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Herr Unsichtbar soll Umziehen

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19.04.2018
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Herr Unsichtbar soll Umziehen


„Autsch“ beschwerte sich Herr Unsichtbar, als er mit dem Kopf gegen etwas Hartes stieß. „Hast Du mich vergessen, Pia?“
Er krabbelte aus der Kindergartentasche und blickte direkt in Pias blaue Augen. Sie hatte sich zu ihm runtergebeugt und flüsterte: „Entschuldigung, ich habe doch nur die Tasche an den Haken gehängt.“
Sie streckte ihm Ihre Arme entgegen: „Jetzt komm schon, sonst denken die anderen noch, ich rede mit meiner Tasche.“
Herr Unsichtbar schob seinen großen Hut zu recht, strich seinen Anzug glatt und grinste Pia an. „Einverstanden, wir wollen ja nicht, dass die anderen Kinder dich für verrückt erklären.“
Seine Freundin lächelte und nahm ihn auf die Schulter.
Die anderen Kinder saßen schon am Maltisch, als Herr Unsichtbar mit Pia in den Gruppenraum kam. Gerade rief Bruno: „schaut mal, ich kann schon ein ‚B’ malen!“
Herr Unsichtbar rutschte auf Pias Schoß, als sie sich neben Bruno setzte. Er sah ihr zu, als sie den Pinsel in die rote Farbe tunkte und ein ‚P’ malte. Dann sagte Pia: „Das ‚P’ und das ‚B’ sehen fast gleich aus. Und sie hören sich auch fast gleich an. ‚P’ wie Pia und ‚B’ wie Bruno. Wenn wir in die Schule kommen, lernen wir noch viel mehr Buchstaben!“
Herr Unsichtbar verzog das Gesicht, er mochte es nicht, wenn Pia so tat, als ob sie besonders klug wäre.
Ganz unauffällig gab er dem Wasserglas einen Stups. Es fiel um. Die Buchstaben verschwanden unter der grauen Brühe. Bruno fing an zu weinen, aber der kleine Geist raunte seiner Freundin ins Ohr: „Vergess’ doch die doofe Schule, Pia. Das ist noch lange hin, jetzt sind wir im Kindergarten!“
Dabei patschte er ein wenig mit dem Fuß in der Malwasserpfütze herum. Bruno schniefte und guckte Pia verwirrt an. „Warst Du das etwa?“ , fragte er.
Herr Unsichtbar kniff Pia kurz in den Arm und sie reagierte sofort: um seinen Streich zu vertuschen, klatsche Pia mit beiden Händen in das Malwasser. „Kommt, macht mit,“ rief sie, “schreiben lernen können wir auch noch später!“
Herr Unsichtbar war erleichtert, das war gerade noch mal gut gegangen.

Nach dem Mittagessen spielten die Kinder Verstecken. Pia kauerte gerade hinter dem großen Sessel in der Puppenecke, als Ida rein kam, um sie zu suchen. „Mach Dich ganz klein, Pia“ half Herr Unsichtbar.
Hinter dem Sessel war es eng, dunkel und staubig. Pia hätte sich ohne ihn bestimmt nie dahinter getraut. „Ich bin so froh, dass Du da bist,“ flüsterte sie ihm zu. Herr Unsichtbar wurde fast ein bisschen Rot vor Freude, setzte sich auf Pias Schultern und sagte ganz leise: „Ja, seit letztem Winter hat sich mein Leben ganz schön verändert!“
Die beiden schmunzelten. Glücklich hielten sie sich an den Händen. Sie saßen noch eine ganze Weile hinter dem Sessel und Herr Unsichtbar dachte: „Ich habe zwar gerne mit den anderen Taschengeistern zusammen gelebt, aber bei Pia ist es noch schöner.“
Pia wurde an diesem Nachmittag beim Verstecken spielen nicht gefunden. Herr Unsichtbar gab ihr ein Zeichen, als gerade kein Kind in der Nähe war. Sie sprang hinter dem Sessel hervor und rief: „Hier bin ich - ich habe gewonnen!“
Herr Unsichtbar tanzte dabei einen Freudentanz auf ihrem Kopf. Als Pias Mutter am Nachmittag in den Kindergarten kam, sagte die Erzieherin zu ihr: „Pia ist wirklich schon sehr weit, es wird Zeit, dass sie in die Schule kommt.“

