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Hnirschruahrg

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04.10.2006
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Hnirschruahrg

HUAHAHAHAHAHA! donnerte das brüllende Gelächter der Höllenausgeburt durch das altehrwürdige Gewölbe der Kirche. Dem Zahn der Zeit hatten die Pforten dieses Palastes Gottes widerstanden, mittelalterlichen Heerscharen von brandschatzenden Sarazenen den Zutritt verwehrt, basketballbekappten Teenagern mit Skateboards und in Hosen mit erdnahem Schritt Ehrfurcht abgerungen.
Aber ein unvorhergesehener Niesanfall von Vater Complicius hatte das Böse in die heilige Mitte der Kirche getragen. Er war im Mittelgang zwischen den eichenholzenen Sitzbänken einhergeschritten, deren Holz von der Last der seit Dezennien auf ihnen scheuernder Büßergesäßbacken blankpoliert war, und hatte die Gesangsbücher eingesammelt, die von den Besuchern der vorangegangenen Messe zurückgelassen worden waren. Seiner Zählung nach fehlten erneut zwei Stück, und er hatte noch acht Reihen abzugehen. Zwischen der neunten und achten Reihe überfiel ihn unerwartet die fatale Niesattacke.
„Nrschrath!“ nieste Complicius. “Huarschrath! Hnisch, hnisch, Hruaschthra! Hnirschruahrg!!”
Ein Wind, heiß und trocken wie aus der Wüste, ging durch die Sitzreihen und ließ die noch nicht eingesammelten Gesangsbücher rascheln. Complicius musste absurderweise schaudern, kalter Schweiß brach ihm aus. Vor sich hielt er ein Gesangsbuch, das er während seiner Niesattacke unwillentlich aufgeschlagen hatte, und fassungslos blickte er hinein. Er hatte schon wieder Nasenbluten bekommen, so viel erkannte er. Aber sein Niesanfall hatte das Blut nicht nur in der Nase austreten lassen, sondern auch auf die Seiten des Gesangsbuches katapultiert, wo es in kreisrunder Form einige Complicius unbekannte, aber dennoch unverkennbar arkane Symbole gebildet hatte. In seinen Händen begann das Buch zu vibrieren.
„Heiliger Vater im Himmel!“ rief Vater Complicius und warf das Buch von sich. Noch im Flug begannen die Seiten zu brennen, und als das lodernde Buch die Sitzreihen zur Linken des Vaters traf, explodierten sie in einer infernalischen Explosion, deren Druckwelle Vater Complicius im hohen Bogen über die Sitzreihen zu seiner Rechten hinwegschleuderte und im jenseitigen steinernen Gang niedergehen ließ.
Wie betäubt blieb Complicius am Boden liegen, hauptsächlich, weil er wirklich betäubt war. Und dann vernahm er die Stimme, die in seinem Kopf ertönte, so, als brülle ihm jemand direkt in beide Ohren. Zweistimmig.
HUAHAHAHAHAHA! brüllte es, und Complicius wäre mit Vorliebe im Boden versunken, hätte dieser ihm nicht entschlossenen Widerstand entgegengebracht. Also hob Complicius den Kopf, um zu sehen, wer seine Kirche entweihte.
Inmitten der tosenden Flammen, die einmal die linke Sitzbankreihe gewesen waren, stand eine monströse Gestalt, vier oder fünf Meter hoch, mit armlangen, gewundenen Hörnern am Kopf, einer schwarzen, schwärenden, mit grünen und roten Pusteln übersäten Haut, gewaltigen Pranken mit langen, schwarzen Krallen, einem Maul, dessen eberartige Hauer und massiver Unterbiss in ihrer Schrecklichkeit nur noch durch den höllischen Odem übertroffen wurden, der zwischen ihnen hervordrang. Die Bestie klopfte sich ausgiebig auf die Brustmuskeln und streckte dann die Fäuste von sich, wobei es Teile der vor acht Jahren restaurierten Kirchendecke wieder in ihren unrestaurierten Zustand zurückführte. Dann blickte es sich schnaubend um und erblickte den am Boden kauernden Vater Complicius.
HE, DU DA! brüllte es und sprang mitten in die rechte Sitzreihe, die sofort in Flammen aufging. Complicius warf sich auf den Rücken und strampelte auf allen Vieren von der Kreatur fort, unfähig auch nur ein sinnvolles Wort von sich zu geben. Eine schwarze Klaue nagelte Complicius’ Kutte in dem Steinboden und der Vater zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann lag er still.
JA, DICH MEINE ICH! brüllte die Kreatur wieder. WO BIN ICH HIER?
„Ich – ich ...“, stammelte Complicius.
NEIN, NICHT DU, IDIOT. WO BIN ICH HIER?
Complicius schnappte nach Luft, dann sammelte er sich und schleuderte der Ausgeburt der Hölle entgegen: „Im Hause Gottes! Weiche, Satan!“
Der Satan wich nicht. Stattdessen schaute er sich um und brüllte dann in doppelter gefühlter Lautstärke: VERDAMMTE SCHEISSE!
Vater Complicius hatte derweil mit bebenden Fingern einen silbernen Anhänger, der den gekreuzigten Heiland zeigte, unter seine Soutane hervorgekramt und hielt ihn dem Geschöpf aus den Tiefen des Abgrundes entgegen. „Wöwöwöwöwöwö-“, bibberte er.
WAS?
„Weiche!“ kreischte Complicius, einem Herzinfarkt nahe. „Satanas“, fügte er kraftlos hinzu. Das Schmuckstück entglitt seinen schreckenssteifen Fingern.
