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Honigmond

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10.09.2007
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Honigmond

Als es zu dämmern begann, blinkte die Leuchtreklame eines Motels zwischen den Mammutbäumen auf. Das Yosemite Valley lag nur noch wenige Meilen entfernt. Christine seufzte und massierte sich die Schläfen, als ich auf den kiesigen Parkplatz einbog und die Handbremse zog. Der Weg zur Rezeption war schlammig. Kein anderes Auto war zu sehen. Im Empfangsraum hockte ein übergewichtiger Mann in einem fleckigen Unterhemd hinter seinem Schalter und sah sich eine Schießerei im Fernsehen an. Als ich die Tür hinter mir schloss, hob er langsam den Blick.
„How ya doin? Need a room for tonight?”
Ich nickte.
„Ein Doppelzimmer, Queen Size, möglichst billig.“
Der Stuhl knarrte, als er langsam aufstand.
„Vierzig Dollar. Ein sehr kleines Zimmer. Das normale kostet 50.“
An seinem Unterhemd war ein Schild befestigt, auf dem „James“ stand. Er fischte zwei Schlüssel aus einer Schublade und schob sich an mir vorbei nach draußen. Christine stand am Auto und sah mich mit versteinerter Miene an, während James und ich durch den schlammigen Hof stapften. Vor einer schiefen Tür fummelte er mit dem Schlüssel herum. Als die Tür sich öffnete, schlug mir der Geruch von feuchten Handtüchern entgegen. Das Zimmer bestand im Wesentlichen aus vier Wänden, zwischen die ein Bett gedrängt war. Auf einem Fensterbrett balancierte ein Fernseher, und direkt daneben war ein rostiges Gitter in die Wand eingelassen. Schöne Flitterwochen, dachte ich bitter. James grinste.
„Wie gesagt, ein kleines Zimmer. Aber alles ist da, hier: Badezimmer.“
Er stieß eine Tür auf, hinter der sich eine Duschkabine und eine Toilette den spärlichen Platz teilten. James strich sich über den Bauch.
„Vielleicht ist es zu klein. Ich zeige Ihnen das andere Zimmer.“
„Nicht nötig, wir nehmen dies hier“, entschied ich.

Christine war wütend, weil ich angeblich die Heizung kaputtgemacht hatte. James hatte am Gitter herumgeschraubt gemurmelt, es würde uns zu kalt werden. Nun brannte dort eine Gasflamme und die Temperatur stieg. Als ich versucht hatte, die Heizung herunterzudrehen, war der Knopf abgefallen und unters Bett gerollt. Wir konnten das Fenster nicht öffnen, weil der Fernseher es blockierte.
„Meinst Du, ich will mich rösten lassen?“ schrie Christine, während sie ihre Kreditkarte wieder ins Portemonnaie schob.
Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und machte den Fernseher an. Auf einem Kanal lief ,Star Wars‘. Ich verzog mich ins Bad. Als ich die Tür wieder aufmachte, hörte ich einen Knall. Christine saß mit einer Flasche Charles Shaw auf dem Bett und lächelte. Sie hob die Weinflasche an die Lippen und gurgelte.
„Schade, dass wir nicht noch irgendwo hingehen können“, meinte sie, „hier ist ja nichts in der Gegend.“
Ich schaute auf den Fernseher.
„James meinte, sie zeigen heute Abend ‚Stirb Langsam‘ auf dem Videokanal.“ Christine nahm noch einen Schluck und blickte mich abschätzig an. Von dem Gitter her strahlte die Hitze in den Raum, von der offenen Tür her zog gleichzeitig Kälte hinein.
„Ich denke, wir müssen die Tür zumachen. Wegen der Mücken“, meinte sie. Ich schob die Tür mit dem Fuß zu. Es wurde spürbar heißer.
„Wie viel Wasser haben wir noch?“, fragte ich .
„Vier Flaschen.“
Ich nahm ihr den Wein aus der Hand und trank einen Schluck.
„Wir müssen den Wein trinken, bevor er zu warm wird“, meinte ich und goss nach. Eine Zeit lang sagten wir nichts und guckten auf den Fernseher. Christine schaltete ihr Handy aus und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Endlich, dachte ich und reichte ihr die Flasche. Der Schweiß rann uns aus allen Poren. Irgendwann küssten wir uns. Ich zog Christines T-Shirt aus und strich über ihren verschwitzten Körper. Sie warf sich zurück aufs Bett und zog mich zu sich. Die Haare hingen ihr ins Gesicht.

