- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 13
Ich hab dich!
"Verstecke dich hier! Sie sind bald wieder weg, sie laufen nur zur Kontrolle durch." flüsterte der Vater. Annika schaut sich schluchzend um. Kein Sonnenlicht, kein Funken aus dem Feuerzeug, die Kerzen bleiben aus. Der Ausgang, verschluckt durch die Dunkelheit. Und dann, Explosionen, Getrampel, Geschrei...
"Seht in jedes Zimmer! In jede Kammer! In jeden Kamin! Keiner von diesen Bastarden soll davon kommen", schreit der Kommandant, doch John hört nicht mehr hin. Überall Männer, überall Schüsse, Schreie, zu Boden fallende Menschen und Pfützen, zu dickflüssig um aus Wasser zu sein. "zweiter Stock, Endstation", denkt sich der Soldat. Hier muss er hin, hier muss er schlachten, hier verliert er seine Seele. Wird er jemals seinen zwei Töchtern wieder in die Augen blicken können? Johns Augen gehen durch das Zimmer. Ein dunkles Loch, am liebsten würde es einen verschlingen, doch es ist niemand zu sehen. "Leer", sagt er sich. "Leer", ein erleichtertes Lachen. "Leer!", der Schrei zu den Anderen, ein Stockwerk tiefer.
Wie das Adrenalin, dass eben noch versuchte ihm jegliche Kontrolle über sich zu nehmen, kommt nun die Erleichterung. Der Griff in die Tasche, die Kippenschachtel gezückt. Das Feuerzeug angeknipst, doch dann, ein Husten.
"Wer da?", ruft der Soldat erschrocken. Die Flamme erlischt wieder, die Erleichterung fällt zu Boden. "Kommen sie mit erhobenen Händen raus!", hört er sich sagen. Kein Wort, nur ein leises schluchzen. Johns Ohren suchen es. "Kamin?", denkt er, "nein, zu klein. Die Speisekammer?". Der Schritt nach Vorne, das Schluchzen wird lauter. Das Holz schreit mit jedem Schritt ächzend auf. Der Griff zur Tür, der Griff zur Unterwelt. Die Tür reißt auf, das Fadenkreuz zielt, das Ziel erfasst, der Schuss!
Aus dem ersten Stock rufe: "Ich habe noch einen erwischt! John wie geht es dir da oben? Sicher dass da keiner ist?" Doch der Soldat antwortet nicht. Seine Waffe zielt nicht auf einen der Verhassten, sondern auf ein kleines Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, vielleicht Blond, doch zu dreckig um es zu erkennen. John schaut es an. "Du bist, du bist...", stottert es aus ihm heraus.
"John was ist los da oben? Komm endlich runter, oder soll ich dir Beine machen?"
Doch der Soldat kümmert sich nicht darum, keine Sekunde nimmt er seinen Blick, von dem Ebenbild seiner Kleinsten. "Bitte tun Sie mir nichts, Onkel", stottert es mit zitternden Zähnen.
Die Entscheidung fällt nicht schwer, die Tür fällt mit einem letzten Lächeln zu. Die Erleichterung macht sich wieder bereit, doch dann ein Räuspern hinter ihm und etwas kaltes im Nacken.