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Ich komme aus Großvaters Land oder Wunsch, Indianer zu bleiben

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12.04.2007
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Ich komme aus Großvaters Land oder Wunsch, Indianer zu bleiben

Ich komme aus Großvaters Land oder Wunsch, Indianer zu bleiben

Der Startschuss ist gefallen und alle laufen wir los.
Sag ich, dass wir losliefen? Clarke geht das Rennen wie besessen an als wolle er einen neuen Rekord aufstellen! Ob er das Tempo nahezu eine halbe Stunde durchhalten wird? Ich bezweifele es.
Zu Beginn ist ein Rennen uninteressant, es sei denn, es besteht wie bei Sprintern nur aus Start und Ziel und kaum etwas dazwischen. Für uns Läufer ist wichtig, wie der tote Punkt nach vielleicht 3000 Metern überwunden wird. Das ist in vielleicht acht Minuten der Fall.
Bis dahin will ich Ihnen eine Geschichte erzählen und ich hoffe, sie langweilt sie nicht und lenkt uns nicht zu sehr vom Lauf ab. Denn es geht hier um nichts Geringeres als den Olympiasieg.
Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen:

Ich bin Oglala und wuchs auf in der Reservation am Pine Ridge. Als ich zwölf war, starben meine Eltern, was bei mir zu Haus nicht außergewöhnlich ist bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von nicht einmal 45 Jahren.
Ich hatte das Glück, von einer Familie außerhalb der Reservation aufgezogen zu werden und ich nahm den Namen der Zieheltern an, denn die nahmen ihren Auftrag ernst und sie respektierten meine kulturelle Herkunft. Also passte ich mich an und suchte, ihnen ein guter Sohn zu sein. Ich hatte keine Nachteile dadurch, Eingeborener zu sein. So wurde ich Amerikaner.
Schon zu dieser Zeit schafften vor allem farbige Underdogs den sozialen Aufstieg durch Boxen. Sie boxten sich buchstäblich nach oben. Und so begann ich mit dem Training. Das sahen meine Zieheltern nicht gar so gern und ich entsprach ihrem Wunsch und hörte auf zu boxen. Stattdessen wurde ich Leichtathlet, was der Mentalität eines Dakotas näher kam als das - wenn auch - regelgerechte Prügeln.

Nun sag ich Ihnen noch, dass die Dakotas und nicht Ostafrikaner oder sonst wer aus Afrika als die besten Langstreckenläufer der Welt gelten müssten. „Müssten“, weil wir ein Manko in der Sicht der herrschenden Kulturen haben: uns fehlen der Ehrgeiz und auch das Konkurrenzdenken. Wenn wir in Wettkämpfen gegeneinander antreten, bleiben diese immer auf spielerischem Niveau. Triumphe sind eher symbolischer Art wie auch lange Zeit in unseren Stammeskriegen. Da reichte es als Held angesehen zu werden, wenn der Gegner, - der nur in seltenen Fällen ein Todfeind war, - unter Zeugen berührt oder ein Gegenstand des Gegners entwendet wurde.
Hinzu kommt, dass wir es als merkwürdig empfinden, in einem Oval zu laufen als wäre der Teufel hinter uns her. Da spielt die Laufstrecke von ihrer Länge her keine Rolle. Warum sollten Dakotas schneller laufen als Gegner, die ihnen keine Bedrohung darstellen und uns eh nicht einzuholen vermögen, wenn wir es nicht wollen?
Bis ich eben die Leichtathletik entdeckte und selbst Leichtathlet wurde. Und meine Erziehung half mir, gelegentlich meine eigentliche Mentalität zu überwinden. Dann war ich ein weißer Oglala.

Mein erster großer Auftritt sollte vor vier Jahren sein. Die Olympiade war in Europa und ich war dabei als ganz junger Kerl. Mir sind nur noch wenige Namen in Erinnerung und bei den meisten anderen müsste man in die Archive schauen. Geblieben ist die Erinnerung an die deutschen Sprinter, die mit Armin Harry als schnellstem Mann der Welt uns bis dahin sieggewohnten Amerikanern einige Niederlagen beibrachten. Vor allem aber ist die Erinnerung an die schwarze Gazelle Wilma Rudolph geblieben, die eine Kinderlähmung überwunden hatte und jetzt durch Willenskraft die überragende Sprinterin der Spiele wurde.
Und ich wollte nun meine Mentalität im 10000-Meter-Lauf überwinden. Vor allem wollte ich Olympiasieger werden.

Das müssen Sie mir glauben! Wäre ich sonst mit nach Europa gegangen?

Ich hatte gelernt, taktische Rennen zu laufen, um meine Mentalität zu überlisten. Ich lief in dem Rennen Runde für Runde vorneweg, verlangsamte oder beschleunigte, bummelte oder legte einen Zwischenspurt ein wie’s mir gerade gefiel. Kraft und Kondition hatte ich für zwei Rennen hintereinander! Für das Amerikanische Publikum schien der Sieg so gut wie sicher zu sein.