Etwas später waren es gefühlte 50° C. Ich wickelte die Decke um meine Hüfte, öffnete die Tür und zündete mir eine Kippe an. Draußen zirpten die Insekten, während drinnen unabänderlich die Gasflamme knisterte. Ich blickte in die Dunkelheit und sah, dass ein Nebel heraufzog. Dann warf ich die Zigarette übers Geländer, legte mich neben Christine und strich ihr über das Haar. Sie nahm meine Hand, rückte ihren Kopf auf meine Schulter und schlief ein.

Als ich aufwachte, war die Tür noch offen. Christine räkelte sich und schaltete ihr Handy ein.
„Acht Uhr“, meinte sie und tippte darauf herum.
Von dem Gasgeruch hatte ich Kopfschmerzen. Ich stolperte in die Dusche, noch bevor ich hören konnte, ob sie eine SMS bekommen hatte. Während der Nacht hatte ich einige neue Mückenstiche bekommen. Ich stellte mich unter die Brause und ließ das Wasser an. Als ich gerade die richtige Temperatur gefunden hatte, hämmerte Christine an die Tür. Ich öffnete.
„Was ist los?“ Sie hustete.
„Kann ich mal den Autoschlüssel haben?“
Ich griff nach einem Handtuch.
„Der müsste in meiner Jeans sein.“
„Ist er nicht.“ Ich blickte an mir herunter.
„Also ich hab ihn nicht, wie Du sehen kannst.“
„Aber Du hattest ihn zuletzt.“
Ich überlegte.
„Ich glaube nicht.“
Christine ließ die Tür offen, drehte sich um und schaute unterm Bett nach. Sie tastete unsere Kleidung ab.
„Hast Du ihn in der Autotür stecken lassen?“
„Nein!“
„Na, hoffentlich ist die Karre noch da!“
Ich band mir das Handtuch um die Hüfte und lief nach draußen. Es war ein nebliger Morgen. Auf der Treppe rutschte ich beinahe aus. Fluchend rannte ich zwischen den Bungalows zum Parkplatz und konnte das Auto in den Nebelschwaden sehen. Die Türen waren abgeschlossen. Ich wischte mit dem Unterarm über das Seitenfenster. Natürlich steckte der Schlüssel nicht, wie auch? Ich stapfte durch den Matsch zurück in das Zimmer. Christine lag auf dem Bett und sah mich fragend an.
„Also das Auto ist da. Der Schlüssel nicht.“
Sie hustete.
„Wir kommen von hier nicht weiter. Was machen wir jetzt?“
„Wir finden den Schlüssel, verdammt!“
Ich zog mir eine Jeans und ein T-Shirt über. Wir durchsuchten nochmal das Zimmer. Nichts. Ich ging zur Rezeption; niemand war da, nur ein Schild mit einem Smiley und dem Schriftzug: „I’ll be back in half an hour“. Wütend marschierte ich zum Zimmer zurück. Christine lag im Bett und starrte gegen die Decke.
„Was ist los?“ rief ich. Sie hob den Kopf, um mich anzublicken. Ihre Augen waren glasig.
„Bist Du krank?“
Sie stöhnte.
„Ich weiß nicht.“
Ihr Handy klingelte. Ich ging wieder nach draußen und rauchte eine Zigarette. Nach einer Weile hörte ich von drinnen ein Schluchzen. Ich ging ein Stück weiter zum Auto und suchte den Boden ab. Nichts. Als ich wieder zurückging, starrte Christine an die Decke.
„Scheiße,“ murmelte sie.
Ich holte die Iburprofen aus dem Bad und setzte mich neben sie. Sie stöhnte. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter. Wir schwiegen. Irgendwann schaltete ich den Fernseher an. Nach wenigen Minuten wurde ihr Atem gleichmäßiger und sie schlief ein.

