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how to survive in germany!

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21.03.2005
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how to survive in germany!

Ich kam nach Deutschland, weil es in meiner Heimat langweilig wurde. An die Busfahrt kann ich mich nur vage erinnern. Neben mir saß ein Eisenwarenhändler aus Kiew, der in Deutschland das Geschäft seines Lebens vor sich hatte. Er hatte einem reichen Altnazi übers Internet eine fünfzig Zentimeter dicke Stahltür für dessen Notfallbunker verkauft. Er war sehr aufgeregt und wir kamen völlig betrunken am Busbahnhof an. Dort verloren wir uns aus den Augen. Er fand kein Taxi, das eine 2x1 Meter große Stahlplatte und einen betrunkenen Russen mitnahm. Ich sah ihn nie wieder. Was jedoch viel schlimmer war, war die Tatsache, daß man mir mein Kleiderbündel und meine Brieftasche geklaut hatte, als ich mir gerade von einem Punk den Weg zum Bahnhofsklo erklären ließ. Ich hatte nichts mehr. Traurig saß ich am Bahnsteig auf dem Boden, die Leute gingen zur Arbeit und bestimmt hundert verschiedene Parfumdüfte streiften meine Nase. Es war abscheulich. Wenn die Bahn wegfuhr und die Menschen in sich verschlungen hatte, senkte sich der Duft zu mir herunter. Ich dachte an meine Kindheit, den Vater. Ich wollte sofort wieder abreisen, doch als ich nochmals tief einatmete roch ich zwischen all diesen Gerüchen meine Kleidung und mein Geld. So könnte dieser Ausflug nicht zu Ende gehen. Ich wußte, daß meine Sachen längst irgendwo in dem Kreislauf dieser Stadt verschwunden waren, doch ich wollte nur eine Runde in diesem Zirkel mitschwimmen und mir meinen Teil zurückholen. Wenn sie mich schon bestehlen und mich in ihren U-Bahnschächten den Gasen der Neuzeit aussetzen, so will ich mich doch wenigstens mit Würde verabschieden. Ich wollte mich rächen! Jetzt lag ich verzweifelt vor ihnen in der U-Bahn. Sie sahen auf mich herab, sahen in mir einen durch die von Osten kommende Kanalisation gespülten Nichtsnutz, der irgendwie bei ihnen gestrandet war und nun völlig betrunken da lag. Sie vergaßen einen so schnell, wie sie sich ein Urteil bildeten. Ich wollte es allen zeigen! Den Anzugträgern, den Dieben, den Düften. Sie alle sollten ein Lebenszeichen von mir zu spüren bekommen. Doch ich hatte keine Ahnung, wie mir das gelingen sollte und schon bald dachte ich nicht mehr daran.
Ich landete im Ausländerheim. Da ich mich weder am Haschischhandel der Afrikaner beteiligte, und auch keinen Platz bei den Vietnamesen bekam, die Zigaretten verkauften, entschloß ich mich, Dosenbier vor dem Heim zu verkaufen. Alle kauften mein Bier, und am besten lief es, wenn sie abends von der Arbeit zurückkamen. Die Russen tranken am meisten. Dann saßen sie oft bei mir herum, tranken, wurden redselig, und sahen meinen kleinen Stand nicht als Konkurrenz zu ihrem Geschäft, sondern als Treffpunkt nach einem langem Tag an. Mir schwebte, während sie langsam abend für abend immer betrunkener wurden, etwas anderes vor. Mich interessierte, im Gegensatz zu allen anderen hier, warum die Deutschen so viel mehr hatten. Ich ging nachts in ein reiches Viertel, und beobachtete die Deutschen. Ich lag in ihren Gärten auf ihren Liegestühlen und schaute ihnen Tage-und Nächtelang zu. Dann, nach einiger Zeit, ließ sich bei allen Haushalten, ein
immerwiederkehrendes Merkmal erkennen. Sie alle versammelten sich zum Fernsehen. Alle anderen Aktivitäten schienen dem Fernsehen untergeordnet zu sein. Fernsehen! Ich war mir sicher das Geheimnis der Deutschen gelüftet zu haben. Ich erhöhte die Dosenpreise, bestach Erwin, den Bierverkäufer am Kiosk, mit den Zigaretten der Vietnamesen, und war so in Sachen Bierverkauf im Umkreis von 2 Kilometern der Platzhirsch. Eines Tages warteten die durstigen Kehlen also vergeblich vor dem Heim, und klatschten Beifall, als ich mit einer großen Kiste an ihnen vorbei in meine Kammer ging. Ein geschickter Grieche verhalf mir zu über 70 Sendern, die ich nun zu studieren begann. Wo das Geld herkam wollte ich wissen, denn ich hatte auch viele Deutsche auf meiner Nobelvillensafari beobachtet, die den ganzen Tag zu hause verbrachten, und trotzdem im Geld zu schwimmen schienen. Auch hier sah