Herr Unsichtbar krabbelte in die Kindergartentasche und kaute auf seinen Lippen. Er presste seine Nase an den Ritz der Brotdose und sog den Duft von Salamibroten, Käsewürfen und Apfelspalten ein. Dann schloss er die Augen und hörte die Welt nur noch dumpf durch die Kindergartentasche hindurch. Er legte den Kopf gegen den Blümchenstoff und atmete den vertrauten Duft ein.
Auf dem Heimweg schaukelte die Tasche sanft hin und her. Er hörte nur dumpf die Gespräche zwischen Pia und ihrer Mutter. „So wie es ist, ist alles perfekt. Nichts soll sich ändern,“ dachte er noch und schlief ein.

Als Herr Unsichtbar aufwachte, hing die Tasche nicht wie sonst zu Hause im Flur. Er schaute aus dem schmalen Spalt des Taschendeckels. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und ihm wurde schlecht. Die Kindergartentasche lag im Kofferraum eines Autos, die Luft roch nach Gummi, Benzin und ranziger Milch. Die Fenster waren verschlossen. „Pia! Wo bist Du?“ rief er mit sich überschlagender Stimme. Er trommelte mit seinen Fäusten gegen die Scheibe. „Komm zurück!“ Er lief von einem Fenster zum nächsten, zog sich an Sitzen hoch, aber was er auch tat: er sah nur Autos. Er war in einem muffigen Kofferraum in einem dämmerigen Parkhaus gefangen. Pia war nicht mehr da. Er kroch zurück in die Kindergartentaschen und eine glasklare Träne nach der anderen tropfte aus seinen Augen. Manche rannen die Wangen herunter, manche sammelten sich an der Nasenspitze. Von dort aus tropften sie auf seinen Anzug.

Eine lange Zeit verging, doch dann wurde der Kofferraum geöffnet und Pias Mutter schob eine große Plastiktüte hinein. Sie sah auf die Kindergartentasche und sagte zu Pia: „Hier ist irgendwas ausgelaufen, deine Tasche hat einen nassen Fleck. Machst Du das zu Hause bitte sauber?“
Herr Unsichtbar sah, wie Pia ihre Augen vor Schreck aufriss. Offensichtlich hatte sie nicht mehr an ihn gedacht, als ihre Mutter mit ihnen in die Stadt gefahren war. Als die Mutter losfuhr, öffnete Pia vorsichtig ihre Tasche und nahm Herrn Unsichtbar auf den Schoss. Er fühlte sich wie ein Häufchen Elend. „Du hast mich einfach vergessen,“ wimmerte er. So leise, dass ihre Mutter sie nicht hören konnte, antwortete Pia: „Ich war so aufgeregt wegen Mamas Überraschung. Aber ich bin mir sicher, dass sie Dir auch gefallen wird.“ Sie streichelte seinen Rücken. Langsam beruhigte er sich.
Zu Hause angekommen nahm Pia die große Plastiktüte mit in ihr Zimmer und verschloss die Tür. Ungeduldig rief Herr Unsichtbar: „Mach schon auf!“ und Pia zog einen neuen Schulranzen hervor. Er war rosa, ziemlich groß und mit Zirkuspferden bedruckt. Pia strahlte ihn an, öffnete den Schnappverschluss und sagte: „Schau, hier ist genug Platz für Dich!“
Herrn Unsichtbar wurde heiß vor Wut. „Ich will auf gar keinen Fall in die Schule und in dieses hässliche Ding zieh ich auch nicht!“, er stampfte mit dem Fuß auf und funkelte Pia zornig an.
„Dann geh ich eben alleine!“ erwiderte Pia. Sie begann den Schulranzen zur Probe einzuräumen. Sie ignorierte ihn einfach.
Herr Unsichtbar fühlte sich auf einmal sehr alleine. Außer Pia hatte er niemanden mehr. Aber in die Schule wollte er auch nicht. Er zog sich in die Kindergartentasche zurück, atmete den vertrauten Geruch ein und lehnte sich an die weiche Stoffwand.
An diesem Abend war er nicht bei Pia, als sie einschlief. Es war die erste Nacht, die er alleine verbrachte. Er dachte daran, wie sie sich kennengelernt hatten: Sie hatte ihn auf den Fuß getreten und in diesem Augenblick wurde er nur für sie sichtbar und für alle anderen Taschengeister unsichtbar.

