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Ich verstehe die Frauen nicht

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03.07.2004
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Ich verstehe die Frauen nicht

Morgens sitz ich an meinem Schreibtisch und stelle das Sitzungsprotokoll fertig, da kommt Frau Mögenstein in mein Büro. Sie lächelt mich freundlich an: "Hallo, Herr Meier, wie geht es Ihnen, sind Sie gut hergekommen, oder hatten sie zuviel Verkehr ..." Und so weiter. Wir plaudern eine Weile, bis sie warm geworden ist und zur Sache kommt. Ich fühle mich wie ein junger Hund, der sein Gegenüber schwanzwedelnd begrüßt, aber manchmal doch lieber den Schwanz einziehen würde.

Frau Mögenstein hat kein besonderes Anliegen, sie befördert nur den neuesten Klatsch durch die Büros. "Die Frau Silbergern wird sich gewiss nicht mehr lange halten können. Der Alte hat sie doch gestern gründlich zusammengefaltet, weil sie schon wieder einen Auftrag von Toberg und Sohn vermasselt hat."
"Ach tatsächlich?" Ich schaue Frau Mögenstein interessiert und leicht erstaunt an.
"Ja, haben Sie auch gehört, dass sie demnächst versetzt wird und Akten sortieren darf? Da kann sie wenigstens keine schwerwiegenden Fehler mehr machen." Ich nicke zustimmend und werfe dann ein: "Ich denke, in unserer Firma kann jeder seine Fähigkeiten voll einbringen."
Frau Mögenstein stockt einen Augenblick, aber dann widerspricht sie doch: "Wenn das wenigstens so wäre. Ich versauere auf meiner Stelle. Dabei bitte ich seit drei Jahren darum, in die Buchhaltung versetzt zu werden, damit ich endlich mal meine Talente zeigen kann." Das Telefon klingelt, ich wende mich mit einer Entschuldigung ab, und Frau Mögenstein verlässt das Büro, um ihre Mission fortzuführen.

Mittags sitze ich mit dem Alten in der Kantine. Manchmal habe ich den Eindruck, emphatisch begabt zu sein. Manche Nadelblicke der Damenwelt pieksen schmerzhaft, und ihre stummen Gedanken hallen durch meinen Kopf: 'Wieso beschäftigt der Alte einen Mann als Sekretär. Was kann der schon, was wir nicht können. Er ist ja ganz nett, aber sonst. Ist er eigentlich verheiratet? Oder ist der Alte schwul?'

Wie jeden Mittag verspeisen wir das frisch zubereitete Essen mit Genuß und tauschen uns über das Fernsehprogramm und die neuesten Kinofilme aus. Während die anderen Mitarbeiter wieder an ihre Arbeit gehen, hole ich noch zwei Kaffee, der Alte lehnt sich zurück, sieht mich an und fragt: "Wie sieht's aus?"

Seit ich in der Firma tätig bin, beschäftige ich mich mit dieser kleinen Spielerei. Jetzt erzähle ich dem Alten das Resultat meines heutigen Spieles: Ich habe alles, was mir Frau Mögenstein und Frau Krautt und Frau Wermter und alle anderen Damen im Laufe des Vormittags brühwarm auf den Tisch gepackt haben, ein wenig aufbereitet. Erst einmal in kleine Häppchen zerteilt und systematisch geordnet, dann wieder nach Themen und Betroffenen sortiert, überprüft und bewertet: "Die Beförderung von Frau Silbergern ist noch nicht bekannt geworden, nur ihre Versetzung. Frau Mögenstein lehnt es weiterhin ab, an einem Buchhaltungskurs teilzunehmen; ich denke, sie fühlt sich in ihrer jetzigen Position sehr wohl. Frau Krautt ist sich auch dieses Jahr sicher, dass Du ihren Geburtstag vergessen hast. Den Blumenstrauß für sie habe ich für 14 Uhr bestellt. Um 15.30 kommt Frau Güldner und möchte über ein ernstes Problem reden. Aber vorher solltest Du bei Frau Wermter vorbeischauen. Ihre Tochter erwartet Zwillinge und es muss wohl ein Kaiserschnitt gemacht werden. Sie ist sehr nervös und ich denke, Du solltest ihr ein paar Tage frei geben."
Der Alte nickt: "Werde ich machen. Und was soll ich Frau Güldner sagen?"
"Hör ihr zu, stimm ihr zu, und dann berichtest Du ihr, dass Du eine Ausschreibung zur Verschönerung der Sanitärräume bereits in Auftrag gegeben hast. Der liegt übrigens an dritter Stelle in der Unterschriftenmappe. Um 15:45 werde ich Dich an Deinen wichtigen Termin außer Haus erinnern."

Als ich auf dem Rückweg in das Sekretariat bin, hält mich Fräulein Wanschel auf. "Frau Mögenstein meint, Sie wären ein sturer Bock", kichert sie. "Ach ja und woran hat sie das erkannt", grinse ich sie an. Sie kommt mir noch ein wenig näher, was mich aber nicht stört. Ich bin seit fünf Jahren glücklich verheiratet, was allerdings kaum jemand in der Firma weiß, und gut gefüllte Sommerkleidchen beeindrucken mich wirklich nicht. Aber auch das wissen die Damen nicht, und so holt Fräulein Wanschel tief Luft, um mir den neusten Klatsch zu offenbaren: "Sie wollte doch von Ihnen erfahren, was der Alte nun mit der Silbergern besprochen hat, aber Sie haben ja mal wieder nichts verstanden und waren stumm und verschlossen wie eine Auster."