In der Nacht wachte ich auf, weil jemand an meiner Decke zog. Es war Christine.
„Nimmst Du mich in den Arm?“ fragte sie.
Ich strich ihr über die Stirn. Sie hatte geweint.
„Ist doch alles gut“, murmelte ich.
Die verdammte Hitze im Zimmer nahm nicht ab. Ich blickte aus dem Fenster und konnte den Mond schwach durch den Nebel erkennen.
„Ich fahre nicht nach Paris“, flüsterte sie.
Ich zuckte zusammen.
„Mit Vincent ist Schluss.“
Ich sah sie an. Das Mondlicht schien auf ihr blasses, vom Weinen aufgequollenes Gesicht. Sie trug ein weißes, ausgeleiertes T-Shirt. Wie ein kleines Mädchen. Ich schluckte und strich ihr übers Haar. Sie begann wieder zu weinen.

Die Rezeption war auch am nächsten Morgen noch unbesetzt. Ich stieg die Treppe zu unserem Zimmer hoch. Christine schlief. Ihr Kopf war rot und sie atmete schwer. Ich blickte auf ihr Handy: „3 missed calls“. Da fasste ich einen Entschluss. Vorsichtig zog ich meine Tasche unter dem Bett hervor, schlich nach draußen und zog langsam die Tür zu. Die Straße war nicht besonders befahren und ich rechnete damit, dass es eine Weile dauern würde, bis jemand anhalten würde. Einige PKW brausten vorbei. Es schien mir, als hätte sich der Nebel ein wenig gelichtet, als ein roter Dodge anhielt. Als ich meine Tasche auf die Rückbank warf, war ich mir sicher, ihren Blick auf meinem Rücken zu spüren.

 

Hallo TeBeEM,
dein Schreibstil gefaellt mir sehr gut, knappe klare Saetze, die gut dieses "on the road" feeling aufkommen lassen. Insgesamt finde ich deine story gelungen, man schwitzt ja richtig mit! Was ich ein kleines bisschen unglaubwuerdig finde, ist dass der Hotel Manager nie da ist. Ich weiss ja jetzt nicht, ob du das erlebt hast oder nicht, aber das kann ich mir schwer vorstellen. Er will ja auch sein Geld haben, nicht? (Es sei denn, sie haben ihr Kreditkarte hinterlasen, aber das muesste man dann vielleicht erwaehnen?)
Abgesehen davon fand ich es gut!
viele gruesse, sammamish

 

Hallo sammamish,

freut mich, dass Dir die Geschichte gefällt. Das mit dem Motel-Typen habe ich bewusst ein bisschen bizarr gehalten, aber die Kreditkarten-Nummer ist eine gute Idee, vielen Dank. Erlebt habe ich das nicht, zumindest das, was auf der erzählten Ebene passiert ist ;)

Viele Grüße
TeBeEm

 

Hallo TeBeEM,

Als ich versucht hatte, die Heizung herunterzudrehen, war der Knopf war abgefallen und unters Bett gerollt.

„Nicht nötig, wir nehmen dies hier,“ entschied ich.
Die Kommata gehören hinter die wörtliche Rede, also: „Nicht nötig, wir nehmen dies hier“, entschied ich.
Ist ein Fehler, den du konsequent machst.

Ich ging zur Rezeption; niemand war da, nur ein Schild mit einem Smiley und dem Schriftzug: „I’ll be back in half an hour“. Wütend marschierte ich zum Zimmer zurück. Christine lag im Bett und schlief.
Das mit dem Einschlafen scheint mir hier ein wenig zu schnell zu gehen; sie durchsuchen zusammen das Zimmer, er geht kurz weg (wenige Minuten) und dann schläft sie? Würde ich noch mal überdenken.