DAS HATTEN WIR DOCH SCHON. WAS SOLL DER SCHEISS? forderte der Dämon zu wissen. WARUM BESTELLST DU MICH IN EINE VERDAMMTE KIRCHE, MÄNNLEIN, WENN DU MICH DANN SOFORT WIEDER WEGHABEN WILLST? BIST DU SO EIN DÄMLICHER HOBBY-EXORZIST, DER EIN BISSCHEN ÜBEN WILL, ODER WAS?!
„Ich – ich - hnnnn-“
WAS?!
„Hnirschruagh“, nieste Complicius unpassenderweise los. Die höllische Luft hatte seine Schleimhäute ausgetrocknet.
ICH HEISSE HNIRSCHRUAHRG, DU WURM! brauste der Dämon auf. WENN DU EIGENTLICH HNIRSCHRUAGH HIER HABEN WOLLTEST, WARUM RUFST DU DANN MICH? WIE ICH ES LEID BIN!? IMMER WOLLEN SIE EIGENTLICH EINEN ANDEREN, HNIRSCHRUALG, HNRISCHRUATH, HIRNSCHRUALTH, UND ICH MUSS DANN DIE SCHEISSE WIEDER AUSLÖFFELN!
„-?!“ erwiderte Vater Complicius.
JETZT BIST DU SPRACHLOS, MENSCHLEIN. UND WAS SOLL ICH JETZT MACHEN? DIE KIRCHE IN SCHUTT UND ASCHE LEGEN? ODER SOLL ICH DIR ORDENTLICH EINEN BLASEN? WIRD SICHER LUSTIG MIT UNS BEIDEN! HUA! HUAHAHA!
„-!!!!“ war alles, was Vater Complicius dazu sagen konnte. Das Zölibat hatte verschiedentlich sexuelle Gelüste in ihm entfacht, denen er mannhaft widerstanden hatte. Sich von einem Dämon mit Unterbiß ordentlich einen blasen zu lassen, war jedoch nie darunter gewesen.
PASS MAL AUF! donnerte Hnirschruahrg, zog die Kralle zischend aus Soutane und Steinboden und schnappte sich den Vater am Kragen. Er hob ihn in die Höhe und ließ ihn ein wenig in der Luft zappeln. Vater Complicius war einer Ohnmacht nahe, darum musste der Dämon ein wenig nachhelfen, damit überhaupt etwas zappelte.
ICH HAB EINE GROSSARTIGE IDEE. ICH WERDE DICH JETZT VERSCHLINGEN. ERSTENS WEIL ICH HUNGER HABE UND ZWEITENS WEIL ICH STINKSAUER BIN. UND AUCH, WENN DEIN VERFLUCHTES HEILIGES FLEISCH MIR EINEN ARSCHVOLL BLÄHUNGEN BEREITEN WIRD, WERDE ICH MICH SCHEISSENOCHMAL BESSER FÜHLEN. NA, WAS SAGST DU DAZU?
„Im Namen des Herrn, hebe Dich hinfort“, nuschelte Complicius.
HUAHAHAHA, VATER! HÖR MAL ZU, DAS WIRD TOLL, DAS WOLLTE ICH IMMER SCHONMAL SAGEN. Der Dämon räusperte sich geräuschvoll, es klang wie ein einstürzendes Gebäude. ALSO, HRM: WO IST ER DENN, DEIN GOTT, WENN DU IHN BRAUCHST, VATER? ER HAT DICH VERLASSEN, VATER, DAS HAT ER. HUAHAHAHAHA!
Das Gelächter des Dämons hallte im Kirchengewölbe wider, dann versickerte es im Boden.
„Hrmhrmhrmhrm“, machte sich eine Stimme vernehmlich.
Hnirschruahrg schaute sich irritiert um. Nahe der Eingangspforte erblickte er einen älteren Herrn mit sorgfältig gestutztem, graumeliertem Vollbart und mittelgescheitelten, grauen Haar, der ein mit Blütenmustern besetztes, kurzärmeliges Sommerhemd und eine kurze beige Stoffhose trug. Die Füße steckten in Ledersandalen.
HUAHAHAHAHA! donnerte der Dämon erneut, als er seine Verunsicherung überwunden hatte. ERZITTERE, STERBLICHER.
Der Sterbliche wartete ab, bis das Echo des dämonischen Gebrülls aufs Neue verhallt war, dann kam er einige Schritte näher und blickte, den Kopf auf die Seite gelegt, zu der hünenhaften Gestalt hinauf.
NA LOS DOCH, ERZITTERE, OPA! BUH! dröhnte Hnirschruahrg.
Der Herr runzelte die Stirn.
Hnirschruahrg rollte mit den Augen. WAS BIST DU DENN FÜR EINER, DU ZIPFEL? SCHWER VON BEGRIFF?
„Oh bitte“, sagte der Herr. „Gerade wolltest Du noch wissen, wo ich denn wäre. Und jetzt weißt Du nicht einmal, wer ich bin.“ Hnirschruahrg erstarrte. „Also wirklich“, fuhr der Herr fort, „Außerdem, ich glaube, der gute Vater da ...“, er deutete auf den schlaffen Körper von Vater Complicius, den der Dämon peinlich berührt zu Boden gleiten ließ. „... hatte darum gebeten, dass Du Dich hinfortheben mögest.“ Der Dämon rieb sich nervös die Hände. „Andernfalls sähe ich mich gezwungen, Dich ... auszutilgen. Ich täte es nicht gern, aber wenn ich keine Wahl habe …“ Der Herr schüttelte bedauernd den Kopf.
ÄH, NATÜRLICH, druckste Hnirschruahrg und scharrte peinlich berührt mit dem Huf in den schwelenden Resten der Bank. ICH WOLLTE EIGENTLICH AUCH GERADE GEHEN. ICH DACHTE MIR NUR, ICH KÖNNTE DEN VATER EIN BISSCHEN IN SEINEM GLAUBEN BESTÄRKEN, SOLCHE DINGE. iCH HaBe MiCH VieLLeiCHT eiN WeNiG GeHeN LaSSeN, aBeR der ZWeCK HeiLiGT Die MiTTeL, SaGT man DocH. KommT NichT WiedeR vor, öm, Öh, herr. Wiederse- äH, TSCHÜSS. Eine Stichflamme schoss empor, und als das Feuer langsam herabsank, war Hnirschruahrg verschwunden.
Der Herr ging zu dem leblos daliegenden Körper von Vater Complicius hinüber und schüttelte ihn an der Schulter. Mit glasigen Augen starrte ihn der Geistliche an, seine Lippen bebten, seine Glieder zitterten, sein Atem rasselte. Der Herr half ihm dabei, sich aufzusetzen.
„Ich weiß, Vater, dass ihr nicht in der Verfassung dafür seid, aber ich wüsste gerne, ob Sie vielleicht bereit wären, mir die Beichte abzunehmen. Ich fürchte nämlich, dass ich große Schuld auf mich geladen habe.“
Nach einer Weile konnte der Herr verstehen, was Vater Complicius ihm entgegenröchelte: „Was könnte das wohl sein, HERR?“
„Piepenkötter, angenehm. – Also: Ich fürchte, ich habe fürchterlich gelogen. Ich hoffe, ER kann mir das nachsehen.“