Herr Unsichtbar krabbelt erste wieder aus der Tasche, als Pia sie am nächsten Morgen im Kindergarten an die Garderobe hängte. Seine Freundin tat einfach so, als ob gar nichts gewesen sei. Sie spielen und kuschelten zusammen und er glaubte schon, Pia wolle doch lieber mit ihm weiter in den Kindergarten gehen. Doch als sie am Nachmittag wieder nach Hause kamen, lief Pia sofort zu ihrem Ranzen um mit ihm zu spielen. Herr Unsichtbar setzte sich beleidigt in eine Ecke. Am Abend legte er sich zu ihr auf das Kopfkissen. Pia versuchte ihn davon zu überzeugen, dass es in der Schule sicher sehr lustig werden würde, doch er konnte nicht schlafen. Vom Bett aus sah er den Schulranzen. Er fand die Zirkuspferde albern, den Ranzen viel zu groß und außerdem roch er schrecklich neu. Da kam ihm eine Idee. Vorsichtig stand er auf und schlich zu dem Ranzen. Mit seiner ganzen Kraft stemmte er sich gegen ihn und schob ihn aus dem Kinderzimmer heraus. Der Ranzen schleifte dabei laut über den Boden. Herr Unsichtbar hielt den Atem an. Ob jemand davon wach wurde? Er blickte zurück zu Pia, doch die schlief friedlich. Auch aus dem Schlafzimmer der Eltern war nicht zu hören. Mit seiner ganzen Kraft schaffte er es, den Schulranzen bis zur Balkontür zu schieben. Schwer atmend lehnte er sich an die kühle Scheibe. Er schloss die Augen und schlechtes Gewissen überkam ihn. Pia würde sehr traurig sein, wenn der Ranzen weg war.
Um sich Mut zu machen, sagte Herr Unsichtbar zu sich: „Quatsch. Wenn sie keinen Ranzen hat, gehen wir einfach weiter in den Kindergarten.“
Er klatschte sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel, sprang auf und kletterte auf das Sofa. Von hier aus konnte er den Griff der Balkontüre erreichen und schaffte es, die Tür aufzustoßen. Die kalte Nachtluft strömte ins Zimmer und Herr Unsichtbar fröstelte. Er band Pias Springseil um den Griff des Ranzens und zog ihn auf den Balkon heraus. Der Wind fuhr ihm in seine Anzugsjacke und hätte fast seinen Hut mit davon gerissen. Doch er drückte sich den Hut noch einmal kräftig auf den Kopf, holte tief Luft und warf dann das Seil über das Balkongeländer. Dann zog er. Zunächst bewegte sich der Ranzen nur wenig, doch dann schwebte er an der Brüstung. Mit einem letzten, kräftigen Ruck kippte der Ranzen über das Geländer und verschwand in der Nacht. Herr Unsichtbar hörte, wie er auf dem Rasen vor dem Haus aufschlug. Er rieb sich die Hände und lachte in sich hinein: „So, das wäre also erledigt.“
Sein Herz klopfte noch wild, als er sich zu Pia ins Bett kuschelte. Doch der vertraute Geruch und die Wärme des Mädchens beruhigten ihn schnell und er schlief ein.