Der Stil der Geschichte gefällt mir: Knapp und sehr echt, passt zur Handlung. Diese gefällt mir in den Grundzügen auch gut, aber das Ende machte mich ein wenig stutzig. Wenn ich es richtig verstanden habe, macht sich der Protagonist vom Acker, weil er der Situation nicht gewachsen ist.
Das kommt für mich aber ein wenig abrupt - es wäre aus meiner Sicht nötig gewesen, die Spannung, die der Situation zu eigen ist, mehr herauszustellen. Die Emotionen des Protagonisten müssten deutlicher werden.
Alles in allem aber eine gelungene Geschichte.


Gruß,
Abdul

 

hallo Honigmond,

munter erzählt, locker zu lesen - allerdings wirkt es zu Ende hin auf mich so, als hättest Du nicht recht weitergewußt und läßt den Protagonisten dann doch arg schnell das Weite suchen. Das ist nicht so richtig nachvollziehbar.

'Das Zimmer bestand im Wesentlichen aus vier Wänden...' - gilt das nicht im Wesentlichen für fast alle Zimmer dieser Welt? ;-)

Viele Grüße vom gox

 

Hallo Abdul und gox,

vielen Dank für die guten Kommentare. Ich habe die Geschichte jetzt endlich noch einmal überarbeitet und denke, dass sie jetzt besser funktioniert. Allerdings habe ich bewusst einen Ich-Erzähler gewählt, der manipulieren und verschweigen kann ;)

Viele Grüße
TeBeEm

 

Hi TeBeEm,

also ich muß sagen, daß ich Deine routiniert geschriebene Geschichte nicht so richtig verstehen kann und dann verwirren/stören mich Aussagen, wie:

Allerdings habe ich bewusst einen Ich-Erzähler gewählt, der manipulieren und verschweigen kann

Erzeugt bei mir dann immer das Unwohlsein
- habe ich es nicht gelesen oder
- hat es der Autor vermieden/vergessen zu schreiben

Möchte kurz beschreiben, wie sich mir die Situation darstellt.

Mit deiner Überschrift und dem Beginn führst Du den Leser ja offensichtlich auf die falsche Spur, da man ja ein junges Paar auf improvisierter Flitterwochenreise vermutet.

Aber so, wie es dann weitergeht, lese ich heraus:
Sie macht mit ihrem eigentlichen Freund (Vincent) Schluß, was ihm nicht gefällt, weil er sie offensichtlich nur als Liebhaberin schätzt.

So gut, so einfach.

Allerdings paßt dann die Reise nicht mehr ins Bild. Wenn er mit Ihr nur in sexueller Hinsicht etwas anfangen kann, warum fahren sie in die Pampa und mieten sich eine provisorische Unterkunft?

Oder ist es so, daß Deinem Prot. die Erkenntnis, daß sie´s nicht ist, erst während diesen beiden Tagen kommt. Dann sollte dieser Entwicklung deutlich mehr Raum eingeräumt werden.
Bei ihr ist mein Bild noch verschwommener. Was will sie nun eigentlich? Erstmal gar nichts und dann entscheidet sie sich? Wie steht sie zum Urlaub in der "Economy Class". Am Anfang noch in der Rolle einer Geliebten, dann in der Rolle der Frau, die sich für ihn entschieden hat, trotz der unerfreulichen Umstände um sie herum.

Fazit:
Für mich paßt das alles noch nicht zusammen und darum weiß ich auch nicht genau, wo Du hiermit hinwolltest. Du hast das Ambiente routiniert (am Anfang etwas sehr klischeebeladen) erzeugt, Du hast Anlagen für zwei interessante Figuren und das Handwerk verstehst Du auch, ich denke, nun sollte man noch mal in die Feinarbeit gehen und eine stimmige, nachvollziehbare Geschichte herausholen, wo es offensichtlich eine Entwicklung, da Entscheidung gibt.

Und ich als Leser möchte dies irgendwie nachvollziehen können, um eben für mich etwas mit rauszunehmen.