ich bald, wo der Hund begraben lag. Das Geld wurde in Ratespielen gewonnen. Das war das moderne, freie Europa!! Ich beantworte ein paar Fragen, und werde nur aufgrund meiner Allgemeinbildung, die anzueeignen mich keinen Heller kostet, zu einem reichen und angesehenem Mann. Es gab diese Ratespiele in verschiedenen Versionen, doch im Grunde waren sie alle gleich, und beruhten auf dem Allgemeinwissen des Befragten. Die Studios dieser Sendungen waren, wie die Gärten und Wohnzimmer der reichen Deutschen mit viel Sorgfalt ausgestattet, doch interessant war auch hier nur der Bildschirm mit den Fragen, vor dem sich die Teilnehmer versammelten, und auf den die Zuschauer blickten. Ich war fest entschlossen, hier, in einem dieser Studios ein neuer Mensch zu werden. Doch dazu musste ich erst den Wissensvorsprung aufholen, den diejenigen Quizteilnehmer hatten, die mehr als ein paar Hundert Mark gewannen. Ich überlegte lange, wie ich das anstellen konnte, ohne Nächtelang in den Bibliotheken, die es irgendwo geben mußte, Bücher zu wälzen. Wieder halfen mir die Deutschen, ohne es zu wissen. Sie verrieten ihre besten Tricks, so ein Quiz zu gewinnen, ohne das es sie zu stören schien. Sie saßen überall! Am Bahnhof, beim Friseur, in der Kneipe.Und lösten Kreuzworträtsel! Ich machte mich also auf die Suche. In den Mülleimern der Nobelviertel wurde ich nicht fündig. Dann bekam ich von einem Zivi, der regelmäßig bei den Afrikanern Gras kaufte, einen heissen Tip. Ich fuhr mit ihm in ein Altenheim. Die Altpapiersammlung dort war das Mekka der Kreuzworträtsel. Sie gab es hier so zahlreich und in so vielen Variationen, daß ich Mühe hatte, alles in meinem kleinen Zimmer unterzubringen. Als ich nach 2 Wochen sämtliche Kaiser Europas und alle deutschen Flüsse auswendig aufsagen konnte( der Grieche fragte mich abends ab), tat ich den nächsten Schritt und meldete mich bei allen bekannten Ratequizs an. Eine Woche später, ich saß beim Griechen, der ein Telefon hatte, kam der Anruf. Eine junge Frau erklärte mir alles. Ich müsse drei Fragen richtig beantworten, um in einer Woche den
nächsten Anruf zu bekommen. Danach würde ich in die Endausscheidung vor Ort, das heißt im Studio kommen. Ich war bereit. Die erste Frage brachte mich zum Lachen. „ Was trinken die Russen am liebsten?“ „ In Deutschland?“ , fragte ich. „Ja, ja“, sagte sie beiläufig.
Für einen kurzen Moment wurde ich melancholisch, und dachte an die vielen Abende zurück, an denen all meine russischen Freunde das deutsche Bier in den Himmel lobten und sich um meinen kleinen Stand tummelten. „Hallo?“, sagte die Frau. „Ja, ja, natürlich, die Antwort ist Bier!“ Ich bereitete mich auf die nächste Frage vor. Geschichte, Erdkunde? Ich hoffte auf Literatur, da ich in diesem Gebiet das meiste Grundwissen hatte. Jedoch nur in russischer Literatur. Wußte ich genug über die deutsche Literatur? Aber dies war schliesslich die erste Runde. Sie würden noch keine richtig schweren Fragen stellen. Ich sollte mich entspannen. „Hey!“. Der Grieche. Was wollte er jetzt? „Wie liefs?“. Er nahm mir den Hörer aus der Hand, lauschte, schaute mich verwundert an und legte auf.
Zwei Wochen später hatte ich den Fernseher auf dem Flohmarkt verkauft. Ich kam mit einem Kühlschrank nach Hause und stieg im Gegensatz zu den anderen Russen von Dosenbier wieder auf Wodka um. Seit zwei Wochen verkauft Erwin die ersten Exemplare von „Kreuzworträtsel für Ausländer“. Mein Werk! Nachdem ich mich vergebens über 50 Mal bei den Quizshows unter verschiedenen Namen und Telefonnummern beworben hatte, hatte ich genug Material für die erste Ausgabe. Mein Deutsch wurde besser. Ich lernte mehr Deutsche kennen und so fielen mir immer mehr Fragen ein. Die anderen Ausländer, vor allem die Afrikaner, loben mich, sie verstünden die Deutschen jetzt besser und verteilen die Hefte überall. Ich selbst kann nun stolz auf über 200 verkaufte Exemplare, Stück 2,-, zurückblicken. Als ich neulich mal wieder in der U-bahn saß taten mir die parfümierten Anzugträger fast leid, als sie verzweifelt versuchten diese Frage aus meinem herumliegenden Heft zu beantworten: Was trinken die Russen in Deutschland am liebsten? Ich nahm einen Schluck Klaren aus meiner Flasche und nickte ihnen lächelnd zu.