Am nächsten Morgen klingelte es sehr früh an der Tür. Herr Unsichtbar hörte, wie Pias Mutter öffnete. Es war die Nachbarin, eine pensionierte Lehrerin mit rot gefärbten, kurzen Haaren. Ihre schrille Stimme drang bis in das Kinderzimmer: „Ich war gerade Joggen und habe das hier auf dem Rasen vor dem Haus gefunden – das gehört doch sicher Euch, oder?“
Die Antwort der Mutter hörte er nicht, denn er drückte sich tief in Pias Schlafanzug. Dann öffnete sich die Tür und aus den Augenwinkeln sah er, wie Pias Mutter den Ranzen vorsichtig wieder in das Zimmer schob. Da stand er wieder, als ob gar nichts gewesen wäre, als Pia aufwachte. Beim Frühstück verloren die Eltern kein Wort über den Ranzen. Nur die Mutter sagte zu Pia: „Mach Dir keine Sorgen, wenn nächste Woche die Schule los geht. Du schaffst das schon.“
Auf dem Weg zum Kindergarten überlegte Herr Unsichtbar fieberhaft, wie er den Schulstart verhindern konnte. Nervös knetete er seine Hände.
Beim Mittagessen hatte er dann eine Idee.
Er saß auf Pias Schoß und als die Erzieherin den Kindern Wasser in die Becher schüttete, zog er einmal kurz und unauffällig an der Tischdecke. Das Wasser schwappte über und Pia musste aufstehen um den Fleck weg zu wischen. Herr Unsichtbar versteckte sich unter ihrem Stuhl. Als sie sich setzen wollte, schob er den Stuhl etwas zur Seite. Pia purzelte auf den Boden und alle Kinder lachten. Seine Freundin blickte sich verwirrt um, aber er hatte sich schon unter dem Tisch verkrochen. Heute gab es Nudeln mit Tomatensause, Pias Lieblingsessen. Vorsichtig krabbelte er wieder auf ihre Schultern. Gerade als sie den vollen Löffel in den Mund stecken wollte, sprang er mit voller Wucht auf ihre Hand. Die Nudeln samt Sauce segelten durch die Luft und klatschten auf den Boden. Pia schrie ihn an: „Verdammt noch mal, jetzt reicht es mir aber,“ hielt sich aber gleich darauf den Mund zu, denn sie wollte ihren Freund nicht verraten. Die Erzieherin stand auf und kam zu Pia. Mit hochgezogenen Augenbrauen sagte sie zu ihr: „ Was ist los? Konzentrier’ dich ein bisschen besser.“ Die Erzieherin reichte ihr dem Lappen und Pia musste die Sauerei wegputzen. Als Pia sich wieder setzte, wollte er wieder auf ihre Schultern klettern, doch sie scheuchte ihn weg. Mittlerweile gab es Nachtisch. Vanillequark mit frischen Erdbeeren. Gerade als Pia sich etwas davon in ihre Schüssel füllen wollte, schlich sich Herr Unsichtbar von hinten an. Er kletterte auf die Stuhllehne und schrie „Buh!“ in ihr Ohr. Vor Schreck lies Pia den Löffel fallen. Wütend nahm die Erzieherin Pia am Arm und führte sie in die Puppenecke. Er hörte sie schimpfen: “Wer nicht ordentlich essen kann, bekommt keinen Nachtisch. Und jetzt überleg dir mal, was die Lehrer von dir halten werden, wenn du dich so in der Schule benimmst.“
Herr Unsichtbar sah, dass Pia vor Zorn kochte: Ihre Augen sprühten, die Wangen waren feuerrot und sie presste ihre Lippen so fest zusammen, dass sie ganz blass wurden. Zeit für ihn, zu verschwinden.
Er kroch also in die Kindergartentasche und kam erst am Abend wieder heraus. Pia saß gerade an ihrem Schreibtisch und malte ein Einhorn aus. Vorsichtig zog er an ihrem Hosenbein. Er rechnete damit, dass sie mit ihm schimpfen würde und zog die Schultern hoch. Doch Pia nahm ihn auf den Schoss, streichelte seinen Rücken und schluckte. „Ach, Herr Unsichtbar, ich freu mich zwar auf die Schule, aber ich hab auch ein bisschen Angst davor. Ich kann Dich verstehen. Alles ist neu und wir kennen da niemanden. Was ist, wenn ich all die Sachen, die ich lernen soll, nicht verstehe?“ Er sah, wie Tränen in ihre Augen stiegen und das schnürte ihm den Hals zu. Er griff sich an seinen Kragen, um besser Luft zu bekommen. Dann nahm er ihre Hand, drückte sie sanft und sagte: „Ein paar Tage im Kindergarten haben wir ja noch.“ Er brachte es einfach nicht über sich, ihr nach so einem Tag zu sagen, dass er wirklich nicht mitkommen wollte. An diesem Abend schliefen sie friedlich aneinander gekuschelt ein.
