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Ich bin kein Laternenpfahl

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29.01.2010
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Ich bin kein Laternenpfahl

An seiner ersten Gruppensitzung musste er den andern Teilnehmern darlegen, wie es zum Konflikt am Arbeitsplatz kam. Seine Frau bestand darauf, dass er sich helfen lasse, da er zunehmend deprimierter wurde. Frau Rettich bot ihm an, in ihre Therapiegruppe Selbstfindung zu kommen.

«Ich», begann er, doch versagte ihm die Stimme. Ein erneuter Versuch löste nur einen krächzenden Laut aus. Die anderen Teilnehmer grinsten hämisch. «Nur zu, Herr Müller. Wir sind hier ganz unter uns, es gibt also kein Grund für Hemmungen. Atmen Sie tief durch», rief ihm Frau Rettich zu. Ihre Augenlider zuckten. Schon bei ihrem ersten Zusammentreffen irritierte ihn dies.
Es erschien ihm plötzlich sinnlos, eine Chronologie der Ereignisse vorzutragen, weshalb er seine Arbeit aufgegeben hatte. Sie würden ihn nicht verstehen, seine Gefühle nicht akzeptieren. Vor Sitzungsbeginn hatte er bemerkt, dass hier eine zynische Stimmung herrscht. Ein Gedanke, den er seit kurzem hegte, schien ihm nun naheliegender. Da Unruhe aufkam, begann er aus dem Stegreif zu reden. «In einen Laternenpfahl werden Erwartungen gesetzt. Er soll Licht spenden, die Nacht erhellen, und den Leuten ihre Furcht vor der Dunkelheit nehmen. Auch soll er sich seiner Umgebung anpassen und einfügen. Den Verkehrsteilnehmern hat er einzig zu dienen.
Fest einbetoniert in den Boden, muss er den Witterungen und anderen Widrigkeiten trotzen. Manchmal dient er Betrunkenen als Haltestange, um dann weiter zu wanken. In der Nacht gewinnt er je nach Lage gar den Status eines Standplatzes, wenn eine Prostituierte in seinem Scheinwerferlicht sich präsentierend an ihn anlehnt.
Jedoch widerfährt ihm auch Übles. Nicht durch die Prostituierten, diese schätzen ihn, wenn auch nur bis das Geschäft zustande kommt. Es sind Männer, die ihn in der Nacht bei ausbleibendem Verkehrsaufkommen für ihre Notdurft benutzen. Sie peilen ihn an, als ob er ein Pissoir wäre, zurückschreckend, wenn sie fälschlich zu nah standen. Hemmungslos kopieren sie Hunde, welche ihre Markierung an ihm deponieren. Nächste Hunde kommen, schnuppern daran und heben dann selbst ihr Bein.»
Die Gruppenteilnehmer mokierten sich mit leisen Zwischenrufen und tuschelten.
«Ich bin kein Laternenpfahl, bei dem jedermann sein Bein heben kann», brüllte Müller.

Die Teilnehmer grölten und klopften Sprüche. Einer stand auf und hob das Bein. Aus dem Stimmengewirr heraus hörte er klar die Worte: «Der spinnt doch.» Müller spürte, dass eine Situation einzutreten drohte, wie die vor der er geflüchtet war. Hilfe suchend blickte er zu Frau Rettich, welche jedoch bemüht war, die einzelnen Kommentierungen herauszuhören.
Nach einer Weile erhob Rettich laut ihre Stimme. «Wir haben die Selbstdarstellung von Herrn Müller gehört. Welche Deutungen könnt ihr ihm dazu geben? Beginnen Sie Herr Kluge.»

Kluge grinste, er war am längsten in der Gruppe und wusste, was Rettich erwartete. Sie schätzte seinen Sarkasmus. «Ich verstehe nicht, warum Müller daran Anstoss nimmt, wenn Prostituierte sich an ihm anlehnen. Ich wüsste schon, was da zu tun ist. Man kann das gute Stück nicht nur zum Pinkeln einsetzen.» Einige Teilnehmer lachten lauthals, einzig Frau Nowotny warf Kluge einen bösen Blick zu. Sie gab sich stets als emanzipiert.
Rettich deutete grinsend an, dass Kluges Bemerkung ihrer Provokationstherapie entspricht. «Das verkümmerte Selbst muss zerschmettert werden, um aus den Trümmern ein gesundes, straffes Selbstbewusstsein aufbauen zu können,» stachelte sie die Runde an.

Demonstrativ erhob sich Frau Nowotny. «Ich denke, Müller hat zu Frauen ein gestörtes Verhältnis. Auch diese Damen darf man nicht mit einem Laternenpfahl gleichsetzen, an dem jeder dahergelaufene Hund sein Bein heben kann. Dies finde ich äusserst diskriminierend.» Ihr Gesicht zeigte eine trotzige Röte. «Es scheint mir er verdrängt etwas, vielleicht den Wunsch selbst an einer solchen Stelle zu stehen und begehrt zu sein, ohne zu begreifen, was diese Frauen durchmachen.» Ihre Worte stachelten die Runde zu weiterer Häme an. Müller war erschrocken, dann kam ihm Wut auf.
«Ist es solch verzweifeltes Identifikationsverlangen, das Sie verspüren, Herr Müller, wie die eines Kastraten der nicht mehr Funktionstüchtig ist?», bemerkte Frau Rettich trocken. Müller, dem es untersagt war, etwas zu sagen, bis alle Teilnehmer ihre Deutungen abgegeben hatten, spürte, wie seine Wut in bare Verzweiflung umschlug. Rettich wusste doch, was ihm widerfahren war, ihr hatte er es in präziser und ausführlicher Schilderung demutsvoll anvertraut. Innerlich schrie er auf.

