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Holzfällen
„Papa!“ jubelte es durch die sauberen Flure, als sich die Türe öffnet. Die Mädchen, Susanne und Anni, laufen barfuß und mit wippenden Locken ihrem Vater entgegen. Endlich war er wieder da, der Papa, groß und fremd, sie hatten lange warten müssen und sich gefreut von Tag zu Tag, wenn ihnen die Mutter vor dem Zubettgehen von dem Papa erzählte, der armen Menschen half, Staudämme zu bauen und große Bäume zu fällen, damit alle zu essen und zu trinken hatten. Die Mädchen hatten ein Türchen nach dem anderen auf ihrem selbst gebastelten Kalender geöffnet, der an der Türe hing wie einer dieser Adventskalender mit Schokolade darin, es ist ein „Papa kommt heim“-Kalender, und deshalb konnte man mit einiger Mühe eben genau diese drei Worte entziffern, "Papa" - "kommt" - "heim", auf der Bastelei, unleserlich, mit viel Mühe. Worte, die eines der Mädchen, wahrscheinlich die Ältere von beiden, mit einem winzigen Pinsel stolz abgemalt hatte nach einer Vorlage der Mutter. Und die letzte der Türchen, das war eben die Haustüre selbst, und die öffnete sich, wie versprochen, so pünktlich. „Meine Engelchen!“, seufzte der Vater, braungebrannt, im Sakko, und kniete sich hin, um die Küsschen zu empfangen, klein und feucht, mit halb offenen Mündern, süßer als süß. „Wart ihr auch brav?“, lächelte der Heimgekehrte und blickte in die hellen Augen seiner Töchter. „Jawohl.“, sagte die Ältere mit einem Hauch kindlicher Ernsthaftigkeit und nickte langsam und eindringlich, denn sie war tatsächlich brav gewesen, und die Jüngere, die mit staunendem Mund die ungewohnte Bewegung an ihrer älteren Schwester beobachtete, ahmte es mit verschränkten Fingerchen und unbeholfen nach. Dem Vater wurde warm ums Herz. „Das ist lieb von euch gewesen. Ihr seid meine großen Mädchen. Wo ist denn Mama?“ Die kleine Anni rannte bei dem Wort „Mama“ ins Wohnzimmer, gefolgt von Papa mit den Koffern und der älteren Susanne, der es nicht recht war, daß die Kleinere sich das Recht nehmen wollte, den Brief zu holen. Den wichtigen Brief, den die Mutter doch eigentlich ihr anvertraut hatte mit der Ermahnung: „Und wenn Papa da ist, dann sagst Du ihm, daß ich nur noch schnell was einkaufen gegangen bin. In Ordnung? Und seid lieb und tobt nicht rum. Hier, diesen Brief gibst Du ihm, ja? Susanne?“ – - - -
„Priief!“, jubelte die Kleine aus dem Wohnzimmer und tanzte mit dem Papier in der Hand um den Wohnzimmertisch. Susanne hatte ihm den Brief geben wollen, nun war die Überraschung weg, wie ärgerlich. „Schon gut, Annilein, den Brief lese ich nachher.“ Und mit diesen Worten legte Papa einen der Koffer auf den Wohnzimmertisch. Anni ließ das Ärmchen mit dem Brief langsam sinken und staunte ihre Schwester an: war es denn nicht wichtig gewesen, das mit dem Brief? Susanne hockte sich mit verschmitztem Seitenblick auf die verdutzte Anni neben das Sofa und blickte an ihrem Papa empor. So kannte sie ihn, er war immer ganz gerecht gewesen. Sie liebte ihn.