Die nächsten Tage im Kindergarten taten beide so, als ob die Schule noch weit weg wäre. Sie tobten mit den anderen durch den Sandkasten und Herr Unsichtbar brachte Pia die schönsten Steinchen für ihre Sandburg. Am Nachmittag spielten die größeren Kinder Memory. Dann saß Herr Unsichtbar auf Pias Schultern und half ihr, wenn sie einmal nicht weiter wusste.
Doch eines Abends war es so weit. Herr Unsichtbar sah, wie Pias Mutter ihr über den Kopf streichelte. Dabei hörte er sie sagen, dass am nächsten Tag der erste Schultag sei. Er hörte ihre Worte wie durch eine Nebelwand. Ihm kam es vor, als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. Während Pia vor Freund durch das Wohnzimmer hüpfte, rannte er ins Kinderzimmer. Er versteckte sich unter der Kommode und drehte verzweifelt an seinen Anzugsknöpfen. Sein Magen fühlte sich an, als ob er viel zu heiße Suppe gegessen hätte. Alles in ihm brannte. So blieb er sitzen und merkte gar nicht, wie die Zeit verstrich. Pia kam ins Zimmer und rief leise nach ihm, doch er antwortet nicht. Erst als sie längst im Bett war, setzte er sich neben sie. Er streichelte Ihre Hand und flüsterte ihr ins Ohr: „Du wirst ein tolles Schulkind, du schaffst das. Aber ich trau mich einfach nicht.“
Sein Blick viel auf den Ranzen, der in der Ecke stand. Langsam näherte er sich und drückte seine Nase an die Zirkuspferde. Er mochte den Geruch nicht. Auf leisen Sohlen schlich er in die Küche und schaute sich um. Sein Blick fiel auf einen Flasche Apfelsaft. Mit beiden Armen umfasste er die Flasche, hob sie an und legte sie dann auf den Boden. So konnte er sie bis ins Kinderzimmer rollen. Im Mondschein drehte er den Verschluss auf. Der Saft lief aus und schnell stand der Ranzen in einer goldglänzenden Pfütze. Im Raum verbreitete sich der herrliche Apfelsaftduft. Herr Unsichtbar setzten sich mit den Rücke an den Kleiderschrank und sah dabei zu, wie der Ranzen sich vollsog. Es sag aus, als ob die Zirkuspferde auf einer gelben Wiese stehen würden. Er lachte leise in sich hinein, als er zu Pia ins Bett krabbelte.
Am nächsten Morgen wachte er durch den schrillen Schrei Pias Mutter auf. „Was ist denn hier passiert?“ Sie stand mit einem Fuß in der Apfelsaftpfütze und hielt mit spitzen Fingern den tropfenden Ranzen in die Luft. Herr Unsichtbar sah in Pias verschlafenes Gesicht und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich will nicht, dass Du in die Schule gehst, bitte bleib doch hier!“
Als Pias Mutter mit dem nassen Ranzen raus ging, zischte Pia ihn an: „Bist Du verrückt geworden? Du willst mein Freund sein? Ich freu mich auf die Schule und Du machst alles kaputt!“
Herr Unsichtbar schluckte und versuchte es noch einmal: „Aber es ist so schön im Kindergarten. Warum sollen wir das denn ändern?“ Pia funkelte ihn an: „Vergiss’ es, ich will gar nicht, dass Du mitkommst. Ich geh alleine.“ Das traf ihn wie ein Stich ins Herz und mit Tränen in den Augen setzte er sich auf Pias Drehstuhl. Er flüsterte: „ Du bist doch alles, was ich habe.“ Aber das hörte sie schon gar nicht mehr. Pia war schon zu ihren Eltern gelaufen. Durch die offene Tür hindurch hörte Herr Unsichtbar, wie die Familie frühstückte und dann im Bad verschwand. Er hörte die Mutter sagen, dass sie den Schulranzen eh erst morgen brauchen würde. Dann war es wohl Zeit, zu gehen. Mit der Schultüte in der Hand stand Pia in der Kinderzimmertür und rief: „Tschüß! Ich geh jetzt in die Schule und Du nicht!“ Ihr Vater erschien hinter Pia und fragte sie: „Mit wem redest Du denn da?“ Sie antworte ihm: „Ach, mit niemanden, ich hab mich nur von meiner Kindergartentasche verabschiedet. Komm, los geht’s!“