Herr Gebhard, dessen therapeutische Erniedrigung vor einem Jahr erfolgte, war noch befangen. Zugleich sehnte er sich nach Anerkennung und Lob durch Rettich. «Ich habe keine Erfahrung mit Prostituierten» äusserte er. «Aber es war wohl nicht intelligent, mit einem Hund zu einer zu gehen. Es ist voraussehbar, dass es Probleme gibt, wenn er dann muss.» Prustendes Gelächter breitete sich aus. Gebhard überlegte, wie er seine Deutung vertiefen könnte. «Dass Müller sich Prostituierten nun aufgrund dieses Erlebnisses verweigert und sich mit einem Laternenpfahl identifiziert, ist Folge der Abwehr seines Sehnens nach Potenzfähigkeit. Aber wenn er Prostituierte ablehnt, sind da ja nur noch Männer und Hunde, die mit ihm verkehren.»
Rettich war von den demütigenden Worten teilweise angetan. «Ich sagte es Ihnen doch Herr Gebhard, auch Sie werden wie neugeboren. Einen kleinen Grundstein haben Sie eben gelegt.» An Müller gewandt bemerkte sie: «Erkennen sie die Sternstunde, der Sie beiwohnen.»

Frau Rief hob die Hand. «Ich denke, … ähm …, ich habe gehört, so etwas gebe es wirklich. Aber ich finde es ekelhaft.» Sie rang nach Worten. «Knapp verstehe ich es, wenn ein Mann seine Triebe nicht im Griff hat, einen Aderlass braucht, er ist eben ein Mann. Dann aber wenigstens normal.»
Kluge rief mit übertrieben hoher Stimme: «Igitt, igitt.»
Rief lief rot an. Ihr war klar, dass dies keine Deutung war. «Müller fehlt noch die Einsicht, dass er sein fehlgeleitet triebhaftes Denken zerstören muss, um es neu aufbauen zu können. Verdrängen ist nutzlos, da es sich in anderen Artungen wieder manifestiert.» Rettich nickte ihr leicht zu.

Frau Deblinger war stets um unterwürfige Korrektheit bemüht. «Was ist nun eigentlich Sache? Ach ja, die Hunde und ihre Feuchtgebiete. Vielleicht sollte man um die Laternenpfähle eine Stacheldrahtabgrenzung ziehen, damit sie nicht benässt werden. Sie würden dann auch weniger rosten. Anderseits muss man ja auch an das Wohl der Hunde denken, wo sollten sie denn, wenn sie da nicht mehr dürfen? Allerdings stimme ich Nowotny zu, dass die Frauen, mit denen sie verkehren, den gleichen Anspruch auf Respekt haben, wie alle anderen. Auch fände ich es angemessen, wenn dieser Verkehr nicht in einem Pissoir stattfinden müsste.» Die letzten Worte von Deblinger liessen die Runde zu ungehörigen Bemerkungen und Lachern ausarten. Rettichs Lippen spitzten sich, ihre Augenlider zuckten, sie schien zu überlegen, ob sie Deblinger nun tadeln oder loben soll.

Herr Koch erhob seine Stimme. «Ich denke, er verdrängt einfach eine misslungene Erfahrung, da er Prostituierte wertschätzt und zugleich erniedrigt. Vielleicht erwartete er romantische Liebe und erhielt nur eine Dienstleistung, weshalb er jämmerlich versagte. Also, ich hatte auch schon mal Verkehr mit einer Prostituierten», bemerkte er süffisant, «damals im Militärdienst. So besonders war es nicht, eine kurze Sache für einen gehobenen Preis. Ich bin der Meinung, Müller sollte seinen inneren Schweinehund überwinden, sich keine weiteren Gedanken darüber machen, es ist nicht der Rede wert.» In der Runde wurden nun über Kochs Erlebnis Witze gerissen.
«Lassen Sie romantische Illusionen sausen, zerstören Sie regredierende Empfindungen, um zu Realität und Potenz zu finden, Herr Müller», warf Rettich ein.

Herr Rieser, dessen Interpretation als Letzter ausstand, sprach mit nasaler Stimme. «Ich finde es eigentlich nicht schicklich, meine persönliche Meinung über Prostituierte öffentlich zu äussern. Nun denn, es ist zu bedenken, dass diese Berufsgattung gute Steuerzahlerinnen erschliesst, und dazu noch die Hundesteuer. Berechnet man zudem die Ausnutzung des Laternenpfahls, so ist es betriebswirtschaftlich interessant, die Amortisation wird dadurch erheblich verbessert. Von dem her, ist es ein vernachlässigbar klitzekleiner Kostenfaktor, wenn die Hunde der Damen sich ein Vergnügen daraus machen, ihn als ihr Revier zu markieren. Es ist ihr angeborenes Sozialverhalten, das sie ausleben. Also sollte man im Interesse des Gemeinwohls darüber hinwegsehen, wenn der ureigene Zweck für weitere Bedürfnisse beansprucht wird.» Rieser rang sich zwanghaft die Hände und setzte nochmals an. «Ein Laternenpfahl hat also durchaus seinen Wert für das Allgemeinwohl. Ich denke, Müller wollte wohl eher sagen, ich bin keine Prostituierte. Wobei denen ihren Nutzen abzusprechen, ist ebenso vermessen.»
Rettich griente zufrieden.

