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Ich
Meine Faust trifft dich mitten ins Gesicht. Dein Kopf schnappt zurück, Blut schießt aus deiner Nase und du fällst getroffen zu Boden. Um uns ist es dunkel. Während du langsam gen Boden zusammensackst und mein Schwarz mit deinem Rot vermischst, schaue ich auf meine Hand. Vieles hat sie bisher geleistet, getan und verursacht.
Doch stets tat sie nur, was du ihr befahlst. Sie wollte impulsiv sein, zeigen, was ich denke. Doch ich habe es ihr nicht erlaubt.
Seit langer Zeit habe ich das nun wieder getan.
Während du zu Boden fällst blicke ich auf meine Hand, sehe, wie sie an den Knöcheln rot wird und zu schmerzen beginnt. Ein schönes Gefühl.
Du stehst mir seit einer unmessbar langen Zeit an diesem Ort gegenüber, seit du plötzlich aus der Dunkelheit zu mir gekommen bist.
Manchmal lachst du über mich, manchmal sprichst du auf mich ein, manchmal starrst du mich nur an. Währenddessen tat ich nichts. Ich versuchte nur noch selten mit dir zu reden, denn wenn ich es tat wurdest du nur noch lauter und unerträglicher. Deine Stimme würde bohrender, heller, einnehmender werden. Deswegen richtete ich mich nach dir, tat was du sagtest, immer. Es war der einzige für mich akzeptable Weg.
Gelegentlich vergaß ich fast, dass auch ich noch an diesem Ort bin. Du warst so laut, so überzeugend, hast diesen so sehr für dich eingenommen, dass es mir nicht in den Sinn kam, dir zu widersprechen. Es wäre schwer, vielleicht sogar gefährlich. Es würde wieder Kraft kosten.
Und so unterdrückte ich die Impulse meines Körpers. Sie kamen immer wieder, als wollte er mir beweisen, dass es mich noch gibt. Immer wieder zuckte meine Hand hervor, bewegten sich meine Beine ohne dass ich es merken würde ei nen Schritt auf dich zu.
Doch jeder Schritt, jede Zuckung riss mich aus meiner Lethargie und ließ mich erschrocken in deine Augen blicken. Wenn ich in deine starrenden Augen sah wusste ich, dass ich dir zu folgen hatte. Ich versteckte meine Hand hinter meinem Rücken und tat zwei Schritte zurück wenn ich einen nach vorne gegangen war.
Wie ich dich nun fallen sehe, langsam, besiegt, muss ich anfangen zu lachen. Ich lache über dich, über mich, über uns.
Ich lache über dich, der immer so stark, so unangreifbar wirkte, aber doch so schwach und dessen Existenz so sinnlos war.
Ich lache über mich, der immer so folgsam war, ohne zu merken, wie einfach es doch ist sich zu befreien.
Während du zu Boden fällst, strauchelst du mit deinen Armen. Du willst dich auffangen, doch ich weiß, dass es dir nicht gelingen wird.
Ich gehe auf die Knie und betrachte dein rotes Blut, dass meine Dunkelheit verschönert. Ich streiche mit der Hand hindurch, stehe wieder auf und betrachte das Rot auf meiner Hand. Ich führe sie zu meinem Mund und schmecke daran. Das Gefühl ist berauschend.
Ich fühle mich so unglaublich frei, wie ich es früher noch tat, bevor du hierher kamst und begannst, auf mich einzureden. Dein Blut ist meine Befreiung.
Ich spüre, wie ich beginne, mich zu verändern. Stets glaubte ich, du würdest so aussehen wie ich, dass sich dein Aussehen dem Meinen anpassen würde.
Doch nun wird meine Haut wieder heller, meine Hände größer, meine Augen blauer. Ich war es, der sich veränderte. Immer mehr wurde ich zu einem Abbild deiner Selbst. Jetzt werde ich wieder ich.
Du hast es übertrieben. Während man auf mich einredete, mich anschrie und enttäuschte gingen meine Füße näher auf dich zu und wollten meine Hände dich zu Fassen bekommen. Währenddessen sahst du mich nur an, so selbstgefällig wie du es immer tatest und sprachst weiter auf mich ein. Wieder wurde ich langsamer, weil ich meinen Körper stoppen wollte. Du hattest sicher Recht, ich sollte keine Probleme machen.
Doch als ich es versuchte wurde der Lärm nur noch lauter. Du sagtest ich solle ihn ignorieren, es gäbe schon einen Grund warum es ihn gibt. Sicher wäre ich auch irgendwie selbst Schuld.
Ich konnte nun wieder zurückgehen, dich reden lassen und hätte mich selbst wieder verstecken können, wie ich es seit so langer Zeit schon tat.
"Der Lärm würde irgendwann aufhören", sagst du.
"Das wird er, doch er wird immer und immer wiederkommen", sage ich.
Während die Dunkelheit um mich herum immer dunkler, die Stimmen immer unerträglicher und lauter wurden und ich immer wütender wurde, wurde ich schneller. Immer schneller ging ich auf dich zu, bis ich irgendwann rann und schrie. Ich schrie meine Wut in die Dunkelhaut, holte mit der rechten Hand aus und schlug dir die Faust noch im Lauf ins Gesicht.
Dein Fall endet und du schlägst auf den Boden auf. Wie ich nun an mir heruntersehe merke ich, dass ich keinerlei Ähnlichkeit mit dir habe.
Lächelnd sehe ich meine eigene Hand, meine eigenen Beine, meinen eigenen Körper an.
Ich bin wieder ich.
Während das Gebrüll immer lauter wird richte ich mich auf. Dein Blut tropft an meiner Hand herunter.
Ich hätte mich versteckt, wie du es mir gesagt hättest, zurückgesteckt, alles dafür getan, mich anzupassen und nicht aufzufallen, so wie du es immer wolltest.
Doch stattdessen brülle ich lauter als es all eure Stimmen zusammen vermögen, brülle mir alles aus dem Leib, werde nicht aufhören, bevor ihr alle still seid.
Ich bin nicht angepasst. Ich bin nicht wie ihr.
Ich bin ich.