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Ihre Wange

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07.07.2005
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Ihre Wange

"Sie hat schöne blaue Augen!", dachte Anton und gab ihr eine Ohrfeige. Er hatte sie zuvor nie geschlagen. Manchmal waren kleinere Streitereien entstanden. Sie hatte gefragt, warum er so spät komme und er hatte erklärt, das die Arbeit ihn beanspruche. "Ich liebe dich!", hatte er zu ihr gesagt. "Aber damit wir uns dieses Leben hier leisten können, muss ich manchmal Überstunden machen!" Anton konnte lügen ohne rot zu werden. Es war nie aufgefallen, wo er sich wirklich rumgetrieben hatte. Jana nickte nur immer wie einer dieser Wackeldackel, die man anstubsen muss, damit sie sich bewegen und kochte ihm dann sein Abendessen.

Er konnte sich erinnern, das er sie einmal "Schlampe" genannt hatte. Damit hatte er aber auf keinen Fall versucht, eine Neigung für andere Männer zu verdeutlichen, sondern nur seine Wut über ein chaotisches Badezimmer zum Ausdruck bringen wollen. Er wußte nicht den Grund dafür, aber jetzt kurz nach dem Schlag, als ihre Wange sich rot färbte und sie ihn mit glasig entsetzten Pupillen anstarrte, hing ihm auf einmal dieses Bild von dem unordentlichen Badezimmer im Kopf. Auf dem Boden hatten ihre Kleider gelegen; eine Jeans, der rote Pulli und ein Tanga. Die Scheiben der Dusche waren beschlagen gewesen; sie hatten die Vereinbarung getroffen nach dem Duschen immer kurz das verdampfte Wasser, welches an den Scheiben hing, wegzuwischen. Anton war in solchen Angelegenheiten penibel und gerade jetzt erinnerte er sich daran, wie er wütend das Badezimmer erblickte, als wäre es gestern gewesen; es lag noch genau so als Erinnerung vor ihm wie ein Foto, das er geschossen, irgendwo verlegt und wiedergefunden hatte.

Er schaute ihr entgegen. Durch das geöffnete Fenster wehte ein leichter kühler Wind. Manchmal geschah es, das eine stärkere Böe durch den Spalt blies; und gerade in diesem Augenblick trug ein solcher Hauch den pinken Briefumschlag von der Kommode bis hinab zu Antons Füßen. Dort blieb der Umschlag liegen, rührte sich keinen Milimeter mehr, als sei er plötzlich festgefroren. Kein Auge bewegte sich; beide bemerkten den Umschlag, aber ihre Blicke klebten fest ineinander. Jana hatte etwas von Mitleid in ihren Augen; die kleinen Pupillen glänzten leicht, schienen ihm sagen zu wollen: "Heute hast du es zerstört; mit diesem Schlag hast du jenes Fundament durchbrochen, welches ich als Liebe sah!", aber sie schwiegen, trauten sich nicht.

Jetzt lag es wohl an ihm, das Möglichste zu tun. Er musste seine Ehe - oder das,was davon übrig blieb - retten. Anton liebte sie noch immer; dieser Schlag war ein dummer Ausrutscher gewesen. Nichts weiter. Eine Überdosis Wut in seinem Herzen. Es war einfach so urplötzlich aus ihm rausgeplatzt. Er hatte da gestanden, ihr zugehört wie sie ihn kalt und gleichgültig verurteilt hatte;mit diesem Blick; diesen Augen, als sei er ein Tier, als solle er im Schlamm kriechen. Ihre Miene hatte jene mitleidige Form angenommen, die ausdrücken soll:"Ich weiß nicht auf welche Weise man dir armseligen Gestalt nur helfen kann!"

Anton suchte verzweifelt nach den rechten Worten. Wahrscheinlich gab es sie gar nicht.
"Was geschieht jetzt?", fragte er, weil ihm klar war, das sie ein "Tut mir leid!" nur mit hämischem Lächeln quittiert hätte.
Sie schwieg dennoch. Eine kurze Pause entstand.
"Mit 15, rauchte ich in meinem Zimmer einmal eine Zigarette. Ich sah die Schachtel auf dem Nachttisch meines Vaters und konnte nicht widerstehen. Alle aus meiner Klasse hatten es getan; also nahm ich sie, setzte mich aufs Bett und inhalierte ein paar Züge. Es schmeckte scheußlich, aber - und hier ist der springende Punkt - mein Vater erwischte mich, kam ins Zimmer und verpasste mir eine Tracht Prügel wie ich sie zuvor nie erlebt habe. Er war sehr streng, hielt es für eine gerechte Methode mich so aus meinem Unheil zu befreien. Ich verstand nie warum er das getan hat und versteh es noch heute nicht. Genau so wenig wie du in mein Herz blicken kannst. Du weißt nicht, was ich fühle..."
"Vergleich diese Situation nicht mit der damals. Ich bin nicht jenes Objekt, welches es für dich zu erziehen gilt. Ich bin deine Frau und kein Gefühl der Welt rechtfertigt, das du mich schlägst. Du hast mal von Liebe gesprochen. Du hast diese Wange, dieses Fleisch mal geküsst. Und es ist mein Fleisch und ich sag dir; wage es nicht noch einmal auch nur einen Finger meiner Hand zu berühren. Über Jahre hinweg eine glückliche Ehe und du schaffst es wirklich alles, was in diesen Jahren gewachsen ist, in einem Augenblick auszurotten. Ich kann dir nicht mehr in die Augen blicken. Nimm deinen pinken Briefumschlag und pack deine Koffer."
Anton wartete kurz; dann verschwand er im Schlafzimmer.

 

Hier spricht der Tod!

Ich habe die Vorschläge von dir eingearbeitet und noch mal ein wenig auf die Zeiten geguckt. Hoffe, das es jetzt besser ist!

Danke Morphin fürs Lesen und Verbessern!
Ich werde dich wohl vorerst verschonen... ;D

Grüße
Tod

 

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