Müller hatte mit Anspannung gewartet, endlich reden zu dürfen. Doch nun fühlte er sich erniedrigt und war sich nicht mehr klar, was er selbst vorgetragen hatte.
Nach einem Seufzer begann er. «Die Beziehung zwischen meiner Frau und mir ist völlig intakt, deshalb bin ich hier. Ich meine, sie wollte, dass ich meine Situation kläre, darüber spreche, damit ich es verarbeiten kann.» Er zögerte. «Mit Prostituierten habe ich keine Probleme, auch nicht mit Laternenpfählen, Hunden oder Pissoirs.» Tränen stiegen ihm in die Augen, als er überlegte, wie er das Missverständnis klären könnte. «Ich habe meine Arbeit von einer Stunde auf die andere hingeschmissen, da meine Kollegen mich nicht akzeptierten und gemein waren. Dies ist eigentlich die Sache. Der Laternenpfahl war nur ein Gleichnis, das ich mir nicht von jedermann ans Bein pissen lasse.» Müller fühlte sich erleichtert, jetzt müssten sie es begreifen.
Frau Rettich setzte zu sprechen an, als sie sicher war, dass Müller nichts weiter erklären würde. «Herr Müller, Sie haben nun hautnah erlebt, was Sie mit unpräziser Artikulation auslösen. Die anderen konnten Ihre Aussage weder verstehen noch nachvollziehen, Ihr Verhalten nicht deuten und stellten auf die effektiv geäusserten Worte ab. Dass ein Zuhörender hierbei zu eigenen Assoziationen kommt, das Wahrgenommene aus seiner Perspektive interpretiert, ist nur normal. Wenn Sie also äusserten, ‚ich bin keine Prostituierte’, so fragt man sich warum sagt der das, wenn er es nicht doch ist? Oder steht dahinter ein verdrängter Wunsch, der sich nach Realisierung sehnt? Hierin müssen Sie zu sich selbst finden, sich eingestehen, nach was Sie eigentlich dürsten. Sonst bleiben Sie der Täter und andere werden zu Opfer.»
Müller, der sich kurz vor einem Nervenzusammenbruch wähnte, wollte aufstehen und einfach davonlaufen, doch die Beine versagten ihm den Dienst. «Ich war das Opfer und die anderen die Täter», sagte er unter Tränen. «Sicherlich hätte ich es den Arbeitskollegen vielleicht besser erklären sollen, warum ich nach Feierabend nicht die Zeit hatte, mit ihnen regelmässig ein Bier trinken zu gehen. Aber dies gab denen trotzdem nicht das Recht, mich anzufeinden, mich zunehmend auszugrenzen und zu diffamieren. Ich setzte die Priorität auf meine Frau, welche nach einem Unfall an den Rollstuhl gebunden ist, und für die ich eine Stütze bin, wenn ich heimkomme. Sie hat durchaus Verständnis, wenn es mal später wird. Aber ich möchte selbst entscheiden, was, wo und wann ich will. Ich denke, es wäre eben Prostitution gewesen, wenn ich gegen meinen Willen die Bedürfnisse der anderen befriedigt hätte.»
«Warum sagten Sie dies nicht gleich, Herr Müller, nun verstehen wir Sie alle», bemerkte Frau Rettich. «Die Grenzen zwischen Opfer und Täter sind sehr fliessend, da das Opfer durch sein Verhalten nicht selten der Auslöser ist. Sie müssen lernen, die Sache direkt zu benennen und auch gut zuhören, was die andern sagen. Nur so ist eine klare Verständigung möglich. Sie müssen den renitenten Täter in sich eliminieren, wenn Sie nicht prädestiniert sind, die Opferrolle lustvoll wahrzunehmen. Ihr falsches Selbst beginnt zu bröckeln, doch noch sind kraftvolle Hammerschläge vonnöten, damit Sie zu einem reifen Menschen werden können.»
Müller bäumte sich mit letzter Kraft nochmals auf. «Ich verstehe Sie nicht, Frau Rettich. Wenn ich das Opfer bin, kann ich doch nicht der lüsterne Täter sein?»

Frau Rettich war über die neuerliche Entgegnung verärgert, ihre Lider zuckten. «Herr Müller, ich habe Sie in diese Therapiegruppe aufgenommen, weil ich den Eindruck habe, dass Sie zu Ihrem wahren Selbst finden müssen, ehe Sie mit anderen Personen konfliktfrei umgehen können. Aber dies ist nur durch Einsicht möglich, an der sie noch schwer arbeiten müssen. Den Erfolg sehen sie an den andern Gruppenteilnehmern. Deren Deutungen zeigten, wie diese Selbsterfahrungsreife sich entwickelt je länger man daran arbeitet. Warten Sie ab, in einigen Jahren sind Sie dann auch soweit und müssen sich nicht mehr mit einem sich prostituierenden Laternenpfahl vergleichen.»

 

Hallo Anakreon,

unterhaltsam fand ich Müllers Metapher und die Reaktionen der Menschen in der Selbstfindungsgruppe: Geschwafel, das sich nur auf das Bild bezieht, das Müller verwendet hat. Ich mochte das völlige Fehlen von gesundem Menschenverstand und Einfühlungsvermögen. Aber die Umsetzung wirkt ein wenig lahm: Du lässt die Leute reihum eine Wortmeldung abgeben. Das enthält kaum Konfliktstoff und die einzelnen Aussagen sind nur mäßig unterhaltsam. Vielleicht könntest du etwas ausführlicher beschreiben, was für Freaks da versammelt sind und wie die Therapie bei ihnen wirkt.
Es dauert auch eine Weile, bis man als Leser in den Text hineinkommt. Am besten wäre meiner Meinung nach, direkt in die Therapiesitzung hineinzugehen, Sinneseindrücke zu schildern und den Anwesenden mehr Persönlichkeit zu geben.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo Berg

Hab Dank für Deine Meinung und Kritik, die ich mit Interesse las. Ich werde mir Deine Vorbehalte mit zeitlicher Distanz durch den Kopf gehen lassen, momentan bin ich selbst noch zu sehr darin befangen. Auch bin ich gespannt, ob irgendwelche Leser das Verborgene zu erkennen vermögen, welches sich hinter Text und Struktur versteckt. Wenn nein, muss die Geschichte selbstredend schon deshalb geändert werden, da sie den Zweck nicht erreichte und so möglicherweise wirklich nur als Geschwafel wahrgenommen wird. Obwohl, eine Reflexion zur Moral ist sie (frei nach Cicero) schon!

