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Ich gehe in den Kindergarten
Ich gehe in den Kindergarten
Im Kindergarten gibt es immer mittwochs eine Bücherei, da kann man sich ein Buch ausleihen. Es stehen sechs Kisten mit Büchern auf dem Boden.
Vorne an einem Tisch sitzt eine Frau mit Karteikarten. Jedes Kind darf sich ein Buch aussuchen und geht damit zu der Frau, die dann den Namen in eine Karte einträgt. Das Buch von letzter Woche muss man dann wieder abgeben. Manche von den Großen machen das schon ganz alleine, bei den kleineren sind meistens Mama oder Papa dabei. Es sind viele Kinder die sich Bücher ausleihen und deshalb bildet sich vor dem Tisch jedesmal eine Schlange.
Wir stehen also an. Da die Schlange ist sehr lang ist hab’ ich Zeit, die Anderen zu beobachten, was die so machen.
Manche stehen in Grüppchen zusammen und unterhalten sich, ab und zu hört man ein lautes Lachen. Ob die wohl über jemanden lachen? Andere stehen etwas gelangweilt alleine herum. So wie ich meistens.
Da geht die Tür auf und Franka kommt herein. Sofort wird sie von drei anderen umringt und begrüßt. Franka ist sehr beliebt. Sie hat schöne glatte lange Haare, lustige Sommersprossen und lacht immer. Ihre Ideen findet jeder toll und sobald sie etwas sagt, hören alle zu. Ich kenne sie, weil sie im gleichen Haus in der Wohnung unter uns wohnt. Franka sieht mich, grinst und ruft: „Hallo Anne.“ Wow, sie grüßt mich sogar mit meinem Namen. Ich bin so stolz. „Hört alle genau hin“, möchte ich am liebsten schreien, „ich bin ihre Freundin!" Ich spüre, dass viele Augenpaare mich ansehen, öffne den Mund, aber es kommt nur ein schüchternes „Hallo“ aus meiner Kehle gekrochen.
Mist! Warum kann ich nicht ein bisschen cool, ein klein wenig beliebt sein. Mich beachtet keiner. Und warum muss ich immer auf den Boden schauen, wenn jemand etwas laut zu mir sagt. Naja, versuche ich mich zu trösten, immerhin komme ich erst seit ein paar Wochen hierher und Franka ist schon seit zwei Jahren dabei. Bald werde ich die Anderen auch besser kennen lernen und alle werden „Hallo“ zu mir sagen.
Während ich so vor mich hin träume, zupft mich etwas an meinem Hosenbein. Ich sehe nach unten in das Gesicht meines Sohnes Raphael, der sagt: „Mama, wir sind dran.“