Gruß
mac

 

Hallo Mac,

vielen Dank für Deine sehr interessanten Kommentare. Mir geht es in der Geschichte u.a. um eine Darstellung der Widersprüchlichkeit und Mehrdimensionalität, die in menschlichen Beziehungen steckt, gerade wenn sie noch etwas oberflächlicher sind. Ich denke, es ist häufig zu einfach, eine Beziehung auf "entweder die Richtige/etwas Festes oder nur etwas Sexuelles" zu reduzieren, findest Du nicht?

Daher auch der Urlaub, der aus der Sicht des Protagonisten sicherlich so etwas wie Flitterwochen "light" ist, weil er das Mädel ja irgendwie schon mag. Als das ganze etwas verbindlicher zu werden droht und die beiden auch noch feststecken, verändert die Reise allerdings ihren Charakter. Dann stellen sich auf einmal ganz andere Fragen. Vielleicht sollte ich diese Entwicklung im Protagonisten wirklich stärker herausarbeiten, muss ich mal in Ruhe überlegen.

Und mit dem manipulierenden Erzähler meinte ich einen Erzähler, der sich Mühe gibt, die eigene Schwäche und das Zweifeln an der Richtigkeit des eigenen Handelns zu verschweigen.

Nochmal danke für Dein Feedback, das mich zum Nachdenken angeregt hat...

Viele Grüße
TeBeEm

 

Hi TeBeEm,

Mir geht es in der Geschichte u.a. um eine Darstellung der Widersprüchlichkeit und Mehrdimensionalität, die in menschlichen Beziehungen steckt, gerade wenn sie noch etwas oberflächlicher sind.
Gut, finde ich schon mal gut, daß es ein Ziel gibt, allerdings ist jenes für mich dann schon sehr komplex, denn die Mehrdimensionalität in oberflächlichen Beziehungen darzustellen - naja das wirkt für mich erst mal wie ein Paradoxon.
Aber nun ja, man wächst ja mit den Herausforderungen.

Ich denke, es ist häufig zu einfach, eine Beziehung auf "entweder die Richtige/etwas Festes oder nur etwas Sexuelles" zu reduzieren, findest Du nicht?
Korrekt, am Anfang steht aber immer erstmal die Reduktion auf etwas Grundsätzliches.
Und auch wenn die Konstellation sich erst sehr spät offenbart, ist es offensichtlich so, daß die Frau zweigleisig fährt, sich also nicht entscheiden kann oder gerade bei der Entscheidungsfindung ist.
Diese Konstellation ist aber gleichzeitig eine Art ... Machtgefüge würde ich es mal ausdrücken.
D.h. der Prot. fängt etwas mit ihr an OBWOHL er weiß, daß es noch einen gibt. Das setzt die Frau implizit in den Status der Person, die über dem Prot. steht.

In Deiner Geschichte ist es aber der Prot. der von Anfang das Zepter schwingt und die Organisation übernommen hat, so wirkt es jedenfalls. Damit wird also der Leser (trotz der später aufgelösten Situation) von Beginn auf eine andere Konstellation gelenkt, die sich übrigens nicht ändert. Er ist konstant der Stärkere.

Und dann will ich als Leser natürlich wissen:
Was hat er sich von dem Urlaub erwartet? Wie ist es dazu gekommen? Was ist mit Paris und dem Anderen?
Wie steht er ihren Trennungsabsichten und -handlungen gegenüber.

Das solltest Du nicht ausblenden, indem Du ihn nur rausschickst, um emotionslos eine zu rauchen.

Als das ganze etwas verbindlicher zu werden droht und die beiden auch noch
feststecken, verändert die Reise allerdings ihren Charakter. Dann stellen sich auf einmal ganz andere Fragen. Vielleicht sollte ich diese Entwicklung im Protagonisten wirklich stärker herausarbeiten, muss ich mal in Ruhe überlegen.
Hier steckt ja implizit das drin, was ich auch etwas direkter ausgedrückt habe. Worauf läßt sich denn eine zwanglose, "unverbindliche" Beziehung zurückführen? Man kann miteinander alles anstellen und muß keine Verantwortung übernehmen.
Weil es aber keine Zwänge gibt und sich keiner Verbiegen muß, ist eben die zwanghafte (weil unkomfortable Umgebung) ein Widerspruch, der erklärt werden muß, weil ansonsten das umgekehrte passiert. Der Leser schließt von einer mit Zwängen behafteten Umgebung (in die sich beide freiwillig begeben) auf die zwanghafte Beziehung (Ehe). Nicht bewußt, sondern unbewußt.