Gruss

Anakreon

 
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Hallo Anakreon,
Lange Zeit habe er spitze Bemerkungen, Ausgrenzungen, ja manchmal gar Verleumdungen über sich ergehen lassen, ohne sich zur Wehr zu setzen. Er war überzeugt, dass Geduld und Langmut letztlich besser seien als Streit.
und
Er müsse sich seiner eigenen Rolle bewusst werden und ein sozial angepasstes Verhalten lernen.
Diesen Zitaten nach ist er eigentlich normal. Dass er sozial angepasstes Verhalten lernen soll, ist daher die reinste Ironie.
Müller kommt normal in die Gruppe und wird von ihr zum 'Laternenpfahl' umfunktioniert.
Wenn die Satire also auf Therapiegruppen für Selbstfindung zielt, sollte diese Art von Gruppen überspitzter dargestellt werden – z. B. als durch 'Selbstfindung' verrückt gewordene Teilnehmer.
Hast Du mit der Story etwas anderes bezweckt, s. o., dann weiß ich leider nicht mehr weiter.
Mit freundlichem Gruß
kinnison

 
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Hallo Anakreon,

das Thema der Geschichte, also die satirische Intention des Autors gefällt mir gut, weil es immer noch hochaktuell ist und vermutlich immer schlimmer werden wird.

Die Umsetzung selbst hat mir allerdings nicht so gut gefallen.
Entweder es hätte subtiler sein können oder plakativer, überspitzter.

Als Frau Rettich sagt:

die Grenzen zwischen Opfer und Täter seien sehr fliessend, da das Opfer durch sein Verhalten nicht selten der Auslöser sei. Er müsse sich seiner eigenen Rolle bewusst werden und ein sozial angepasstes Verhalten lernen.

Ist eigentlich schon alles gesagt in Bezug auf den Plot.
Jetzt wäre es interessant, wie du das umsetzt, indem du Frau Rettich als völlig Verblendete, als Missionarin in Sachen Menschenseelenrettung zu Höchstformen auflaufen lässt oder indem du sie genau das Gegenteil machen lässt. Das wäre auch eine feine Satire. Darauf komm ich noch gleich.

Zu Höchstformen auflaufen lassen hieße, dass sie sich als Vertreterin einer absolut erfolgreichen Vorgehensweise im puncto Mobbingfällen betrachtet und in aller Verblendung stolz ist auf ihre Gruppe, die es schon gut verinnerlicht hat, die einzelnen Personen noch anstachelt und ermuntert,Müller anzugreifen, in allem Beweise für die Richtigkeit ihrer Vorgehensweise sieht und der Leser Angst haben muss, ob nicht die Meute noch viel Schlimmeres tun wird, als nur verbal auf den Armen loszugehen mit einer fahneschwenkenden Frau Rettich voran.
Das Gute der Satire ist, dass man sehr phantasievoll darstellen kann und überziehen darf, was das Zeugs hält. Skurril darf es sein, bis ins Unrealistische übertrieben, überzogen und durchgeknallt.

Die andere Möglichkeit ist im Grunde genommen die altbewährte Methode einer Satire: Nimm einen Sachverhalt, den du kritisieren willst und stelle genau das Gegenteil dar. Kritisiert werden soll, die empathielose, die vernichtende Art von Hilfestellung durch Psychologen, die in ihrer völligen Umnachtung eben auch noch glauben, alles, aber auch wirklich alles, was sie täten, habe Erfolg. Und hat es kein Erfolg ist es ein Beweis für die Verweigerungshaltung des Klienten. Kritisiert wird die ohnmächtige Kritiklosigkeit, das Vakuum, in welchem sich solche Leute oft befinden, die dann ihre Supervisionen auch noch als Beleg dafür nehmen, dass sie ja mit doppeltem Boden abgesichert sind. (jedenfalls ich sehe das in der Geschichte).

Nachdem Frau Rettich ihren Kernsatz gesagt hat und man als Leser nun denkt: alles klar, "die peilt ja gar nichts mehr", sollte sie umschwenken und selbstkritisch behaupten, genau diese Lehrsätze seien total überholt und man sei aus ihrer Sicht zu völlig andren Methoden übergegangen.

Und dann würde ich loslegen und den Herrn Müller mit Empathie und Fürsorge und Liebe und Geborgenheit nur so zuschütten. Frau Rettich ist rund um die Uhr für ihn da, zeigt ihm ihre Zuneigung und Aufmerksamkeit, er bekommt z.B. kleine Geschenke von ihr, sie verbringt all ihre Freizeiten mit ihm und fordert die schon von vorneherein (unerträglich) lieben Gruppenmitglieder auf, noch intensiver freundlich zu Müller zu sein. Ach, ich denke, du weißt schon, wie man da übertreiben könnte, dass einem schon übel wird vor lauter Zuwendung. :D

Das wäre auch eine satte Satire, die am Ende genau denselben Effekt hätte, nämlich dein Thema darzustellen.