Da geschah es: Gegen Ende der zwanzigsten Runde war das Feld weit auseinandergezogen und vorneweg lief mit mir eine kleine Gruppe von Leuten. Ich weiß es nicht besser als paradox auszudrücken: die ersten wurden überrundet und ich in meiner Mentalität zog einen Überrundeten mit. Mit Beginn der zweiundzwanzigsten Runde, es war ein etwas schärferes Tempo eingelegt worden, waren wir noch vier einschließlich des Überrundeten, - der nun erstaunlicherweise mithalten konnte, - und dieser Läufer hinter mir, den ich mitzog, muss wohl gestrauchelt sein und stürzte. Der Zweite konnte dem Gestrauchelten nicht mehr ausweichen und fiel über ihn und riss gleich den nächsten mit hinab und zwar so unglücklich, dass die Spikes sich in dessen Fleisch bohrten. Ich konnte nicht so tun, als hätt’ ich nicht gemerkt, dass hinter mir etwas Entsetzliches geschehen sein musste. Denn nun schrie ein Mann vor Schmerz und Schreck und, als ich stehen blieb, mich umschaute und dann zu den Gestürzten zurück lief, sah ich, dass einer wie Sau blutete, ein anderer aber schrie.
Derweil donnerten die bis dahin unterlegenen Läufer an uns vorbei und keiner unseres Quartetts erreichte das Ziel. Es war der Sieg meiner Mentalität über die des weißen Mannes und eine weitere Niederlage für Amerika.

Drei Jahre lang sollte ich in Amerika ignoriert werden und ich besuchte zum ersten Mal seit langer Zeit die Reservation, in der ich feststellte, dass die Dakotas wieder an Selbstbewusstsein gewonnen hatten und ich sah meine alten Freunde Tatonka und Tanka, die sich Wolf und Ox nannten, wenn sie die Reservation verließen, denn außerhalb der Reservation sprachen wir Englisch oder was wir dafür hielten. Gelegentlich liefen wir nach indianischem Brauchtum gegeneinander, was ja eher ein miteinander ist. Für die beiden war ich ein Held, für patriotische Amerikaner ein Abklatsch des barmherzigen Samariters. Die meisten Menschen aber vergaßen einfach meinen Namen schon direkt nach diesen Sommerspielen.
Nach drei Jahren begann für mich eine Zeit des Erfolges und Glücks: ich konnte in Kansas promovieren und ging freiwillig zu den Marines. Ich sollte an der Qualifikation für Tokio teilnehmen und ich schaffte die Qualifikation und kam wieder bis in den Endlauf. Ich war kein Favorit, obwohl Rom noch nicht so lang zurücklag, um sich meiner nicht zu erinnern. Um es vorweg zu sagen: meine Bestzeit lag eine Minute unter der des Weltrekordhalters Clarke, einem Australier und der Favorit des Rennens. Wer nie gelaufen ist, weiß nicht, dass diese Minute mehr als eine halbe Runde Vorsprung bedeutete und damit die sichere Niederlage für mich.

Nun haben wir die siebte Runde erreicht und ich muss jetzt den toten Punkt überwinden. Spätestens ab hier fragt sich jeder Läufer, warum er sich eigentlich so schindet.
Nichts, wenn ich es recht überleg, könnt’ jemand verlocken, im Wettrennen um die Gunst der Herren dieser Welt erster oder, wie andere sagen, bester sein zu wollen. Der Ruhm, Erster unter Seinesgleichen zu sein, führt anderntags zwangsläufig zum Katzenjammer, da man es dann wieder beweisen muss, dass man Erster unter Seinesgleichen ist. Sie haben keine Ahnung, wie anstrengend es ist, jeden Tag 10000 m in einer Horde gegen die Uhr zu laufen!

Wenn ich eins in Rom gelernt hatte, dann dies: Abstandhalten zum Vordermann wie zu den Seitenmännern, es zu keiner Berührung kommen lassen. Nicht, dass ich menschliche Berührung und Nähe scheue, aber im Kampf sind sie hinderlich. Und das Prinzip werde ich durchhalten. Ich orientiere mich an Bolotnikov und Halberg. Der hat vor vier Jahren schon die 5000 Meter gewonnen. Sie werden mir verzeihen, dass ich mich ab jetzt nur noch auf meine Vorderleute konzentriere!

-

Clarke führt nach zweiundzwanzig Runden und etwa 25 Minuten immer noch. Das Tempo ist immer noch sehr hoch und ihm können mit gebührendem Abstand nur ein Nordafrikaner und ich folgen, der ich eh Abstand halten will bis zuletzt. Mit Beginn der letzten Runde werde ich in einem weiten Bogen an dem Afrikaner vorbeiziehen. Ich fühle, dass ich noch Reserven habe und der Lakota in mir den Amerikaner überwindet: es gilt ein australisches Kaninchen vorm Ziel noch einzufangen. Und ich rase an dem Marokkaner vorbei und flieg auf der letzten Gerade wie ein Falke an Clarke heran. Erst hört er meine leichten Schritte (der Weiße tritt mit seinem gesamten Fuß auf und vergeudet seine letzten Reserven). Nun kann Clarke den Rhythmus meines Atmens hören. Jetzt fühlt er meinen Atem im Nacken und scheint zu resignieren, denn ich flieg an ihm vorbei, verpasse aber den Weltrekord um 10 Sekunden. Wohl nur, weil das australische Kaninchen nichts mehr zuzusetzen hatte. Was keine Schuldzuweisung ist!

Es war ein erster Triumph für die Dakotas über den weißen Mann in diesem Jahrhundert.

Tunkasila tamakoce ematanhan.

