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Hunger

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13.06.2002
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Hunger

"Sieh mal, ein Schaf."
"Ja, es blökt. Niedlich, oder?"
"In der Tat. Goldig."
"Schau doch nur, wie putzig es jetzt den Löwenzahn wiederkäut."
"Richtig knuffig. Ist fast schade drum."
"Was machst du da?"
"Nachladen."
"Wozu?"
"Ich hab Hunger."
"Du willst das arme unschuldige Tier erschießen?"
"Ja. Ich hab Hunger."
"Das sagtest du bereits. Was kann das Schaf denn dafür?"
"Im Grunde nichts. Aber wenn ich Hunger habe, kann ich darauf keine Rücksicht nehmen."
"Du kannst doch nicht einfach so dieses Schaf erschießen, nur weil du Hunger hast."
"Doch, das ist ganz leicht. So schnell können die ja nicht laufen."
"Aber das Tier will doch auch leben."
"Dann sollte es sich lieber schnell eine Flinte besorgen."
"Schafe haben keine Finger, das weißt du ganz genau."
"Finger?"
"Für den Abzug. Sie sind dir also schon aus rein evolutionärer Sicht unterlegen."
"Ja. Feine Sache, oder?"
"Aber das ist doch unfair. Ich meine, das Tier ist dümmer als du, sollte man zumindest annehmen. Es ist unbe..."
"Sollte man zumindest annehmen? Was soll das denn heißen?"
"Naja... auf jeden Fall ist das Schaf unbewaffnet."
"Was mir die Sache leicher macht."
"Aber wo bleibt denn da die Spannung? Die Herausforderung?"
"Die Herausforderung liegt darin, das Tier zu essen, nachdem du es gebraten hast."
"Kein Grund, gleich pampig zu werden."
"Dann hör du auf, mir mein Schaf madig zu machen!"
"Jaja, schon gut..."
"Na also. Wo soll ich hinzielen? Nacken oder Brustkorb?"

"Was wenn es das letzte ist?"
"Das letzte was?"
"Das letzte Schaf."
"Rede keinen Unsinn!"
"Nein, mal im Ernst. Was, wenn das da wirklich das allerletzte Schaf auf der ganzen Welt ist? Könntest du verantworten, eine ganze Gattung mit einem Schuß auszulöschen?"
"Es ist aber nicht das letzte."
"Woher willst du das wissen?"
"Weil das einfach Unsinn ist. Es gibt doch überall Schafe."
"Wann hast du denn das letzte gesehen?"
"Naja... das muß vor dem Krieg gewesen sein."
"Siehst du? Ich denke, daß ein Krieg, der sogar uns fast ausgerottet hätte, den Schafen noch weit mehr zugesetzt hat, oder?"
"Vielleicht..."
"Also ist es gut möglich, daß das hier das Letzte ist."
"Theoretisch vielleicht. Praktisch hab ich Hunger."
"Das kannst du doch nicht machen!"
"Was, wenn wir auch die Letzten sind?"
"Die letzten was?"
"Die letzten Menschen. Was, wenn außer uns niemand diesen Krieg überlebt hat? Dann könnte es sein, daß ich die Menschen ausrotte, wenn ich nicht schieße und wir beide verhungern."
"Ja, das könnte natürlich sein."
"Also?"
"Also was?"
"Kann ich jetzt?"

 

Hi gnoebel!

"Daumen?"
"Für den Abzug.
Will ja nicht rumblöken, aber für den Abzug braucht man den Zeigefinger, oder?

Zuerst dachte ich mir: warum hat er das unter Sonstige gepostet? Am Ende war es mir dann klar.
Hat mir gefallen und zwar gar nicht schlecht.
Klein, aber definitiv fein!

Gruß
c

 

Moin chazar,

Hab Dank für Les- und Tollfindung.

Will ja nicht rumblöken, aber für den Abzug braucht man den Zeigefinger, oder?
Schafe nicht :D
Hast natürlich Recht, aber Zeigefinger paßt hier vom Klang her irgendwie nicht. Letztlich sagen beide Worte im Prinzip das gleiche aus, also habe ich das klangvollere (wenn auch faktisch nicht ganz richtige) genommen.

 

Hi gnoebel,

ich fands fast schon philosophisch :D

War wirklich nett zu lesen, flüssig, stimmig, kurz...

Ich würde Daumen mit "Finger" ersetzen. Oder alternativ eine andere Waffe verwenden :gunfire:

Sorry für die Bonsai-Kritik, aber mehr fällt mir grad nicht ein...

und tschüß.

lg Anea

 

Hi gnoebel,

da sah ich doch deinen Prot genau vor mir.
Ein junger Mann, mittlere Größe, blonde Haare, Brille(?) :hmm: und ein schelmiches Blitzen in den Augen, :D der mit seiner Begleitung die Frage aufwirft: Sein oder nicht Sein.

Haben sie sich nun Beeren gesucht? :shy:

nette Geschichte :)

lieben Gruß, coleratio

 

Ich schließe mich der Lobeshymne mal nicht an. Ehrlich gesagt, habe ich drei Ansätze gebraucht, bis ich zu Ende lesen konnte. Klein, aber definitv nicht fein, sondern eher langweilig. Die Notklammer, gegen Ende einen Hauch Philosophie bzw. Ethik einzubringen, ist unbefriedigend und keineswegs originell eingebaut, zumal deratige Ansätze zuhauf geliefert wurden.
War wohl ein kleiner Fehlschuss - gemessen an deinen bisherigen Texten.

 

Nein, keine Beeren. Nachdem sie das letzte Schaf verputzt haben, mussten sie den Löwenzahn futtern und nun entwickeln sie sich evolutionär zu eienr neuen Schafrasse.

Wo bleiben die Enten????

Nette Geschichte, bringt mich zum nachdenken.

Außerdem, lieber gnoebel, habe ich jetzt mehr als eine Geschichte von dir zu Ende gelesen und mich amüsiert. Das wird ja immer besser.

Lieben Gruss

Jo

 

Moin Anea, coleratio, hendek, jobär,

Auch euch besten Dank fürs Lesen und Kommentieren.

@Anea:
Auch der Bonsai birgt eine Blüte in sich (jaha, an mir ist ein gottverdammter Philosoph verloren gegangen)...
Danke für den Finger, ich denke so mach ichs.

@coleratio:
Ein junger Mann, mittlere Größe, blonde Haare, Brille
... charmant, gutaussehend, witzig, intelligent... aber hier soll es ja um die Geschichte gehen, nicht um den Autor. ;)

@Hendek:
Schade, daß du mit diesem Text nichts anfangen konntest, aber da kann man wohl nichts machen. War ein kleiner Schnellschuß, den ich selbst witzig fand und darum reingestellt habe. Die Originalität des Textes besteht für mich ebenfalls nicht im Ethikaspekt, sondern eher darin, daß der wichtigste Aspekt dieser Geschichte (das Szenario = Postapokalypse) hier nur am Rande erwähnt wird. Finde ich recht reizvoll.

@jobär:
Wenn mich Bruder Somebody nicht mit vorgehaltenem Schwarzbrot dazu nötigt, schreibe ich eigentlich nie über Enten. Die sind nämlich garstig und gemein...

 

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