Nicht, dass du jetzt genau das machen musst, was ich meine. Meine Ideen sind schlicht nur Anregungen, sich dagegen abzugrenzen oder dagegenzuhalten und darüber nachzudenken. Ich verstehe Textarbeit auch oft nur als Gedankenarbeit, um sich selbst Dinge klarer machen zu können.

Also, schlecht ist deine Geschichte keinesfalls, sie könnte aber vielleicht besser werden, wenn sie einen frischeren Anstrich bekäme.

Lieben Gruß
lakita

 

So oder so ähnlich,

lieber Anakreon,

könnt’ es in einer Selbsthilfegruppe zugehen, ohne dass es „Selbsthilfe“ im bürgerlich-rechtlichen Sinne wäre, wobei m. W. das schweizerische Recht da vom übrigen deutschsprachigen Raum abweicht. Denn – um es direkt und für manche zarte Seele böse formuliert – stehen Laternen eigentlich nur zum Leuchten und „markieren“ rum? Da bedürfte’s keines Sigmund Freud, um die Drohung zu erkennen, die in diesem Satz mitschwingt.

Aber nicht die Justiz, sondern Herr Freud und seine Jünger fänden sicherlich ein wenig Freud’ an dieser Sitzung. Sicherlich wär interessant zu erfahren, was ein Psychotherapeut zu den Auslassungen sagte (incl. meiner). Wenn ich zudem lakitas Äußerung recht verstehe, wäre auch dieser Text eher unter einer andern Rubrik wie Alltag oder Gesellschaft untergebracht, denn ich seh da einen Zusammenhang zwischen all den beratenden Gewerben (wie Gisanne ihn mit ihrem Typ beschreibt), die allein auf social-engineering und dem bloßen Verwalten/Erhalten bestehender Verhältnisse und somit Anpassung abzielen, wobei der Preis des Tagewerks ein erstes Anzeichen von Gier sein könnte (ich verrat da nix, dass 2 T€ ohne Reisekosten, egal ob für ein oder 24 Stunden, nicht selten sind, wofür der gemeine & darum gemobbte AN sich arg strecken muss). Dabei wäre zu bedenken, dass die Wirklichkeit oft unsere „Erfindungen“ überholt, unsre Kreativität also eher harmlos, wenn nicht gar verharmlosend ist – denn wir wollen ja auch unsern Spaß haben.

Ich werd, so hoff ich doch, niemand den Spaß an der kleinen Geschichte nehmen, denn sie ist – bis auf mE einige kleine Schnitzer, auf die ich gleich eingeh – durchgängig gut. Für die Qualität bürgt eigentlich – ein Wort, das ich selten gebrauch, denn was wäre da uneigentlich? – schon Deine Sprache, die ich aber auch ein erstes Mal stolpern seh. Der Kleinkrämerseele gibt’s gleichwohl nix zu lachen, sie wäre entseelt, gäb es nicht den Konj. II wie einige kleinere Dinge.

Beginnen wir mit den Möglichkeitsformen:
>Wahrscheinlich, dachte er, bot sie ihm dies an, da sie ahnte, dass er den Betrag für Einzelsitzungen nicht lange zahlen könnte<
wäre besser im Konj. II formuliert, da es Gedankenspiele und somit auch Zweifel Müllers sind, wozu die geringste Änderung überhaupt genügte: die Umlautung des „bot“ in ein „böt’“ (mit Apostroph, da das e geschluckt würde). Wer wollte da Präteritum und Konjuntiv verwechseln? Das wäre ein seltenes Talent, dass ich gleich auf eine würde-Konstruktion eingehe, die beweist, dass die Würde eben nicht verloren geht, wenn sie NICHT benutzt wird:
>Die würden kein Verständnis aufbringen, könnten seine Gefühle nicht nachvollziehen. Ein Gedanke, der ihn schon lange bewegte, nahm Gestalt an. Ein Satz, zur Aufrechterhaltung seiner persönlichen Würde.<
Was bräche dem ab, ständ’ da „Die brächten kein Verständnis auf, könnten seine Gefühle nicht nachvollziehen“?!