Wa lakota!“

 

Hi Friedrichard,

es spricht ja nichts dagegen, bekannte Stoffe neu zu erzählen, so auch durchaus die Geschichte von William Mills, dessen reale Existenz du uns hier leider verschweigst, auch wenn du sie schilderst.
Irgendwie vermisse ich aber die Neubearbeitung des Stoffs, die etwas anderes schafft, als der 1983 über dieses Leben erschienene Film "Running Brave" es getan hat. Ich vermisse den neuen Gesichtspunkt.
Zum Ende weiß ich nicht, ob die Bewertung stimmt, denn wenn das Gewicht vorher darauf gelegt wird, dass dem Läufer der weiße Ehrgeiz fehlt (wg. seiner völkischen Mentalität? - merkst du, wie das klingt?), er sich aber überwindet und doch für den Sieg läuft, ihn also der Ehrgeiz packt, hat dann wirklich der Dakota über den weißen Mann gewonnen oder weiße Mentalität über den Stolz eines Dakota?
Natürlich, die Sioux haben sich voller berechtigtem Stolz über diesen Olympiasieg gefreut.
Einige Details, für mehr war ich zu faul:

uns fehlt der Ehrgeiz und auch das Konkurrenzdenken.
bei einer Aufzählung ab zwei Objekten muss das Prädikat im Plural stehen.
Wenn wir in Wettkämpfen gegeneinander antreten, bleiben sie immer auf einem spielerischen Niveau
nicht zwingend, aber mE zu deinen bisherigen Sätzen besser passend wäre: bleiben diese immer auf spielerischem Niveau
Der unbestimmte Artikel passt mE rhythmisch nicht und ist redundant.
Da reichte es als Heldentat angesehen zu werden, den Gegner, der nur in seltenen Fällen ein Todfeind war, unter Zeugen zu berühren oder einen Gegenstand des Gegners zu entwenden.
etwas verwirrend, entweder ein Interounktionsfehler oder einer im Ausdruck. Wenn es als Heldentat angesehen wurde, angesehen zu werden, dann muss nach Heldentat ein Komma gesetzt wurde, wenn es darum geht, dass etwas als Heldentat angesehen wurde, muss eines vor "als", aber auch dann ist die Formulierung nicht glücklich.
Warum sollte ein Dakota schneller laufen als der Gegner, der ihm keine Bedrohung darstellt und uns eh nicht einzuholen vermag
warum diese Wechsel zwischen erster Person Plural und dritter Person Singular, wenn vom selben Volk die Rede ist? Perspektivwechsel mitten im Satz.
Bis ich eben die Leichtathletik entdeckte und selber Leichtathlet wurde.
da sich dein Dakota über weite Strecken sehr gut in der Sprache ausdrückt, würde ich hier das umgangssprachliche aber falche "selber" durch "selbst" ersetzen.

Lieben Gruß, sim

 

Grüß Dich, sim,

ich dank Dir fürs Lesen und für die mehr als konstruktive Kritik.

Vorlage der Geschichte ist tatsächlich die Biografie Billy Mills von 1938 bis 1964. Den Film „Running Brave“ kenn’ ich nicht, ich kann also nix dazu sagen. Sollten inhaltlicher Ähnlichkeiten/Parallelen zwischen Film und Text bestehen, sind sie zufällig. Der mittlere Teil der Geschichte ist Fiktion.

Gut zu wissen und ein schönes Gefühl ist, dass es jemand gibt, der sich des Namens erinnert!

Aber, sim, warum sollte ein Ich-Erzähler sich erst vorstellen?

Auf die Gefahr hin, dass die Erläuterungen länger werden als der Text selber:

Die Eckdaten (Geburt ’38, früher Tod der Eltern und dessen Folgen und letztlich Tokio ’64) sind real, in jeder Biografie nachzulesen. Nachempfunden ist der Lauf von Tokio, bei dem er sich vor allem an Rom erinnert, vor allem aber Vorsicht walten lässt, Abstand wahrt im doppelten Sinn des Wortes: körperlich, dass niemand strauchelt, und distanziert zu den Weltansichten („Mentalitäten“, komm ich gleich drauf) der anderen Läufer aus aller Welt. Jetzt kommt eine gewagte Behauptung: wäre Clarke nicht wie ein Besessener „galoppiert“, Mills hätte nicht seine eigene Bestleistung in diesem Rennen um fast eine Minute „gewaltig“ verbessert, hätte Clarke aber noch die Kraft gehabt, auf der letzten Geraden noch etwas zuzusetzen und einen neuen Weltrekord zu laufen, - es wäre nur die damalige „zweitbeste“ Zeit geworden, weil Mills eben diese knapp 11 Sekunden auch noch gepackt hätte. Sowas wie, „was wäre wenn …“, ist also auch im Sport möglich.