Dann war Herr Unsichtbar allein in der Wohnung. Langsam schlurfte er in die Küche. Pias Mutter hatte wohl den Ranzen abgewaschen. Nun stand er zum Trocknen auf einer alten Zeitung. Die Sonne schien auf ihn. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und betrachtet den Ranzen. Klar war er groß, aber Pia würde ja noch wachsen.
Er atmete tief durch die Nase ein, stieß sich von der Wand ab und setzte sich neben den Ranzen. Er roch immer noch ganz leicht nach Apfelsaft. Gar nicht so schlecht. Ganz vorsichtig öffnete er den Deckel und lugte in den Ranzen hinein. Hier war ganz schön viel Platz. Mit Schwung zog er sich hoch und rutschte langsam in den Ranzen. Es war dämmrig und es roch noch etwas mehr nach Saft. Mit den Händen strich er über die Innenwand des Ranzens. Sie war kühl und glatt. Er setzte sich in die Ecke und schloss die Augen. So sah er die Zirkuspferde nicht und er spürte nur die Stille und den Schutz der Wände. Dann sah er Pias tränennasse Augen vor sich, als sie ihm verraten hatte, dass auch sie manchmal Angst vor der Schule hatte. Er krabbelte aus dem Schultanzen und stellte sich vor ihn. Dann sagte er zu dem Ranzen: „Pass bloß auf, mich wirst Du nicht so schnell los. Ab morgen komm ich mit in die Schule, denn Pia lass ich nicht alleine.“
Er klappte den Deckel wieder zu und setzte sich auf den Ranzen. So wartet er auf Pia. Endlich ging die Wohnungstür auf und Pia kam strahlend mit ihren Eltern herein. Sie stutze kurz, als sie Herrn Unsichtbar auf dem Ranzen sitzen sah. Dann plapperte sie los: „Papa, da waren ja so tolle Kinder und die Lehrerin war so nett. Ich freu mich schon so auf morgen!“ Aber eigentlich sprach sie zu ihm. Er blickte Pia fest in Augen und sagte: „Na wenn das so ist, komm ich morgen mit.“ Pia strahlte über das ganze Gesicht und Herr Unsichtbar fühlte, dass er sich auf den nächsten Tag freute.