Hinzu kämen noch einige unnötige Ausdrücke/Formulierungen wie
>Gegenüber Frau Rettich, an die Herr Müller sich wandte, erklärte er sich …<, wo der Einschub/die Erläuterung entbehrlich erscheint; dann in
> Die Hatz begann, da er nicht regelmässig mit seinen Arbeitskollegen nach Arbeitsschluss noch ein Bier trinken gehen wollte.< stört mich weniger die verdoppelte „Arbeit…“ als das holprige: wäre der Satz nicht ebenso verständlich wie vordem als „Die Hatz begann, da er nicht regelmässig mit seinen Kollegen nach Feierabend noch ein Bier trinken gehen wollte“?
> Er beabsichtigte eine geraffte Chronologie der Ereignisse vorzutragen, welche er sich zurechtlegte. Sachliche Fakten, die für sich selbst sprechen, schienen ihm angezeigt<, wäre für den zwoten Satz nicht „Fakten schienen ihm angezeigt zu sein“, denn nur die Gestirne scheinen und selbst unser Mond tut nur so als ob er schiene, leiht sich aber doch sein spärliches Licht von der Sonne, was dann auch für den Satz
>Seine vorbereitete Rede schien ihm plötzlich abwegig“ gelten sollte.
In ähnliche Richtung geht >Nun denn, es ist zu bedenken, dass deren Gilde gute Steuerzahlerinnen sind, mit der Hundesteuer noch vermehrt. Berechnet man zudem den Ausnutzungskoeffizienten des Laternenpfahls, so wird es betriebswirtschaftlich erst interessant.< Die Gilde meint wohl eher keine Mehrzahl, sondern nur EINE Vereinigung, die auch der Steuerpflicht unterliegt, die auch zahlt, und der >Ausnutzungskoeffizient< ist gegenüber dem "Nutzen" sehr aufwändig.
>Erst nach einer ganzen Weile mahnte Frau Rettich zur Ruhe< verlöre nix an seinem Inhalt ohne „erst“.
Aber auch ein Zuwachs täte der schönen Verdoppelung Geduld/Langmut gut, wenn etwa dem Streit eine ähnliche Doppelung widerführe: „Er war überzeugt, dass Geduld und Langmut letztlich besser seien als Streit und Kampf/Hader/Rach(sucht)“ o. a.
>Müller merkte, dass eine ähnliche Situation eingetreten war wie die, der er ausgesetzt war und die er nicht mehr ertragen konnte< wäre einfacher als „Müller merkte, dass er in eine ähnliche Situation geraten war, die er nicht mehr ertragen konnte“ oder „…, der er entkommen wollte“ o. a.
Auch erscheint mir > …, wenn Betrunkene ihr Gleichgewicht einzubalancieren versuchen, um dann weiter zu wanken< zu aufwändig. Ginge nicht einfach „Manchmal dient er Betrunkenen als Haltestange, um dann weiter zu wanken“?
>Hemmungslos kopieren sie Hunde, welche ihre Markierung an ihm deponieren. Nächste kommen, schnuppern daran und heben dann selbst ihr Bein< erinnert mich an den Guten Mann (Guter Mond) der Bläck Fööss von 1993, ohne dass mir bekannt wäre, dass Hunde imitiert werden. Für diese Art von Revierabgrenzung ist unser Riechorgan zu schwach, eben unbrauchbar.

Gleichwohl gern gelesen!

Gruß

Friedel

 
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Meine Demut ist bereits über das postnatale Stadium hinaus gewachsen, auch wenn ich mich weiterhin konsequent weigere, zum Masochisten zu mutieren. Aber ich bekenne, innerlich verfluche ich den Tag, an dem ich mich dazu hinreissen liess (der Teufel ritt mich), aus meiner literarisch-idyllischen Welt auszubrechen und mich in provokativen Texten zu üben. Was Frau Rettich bereits zu Müller sagte: «Genau dies ist es …, Sie (erleben) nun hautnah, was Sie mit unpräzisen, abstrakten Formulierungen auslösen ….», blickt mich nun im eigenen Spiegelbild an. Ach wäre der Spiegel doch nur blind.


Hallo kinnison

Danke Dir für Deine Anmerkungen. Es ist korrekt, dass es in der Geschichte nur reine Ironie ist, dass Müller ein sozial angepasstes Verhalten lernen soll. Obwohl Mobbingopfer nicht selten ungewollt zu entsprechenden Szenarien beitragen, da sie nicht erkennen oder wahrhaben wollen, dass etwas an ihrem Verhalten ihre Umgebung reizt.

Es ging mir nicht vordringlich um Selbsthilfegruppen, aber diese boten sich für die Platzierung als dankbarer Aufhänger an, auch wenn die Geschichte keine Authentizität besitzt und nur eine Kopfgeburt ist. Überspitzter hätte sie dennoch sein können, doch fürchtete ich um die Länge. – Das Verborgene steckt aber immer noch dahinter.


Hallo lakita

Dir wiederum vielen Dank, für Deine Worte des Lobes und die ausführlich sachbezogene Kritik, welche ich schätze. Du hast mir eine wahre Fülle an Anregungen - beinah schon ein Script - gesandt, die ich schon beim lesen als gute Gedanken wahrnahm. Der Verdauungsprozess hat eingesetzt, doch die Umsetzung wird mich wohl längere Zeit in Anspruch nehmen. Ob ich da meine Gedanken davon abschalten kann, wenn ich Mitte Juni die Flucht unter die Palmen des Südens antrete, muss sich dann weisen. Ich hoffe, dass dies meine narzisstische Homöostase bis im Juli, wenn ich wieder zurück bin, wieder ins Lot bringt.

Wie ich schon kinnison verraten habe, ist die Selbsthilfegruppe eigentlich ein „Kuckucksei“, aber vielleicht sollte ich mich ja darauf beschränken, und sie zum Ziel machen.


Hallo Friedel

Es ist mir schon etwas unheimlich, aber Du schaffst es doch immer, mich schon in den ersten Sätzen zu einem herzhaften Lachen zu bringen.

Deine Deutung von lakitas Äusserungen, dass die Geschichte eigentlich in der falschen Rubrik steht, entspricht meiner düsteren Ahnung vor der Publikation, dass ich es auch diesmal nicht schaffen würde, einen akzeptablen (l)eidgenössischen Humor zu pflegen. Auch wenn Du es treffend wiedergibst, dass unsere Kreativität von der Wirklichkeit überholt wird und eher verharmlosend wirkt, würden mich jedoch Gewissensbisse plagen, die Geschichte unter „Alltag“ oder der „Gesellschaft“ publiziert zu wissen, wenn dann eher als Kuriosa unter „Seltsam“. Es gibt Institutionen, die nur allzu gern mir das Fell über die Ohren zögen, wähnten sie mich in dieser Sache ernsthaft als Autor.

Dein Lob ist mir auch immer etwas Balsam in der rauen Welt der Literatur. Martin Walsers Erfahrungen, mit dessen Fähigkeiten ich mich natürlich in keiner Weise messen kann und will, hätten mir eigentlich genug Abschreckung sein müssen, mich auf solch brüchiges Eis zu begeben.