D.h. entweder erklärst Du, warum sie gerade dort sind und dann tritt dieser Grund in den Vordergrund oder es wird als Allegorie (falsch) gedeutet. Dessen solltest Du Dir als Autor bewußt sein.

Nochmal zur Intention:

Als das ganze etwas verbindlicher zu werden droht und die beiden auch noch
feststecken, verändert die Reise allerdings ihren Charakter. Dann stellen sich auf einmal ganz andere Fragen.
Das es verbindlicher wird, wird erst im vorletzten Abschnitt klar, d.h. der Schwerpunkt liegt momentan nicht darauf.
Wenn Deine Hoffnung wirklich ist, daß wir hier den Twist nachvollziehen können, dann muß der Konflikt des Prot. deutlicher werden und zwar schon oben.

Möglicherweise versucht Du das ja auszudrücken, indem Du den Prot. die Umgebung negativer wahrnehmen läßt, als sie ist. D.h. er ist schon genervt und fühlt sich eigentlich nicht wohl und er hat sich das anders vorgestellt.
Das ist natürlich etwas komplizierter, wenn Du es aus der ICH-Perspektive schilderst, denn der Leser geht davon aus, daß es so ist, wie es geschildert wird.
Du kannst es machen, indem Du deutlich subjektive Einflüße einbaust, die der Leser auch deutlich erkennt.
Ideal eignet sich die Beobachtung der Frau mit den Augen des Prots. und hier kannst Du auch eine Entwicklung der Wahrnehmung einbauen. D.h. am Anfang ist sie evtl. noch begehrenswert und geschminkt, aber im Lauf der Geschichte, wenn sie dann verschwitzt im Bett liegt, im Schein der Nachttischlampe, ihre überzogene Hysterie beim verlorenen Schlüssel usw. erscheint sie dem Betrachter immer ungünstiger und dann ist die Trennung von ihrem Anderen und die Vorstellung, daß er sich nicht mehr einfach so (ohne Konsequenzen) zurückziehen kann, einfach zu viel für ihn.

Fazit:
Gerade bei einem Ich-Erzähler ist es schwer, die nicht offen sichtbare Ebene rüberzubringen und diese ist hier ja ein Kernpunkt in der Geschichte.
Bsp:

Schöne Flitterwochen, dachte ich bitter. James grinste.
Es sind keine Flitterwochen, Dein Ich-Erzähler denkt es aber und der Leser muß es als Tatsache aufnehmen.

Heißt, es muß sauber zu trennen sein, zwischen unbewerteten Schilderungen, die die Umgebung wiedergeben und die Geschichte vorantrieben und subjektiven Eindrücken des Protagonisten.
Idealerweise sollte hier eine Steigerung/ Entwicklung eingebaut werden. D.h. von kleinen Hinweisen auf richtig ausformulierte Wahrnehmungen, die dann auch die Entwicklung des Prot. repräsentieren.

Bsp:

Christine war wütend, weil ich angeblich die Heizung kaputtgemacht hatte. James hatte am Gitter herumgeschraubt gemurmelt, es würde uns zu kalt werden. Nun brannte dort eine Gasflamme und die Temperatur stieg. Als ich versucht hatte, die Heizung herunterzudrehen, war der Knopf abgefallen und unters Bett gerollt. Wir konnten das Fenster nicht öffnen, weil der Fernseher es blockierte.
„Meinst Du, ich will mich rösten lassen?“ schrie Christine, während sie ihre Kreditkarte wieder ins Portemonnaie schob.
Wäre ein gutes Beispiel, um das subjektive Empfinden darzulegen, verpufft momentan, schon allein, weil es mit dem Kreditkartenbild abgeschlossen wird.
Dieses Zurückschieben der Kreditkarte (das ich übrigens gar nicht so richtig verstehe) ist etwas Abschließendes. D.h. dieses Vorkommnis bleibt nicht hängen und gärt irgendwie im Hintergrund weiter. Sondern die Frau regt sich zwar auf, die Situation ist geklärt. Es bleibt nichts zurück.

