Ich freu mich für dich
Die kalte Luft füllte meine Lungen und kühlte etwas meinen erhitzten Kopf. Dankbar nahm ich die leichte Windbrise auf und schaute hinauf in den bewölkten, dunklen Himmel. Für einen Moment schloss ich die Augen. Bilder schmolzen zusammen, bildeten einen undurchdringbaren Strudel, wirbelten und sprudelten, die Quelle der Erinnerungen. Ich zog ein Bild daraus hervor und hielt es fest, ehe es fortgerissen werden konnte.
Ihre Augen leuchteten immer so, das Glück tritt hervor und wälzt sich in funkelnden Sternen.
„Ich habe mich verliebt!“ In Gedanken sah ich noch einmal, wie sie grinste und am liebsten jeden umarmt hätte. Das Herbstlaub aufhob und übermütig in die Luft schmiss. Es schwebte zu Boden, schmiegte sich an die Sprünge meiner Freundin, die auf und ab sprang und dabei ebenfalls aussah, als würde sie schweben.
„Ich freu mich für dich.“, flüsterte ich und schlug die Augen auf. Eine kleine Vogelfeder gesellte sich zu mir auf die Fensterbank. Ich hob sie auf, sie kitzelte in meiner geschlossenen Hand.
„Na, kleine Feder? Findest du auch nicht nach Hause?“ Ich lächelte und schüttelte den Kopf über dieses bizarre Schauspiel, ich sprach mit einer Feder.
„Er ist sooo toll, Suzie. Einfühlsam und lieb. Weißt du, du weißt erst, dass du suchst, wenn du es gefunden hast.“
Ich ließ die Erinnerung fallen und der Strudel riss sie mit sich.
Nein, das stimmt nicht. Ich weiß, dass ich suche, obwohl ich noch nicht gefunden habe, wonach ich suche.
Da war es wieder, dieses Gefühl in der Brust, ein wenig so, als ob sich etwas zu heißes, zu lange in der Speiseröhre aufhielt.
Und trotzdem gönnte ich ihr ihr Glück. Mit ganzen Herzen und ohne Vorbehalte.
Eine kleine Erinnerung spülte an Land und strandete. Ich hob sie auf.
„Du wirst ihn finden. Du hast es verdient glücklich zu sein.“, sie lächelte. Dieses Lächeln, das einen sofort davon überzeugte das es stimmte, was sie sagte.
Am Fenster gegenüber gingen die Lichter an, hinter einem anderen flimmerte der Fernseher. Von irgendwoher wehte der sanfte Klang von Klaviermusik. Ein leises und schönes Stück trug der Wind da als Geschenk mit sich. Es kam mir so vor, als ob er etwas länger vor meinem Fenster verweilte, ehe er die nächsten Töne mit sich brachte.
Das Telefon riss mich aus meinen Gedanken.
„Ja?“
„ Hallo Suzie.“
Ich lächelte.
„Na, immer noch so glücklich?“, fragte ich und beobachtete, wie der Mond eine Wolke verdängte.
„Sag mal, hast du Lust auf einen gemütlichen Abend? Nur wir beide. Das haben wir schon lang nicht mehr gemacht.“
Mein Lächeln wurde breiter.
„ Nein, lieber nicht. Im Moment möchte ich lieber allein sein.“
Für einen Moment herrschte Schweigen.
„Oh, na gut. Suzie? Mit dir ist doch alles in Ordnung, oder?“
Ich lehnte den Kopf gegen den Fensterrahmen und merkte wie sich erneut ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete.
„Ja, es geht mir gut. Hör mal, ich gönn dir dein Glück, wirklich, aber im Moment muss ich meinen inneren Schweinehund bekämpfen.“
Ich hörte wie Anne lachte. Laut und aus tieftsem Herzen.
„Danke, dass du ihn für mich bekämpfst, Suzie.“
Ich lächelte und legte auf. Langsam hob ich die Feder auf meiner Hand an meine Lippen und pustete. Die Feder schwebte, drohte drei Stockwerte nach unten zu fallen, ehe der Wind sie erfasste, an der Hand nahm, und mit sich hinauf hob.