Deine kleinkrämerisch-kritischen Anmerkungen zu den gesetzten Stolpersteinen, zum Glück sind es keine Fussangeln, werde ich in meine nochmalige Vertiefung über das Machwerk gerne einschliessen.

Gruss Euch allen

Anakreon

 

Fand ich lustig! Und wer kennt nicht das Gefühl in einer verrückten Welt der einzige Normale zu sein?

 

Hallo phiberoptic

Es freut mich, dass die Geschichte Deinen Gefallen fand und vom Protagonisten her gar eine Prise Identifikation abgab. So ist es beabsichtigt, die Wahrnehmung der (Um)Welt im Gegensatz zu unserer Eigenart darf einem manchmal etwas aus den Fugen geraten erscheinen.

Danke für Dein Feedback.

Gruss

Anakreon

 

Da bin ich lästiger Geselle noch einmal,

lieber Anakreon,

denn was Deinem Protagonisten widerfährt, kann auch Großen dieser Welt geschehn. Denn während meiner regelm. Lektüre in den Blättern für deutsche und internationale Politik find ich nun ein schweres Los so manchen Wissenschaftlers, wenn es da heißt zur Beratungsresistenz unserer Politiker, dass Herr B...le, der Bundeswirtschaftsminister, dessen intellektuelle Kraft unbestritten ist und geradezu bewundernswert ist, dem Sachverständigenrat – der weiß Gott ein gemäßigtes Auftreten hat und sich nicht für allzu mächtig einschätzt und dennoch vor Steuersenkungsplänen gewarnt hatte – an den Kopf wirft: >„Ratschläge von Professoren können das Nachdenken der Politiker nicht ersetzen. Darum sind sie ja auch Berater und nicht Entscheider.“ Einem Bild Alfred Marshalls folgend nutzen unsere Politiker die Wissenschaft wie Betrunkene Laternen: Statt Erleuchtung suchen sie nur Halt< und, so wollen wir hinzufügen, Markierung.

(Zitat aus Ralf-M. Marquardt: Volkswirtschaftslehre im Dornröschenschlaf, in: Bl. F. dt. u. intern. Politik 6/10 S. 16 ff., hier S. 17, linke Spalte).

Gruß aus'm Sommerloch

Friedel

 

Hallo Friedel

Da sieht man doch, wie klein die Welt der globalisierten Laternenpfähle ist, man kommt in Versuchung vorzuschlagen, Politiker und Wissenschafter mögen sich daselbst wie beim Stammtisch mit den übrigen Besuchern zum gemischten Nachdenken treffen. Allerdings wenn sie dann trunken sind und sich verBrüderlen, erdreistet sich vielleicht einer gar, sich monegassisch-fürstlich Rainer zu nennen.

Der Umbau (Baugrube) des Laternenpfahls ist eine gar arge Tat, die Birne flackert, erlischt und glimmt neu auf, doch Widerspruch und Satire stellen sich zuweilen ein Bein, man stolpert hinfällig, wankt bei soviel Geistigkeit. Der Satz vom Widerspruch ist allgegenwärtig. Wäre Virginia Satir noch von dieser Welt, wäre die Versuchung wahrscheinlich gross bei ihr nachzufragen, wie sie es in ihrer satirischen Therapie hielt.

Gruss

Anakreon

 

Auf Wunsch des Autors aus Satire nach Chillaxed verschoben.

 
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Hallo Anakreon,

Ich finde deine Geschichte interessant. Seit Fight Club mag ich solche Self help sachen. Die Dialoge sind auch gut, aber auch ich hab das Gefühl, die Story könnte besser sein, und ich glaube es liegt nicht am Inhalt oder Aufbau, sonder an deinem Stil. Versteh mich nicht falsch, du machst schon einiges richtig, aber gerade für eine solche geschichte, finde ich das alles viel zu sperrig und erklärend. Ich würde ganz spontan einiges radikal kürzen.Hier ein paar Beispiele.

Demonstrativ erhob sich Frau Nowotny, um ihrer Meinung Ausdruck zu geben

Demonstrativ erhob sich Frau Nowotny. Du muss nicht sagen, dass sie ihrer Meinung... das ist doch logisch.

Frau Rief meldete ihren Kommentar an, indem sie die Hand hob, dass man ihr zuhöre.

Hier ist es noch krasser. Frau Rief hob die Hand. Punkt.

In etlichen Gesichtern konnte er hämisches Grinsen ausmachen.

hätte ich geschrieben.: Die anderen Teilnehmer grinsten hämisch. Ist aktiver, brauchst kein Hilfsverb.

Sie würden ihn nicht verstehen und seine Empfindungen nicht akzeptieren, wurde ihm panisch bewusst.

Sie würden ihn nicht verstehen, seine Empfindungen nicht akzeptieren.

Mehr brauchts nicht. Aus dem Kontext geht gervor, dass das seine Gedanken sind.

Ein Gedanke, den er seit kurzem hegte, schien ihm nun naheliegender. Da die andern bereits unruhig wurden, begann er aus dem Stegreif zu reden, eben diesen Gedanken ausbauend

hier willst du wieder zu viel erklären

Ein Gedanke, den er seit kurzem hegte, schien ihm nun naheliegender. Da die andern bereits unruhig wurden, begann er aus dem Stegreif zu reden.

streiche "eben diesen Gedanken ausbauen", wir wissen schon, dass der Gedanke von vor zwei Sätzen gemeint ist.