 

Huhu Tatuti

Vielen Dank, dass du eine so liebe Geschichte geteilt hast. Auch wenn ich sie bisweilen etwas wiederholend fand (weil Herr Unsichtbar es einfach nicht eingesehen hat), war es im Ganzen doch sehr schön und erheiternd. Ich mag so kleine Zaubereien/Spielereien wie Taschengeister o.Ä. gerne, also hast du da einen Nerv von mir getroffen :) Hier noch ein paar Dinge zu Rechtschreibung und Co.:

Sonst beobachtet er immer, wie ihr Atem immer ruhiger wurde.

beobachtete

Herr Unsichtbar krabbelt erste wieder aus der Tasche, als Pia sie am nächsten Morgen am Kindergarten an die Garderobe hängte. Seine Freundin tat einfach so, als ob gar nichts gewesen sein.

krabbelte, als ob gar nichts gewesen sei bzw. als wäre gar nichts gewesen bzw als ob gar nichts gewesen wäre

Auf dem Weg zum Kindergarten überlegte Herr Unsichtbar fieberhaft, wie er den Schulstart verhindern konnte. Nervös knetet er seine Hände.

knetete

Ihre Augen sprühten, die Wangen waren feuerrot und sie presste ihre Lippen so fest zusammen, das sie ganz blass wurden.

dass

Pia kam ins Zimmer und rief leise nach ihm, doch er antwortet nicht.

antwortete

streichelte Ihre Hand und flüsterte ihr ins Ohr: „Du wirst eine tolles Schulkind, Du schaffst das. Aber ich trau mich einfach nicht.

ein

Herr Unsichtbar setzten sich mit den Rücke an den Kleiderschrank und sah zu, wie der Ranzen sich vollsog. Es sag aus, als ob die Zirkuspferde auf einer gelben Wiese stehen würden.

setzte, sah

Pia funkelte ihn an: „Vergiss’ es, ich will gar nicht, das Du mitkommst.

dass

Ihre Vater erschien hinter Pia und fragte sie:

ihr

Er krabbelte aus dem Schultanzen und stellte sich vor ihm.

vor ihn oder davor

Liebe Grüße,
Hannah

 
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Hallo, Tatuti

Eine sehr süße, warmherzige Geschichte mit einer wundervollen Idee, die Du dort verarbeitest. Ich gehe erstmal auf ein paar Textsachen ein.

In Deiner wörtlichen Rede läuft noch einiges schief:

„Buh!“
“Wer nicht ordentlich essen kann, bekommt keinen Nachtisch. Und jetzt überleg dir mal, was die Lehrer von dir halten werden, wenn du dich so in der Schule benimmst.“

Erstens: Entscheide Dich für eine Art von Anführungszeichen. Du kannst diese setzen, wo das erste Anführungszeichen unten und das zweite oben ist, oder diese, wo beide oben sind, oder auch ganz andere. Hauptsache ist, Du machst es einheitlich. Bitte im gesamten Text korrigieren.

„Autsch“ beschwerte sich Herr Unsichtbar, als er mit dem Kopf gegen etwas Hartes stieß.
„Verdammt noch mal, jetzt reicht es mir aber,“ hielt sich aber gleich darauf den Mund zu, denn sie wollte ihren Freund nicht verraten.

In der deutschen Sprache kommt, anders als im Englischen, das Komma NACH der wörtlichen Rede. D.h., auch nach den Anführungszeichen (nicht davor und nicht gar keins). Machst Du praktisch konsequent falsch, also bitte im gesamten Text korrigieren.

Weitere Anführungszeichen-Geschichten:

„ Was ist los? Konzentrier’ dich ein bisschen besser.“
„ Du bist doch alles, was ich habe.“

Kein Leerzeichen nach dem Anführungszeichen.

Weitere Kleinigkeiten:

Du schreibst „Du“ häufig (oder immer?) groß. Das macht man aber nur in Briefen (oder in meinen Wortkrieger-Kommentaren). Also bitte im gesamten Text „Du“, „Dir“ und „Dich“ klein schreiben.

Außerdem beginnst Du nach einem Doppelpunkt häufig klein. Beispiele:

„schaut mal, ich kann schon ein ‚B’ malen!“
Herr Unsichtbar kniff Pia kurz in den Arm und sie reagierte sofort: um seinen Streich zu vertuschen, klatsche Pia mit beiden Händen in das Malwasser.
Er lief von einem Fenster zum nächsten, zog sich an Sitzen hoch, aber was er auch tat: er sah nur Autos.