Der „neue Gesichtspunkt“ ist der, dass die Geschichte so etwas wie eine Parabel auf die moderne Arbeitswelt darstellt. Deutlich sollte es mit der Reflektion über den „toten Punkt“ werden. Obwohl der „tote Punkt“ nach ca. 3000 Metern erreicht ist, also noch 2/3 der Strecke vor Mills liegt, wird vom „toten Punkt“ erst auf sechs Zeilen von über 200 im letzten Drittel des Textes berichtet und es ist der vorweggenommene Katzenjammer. Ich zitier mich selber:
„Nun haben wir die siebte Runde erreicht und ich muss jetzt den toten Punkt überwinden. Spätestens ab hier fragt sich jeder Läufer, warum er sich eigentlich so schindet.
Nichts, wenn ich es recht überleg, könnt’ jemand verlocken, im Wettrennen um die Gunst der Herren dieser Welt erster oder, wie andere sagen, bester sein zu wollen. Der Ruhm, Erster unter Seinesgleichen zu sein, führt anderntags zwangsläufig zum Katzenjammer, da man es dann wieder beweisen muss, dass man Erster unter Seinesgleichen ist. Sie haben keine Ahnung, wie anstrengend es ist, jeden Tag 10000 m in einer Horde gegen die Uhr zu laufen!“

Jetzt zum Schluss: „Mentalität“ ist ein sehr weitläufiger Begriff. Selbst im (Rechtschreib-)Duden umfasst er „Denk-, Anschauungsweise; Sinnes-, Geistesart“ (Bd. 1, 24. Aufl., S. 682, Sp. 3), kurz: es gibt keinen besseren Begriff für die Art und Weise eines Menschen, wie er denkt, fühlt und handelt, vorausgesetzt er verstellt sich nicht und handelt gegen seine eigene Überzeugung. Wegen unserer eigenen Geschichte neigen wir schnell dazu, den an sich neutralen Begriff mit dem Attribut „völkisch“ zu versehen und, sim, ich weiß wie das klingt und vor allem, wenn so was wie ein „Nationalcharakter“, dem dann auch die Mentalität entsprechen muss, durchgesetzt wird. Das kann ja schon im Dorf geschehen, in dem die soziale Kontrolle viel stärker als in der Stadt ist.

Mill ist durch seine Herkunft und Erziehung sowohl Oglala (Dakota) als auch Amerikaner und nicht entweder das eine oder das andere. Was auch zu Paradoxien führen kann.

Das soll’s erst mal sein.

Was die grammatischen Schnitzer betrifft, die werden korrigiert. - Das passiert mir immer, wenn ich spät noch was schreib und dann sofort loswerden will, statt die Sache erst zur Seite zu legen und anderntags ausgeschlafen noch mal durchzusehen.

Gott sei Dank ist die Stellungnahme nicht ganz so lang geworden!

Dank Dir
&
Gruß

Friedel

 

Hallo, sim,

hier ein kleiner Nachtrag zu meinem vorherigen Brief, da ich jetzt überhaupt etwas über "Running Brave" weiß:

„Running Brave“ (1983) ist ein halb-dokumentarischer Film. Er ist bisher nicht im Kino gelaufen hierzulande, ich bezweifle, dass er je hier laufen wird, und wenn, dann im „Spartenfernsehen“ unter dem Titel „Run for your Life – Ein Sioux siegt für seine Brüder“. Da muss jemand erst drauf kommen!

Was mich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass die Bezeichnung „Sioux“ die (kolonial-) französische Verkürzung des "Natowessiw", Plural "Natowessiwak" der Algonkin ist. Franzosen machten vom Klang her daraus „Nadouessioux“. Unter den eingeborenen Stämmen war es üblich, verfeindete Nachbarstämme/völker als „kleine Schlangen“ zu bezeichnen. Den „Schlangenindianern“ (Shoshone) ist die Bezeichnung der Nachbarn bis heute geblieben. Ähnliches wiederfuhr den Inuit („Mensch(en)“), die von den Nachbarn „Fleischfresser“ (Eskimo) genannt wurden. Fein ist es nicht, auch nicht für "Frosch-" und "Krautfresser".

Zum Lauf vom 14. Oktober 1964 bleibt noch zu vermerken, dass Ron Clarke (Australien) nicht nur von Billy Mills, sondern auch noch von Mohammed Gammoudi überholt wurde.

Gute Nacht,

Friedel

 

Hallo, bluefin,

ich hab’ einen bekannten, der weiß zu allem was zu sagen, der kann auch alles, der hat auch alles schon mal gemacht, vor allem aber: der weiß/kann/macht alles besser. Als wer? Als alle andern. So glaubt er wenigstens und tut es kund.

Nun kommt gleich die erste frage: muss man im regen stehen, um zu wissen, dass er nass ist? Deine frage, ob ich leistungssport betrieben habe ist für den text unerheblich, und du kannst's nicht wissen, aber dennoch setz ich einmal 13:40 hier hin und lass dich im regen stehn.

Du erwartest vielleicht eine reportage über einen langstreckenlauf und erhältst so etwas wie eine parabel über die moderne welt, denn die globalisierung mit ihren folgen gibt’s ja nicht erst seit dem mauerfall oder seit herrn milton’s monetarismus über keynes in der politik obsiegt hat oder heuschrecken über die welt herfallen und alles kahlfressen. Da schau dir ruhig einmal das kommunistische manifest an, vor allem das anfangskapitel. Es sind nicht mehr seiten als es unter kg.de nicht ungewöhnlich wäre. Die paar seiten sind schnell gelesen. Und ob die startbedingungen der globalisierung mit Vasco da Gama oder Kolumbus gelegt wurden ist nebensächlich. Seither beschleunigt sich die technische und vor allem wirtschaftliche entwicklung, ohne dass der soziale wandel, vor allem unsere psychische anpassung mithalten kann, bis dieses system zusammenbricht. Sombart, - nicht Marx, - meinte noch, dass dies mit dem ende der natürlichen rohstoffe kommen werde. Dann schaunmermal, wie der kaiser sagt. Dass ich das noch erleben werde, bezweifel ich. Ich wünscht’ es mir aber!