"Das tut mir leid, da habe ich Frau Mögenstein wohl missverstanden. Aber es gibt ja auch Angelegenheiten, über die ich nicht reden darf. Sie möchten doch auch nicht, dass Ihre kleinen Geheimnisse breitgetreten werden. Aber Sie brauchen nur ein wenig zu warten, heute Nachmittag wird Frau Silbergern gewiss einiges zu erzählen haben. Also einen schönen Nachmittag wünsche ich Ihnen." Ich lächele sie an, aber sie verzieht ihr Gesicht und scheint sich gar nicht zu freuen. Dann startet sie einen Frontalangriff:
"Es ist gar nicht gut, wenn Sie immer so alleine in Ihrem Büro sitzen. Wollen wir nicht nach der Arbeit zusammen Kaffee trinken gehen?"
Warum erinnern mich ihre Augen bloß an einen Spaniel? Ich mag diese Situationen gar nicht und reagiere sehr deutlich: "Ich fahre nach der Arbeit nach Hause, um mit meiner Ehefrau zu Abend zu essen."
Jetzt beginnen ihre Gesichtszüge langsam zu entgleisen und ich füge vorsorglich hinzu: "Ich trage zwar keinen Ehering, aber den Namen meiner Frau."
Fräulein Wanschel verzieht sich ohne ein weiteres Wort auf die Damentoilette.

Die meisten Angestellten unserer Firma sind Frauen. Die jüngeren versuchen, mit mir anzubandeln, sie scheinen meine Ehefrau für eine Schutzbehauptung zu halten. Die älteren bedauern mich, dass ich diesen undankbaren und schlecht bezahlten Job ausübe, aber sie alle vertrauen mir und so darf ich mir alle wichtigen Begebenheiten anhören. Ich habe für alle ein offenes Ohr, bin freundlich und hilfsbereit, weil mir das liegt und unser Betriebsklima ist wirklich gut. Das Interesse des Alten an dem Wohlergehen seiner Angestellten und an ihren persönlichen Sorgen und Freuden wird häufig gelobt. Natürlich bleiben kleine Eifersüchteleien und Zänkereien nicht aus, aber wenn ich an meine Vorgängerinnen denke: Entweder waren sie zickig oder sie meinten, sich den Alten angeln zu können. Gewiss, er trägt wie ich keinen Ehering, aber er ist seit dreißig Jahren glücklich verheiratet. Das weiß ich genau. Und wir beide kommen auch gut miteinander aus, denn wir kennen uns schon seit vielen Jahren.
Wir haben neben der Alltagsarbeit einige Ideen entwickelt. Zum nächsten Betriebsausflug wollen wir die Lebensabschnittspartner einladen. Dann werden wir ein Kinderfest veranstalten. Es ist vielleicht ein Traum, aber warum sollte eine Firma nicht wie eine große Familie sein. So hoffe ich, Frau Mögenstein kann ihre Prüfungsangst überwinden und die angebotene Fortbildung zur Buchhalterin beginnen. Und wenn Fräulein Wantschel in mir den brüderlichen Freund sieht und nicht den potentiellen Lebensgefährten, dann können wir wohl auch verkünden, dass der Alte mein Vater ist.

 

Hallo bernadette!

Das mit der Kantine verdeutliche ich etwas. Jetzt den Sohn und die Ehefrau umzumodeln würde mir zuviel Mühe bereiten und ich weiss nicht, ob es klappt. Ursprünglich lief die geschichte wohl mehr in deine Wunsch-Richtung - mit Betriebsfeier und ohne Verwandtschaft.

keine Konkurrenz im klassischen Sinne
Ich arbeite seit mehr als 10 Jahren in klassischen 'Frauenberufen' als einziger Mann weit und breit und ich bekomme die (berufliche) Konkurrenz laufend zu spüren. Aber vielleicht hast du ja wie beim ersten Satz an etwas anderes gedacht.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Jobär,
wegen des Titels habe ich das Lesen der Geschichte schon ein paarmal vershoben. Wie kamst du denn darauf? Auch nach demLesen ist mir das nicht klar.

Dabei ist sie nett, deine Geschichte. Chef und Sohn sind Gutmenschen, das "frisch zubereitete Essen mit Genuß ", alles bestens. Natürlich deutete der Umstand, dass der Prot den Namen seiner Frau trägt, auf ein Geheimnis hin, und die Lösung war das wahrscheinlichste.

Während die anderen Mitarbeiter wieder an ihre arbeit gehen

Flott geschrieben.

Gruß, Elisha

 

Hallo elisha!

Wie kamst du denn darauf?
Das habe ich inzwischen erfolgreich verdrängt und will es auch da unten lassen.:D

Aber wenigstens flott geschrieben - freut mich. Vielen Dank für deine Kritik.

LG

Jo

 

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