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Ich
Ja, ich habe Probleme, tonnenweise, aber das heißt noch lange nicht, dass ich darüber sprechen will! Wieso lassen mich diese Leute, die sich ohne mein Zustimmen meine Freunde nennen, nicht einfach in Ruhe. Sie behaupten mir helfen zu wollen und zugegebenermaßen brauche ich auch Hilfe. Aber wieso sind sie so sicher, dass ich ihre Hilfe brauche? Es sind Studentinnen der Psychologie, deren Eltern schon Psychologen waren. Sie behaupten die Lösung zu meinen Problemen schon mit der Muttermilch zu sich genommen zu haben – so ein Schwachsinn!
Weshalb ich nicht davon laufe? Weil sie behaupten meine Freunde zu sein und ich keine anderen Menschen kenne, die sich freiwillig meine Freunde nennen würden. Nun sitze ich hier, und sie wollen mich wieder einmal zum sprechen bringen. Ich behaupte, dass es mir gut geht, aber sie haken nach und lassen nicht von mir ab. Ich erzähle etwas Bedeutungsloses aus meiner Vergangenheit, womit ich sie vermutlich für heute Abend abspeisen kann. Sie lachen! Sie lachen mich aus! Die wollen meine Freunde sein? Wie würden sie wohl reagieren, wenn ich die Wahrheit sagen würde, die ganze Wahrheit? Dann würden sie nicht mehr lachen, dessen bin ich mir ganz sicher. Niemand darf es jemals erfahren, was damals passiert ist, niemand.
Eine der angehenden Psychologinnen sitzt schon seit einer Weile gelangweilt auf dem Stuhl. Ich hoffe, dass sie das Thema wechseln wird, doch stattdessen steht sie auf und läuft davon. Ich bin kurz davor hinter ihr her zu rufen „Bleib hier, du bist doch meine Freundin“, aber mein Mund hat sich schon längst ans Schweigen gewöhnt und Geschrei hat ihn schon seit Jahren nicht mehr verlassen.
Die anderen sehen auch schon ganz schön gelangweilt aus und bald werde ich auch sie vertrieben haben. Dann bin ich wieder ganz allein mit meinen Gedanken und keiner will mehr etwas aus mir herausholen, was mit größter Sorgfältigkeit weggeschlossen ist. Ich will nicht, dass sie weggehen. Was könnte ich erzählen, etwas harmloses, etwas leichtverdauliches. Vielleicht wäre es besser etwas zu erfinden? Dann bleibt mein Geheimnis mein Geheimnis und sie sind ach zufrieden.
Ich sage etwas, zwei Sätze, und da geht es auch schon los, die Beiden, die noch da sind fangen sofort damit an alles Mögliche zu interpretieren. Völlig ziel- und ahnungslos. Sie beraten sich gegenseitig, was in diesem Fall wohl die beste Therapie wäre. Ich sitze daneben und höre zu. Erstaunlich, was es da alles gibt. Ich will mit diskutieren, schließlich sind es meine Freunde aber sie lassen sich nicht unterbrechen. Auf einmal geht ihr Gespräch in eine ganz andere Richtung. Sie fangen an von sich selbst zu sprechen und stellen sich vor, wie es für sie wäre, wenn sie in dieser Situation wären. Lächerlich, als ob sie wüssten.
Ich würde aufstehen und gehen, aber ich will nicht unhöflich sein und meine Freunde sollen schließlich nicht schlecht von mir denken. Schließlich entscheiden sie sich in die Bibliothek zu gehen und fragen ob ich mit will. Ich stimme zu, im Wissen, dass ich auf dem Weg dorthin einfach verschwinden kann, ohne dass sie es jemals bemerken werden.