Die Teilnehmer grölten und klopften Sprüche, einer war gar aufgestanden und hatte andeutungsweise ein Bein angehoben,

warum verfällst du hier ins plusquamperfekt? Die Teilnehmer grölten und klopften Sprüche. Einer stand auf und hob das Bein.


Frau Deblinger, deren dependente Persönlichkeitsmerkmale keine Besserung zeigten, war stets um unterwürfige Korrektheit bemüht.

Also generell gilt: show don't tell, das heißt, im optimalen Fall geht aus dem Gesprochenen hervor, ob sich jemand um etwas bemüht oder nicht.
Ein solcher Satz ist zum Beispiel Unsinn.

Jan zeigte ihm den Finger, um zu zeigen, wie wütend er war. "Ich hasse dich du wichser!"

Besser ist:

Jan zeigte ihm den Finger. "Ich hasse dich du wichser!"


Natürlich ist das schwer in so einem kurzen Text, wo jeder nur einmal zu Wort kommt, aber trotzdem…

Die letzten Worte von Deblinger liessen die Runde zu ungehörigen Bemerkungen und Lachern ausarten. Die Lippen von Rettich hatten sich zugespitzt, während ihre Augenlider nervös klapperten, sie schien zu überlegen, ob sie Deblinger nun tadeln oder loben soll.

Warum wieder Plusquamperfekt? Ich hätte geschrieben.

Die Runde brach in Gelächter aus. Rettichs Lippen spitzten sich zu, während ihre Augenlider nervös klapperten.

Und mehr nicht. Dass sie aufgeregt und unschlüssig ist, geht aus ihrer Mimik hervor. Dass das Ganze nach seinen letzten Worten passiert, ist eigentlich auch klar, weil es gleich im Anschluss erzählt wird.

Rieser rang sich zwanghaft die Hände, ein Zeichen, dass er nervös war, und setzte nochmals an.

Händeringen ist, wie du richtig erkannt hast, ein Zeichen von Nervösität. Gut. Super Bild. Warum wiederholst du es dann gleich nochmal, als checkten wir es nicht? Im Film kommt wird doch auch nicht eingeblendet, wenn einer nervös raucht. Übrigens: er ist nervös!


Ich hoffe, das hilft dir ein bisschen weiter.

mfg,

JuJu

 

Hallo JuJu

Danke für dein Feedback und deine konstruktive Kritik.

Ich muss dir leider zustimmen, die Geschichte ist mit unnötigem Ballast überladen. Der Dialog sollte diese spezifische Handlung vorwiegend tragen und nicht ein Zuviel an Erklärungen darum herum. Kürzlich hatte ich zwar noch kosmetische Korrekturen vorgenommen, doch vermochten dies nicht den erforderlichen chirurgischen Eingriff zu ersetzen. Ich werde mal kräftig den Rotstift ansetzen, im Versuch es spritziger zu machen. Deine treffenden Hinweise führen schön vor, woran es leidet.

Für deine Zeit und Mühe die du einbrachtest, danke ich herzlich.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Anakreon

Ich muss leider zugeben, dass mich dein Text etwas ratlos zurücklässt. Wohl finde ich deinen Stil durchaus gekonnt und die Geschichte gefällt mir vor allem aufgrund dessen.
Für Chillaxed ist sie auch sicher geeignet, taumelt Müller doch von einem Mobbing ins Nächste, führt der Text doch vor, dass viele gar nicht aus Gründen des Mobbings mobben, sondern oftmals nur, damit sie anderen gefallen, weil sie glauben, in ihrer Rolle verharren zu müssen oder eben eine gewisse Rolle zu spielen.
Nicht verstehen kann ich, dass das erste Mobbing durch die Arbeitskollegen als einzige Begründung hätte, dass Müller nicht mehr auf ein Bier am Feierabend mitkommt und wenn denn das doch so sein sollte, warum man ihn dann gleich in die Therapie schickt. Vor allem, wer hat das gemacht?

So sorry, dass ich wahrscheinlich keinen großen Denkanstoß verursache. In diesem Sinne.

lg
lev

 

Hallo Lev

Danke für deinen Kommentar. Dass dich die Geschichte etwas ratlos zurücklässt, obwohl dich der Stil anspricht, ist doch ein wichtiger Input. Dich dünken der Anlass für Mobbing und der Therapiebedarf des Prot. zu schwach. Hierzu ist anzumerken, dass Mobbing oft geringe und harmlos scheinende Ursachen hat, kombiniert mit Machgefühlen der das Mobbing auslösenden Person, der andere mobbende miteinbezieht. Mobbing ist immer im Gruppenverband gegen eine Person gerichtet. Ein Gemobbter kann je nach Persönlichkeit und Intensität das Handtuch werfen oder daran zerbrechen. Beim Prot. war es so, dass obwohl er sich entzog, es ihn verstörte, was ausreichend war, dass seine Frau ihm zu professioneller Hilfe riet.

Die erste Version der Geschichte hatte erst die Ursache vertiefter im Focus, die therapeutische Sitzung durchaus ironisch aber etwas feiner dargestellt. Da ich es unter der Rubrik Satire platzierte, fiel die Kritik berechtigt dahingehend aus, dass es viel intensiver überzeichnet sein muss, und der Ablauf der Sitzung ausreichend ist. Dadurch ist die Wirkung des Mobbing am Arbeitsplatz auf den Prot. etwas zurückgetreten und die Fehlleistung in der Therapie in den Fokus gerückt.

Ich werde bei der Überarbeitung in den nächsten Tagen deine Einwände möglichst einbeziehen. Es freut mich natürlich, dass du dennoch gefallen an der Geschichte fandest.

Gruss

Anakreon

 

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