Das Heizungsding könnte eine Sache sein, die immer wieder hochkommt und sich damit als Sinnbild der Beziehung darstellt.
Es brodelt immer mehr und irgendwann kocht es bei ihm über...

Ich weiß nicht, ob Dir die Wendung mit den Flitterwochen (also daß es keine sind und die beiden nur ein Liebespaar) erst später gekommen sind.
Aus meiner Sicht solltest Du die Geschichte noch mal hinsichtlich Deiner Intention durchlesen und dahingehend überarbeiten, daß das, was Du vermitteln willst, auch wirklich ankommt.
Das sind überall einige Kleinigkeiten, die aber das Gesamtbild dahingehend verschieben können, daß auch das ankommt, was Du ziegen willst. Und dann wird evtl. auch die Entscheidung des Protagonisten nachvollziehbar. Du kannst und darfst es aber nur dann überstürzen, wenn die Vorbereitungen im Vorfeld getroffen wurden, ansonsten hinterläßt Du ratlose Leser.

Grüße
mac

 

Hi Mac,

Gut, finde ich schon mal gut, daß es ein Ziel gibt, allerdings ist jenes für mich dann schon sehr komplex, denn die Mehrdimensionalität in oberflächlichen Beziehungen darzustellen - naja das wirkt für mich erst mal wie ein Paradoxon.
Aber nun ja, man wächst ja mit den Herausforderungen.

Na klar...über 1+1=2 zu schreiben wäre doch ziemlich schnell abgenutzt ;)

In Deiner Geschichte ist es aber der Prot. der von Anfang das Zepter schwingt und die Organisation übernommen hat, so wirkt es jedenfalls. Damit wird also der Leser (trotz der später aufgelösten Situation) von Beginn auf eine andere Konstellation gelenkt, die sich übrigens nicht ändert. Er ist konstant der Stärkere.

Da bin ich mir nicht sicher. Ich hab mir die Geschichte gerade nochmal durchgelesen und denke, dass eigentlich genügend Hinweise darauf eingebaut sind, dass sie anfangs die Stärkere ist - sie öffnet die Weinflasche, sie fängt die Intimität an, etc. Er flieht immer dann, wenn es zu schwierig wird - ins Bad, vor die Tür oder halt ins Weite...

Gerade bei einem Ich-Erzähler ist es schwer, die nicht offen sichtbare Ebene rüberzubringen und diese ist hier ja ein Kernpunkt in der Geschichte.
Bsp:

Es sind keine Flitterwochen, Dein Ich-Erzähler denkt es aber und der Leser muß es als Tatsache aufnehmen.

Heißt, es muß sauber zu trennen sein, zwischen unbewerteten Schilderungen, die die Umgebung wiedergeben und die Geschichte vorantrieben und subjektiven Eindrücken des Protagonisten.
Idealerweise sollte hier eine Steigerung/ Entwicklung eingebaut werden. D.h. von kleinen Hinweisen auf richtig ausformulierte Wahrnehmungen, die dann auch die Entwicklung des Prot. repräsentieren.


Okay, ich denke damit hast Du wirklich den Punkt getroffen - was auch Deine drei Vorredner schon angesprochen haben - ich denke, ich muss an der Entwicklung der Handlung, speziell zum Ende hin, noch arbeiten und vielleicht hier und da deutlicher werden, was Realität und was Einbildung ist. Allerdings besteht ja gerade in der Vermengung dieser Ebenen der Reiz einer Ich-Erzählung. Kompliziert darf es schon sein, unverständlich natürlich nicht. Und da denke ich, dass das Ende noch nicht schlüssig genug ist. Werd ich mich nochmal ransetzen.

Nochmal vielen Dank für Deine guten, kritischen Kommentare!

Gruß
TeBeEm

 

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