 

Auf jeden Fall lustig zu lesen. Erinnert mich thematisch an Kaminer. Am Stil könnte man noch feilen, sind aber lustige Ansätze drin. Müsste an manchen Stellen noch pointierter kommen. Nett für zwischendurch.

 

Hallo blankovicz,

ja, auch ich fand, dass du ein ernstes Thema amüsant rüber gebracht hast. Integration mal anders. Das Interesse der beiden Gruppen ist ganz funktional begründet - die einen wollen wissen, wie man an Geld kommt, die anderen brauchen Fragen für ihre Quizsendungen ;) Hätte ich mir auch gut noch übertriebener als Satire vorstellen können.

Einige Formulierungen sind wirklich ein bißchen holprig, ein paar Kleinigkeiten könntest du auch noch korrigieren:

So könnte dieser Ausflug nicht zu Ende gehen.
konnte
Dann, nach einiger Zeit, ließ sich bei allen Haushalten, ein
hier ist eine Leerzeile zu viel. Du hast auch noch einige andere Umbrüche mitten in einer Zeile, die du ganz leicht ändern kannst.
Doch dazu musste ich erst den Wissensvorsprung aufholen, den diejenigen Quizteilnehmer hatten, die mehr als ein paar Hundert Mark gewannen.
nicht lieber Euro? Oder spielt die Geschichte nicht in der Gegenwart?
Als ich nach 2 Wochen sämtliche Kaiser Europas und alle deutschen Flüsse auswendig aufsagen konnte( der Grieche fragte mich abends ab),
Leerzeichen vor und nicht nach der Klammer

Liebe Grüße
Juschi

 

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