Papa setzt sich mit einem Seufzer der Entspannung auf das reinlich gebürstete Sofa, streichelte der lächelnden Susanne durch die braunen, weichen Locken und öffnet den Aktenkoffer. „Wollt ihr sehen, was ich aus Thailand mitgebracht habe? Hier, schaut mal!“ Und mit diesen Worten holt Papa eine kompliziert geschwungene thailändische Axt aus dem Koffer. „Oh!“ raunen die kleinen Mädchen. „Ist das ein Spielzeug? Oder ein Messer?“, fragt Susanne. Es war nicht leicht zu erkennen, daß es eines dieser Werkzeuge war, mit denen man leichtes Holz fällen konnte, dort, in Thailand, im tropischen Gebüsch. Und Anni setzt sich über alle Maßen erstaunt auf den Teppich und starrt auf das sonderbare, blitzende Metallding, an dessen Griff eine Troddel baumelte. „Spiielzeuk ….“, sagt sie und reibt sich die juckende Nase mit ihrem winzigen Patschhändchen. „Ja, das ist ein Spielzeug! Aber Vorsicht, das ist scharf. Siehst Du?“. Susanne nähert sich langsam und zählt laut und unverhohlen die in das Metall geätzten Verzierungen. Nie hatte sie so etwas Schönes, Kompliziertes gesehen. „Oh, das ist schön. Schau mal, das ist ein Vogel und ein Krokodil!“ – „Das ist kein Krokodil, das ist ein Drachen! Das bringt Glück.“ – „Klück!“, wiederholte Anni nachdenklich und stand auf, um sich taumelnd wieder auf den Hosenboden zu setzen, wie nur Kleinkinder aufrecht am Boden sitzen können, mit ausgestreckten nackten Beinchen. „Sollen wir es schnell einpacken für Mama?“ fragte Susanne besorgt, denn sie wußte, daß Mama jeden Augenblick kommen konnte vom Markt dort hinter der Straße. „Nein, meine Herzen, wir machen ein Spiel. Ich setze mir diese Mütze auf … siehst Du, so ….“ Susanne lachte, ihr Papa sah ja aus wie ein Schornsteinfeger mit dieser schwarzen Mütze aus Seide. „… siehst Du? Und dann stellen wir uns so vor die Wohnungstüre, ihr haltet euch an den Händen und ich stehe hinter euch. Dann halte ich das Geschenk ganz weit oben, seht ihr, so …“ Und mit diesen Worten reckt er den Säbel weit von sich, die Troddel springt hin und her. „Und wenn Mama kommt, mache ich ganz schnell so!“ Ein fauchendes Geräusch sich teilender Luft an der Klinge saust über den Köpfen der Mädchen, die überrascht und fröhlich aufjauchzen, als sie die Klinge an ihren Haaren spüren, während die Axt über sie hinwegsaust wie ein verirrter Spatz im Park. „Jawohl!“, ruft Susanne und rennt sofort zur Wohnungstüre, diesmal wäre sie die erste und nicht Anni, und um das Spiel schnell vorzubereiten, bevor es zu spät wäre und Mama erscheint, mit Körben voller Obst und Gemüse. „Jafohl!“, jubelte jetzt auch Anni und rannte der Schwester hinterher. Papa lacht und steht auf, die prächtige Axt in der Hand, eine schwere Waffe, und rückt sich die Seidenmütze auf dem Kopf zurecht, sie passt nicht ganz, sie ist zu groß. Die Mädchen, sie hatten das Spiel so schnell begriffen, standen gehorsam Hand in Hand und erwartungsvoll vor der Türe, leise kichernd, aufgeregt, während sich Papa hinter ihnen aufbaut, positioniert, und mit seinen untrainierten Armen Schwierigkeiten hat, die thailändische Axt in die Höhe zu halten, hoch neben den winzigen Köpfen seiner Töchter. „Schön nahe beieinander, ja? Bleibt genau so stehen, ja?“ mahnte er noch mit vor Anstrengung zitternder Stimme, während das Geräusch der sich beeilenden Mutter vor der Türe vernehmlich wird. „Mama?“ fragte Anni noch einmal, verstummte jedoch, als sie den mahnenden Händedruck von Susanne spürt, damit sie ruhig sei, damit sie still stehen bleibt, bis Mama kommt und alles sieht.