Dazu gibt es eine Regel. Wenn nach dem Doppelpunkt ein ganzer Satz folgt, wird nach dem Doppelpunkt groß begonnen. Wenn kein Satz mehr folgt, dann wird klein begonnen. Also Beispiel für klein: „Sie fand in ihrem Ranzen allerlei Dinge: eine Flasche Apfelsaft, eine Federtasche und viele bunte Hefte.“ Alle Deine Beispiele sind Beispiele dafür, wo nach dem Doppelpunkt groß begonnen wird.

Vor Schreck lies Pia den Löffel fallen.

„ließ“ statt „lies“.

Er rechnete damit, dass sie mit ihm schimpfen würde und zog die Schultern hoch.

Komma vor „und“.

Er sah, wie Tränen in ihre Augen stiegen und das schnürte ihm den Hals zu.

Komma vor „und“.

Während Pia vor Freund durch das Wohnzimmer hüpfte, rannte er ins Kinderzimmer.

„vor Freude“ statt „vor Freund“.

Pia kam ins Zimmer und rief leise nach ihm, doch er antwortet nicht.

„antwortete“ statt „antwortet“.

Er streichelte Ihre Hand und flüsterte ihr ins Ohr:

„ihre“ wird klein geschrieben.

Sein Blick viel auf den Ranzen, der in der Ecke stand.

„fiel“ statt „viel“.

Es sag aus, als ob die Zirkuspferde auf einer gelben Wiese stehen würden.

„sah“ statt „sag“.

Ich höre hier mal auf mit den Kleinigkeiten und empfehle Dir sehr, Deine Texte sorgfältig Korrektur zu lesen, bevor Du sie hochlädst. Das sind fast alles Dinge, die man sieht oder hört, wenn man seine Texte mehrmals und auch mehrmals laut liest, würde ich sagen.

Übrigens wäre Dir dann vielleicht auch aufgefallen, dass ein Rechtschreibfehler im Titel ist. "umziehen" wird natürlich klein geschrieben. :p

Also, ich fand Deine Idee auch unfassbar nett, witzig, charmant, warm. Aber … lang. Das ist eine Kindergeschichte, ja? Da würde ich auf jeden Fall alles etwas knackiger machen. Eigentlich dachte ich hier:

Die nächsten Tage im Kindergarten taten beide so, als ob die Schule noch weit weg wäre.

…, dass die Geschichte vorbei ist. Herr Unsichtbar hat seinen Fehler eingesehen. Als ich dann nach unten scrollte und da noch echt viel Text kam, war ich ziemlich verwundert. Er fällt danach ja einfach nochmal zurück in alte Muster.

Ich würde Dir empfehlen, Dich auf sehr viel weniger Szenen zu beschränken. Herrn Unsichtbars Kampf gegen die Schule langsam zu steigern (dafür braucht man vielleicht drei Attacken), ihn dann einsichtig werden zu lassen und Ende der Geschichte. So zog es sich doch arg in die Länge, ich weiß nicht, ob Kinder da so gut am Ball bleiben (ich hatte damit schon Schwierigkeiten).

Also, prinzipiell habe ich es gerne gelesen, mich an einigen Stellen aber doch gelangweilt. Also, ein bisschen Entrümpeln, dann wird das. Make it work!

Unsichtbare Grüße,
Maria

 

Hallo Maria,
viele Dank für die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Das Problem mit der Länge sehe ich wohl auch...dachte schon, ich lass den Teil im Kindergarten weg, wo Herr Unsichtbar Pia das Essen schwer macht.
Was genau meinst Du mit: "Herrn Unsichtbars Kampf gegen die Schule langsam zu steigern (dafür braucht man vielleicht drei Attacken)"

Liebe Grüße
Rosi

 

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