist draußen, vorausgesetzt Du gibst dem potentiellen Regen die Chance Dich nass zu machen. Ich bin gestern nass geworden. Bleibe ab jetzt besser drin.
Es ist 11 Uhr.

 

Hi Frau Rotze,

prinzipiell hat mir Deine Geschichte gefallen, Du findest schöne Formulierungen für manche Sachverhalte (Niesel, der Suppe gegessen hat, um dünn zu bleiben sagt mehr über die Protagonistin als über den Regen -> schön).
Allerdings führt der Text nirgendwo hin. Eher habe ich den Eindruck, dass die Gedanken am Schluss zerfaserter sind als noch zu Beginn: Das lässt mich mit den Schultern zucken und zur Tagesordnung übergehen.

Eine geringe Modifikation würde reichen, um den Text wieder zu fokussieren, z.B.
"Bleibe ab jetzt besser drin, du könntest ja jeden Moment hereinkommen."

Es sind noch etliche Fehler im Text, aber die findest Du bestimmt selbst.

Insgesamt recht schön, aber ziellos.

Grüße,
Naut

 

hi naut,
danke für dein feedback. ich schreibe schon eine kleine zeit aber nicht wirklich für die augen aller. umso schöner zu sehn, dass jemand sie liest.
du hast recht, das ende ist "...und jetzt?" aber mein leben ist momentan ähnlich der geschichte! ich feile am leben und somit am ende der geschichten :)
lg rockrotze

 

rockrotze schrieb:
du hast recht, das ende ist "...und jetzt?" aber mein leben ist momentan ähnlich der geschichte! ich feile am leben und somit am ende der geschichten :)
Ich weiß ;) Aber versetz Dich in Deine Leser: Als Leser denke ich: "Cool. Das kommt mir bekannt vor." Ich lese und fühle eine Verwandtschaft mit dem Autor (oder der Protagonistin), aber dann endet das Ding.
Eine Geschichte ist ja kein Tagebuch. Ich möchte jetzt nicht fordern, dass Du das ganze als Fabel aufziehst (so wie bei "Masters of the Universe", wenn He-Man am Schluss ins Bild kommt und sagt: "Heute, meine Freunde, haben wir gelernt, dass es sich lohnt, zu seinen Überzeugungen zu stehen."), das wäre albern. Aber ein Text sollte, wenn er denn eine Geschichte sein soll, dem Leser einen Fokus anbieten, einen Punkt, an dem er anknüpfen kann. Das muss keine globale Lösung sein, es genügt, am Schluss nicht den Eindruck der völligen Beliebigkeit zu hinterlassen.

Das nur mal so als Anregung.

:) Naut

 

Naut,

vielleicht bin ich ja auch irgendwie verloren hier auf kurzgeschichten.de. der blanke erhaltungstrieb feuert mich zum schreiben. die geschundene seele, die gequälten gedanken, all das summiert sich zu einer großen blase die mir droht im hals stecken zu bleiben....STOP, sollte das wohl eher in eine geschichte packen :sealed:

 

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