Jeder, bluefin, der den text ansieht weiß, dass dort nicht „gewalkt“ oder „gejoggt“ wird mit einem pläuschchen, aber jeder weiß auch, dass ein innerer monolog nichts mit der realität zu tun haben muss. - Wir haben nicht alle das talent eines walter kempowskis. - In der geschichte wird vom abstand, den der prot zu anderen hält, berichtet und woraus diese haltung resultiert, und was sollte ihn daran hindern, zu sich selbst distanz zu wahren und die geschichte mit gehörigem abstand zu erzählen? –

Interessant find ich dann zweierlei noch:

Zum ersten, dass du meine quelle(n) weißt oder doch zu wissen glaubst („…ebenso wenig, wie es die pathetischen sportberichte vermögen, an die du dich anlehntest.“). Ich lehn mich an keinen sportbericht an und auch nicht an den Film, von dessen existenz ich bis gerade nix wusste.
Und zweitens, dass du die zentrale passage zitierst („Nichts, wenn ich es recht überleg …“) aber offensichtlich nur sehr eindimensional interpretieren kannst, nämlich als das, was da steht.

Und dann stellstu dich als experte in sachen „psychologie des hundes“ vor: „nicht einmal ein hund fängt an zu rennen, wenn er das leckerli nicht sofort danach bekommt;…“ Woher weiß der hund, dass er am ende tatsächlich ein leckerli bekommt? Da merkt man, dass du nie mit hunden zu tun hattest. Der hund weiß an sich nix vom leckerchen am ende des laufs. Er rennt einfach drauf los, weil er dumm ist und meint, das gesunde kaninchen kriegen zu können. Und wie blöd er ist, sehn wir, wenn das kaninchen einen haken schlägt und der hund seine bahn weiter läuft. Ein hund hat höchstens die illusion, eine belohnung für weißgott was zu bekommen, und sei’s fürs rennen. Im rudel ist das verhalten wieder anders als in der meute oder allein. In wirklichkeit wird sein verhalten sanktioniert, weil es dem herrchen halt ge- oder missfällt, wie der dumme hund sich verhalten hat. Wer will denn seinem hund weismachen, er bekäme die belohnung am sanktnimmerleinstag, vielleicht sogar im hunde-paradies? Und so gläubig war die krone der schöpfung einmal. Nicht der hund.

Und schon wieder ’ne frage: wo erweckt die geschichte den eindruck, der ich-erzähler habe nur noch die olympiade im kopf? Und dann passiert es wie eine parabel auf meine parabel (wenn wir’s denn so nennen wollen): „in systemen wie denen, von denen du“, - also ich, - „uns berichtest, läuft man nirgends hin, sondern weg, ohne zu wissen, wo man ankommt.“ That it is! Kapiert hastes!
Und auch das, was dann kommt, ist richtig: die mrd. namenlosen, die sich die füße wundlaufen, die sich den arsch aufreißen, die sich abrackern um zu „über“leben, über die spricht keiner. Taugen bestenfalls als hirnlose werktätige masse und konsumenten vieh. "Hirnlos" weil ihnen das denken erst untersagt wird und dann wollen sie nicht mehr, weil denken auch sowas wie müßiggang verlangt.

Mills war ursprünglich solch ein „no name“ ohne besonderen ehrgeiz und wär’s geblieben, wenn nicht tokio gewesen wäre. Denn wer interessiert sich schon für einen beliebigen Sportwissneschaftler oder Offizier? Und dass sein name hier auftaucht, ist allein der aufmerksamkeit sims zu verdanken. Ich hätt ihn nicht erwähnt. – Aber das brauch ich wohl nicht zu erwähnen. Erwähnen sollt’ ich noch, dass er das erreicht hat, was den meisten von uns ein traum bleiben wird: ein oder zwei bücher veröffentlicht zu bekommen oder als co-autor tätig zu sein.

Nix für ungut,

fritz

 

Ach Jott, da isser ja wieder, verrät mein Auge.
Wat willer denn?, fragt meine Zunge.
Dat erzählen, wat mer vorher schon jehœrt han, sagt das Ohr.
Sons’ nix?, fragt der Mund.
Doch, da schnüffelt die Nase, der will nochen bissken stänkern.
Wat siehste denn, fragt der Mund.
Und das Auge spricht: Isch seh’ne jeœffnete Konservendos’, -
da steht wat druff. –
Rühr di(s)ch ma, Hand!
Die packisch nich’an!, schreit der Finger, ischschneidt mi(s)ch nisch’ jern.
Die Hand nimmt zwei Kneifzangen und hantiert an der Dose herum.
Kannse itz watterkenn’n?, fragt die Nase: Dat stinkt mir!
Haszja recht, meints Auge. Wat seh isch denn? Hm… Wat riechsen du?
Thunfisch!, sagt die Nase.
Ja, dann seh ischet ri(s)chtich. Da steht: Bluefin.
Wattis dat?, fragen Auge, Finger, Mund, Nase, Ohr gemeinsam, und das Lexikon verrät’s: In Kalabrien wird gelegentlich vom Thunfisch nur der Rückenteil verarbeitet, da sich dadurch eine festere und magere Struktur ergibt. Das Produkt nennt man „Bluefin“. Mehrere Monate muss der Fisch dann in der Dose reifen, bevor er in den Handel gelangt.
Also jammelfleisch?, rümpft die Nase.
Nee, jereift, sagt die Vernunft.
Und der verstand sucht zu mäßigen:

Peace-bluefin,
nun gibstu sogar schon vor, für alle zu sprechen und zu wissen, wie ein Text gelesen werden will, und kannst doch bestenfalls für Dich selbst sprechen!
Du erscheinst mir wie das Kind im Trotzalter, das beschlossen hat, dass die Welt so und nicht anders zu sein habe, wie es sie sieht, und wenn sie dann doch anders ist, wird eben mit den Füßchen aufgestampft. Als wenn sich dadurch die Lage des Trotzköpfchens besserte. Und redet daher wie ein kleiner Adorno „…und die dir nur deshalb als vorlage dienen konnten, weil sie einer gesellschaft zur pathetischen geste gedient hatten, die ihr schlechtes gewissen damit besänftigen wollte.“ Und welche Quelle nimmt das Kind? Natürlich einen dicken Wälzer der „Deutschen Olympischen Gesellschaft“, weil da wahrscheinlich auch viele Bilder drin sind.
Zitat: „du sprichst vom triumph einer rasse über die andere.“
Dem Text (oder mir?) Rassismus zu unterstellen nehm ich krumm. Das stinkt mir! Welchen Text hastu da gelesen? Was interpretierstu da hinein? Wo Dein gesamtes Gezeter um den Leistungssport doch eher zeigt, dass Du nur eindimensionaler Gedanken fähig bist (trotz Adorno-Jargons, wobei Adorno keinen Jargon nötig hatte).
Und Deine Anmerkung zum Hund lässt befürchten, dass Dein Hund (sofern Du einen hast) wohl laufen will, doch wegen der permanenten Leckerchen übergewichtig ist und gar nicht mehr so recht laufen kann. Wahrscheinlich kann er gar nicht mehr anders als um Leckerli betteln. Wenn dat ma’ artjerecht is’!
Wenns „Surrogat“ dem Thunfisch „unverdaulich“ ist, so kotze ers doch einfach aus!
Kennstu eigentlich Theo Lohau? Oder Fritz Roderfeld? Komm uns bloß nicht mit Deinem ideologischen (Ge)quatsch(e) in die Quere!

Trotzdem, will mal nicht so sein,

schönes Wochenende!

Friedrichard

 

Gegentipp: "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie weit ein Wettkämpfer von sich selbst entfernt worden sein muss, bis er sich Blut aus dem eigenen Leib zapfen lässt, um es dann, aufbereitet, irgendwann wiederzubekommen? Ein Kalb in der Mastbox, künstlich in Mangel gesetzt, damit sein Fleisch später einen höheren Preis bringe als das des Artgenossen, der nebenan frei auf der Wiese tollen darf?"

Erst dacht' ich: Ja und? Jetzt weiß ich, dass zu all Deinen Fähigkeiten auch noch hinzukommt festzustellen, ob einer gedopt hat oder nicht.

Alle Achtung, für einen toten Fisch!

 

Hallo, Bernhard, -

Deine Worte sind richtig, beschreiben die ausufernden Folgen einer eher harmlosen Parabel (wenn’s denn eine ist).

Ich bedauer, - wenn auch nur ein bisschen, - dass ich mich hab hinreißen lassen, obwohl ich es nicht mag, Emotionen zu zeigen. Im Bekanntenkreis wird mir nachgesagt, ich hätt’ das Temperament eines Kühlschranks.

Aber so kann’s gehen!

Nur „ein bisschen“, weil ich ja immerhin zu # 8 hingerissen wurde, das aus dem hohlen Bauch heraus entstanden und für sich schon eine kleine Geschichte ist.

Ich werd’ mich an Deinen Rat halten. An den Hunden konnt’ ichs ja schon jahrelang üben. Und ich fang hiermit an,

danke, Bernhard, für die beiden Tipps (incl. Deiner Hundsgeschichte)!

Schönen Rest-Sonntag noch!

Friedel

 

Grüß Dich, Rosta,

schön, von Dir zu lesen!

Ganz kurz nur zu Deiner Frage:

„Wa lakota“ ist der Gruß unter den Lakota-Stämmen, beschreibt aber nicht wie in unserm Kulturkreis üblich die Tageszeit, sondern „Verbündeter“ oder auch „Freund“. (Hat nix mit dem ehem. Sozialistischen Gruß zu tun.)

„Tunkasila tamakoce ematanhan“ bedeutetet: „Ich komme aus Großvaters Land“, worunter üblicherweise heutigentags „Amerika“ gemeint ist.

Das kommt davon, wenn man alle Teile des „Mannes, den sie Pferd nannten“ oder auch „der mit dem Wolf tanzt“ anschaut.

Und schon bin ich wieder weg!

Gute Nacht,

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

ich gehe einfach nicht auf die hier entbrannte Diskussion ein, sondern auf den Text.

Der Inhalt hätte mich zwar vermuten lassen, dass der Text auf einer realen Begebenheit basiert, allerdings muss ich zugeben, dass ich von diesem Hintergrund selber nichts weiß. Das mag vielleicht ein Problem sein.