 

elisha schrieb:
Mach dir nichts draus, das meint er bei jedem. Das hat er sogar von meinem Beitrag gedacht
:bonk:

Übrigens sollte mal jemand nachsehen, ob wir nicht vom Thema abgekommen sind...


Moin Brudervomweber,

Ja, witzige Geschichte. Die Idee mit dem Niesen ist nett, die Pointe funktioniert. Ein bißchen lang zwischendurch vielleicht, aber das ist okay.

der Last der seit Dezennien
Was ist das denn?
ber sein Niesanfall hatte das Blut nicht nur in der Nase austreten lassen, sondern auch auf die Seiten des Gesangsbuches katapultiert, wo es in kreisrunder Form einige Complicius unbekannte, aber dennoch unverkennbar arkane Symbole gebildet hatte.
Oha... als ich das letzte Mal Nasenbluten hatte, hab ich mich anstrengen müssen, genug zusammenzukriegen, um den Einsatz eines Taschentuch zu rechtfertigen. Und der schnoddert sich gleich ganze Formaln zusammen? ;)
Piepenkötter, angenehm
Warum so ein alberner Name?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, gnoebel.

Danke für's Lesen.

Dezennien sind aus dem Lateinischen eingedeutsche Jahrzehnte (decem = zehn). Wir sind hier schließlich auf heiligem Boden, gnoebellander. Und was die Mächte der Finsternis so aus Pfaffennasen rausholen können, ist bislang nicht dokumentiert.

Warum so ein alberner Name?

Weil ich immer so alberne Namen mache. Und dabei noch von der Wirklichkeit überholt werde. Unsere nordrheinwestfälische Justizvollzugsministerin heißt sogar Müller-Piepenkötter. Immerhin habe ich die Doppelnamen vermieden.

Gruß
bvw

 

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