Das Thema ist natürlich interessant – für mein Empfinden aber nicht optimal aufbereitet. Da wäre zum einen der Punkt, den bluefin angemerkt hat; man „merkt“ nicht wirklich, dass der Mann gerade in einem Langstreckenlauf befindet. Dazu ist für meinen Geschmack alles ein wenig zu sehr heruntererzählt, und das eigentliche Rennen zu sehr Rahmen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Erzähler zwischendurch immer wieder auf diesen Rahmen zurückgreift, stärker berichtet, was er während des Laufens empfindet, wie er die anderen wahrnimmt. So bleibt der Text ein wenig blass, was auch mein zweiter Kritikpunkt wäre.

Du erzählst uns sehr viel, aber du schaffst keinen emotionalen Zugang zum Protagonisten. Ich könnte auch einen Zeitungsbericht über das Thema lesen. Das ist aber eine Kurzgeschichte, und da kann viel mehr funktionieren, wenn man sich „in der Handlung“ fühlt. Das vermisse ich hier. Das Problem mag darin bestehen, dass du inhaltlich sehr viel in die Geschichte packst und alles eingerahmt von dem Rennen.

Drittens habe ich, wie sim, Probleme mit der Aussage, die der Text transportiert. Du schreibst, dass dieses Paradoxon – indem er seine Dakota-Mentalität überwindet, siegt der Dakota über den Weißen – durchaus beabsichtigt ist, was ich auch glaube. Es kommt aber für mein Gefühl im Text nicht so heraus, man merkt auch nicht, inwieweit dein Protagonist sich dieses Paradoxons bewusst ist, inwieweit es in seinem Inneren Konflikte der Identitäten gibt. Es gibt natürlich die schöne Szene, als er das Rennen verliert, weil er sich nach den anderen Läufern umschaut, aber ehrlich gesagt: das ist mir ein wenig zu knapp und zu platt erzählt.

Nun sag ich Ihnen noch, dass die Dakotas und nicht Ostafrikaner oder sonst wer aus Afrika als die besten Langstreckenläufer der Welt gelten müssten.
Die Ethnologin sagt: Falsch! Die besten Langstreckenläufer der Welt müssten eigentlich die Raramuri sein, die in Nordmexiko (Chihuahua) leben. Die sind es gewohnt, Strecken von über 100 km zu bewältigen und dabei noch einen kleinen hölzernen Ball vor sich herzukicken. Dazu gibt es auch eine Geschichte von einem Raramuri, der auch zu den Olympischen Spielen fuhr und im Marathon eine Medaille gewann. Er lief über die Ziellinie mit dem Ruf: „Zu kurz! Zu kurz!“
;)

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

„Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen,“ und wenn es denn so etwas wie Frieden stiften kann, so will ich hier die Quellen des Textes bekanntgeben, auf dass nicht noch mehr fantastische Hypothesen aufgestellt werden.

Zwei hab ich zuletzt gegenüber Rosta genannt: zum einen die Trilogie über „den Mann, den sie Pferd nannten“, von denen ich jeden Film wohl zweimal gesehen hab und der letzte mir nicht mehr gefallen wollte ( - ruft da jemand, das kanner nur im Suff? -), und – selbstverständlich – „Der mit dem Wolf tanzt“, den ich dreimal in der gekürzten Fassung gesehen hab, die auch üblicherweise in den Kinos läuft, und einmal in der vollständigen Fassung, die aber gegenüber der gekürzten Fassung nicht unbedingt ein Gewinn ist.

Kleine Anmerkung hierzu: Ich saß zum Schluss allein im Kino.

In allen Filmen werden Ureinwohner von Ureinwohnern dargestellt, sprechen ihre Sprache und selbst wenn ein Darsteller mal ein Nakota, Cheyenne oder selbst Navajo oder sonst wer gewesen sein sollte, gesprochen wurde von ihnen Lakota, denn unter dieser Ethnie spielten die Handlungen. Da bleiben im untertitelten Film Brocken hängen, wie die Begrüßung, wie, dass „Tanka“ den Büffel meint und „Tonka“ den Wolf und Tatanka Yotanka der sitzende Büffel ist etc. Zwischen Richard Harris’ großartigem(n) Auftritt(en) und Kostner’s Darstellung liegt rund ein Viertel Jahrhundert.

Die Personen und Namen Harry, Rudolph usw. sind im Gedächtnis eingebrannt und auch Mills’ Lauf in Tokio, da bedarf es keiner Hochglanzbroschüren oder Reportagen. Was aus Harry und Rudolph geworden ist, weiß ich, - was aus Mills geworden ist, wusst’ ich bis vor wenigen Tagen nicht, denn der Text ist überwiegend Gedächtnisleistung. Es hat sich eingebrannt, weil ich mich dafür interessiert hab und selbst gelaufen bin (Bestzeit steht, wen immer es interessieren mag, unter # 6). Aber keine bange, ich bin nicht Harald Norpoth. Die Vereinsmeierei ging mir nach 67/68 zunehmend auf den S...

Zu berichten ist auch von zwei schriftliche Quellen, die freilich auch aus dem Gedächtnis eingearbeitet sind. Jetzt hab ich mir die Texte vorgenommen und angeschaut, um korrekt zu zitieren. Die erste Textquelle beginnt (sinnigerweise) mit obigem Eingangszitat. In Verbindung mit der noch kürzeren zweiten, - die zweite Quelle ist die Umkehrung der zweiten Hälfte des Titels „Wunsch, Indianer zu bleiben“, - wurd ich angeregt, den Text zu schreiben, ohne vorher bei Kafka nachgeschaut zu haben.

Bevor nun daraus ein Rätsel wird, - oder weiß es schon jemand?, und neuer Streit entbrennt: es sind zwei kurze Erzählungen Kafkas, die hier in den Lauf gesteckt werden (pardon, das ist zweideutig), integriert werden. Die eine heißt „Zum Nachdenken über Herrenreiter“, die andere „Wunsch, Indianer zu werden“. Die erste ist 1910, die zweite 1913 erstmals veröffentlicht worden, zusammen messen sie etwas mehr als eine Schreibmaschinenseite DIN A 4 zu 60 Anschlägen je Zeile und 30 Zeilen je Seite.

Zum Text selber noch: er ist Fiktion und er bleibt es! In Rom ist nix passiert. Als Anstoß zur Rom-Szene musste ein späterer Sturz Norpoths herhalten, der dann aber tatsächlich blutig ausging. Der Mills in diesem Text ist eine Kunstfigur, die Daten sind vorgeschoben und der Leser gerne Daten sieht, dass er alles einordnen könne. Inzwischen bedauer ich schon wieder, Mills genannt zu haben und dass daraus trouble entstanden ist. Anderseits ist # 8 dabei herausgekommen…

Ich habe kein Problem zuzugeben, dass Kafka die besseren Texte geschrieben hat, aber … ich frag mal nach deren Verständnis. Wer es so will: es hat eine Trivialisierung Kafkas stattgefunden. Und mal im Ernst: hätte Kafka den Weg auf die Plattform gefunden? -

Und ich schäm mich nicht mal, Kafka umzuschreiben!

Gruß an alle!

friedchen

Bleibt die Frage für mich: stell ich diese Notiz unter den "Literarischen Surrogaten" ein?

 
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Hallo, Malinche,

entschuldige, dass ich erst jetzt antworte.

Es ist richtig und klug, nicht an dieser leidigen Diskussion teilzunehmen, sondern auf den Text einzugehen.

„Der Inhalt hätte mich zwar vermuten lassen, dass der Text auf einer realen Begebenheit basiert, allerdings muss ich zugeben, dass ich von diesem Hintergrund selber nichts weiß. Das mag vielleicht ein Problem sein.“

An sich bräuchte der Leser nichts von den realen Begebenheiten zu wissen, denn die Rahmenhandlung ist das Unwichtigste am ganzen Text. Jeder hat halt gern Fakten und je konkreter sie sind, desto realer scheint ihm das, was ihm zu lesen vorgesetzt wird. Die Geschichte hätte auch mit „Es war einmal“ oder „Einst vor mehr als vierzig Jahren…“ beginnen können. Dadurch dass die Läufe von Tokio und Rom mit festen Daten versehen sind, wähnt der Leser sich in einer wirklichen Beschreibung, die der Text nun wahrhaftig nicht ist. Und so ist der eigentliche Bericht unwahr (die Rom-Episode; hier müsste Dir als Ethnologin doch auffallen, dass es den edlen Wilden noch nie gegeben hat. Aber es ist eine schöne Szene und eine sportliche Geste.). Mit realen Daten und Namen wird gelogen und hantiert, wie’s den Autoren beliebt. Und deshalb darf die Erzählung nicht schwer Atmen, immer schwerer Auftreten, Hecheln, Schwitzen, bis es stinkt oder bis der Läufer zum Schluss flucht und dann reihert, weil er sich übernommen hat. Sein Körper „eigentlich“ für eine solche Strapaze nicht geschaffen ist.

Das hat unser amerikanischer Freund richtig erkannt: hier wird gar nicht die Geschichte eines „Wett-“Laufs erzählt, sondern um die kleine Welt der Namenlosen, die sich den Arsch aufreißen zum Wohlgefallen ihrer Herrschaften, aber dann dieses:

in Wirklichkeit sitzt der Erzähler zuhause im Schaukelstuhl, trinkt ein Glas Wasser (Lüge!), hat ’ne Gitarre vorm Bauch und spielt Muldaur/Butterielfd’s „It All Comes Back“ und hat eine Riesendistanz zu den 60-er Jahren…

Dass meine Intention durchkomme, darf ich inzwischen selbst bezweifeln. Ob eine andere Aufbereitung das leisten könnte, kann keiner wissen, außer man versucht’s. Da will ich aber erst Mal nix versprechen.

„Die Ethnologin sagt: Falsch! Die besten Langstreckenläufer der Welt müssten eigentlich die Raramuri sein, die in Nordmexiko (Chihuahua) leben. Die sind es gewohnt, Strecken von über 100 km zu bewältigen und dabei noch einen kleinen hölzernen Ball vor sich herzukicken. Dazu gibt es auch eine Geschichte von einem Raramuri, der auch zu den Olympischen Spielen fuhr und im Marathon eine Medaille gewann. Er lief über die Ziellinie mit dem Ruf: „Zu kurz! Zu kurz!““

Die Geschichte zu denen „mit den leichten Füßen“ gefällt mir und es wird so sein. Tatsächlich wird jedes (Natur-)Volk seiner Umwelt entsprechend Fähigkeiten und Talente entwickeln. Zu den statistischen Werten über die Eignung von Leuten zu Kurz/Mittel/Langstrecken hat Bernhard eine Web-Adresse gefunden (wenn’s interessiert).

Amusant find ich vielleicht noch, wenn ich verrate, dass ich mein Interesse an Ethnologie über –

Karl May fand.

Gruß

Friedel

 

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